VwGH 86/18/0127

VwGH86/18/01278.7.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Böhler, über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in C, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 4. März 1986, Zl. VerkR‑580/7‑1986‑II/Bi, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1
AVG §13 Abs1
AVG §33
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
AVG §46
AVG §52
AVG §56
AVG §62 Abs1
AVG §65
AVG §66 Abs4
StVO 1960 §5 Abs1
VStG §19
VStG §25 Abs2
VStG §44a lita
VStG §44a Z1
VStG §51
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1986180127.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der verhängten Strafe und der damit verbundenen Kostenbestimmung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Bezüglich des Schuldausspruches des angefochtenen Bescheides wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 4. März 1986 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 21. Mai 1984, um 1.25 Uhr in Linz, Leonfeldnerstraße stadtauswärts einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw alkoholbeeinträchtigt gelenkt. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a leg. cit. wurde eine Geldstrafe von S 10.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 14 Tagen verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der 13. Novelle, BGBl. Nr. 105/1986, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen, wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet. Bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt.

Geht man vom Beschwerdevorbringen aus, so bestreitet der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat und bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörde.

Wenn die belangte Behörde auf Grund des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens zu der Annahme gelangt ist, der Beschwerdeführer habe „in einem durch Alkoholgenuß beeinträchtigten Zustand“ ein Fahrzeug gelenkt, so ist dies durch die Aktenlage gedeckt. Der Beschwerdeführer ist, nachdem die beiden Polizeibeamten bei dem Beschwerdeführer diverse Symptome einer Alkoholisierung (Alkoholgeruch aus dem Mund, gerötete Bindehäute) wahrgenommen hatten, wobei der Beschwerdeführer selbst zugegeben hatte, vorher Alkohol konsumiert zu haben, und der Alkotest positiv verlaufen war, im Sinne des § 5 Abs. 4 lit. a StVO 1960 einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorgeführt worden. Der praktische Arzt Dr. M. stellte im Rahmen einer eingehenden klinischen Untersuchung ebenfalls eine Reihe von Alkoholisierungsmerkmalen, nämlich undeutliche Sprache, unsicheren Gang, Geruch der Atemluft nach Alkohol, Rötung der Augenbindehäute, unsichere Rombergprobe, träge Pupillenreaktion, grobschlägigen Nystagmus in der Dauer von mehr als 20 Sekunden und verminderte Reaktionsfähigkeit, fest. Die klinische Beurteilung ergab nach diesem Gutachten des praktischen Arztes Dr. M. eine starke Alkoholbeeinträchtigung, dieser Sachverständige kam zum Schluß, der Beschwerdeführer sei zum Tatzeitpunkt alkoholbeeinträchtigt und fahruntüchtig gewesen; diese Fahruntüchtigkeit sei durch verminderte Reaktionsfähigkeit infolge Alkoholeinwirkung ‑ unabhängig von der Höhe des Blutalkoholgehaltes ‑ verursacht worden.

