VwGH 2009/07/0063

VwGH2009/07/006317.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde des KHM in T., vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. Jänner 2009, Zl. WA1-W-42551/001-2007, betreffend Behebung eines Bescheides und Zurückverweisung einer wasserrechtlichen Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG (mitbeteiligte Parteien: 1. AW und 2. GW, beide in T., beide vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §12 Abs4;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §12 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B. (BH) vom 15. Februar 2007 wurde dem Beschwerdeführer als Betreiber einer an einem Werkskanal gelegenen Wasserkraftanlage in T. nachträglich die wasserrechtliche Bewilligung für

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der §§ 9 und 12 WRG 1959 lauten:

"§ 9. (1) Einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde bedarf jede über den Gemeingebrauch (§ 8) hinausgehende Benutzung der öffentlichen Gewässer sowie die Errichtung oder Änderung der zur Benutzung der Gewässer dienenden Anlagen. Auf Antrag hat die Behörde festzustellen, ob eine bestimmte Benutzung eines öffentlichen Gewässers über den Gemeingebrauch hinausgeht.

...

§ 12. (1) Das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung ist derart zu bestimmen, dass das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

...

(4) Die mit einer geplanten Wasserbenutzungsanlage verbundene Änderung des Grundwasserstandes steht der Bewilligung nicht entgegen, wenn das betroffene Grundstück auf die bisher geübte Art benutzbar bleibt. Doch ist dem Grundeigentümer für die nach fachmännischer Voraussicht etwa eintretende Verschlechterung der Bodenbeschaffenheit eine angemessene Entschädigung (§ 117) zu leisten."

Im Lichte dieser Gesetzesbestimungen haben die Mitbeteiligten - entgegen den Beschwerdeausführungen - zulässige Einwendungen vorgebracht.

Mit dem Bescheid der BH vom 15. Februar 2007 wurde u.a. der Umbau des Auslaufbauwerkes an der T. ('Rotes Wehr') zur Dotierung des Werkskanals bis maximal 3 m3/s bewilligt.

Die Mitbeteiligten brachten im Verfahren vor der BH und in der Berufung an die belangte Behörde vor, dass bei einer zu hohen Dotierung des Werkskanals (wie im Bescheid der BH vom 15. Februar 2007) durch die dabei "abgeführte Wassermenge das Grundwasser oder die Wasserverhältnisse" zum Nachteil ihrer Liegenschaft beeinflusst würden. Dies äußere sich dahingehend, dass bei "hohem Wasserstand des Werkskanals" der auf ihrer Liegenschaft befindliche Keller regelmäßig überflutet werde. Entscheidend sei demnach, dass es durch Schwankungen des Wasserspiegels im Werkskanal nach dem Vorbringen der Mitbeteiligten zu einer Beeinträchtigung (Überflutungsgefahr) ihrer Liegenschaft komme.

Damit haben die Mitbeteiligten eine im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 projektsbedingte Beeinträchtigung der Substanz ihres Grundeigentums dargetan (vgl. die bei Bumberger/Hinterwirth, WRG, 2008 zu § 12 WRG 1959 unter E 61 zitierte hg. Judikatur).

Wenn der Beschwerdeführer meint, den Mitbeteiligten stehe lediglich ein Anspruch nach § 12 Abs. 4 WRG 1959 zu, so ist dem entgegenzuhalten, dass § 12 Abs. 4 WRG 1959 nur für durch eine Wasserbenutzungsanlage hervorgerufene Nachteile infolge Änderung des Grundwasserstandes gilt, nicht aber bei von den Mitbeteiligten ins Treffen geführten Überschwemmungen (vgl. die bei Bumberger/Hinterwirth, WRG, 2008 zu § 12 WRG 1959 unter E 89 zitierte hg. Judikatur).

Grundeigentum im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 umfasst sowohl das Eigentum an Grund und Boden als auch die mit dem Grundeigentum verbundenen, nicht sonderrechtsfähigen Anlagen und Baulichkeiten (vgl. dazu Oberleitner, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 1959, Rdn 12 zu § 12 WRG 1959).

Es kann in diesem Zusammenhang dahin stehen, ob für den Keller der Mitbeteiligten eine baubehördliche Genehmigung vorliegt, deren Bestehen vom Beschwerdeführer bestritten wird. Dies ist für die aus wasserrechtlicher Sicht allein ausschlaggebende Frage der Beeinträchtigung des Grundeigentums der Mitbeteiligten in Form der Überflutung ihres Kellers als nicht sonderrechtsfähige Baulichkeit unerheblich.

Von diesem Vorbringen sind die von den Mitbeteiligten behaupteten Beeinträchtigungen durch die mangelnde Dichtheit des Werkskanals selbst zu unterscheiden. Zu Recht hat die belangte Behörde diese nicht zum Gegenstand ihres Verfahrens gemacht. Der Werkskanal ist nämlich nicht das Projekt, welches der BH zur Beurteilung nach § 9 WRG 1959 zugrunde gelegen ist, womit eine projektsbedingte Beeinträchtigung vom Ansatz her ausscheidet. Die diesbezüglichen Einwendungen erweisen sich - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - als unzulässig.