Ausgehend von dem oben dargelegten Befund des praktischen Arztes Dr. M. ‑ welchen Befund der Beschwerdeführer nicht bestritten hat ‑ hat auch der Sachverständige Dr. T. in dem im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholten Gutachten eine Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers verursacht durch Alkoholeinwirkung unabhängig von der Höhe des Blutalkoholgehaltes angenommen. Der Einwand des Beschwerdeführers gegen dieses Gutachten, der Sachverständige Dr. T. sei nicht in der Lage gewesen, „zum Einfluß des zweifellos beim Beschwerdeführer vorhandenen Bluthochdruckes, bzw. Virusinfektion und Übermüdung auf den Nystagmuswert gutachterlich Stellung zu beziehen“ ist aktenwidrig, weist doch dieser Sachverständige in seinem Gutachten vom 13. Jänner 1986 ausdrücklich darauf hin, daß ein grobschlägiger Nystagmus von über 20 Sekunden Dauer nur alkoholtoxisch bedingt sei, zumal anläßlich der polizeiärztlichen Nachuntersuchung vom 4. Dezember 1984 beim Beschwerdeführer ein vollkommen normaler Nüchternnystagmus erhoben worden sei. Wollte der Beschwerdeführer diese gutachterliche Feststellung in Zweifel ziehen, so wäre es an ihm gelegen, schon in dem der Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren ein auf der gleichen fachlichen Ebene stehendes Gegengutachten einzubringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 85/18/0290). Sofern der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Nichtbeischaffung zweier behördlicher Akte sowie eines gerichtlichen Aktes durch die belangte Behörde rügt, kann darin kein Verfahrensmangel erblickt werden, behauptet doch der Beschwerdeführer nicht einmal selbst, die medizinischen Sachverständigen hätten in den in den dortigen Verfahren abgegebenen Gutachten eine Feststellung dahingehend getroffen, daß ein grobschlägiger Nystagmus auch ohne Alkoholbeeinflussung bedingt sein könne.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach dargetan hat, rechtfertigt eine träge Pupillenreaktion in Verbindung mit einem deutlichen Geruch der Atemluft nach Alkohol (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0089) oder ein grobschlägiger Drehnystagmus nach 15 Sekunden in Verbindung mit einem positiven Alkotest (vgl. hiezu z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1986, Zl. 85/03/0142) jeweils die Annahme einer alkoholbeeinträchtigten Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960. Im Hinblick auf die von Dr. M. kurz nach der Tatzeit festgestellten Alkoholisierungsmerkmale, insbesondere die träge Pupillenreaktion und den grobschlägigen Nystagmus in der Dauer von mehr als 20 Sekunden, bestehen im Lichte dieser Judikatur, die mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft im Einklang steht (vgl. Jarosch-Müller-Piegler, Alkohol und Recht, 2. Auflage, Wien 1973, S. 40 hinsichtlich der Pupillenreaktion und Seite 42 hinsichtlich des Nystagmuswertes) gegen die Schlüssigkeit dieser Gutachten, die die belangte Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat, keine Bedenken.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 1985, Zl. 85/18/0202, und die dort zitierte Vorjudikatur) zu § 5 Abs. 1 StVO 1960 macht das Gesetz keinen Unterschied, ob die (eine Fahruntüchtigkeit bewirkende) Alkoholbeeinträchtigung durch einen Blutalkoholwert von mindestens 0,8 %o oder durch einen diese Konzentration nicht erreichenden Promillegehalt hervorgerufen wurde. Der zweite Satz des § 5 Abs. 1 StVO 1960, wonach bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt gilt, beinhaltet nur die unwiderlegbare Rechtsvermutung, wonach der Zustand einer Person bei einem Blutalkoholwert von 0,8 %o und darüber auf jeden Fall als beeinträchtigt gilt. Eine Person, die ihr Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand lenkt, macht sich daher der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 unabhängig davon schuldig, ob ihr Blutalkoholgehalt 0,8 %o erreicht hat oder nicht. Tatbestandsmerkmal der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 ist das Vorliegen eines (die Fahruntüchtigkeit bewirkenden) durch Alkohol beeinträchtigten Zustandes, nicht aber die Höhe des Blutalkoholwertes.

Im Hinblick auf diese Rechtslage ist es somit nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers zur Zeit der Tat tatsächlich die 0,8 %o‑Grenze bereits überschritten hatte. Entscheidend ist lediglich, ob er sich zu diesem Zeitpunkt in einem die Fahruntüchtigkeit bewirkenden durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, wovon die belangte Behörde aber schon auf Grund der weiter oben angeführten schlüssigen Gutachten ausgehen durfte. Die diesbezüglich aus der Beschwerde hervorleuchtende gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers ist demnach verfehlt.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe nicht geklärt, ob sich der bei ihm zum Untersuchungszeitpunkt - bedingt durch die Umstände der Amtshandlung - vorhanden gewesene äußerste Erregungszustand möglicherweise (zu seinen Lasten) auf den Nystagmuswert ausgewirkt habe, besteht nicht zu Recht. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich schon wiederholt ausgesprochen, daß auf solche unbestimmt und allgemein gehaltene Einwendungen auch im medizinischen Bereich nicht eingegangen zu werden braucht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1986, Zl. 85/18/0053).

Im übrigen hat der Beschwerdeführer selbst angegeben, sein Zustand sei zum Tatzeitpunkt durch Medikamenteneinnahme, überhöhten Blutdruck, Virusinfektion bzw. übergangene Grippe und Übermüdung auf Grund von Schlafstörungen geprägt gewesen. Gerade hiezu hat aber der Sachverständige Dr. T. in seinem Gutachten vom 13. Jänner 1986 ausdrücklich Stellung genommen und ausgeführt, daß „durch die Medikamenteneinnahme die Wirkung des Alkohols zwar nicht im Sinne einer Zunahme des Blutalkoholgehaltes, wohl aber im Sinne einer Erhöhung der Fahruntüchtigkeit verstärkt“ worden sei. Diese Ansicht des Sachverständigen steht mit der oben zitierten medizinischen Fachliteratur, Seite 46, im Einklang. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, kommt die Bestimmung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 auch dann zum Tragen, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht ausschließlich auf Alkoholgenuß, sondern auch auf andere Komponenten (wie z.B. die Einnahme von Medikamenten oder Ermüdungszustände) zurückzuführen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1985, Zl. 85/18/0207). Wenn daher die belangte Behörde - gestützt auf diese Gutachten - eine Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO zur Tatzeit als erwiesen angenommen hatte, ist darin keine Rechtswidrigkeit gelegen.

Hinsichtlich der Feststellung, der Beschwerdeführer habe ein Kfz in alkoholbeeinträchtigtem Zustand gelenkt, hat sich die belangte Behörde auf die Zeugenaussagen der beiden einschreitenden Sicherheitswachebeamten gestützt. Diese haben in ihren Zeugenaussagen vom 26. Juni 1985 bzw. 3. Juli 1985 übereinstimmend angegeben, der Beschwerdeführer habe sein Kfz auf der Leonfeldnerstraße jedenfalls von der Einmündung der Keplerstraße bis zu seiner Anhaltung ca. 50 m vor der Einmündung der Millsteigerstraße gelenkt. Der Beschwerdeführer konnte sich in diesem Zusammenhang nicht zu Recht auf die Zeugenaussage des M. W. stützen, da dessen Angabe, der Beschwerdeführer habe sich in einem bestimmten Lokal aufgehalten und dort ein bis zwei Gespritzte getrunken, nicht geeignet ist, die Angabe der beiden Sicherheitswachebeamten als unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Auch der vom Beschwerdeführer gerügte Widerspruch in den Aussagen der einschreitenden Sicherheitswachebeamten hinsichtlich des Grundes seiner Anhaltung liegt nicht vor. Aus der Anzeige und der Zeugeneinvernahme der beiden Sicherheitswachebeamten ist klar ersichtlich, daß diese auf Grund der unsicheren Fahrweise des Beschwerdeführers die Absicht gehabt haben, ihn zum Zwecke einer Fahrzeugkontrolle anzuhalten. Wieso das von den Polizeiorganen anläßlich der Fahrzeugkontrolle - bei vom Beschwerdeführer behaupteter völliger Dunkelheit - festgestellte Alkoholisierungsmerkmal „gerötete Augenbindehäute“ falsch gewesen sein sollte, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan und wäre für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar, hat doch der die klinische Untersuchung durchführende praktische Arzt Dr. M. anläßlich der Befundaufnahme beim Beschwerdeführer - unbestrittenermaßen - ebenfalls dieses Alkoholisierungsmerkmal festgestellt. Wenn daher die belangte Behörde den schlüssigen Zeugenaussagen der beiden Sicherheitswachebeamten folgend angenommen hat, der Beschwerdeführer habe zum Tatzeitpunkt am Tatort ein Kraftfahrzeug gelenkt, so kann ihr ebenfalls nicht entgegengetreten werden.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers, es sei im Spruch des angefochtenen Bescheides keine nähere Präzisierung des genauen Tatortes erfolgt, da die örtliche Bezeichnung „Leonfeldnerstraße stadtauswärts“ nicht hinreichend konkret sei, ist zu erwidern, daß der Vorschrift des § 44a lit. a VStG 1950 dann entsprochen ist, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a lit. a VStG genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen läßt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleichtumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053 und die darin weiter zitierte Vorjudikatur). Der Gerichtshof kann nicht finden, daß der von der belangten Behörde bestätigte Schuldspruch des erstbehördlichen Straferkenntnisses unter diesen Gesichtspunkten mangelhaft ist. Es ist nämlich nicht zu erkennen, weshalb ein der Begehung eines Deliktes nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 Beschuldigter durch die Tatortumschreibung mittels Nennung eines auch längeren in einem Ortsgebiet gelegenen Straßenzuges - den der Beschuldigte nur zum Teil befahren haben mag - in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt werden könnte. Die Bezeichnung des Tatortes durch Nennung eines in einem Ortsgebiet gelegenen längeren Straßenzuges schützt den Beschuldigten auch vor jeder weiteren Bestrafung wegen jedes gleichartigen Deliktes, welches der Beschuldigte zu der im Spruch (durch Angabe der auf die Minute genauen Uhrzeit) präzisierten Tatzeit irgendwo auf dem gesamten Straßenzug begangen haben mag. Der Beschwerdeführer hat auch selbst nicht behauptet, er sei durch die seiner Meinung nach fehlende nähere Angabe der von ihm in der Leonfeldnerstraße zurückgelegten Strecke in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden oder er sei der Gefahr einer „Doppelbestrafung“ ausgesetzt gewesen. (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1987, Zl. 87/03/0113, in welchem der Gerichtshof beim Delikt nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 die Tatortumschreibung „auf der Tiroler‑Straße B 171 über Milser Gstoag in Fahrtrichtung Imst“ als ausreichend konkretisiert angesehen hat). Der vom Beschwerdeführer behauptete Verstoß gegen § 44a lit. a VStG 1950 liegt daher nicht vor.