Der wasserbautechnische Amtssachverständige gelangte im Verfahren vor der belangten Behörde in seinem Gutachten vom 19. August 2008 zu dem Schluss, dass es bei Versagen näher beschriebener Einrichtungen zur Einleitung einer unzulässigen Wassermenge in den Werkskanal kommen könne. Eine Beeinträchtigung des Grundeigentums der Mitbeteiligten durch Überflutung sei daher nicht auszuschließen. Zudem ergebe sich in Verbindung mit der wasserrechtlichen Bewilligung vom 18. August 1989 für eine - neben der verfahrensgegenständlichen - weitere Wasserkraftanlage kein Anhaltspunkt, dass der Werkskanal für eine höhere Wassermange als 2,8 m2/s ausgelegt sei.

Dem tritt der Beschwerdeführer in seiner - im Zusammenarbeit mit DI H. - verfassten Stellungnahme vom 2. Oktober 2008 auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. So sei die behauptete Überflutung des Kellers der Mitbeteiligten bei einer Abflussmenge von 3 m3/s nicht nachvollziehbar. Der Keller werde nämlich unabhängig vom Werkskanal durch aufsteigendes Grundwasser überflutet. Im Zusammenhang mit der vom Amtssachverständigen beschriebenen Gefahr einer Einleitung unzulässiger Wassermengen in den Werkskanal wird auf drei "Mengenbegrenzungen" verwiesen: So gebe es beim Einlaufschütz des Werkskanals eine fixe maximale Querschnittsöffnung. Zudem sei eine Brücke über den Werkskanal vorhanden, die als Drossel wirke. Zuletzt würde bei Überschreiten des maximalen Wasserspiegels (2,85 m3/s) beim am Werkskanal gelegenen weiteren Kraftwerk eine Entlastung desselben durch Überlaufen in das dahinterliegende Gerinne erfolgen. Weiters berücksichtige der Amtssachverständige in seinem Gutachten Verfahrensergebnisse aus früheren Wasserrechtsverhandlungen nicht. So sei die Leistungsfähigkeit des Werkskanals jedenfalls ausreichend, um die Abflussmenge von 3,0 m3/s schadlos abzuleiten. Dies habe eine Messung vom 24. März 2005 ergeben, bei der eine Abflussmenge von 2,918 m3/s festgestellt worden sei. Bei einer Abflussmenge von 3,0 m3/s würde sich nur eine um 1,5 cm höhere Wasserspiegellage einstellen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Berufungsbehörde zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Die Voraussetzungen für ein auf § 66 Abs. 2 AVG gestütztes Vorgehen der Berufungsbehörde liegen dann vor, wenn der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nur in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für seine Ermittlung in Betracht kommenden Personen festgestellt werden kann und diese Personen daher gleichzeitig am selben Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werden müssen (vgl. unter vielen anderen etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2008, Zl. 2005/07/0142, mwN).

Beschwerdefallbezogen entstand mit den auf gleicher fachlicher Ebene vorgebrachten Hinweisen und Einwänden des Beschwerdeführers eine Ergänzungsbedürftigkeit des von der belangten Behörde im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Amtssachverständigen. Die belangte Behörde hätte daher jedenfalls ihren Amtssachverständigen neuerlich mit den in der Stellungnahme vom 2. Oktober 2008 vorgetragenen Einwänden befassen müssen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. April 2009, Zl. 2006/07/0159, mwN).

Die Notwendigkeit von Verfahrensergänzungen durch nochmalige Befassung des Amtssachverständigen ist nämlich allein kein Grund, aus dem die neuerliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 2001/05/0019).

Angesichts dieser noch ausstehenden neuerlichen Befassung ihres Amtssachverständigen konnte die belangte Behörde eine Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 66 Abs. 2 AVG vorliegen, noch gar nicht vornehmen.

Die belangte Behörde argumentiert im Zusammenhang mit einer Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG auch mit Projektsänderungen bzw. Projektsergänzungen; in diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach nicht jede Projektsänderung bzw. -ergänzung eine Aufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG rechtfertigt. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Projektsänderungen, die sich im Rahmen der "Sache" bewegen, und solchen, die die "Sache" überschreiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2005, Zl. 2001/07/0007).

Schließlich haben die vorstehenden Ausführungen auch für die Berufungseinwände des Beschwerdeführers selbst Geltung. So wäre zu den in der Berufung im Zusammenhang mit Auflagen des erstinstanzlichen Bescheides aufgeworfenen Fragen eine ergänzende Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Fischerei notwendig. Weshalb bei Fragen der Fischwanderhilfe eine Erörterung mit den Mitbeteiligten vonnöten sei, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht einsichtig.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich - im begehrten Ausmaß - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. Juni 2010

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