Dagegen erweist sich der Strafausspruch schon deshalb als fehlerhaft, weil die belangte Behörde den wesentlichen Milderungsgrund der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt hat. Die Frage, ob bei der Strafbemessung ein Umstand als mildernd oder erschwerend zu berücksichtigen ist, stellt sich als Rechtsfrage dar; die Nichtberücksichtigung eines Milderungsgrundes bedeutet eine inhaltliche Rechtswidrigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1985, Zl. 85/18/0198). Dadurch, daß die belangte Behörde bei der Strafbemessung die Frage der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als Milderungsgrund gar nicht in Erwägung gezogen und daher auch nicht geprüft hat, hat sie den angefochtenen Bescheid in dem die Strafzumessung betreffenden Teil mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Soweit die belangte Behörde versucht hat, in ihrer Gegenschrift die Angemessenheit der verhängten Strafe zu begründen, ist sie darauf hinzuweisen, daß dies nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig ist, weil die Nachholung der Begründung in der Gegenschrift zur Verwaltungsgerichtshofbeschwerde die der Behörde (schon im Bescheid) zukommende Begründungspflicht nicht zu ersetzen vermag. Die Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift sind daher nicht geeignet, diesen Mangel zu beheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1987, Zl. 86/12/0115). Auch ist der belangten Behörde insofern ein gegenüber der aufgezeigten Rechtswidrigkeit des Inhaltes in den Hintergrund tretender Verfahrensmangel unterlaufen, als sie das Vorbringen des Beschwerdeführers über seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse in seinem Schriftsatz vom 3. März 1986 nicht beachtet hat. Den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift, dieser Schriftsatz sei „aus nicht erneuerbaren Gründen“ erst nach Abfertigung des Berufungsbescheides zur zuständigen Abteilung gelangt, ist zunächst die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach ein relevantes Vorbringen bis zu Zustellung des Bescheides zu beachten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Oktober 1987, Zl. 87/18/0084 und vom 15. Dezember 1987, Zl. 87/05/0167). Abgesehen davon hätte es ohnehin die - eine Einheit bildende - belangte Behörde zu verantworten, wenn Schriftstücke nicht rechtzeitig in die jeweils zuständige Abteilung weitergeleitet werden. Als unzutreffend erweist sich dagegen die Behauptung des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe andere unzutreffende und aktenwidrige Erschwerungsgründe übernommen, weil die belangte Behörde zur Strafbemessung nicht auf das erstinstanzliche Straferkenntnis verwiesen, sondern die Bemessung der Strafe selbst ausführlich - wenn auch mit den oben aufgezeigten Fehlern - begründet hat.

Der angefochtene Bescheid war daher in seinem, die Verhängung der Strafe und die damit verbundenen Kosten betreffenden Teil gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. April 1979, Slg. Nr. 9828/A).

Hinsichtlich der zitierten nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 8. Juli 1988

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