VwGH 85/18/0053

VwGH85/18/005312.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Brauhart, über die Beschwerde des MK in S, vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 17, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 5. November 1981, Zl. MA 70-IX/K 214/80/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StGB §34 Z17;
StVO 1960 §5 Abs1;
VStG §11 Abs2;
VStG §19 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1985180053.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge der Erhebungen nach einem Verkehrsunfall mit Personen-

und Sachschaden, der sich am 9. September 1979 um 0.15 Uhr im Kreuzungsbereich Thaliastraße-Kirchstetterngasse in Wien 16, ereignet hatte, wurde der Beschwerdeführer, einer der am Unfall beteiligten Fahrzeuglenker, nach einer Mundspülung um 0.30 Uhr einer Atemluftprobe unterzogen, welche positiv ausfiel. Um

1.30 Uhr es erwähnten Tages untersuchte der Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Wien Dr. S. den Beschwerdeführer und nahm ihm um 1.35 Uhr Blut ab. Bei dieser Untersuchung gab der Beschwerdeführer den Konsum von 3/4 Liter Weißwein in der Zeit zwischen 18.00 Uhr und 23.00 Uhr des Vortages zu. Die klinische Untersuchung durch den Amtsarzt Dr. S. ergab unter anderem unsicheren Gang, unsichere Finger-Finger-Probe, deutliche Rötung der Bindehäute, träge Pupillenreaktion, veränderte Sprache, deutlichen Geruch der Atemluft nach Alkohol und beherrschtes Benehmen. In der vorgedruckten Zeile "klinische Beurteilung" ist kein bestimmter Grad der Alkoholisierung angekreuzt. Das "ärztliche Gutachten" lautete jedoch: "Auf Grund der klinischen Untersuchung sowie des positiven Alkotestes war zur Zeit der Betretung nicht geeignet ein Kfz mit der nötigen Sicherheit zu lenken." Die Auswertung der Blutalkoholprobe durch das Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien ergab einen Blutalkoholwert von 1,85 %o zur Zeit der Blutentnahme. Im Verwaltungsstrafakt erliegt ein vom Beschwerdeführer eigenhändig unterfertigtes mit 9. September 1979 datiertes Formblatt mit folgenden nicht durchgestrichenen Erklärungen: "Ich stimme einer Blutabnahme zum Zwecke der Durchführung einer Blutalkoholuntersuchung zu. Ich verlange eine Blutabnahme zum Zwecke der Durchführung einer Blutalkoholuntersuchung und nehme zur Kenntnis, daß ich die Kosten der Blutabnahme und der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes ohne Rücksicht auf das Untersuchungsergebnis zu tragen habe."

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. März 1980 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 9. September 1979 um 0.15 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Wien 16, Thaliastraße-Kirchstetterngasse, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von 1,85 Promille gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; nach der erstgenannten Gesetzesstelle wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 7.000,-- (Ersatzarreststrafe von 7 Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig die Berufung. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens der Berufungsbehörde erstellte der Amtsarzt der Erstbehörde Dr. S. am 23. Oktober 1980 folgendes Nachtragsgutachten: "Zur Zeit der

Untersuchung .... (des Beschwerdeführers) .... war beim

Röhrchentest die Marke überschritten, Gang- und Finger-Probe unsicher, Pupillenreaktion träge unverändert, Geruch der Atemluft deutlich positiv. Die Blutabnahme zur Alkotestprobe wurde mit seinem Einverständnis abgenommen und ergab 1,85 pro Mill. Er war daher auf Grund des Alkotestes (1,85 %o) und der klinischen Untersuchung nicht geeignet, ein Kfz mit der nötigen Sicherheit zu lenken." Ferner erstattete der Amtsarzt der Erstbehörde Dr. H. am 22. April 1981 ein Gutachten dahin, daß die Rückrechnung des Blutalkoholwertes auf den Zeitpunkt des Ereignisses ca. 1,9 %o ergebe.

Mit Bescheid vom 5. November 1981 bestätigte die Wiener Landesregierung das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung, daß in der Tatumschreibung die Worte: "Von 1,85 Promille" zu entfallen haben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer meine, daß eine Alkoholbeeinträchtigung nicht vorgelegen habe bzw. daß das Ergebnis der Untersuchung des Blutalkoholwertes mangels zutreffender Voraussetzungen nicht zur Grundlage des Straferkenntnisses hätte gemacht werden dürfen. Nach der vom Beschwerdeführer am 9. September 1979 eigenhändig unterschriebenen Erklärung habe dieser eine Blutabnahme zum Zwecke der Durchführung einer Blutalkoholuntersuchung verlangt. Dies habe nichts mit der Blutuntersuchung gemäß § 5 Abs. 6 StVO zu tun, da dieser Tatbestand trotz Vorliegens leichter Verletzungen nicht gegeben gewesen sei. Vielmehr habe sich die Erklärung auf den Tatbestand des § 5 Abs. 7 StVO bezogen. Das Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin in Wien habe mit Bericht vom 11. September 1979 festgestellt, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Blutabnahme einen Blutalkoholwert von 1,85 Promille aufgewiesen habe. Da die Blutabnahme 1 1/4 Stunden nach Anhaltung des Beschwerdeführers erfolgt sei, wäre bei Rückrechnung auf den Zeitpunkt des Lenkens noch ein weitaus höherer Blutalkoholwert der Entscheidung zugrunde zu legen gewesen. Da vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden sei, das Ergebnis des Institutes für gerichtliche Medizin in Wien wäre falsch gewesen oder sei durch sonstige Umstände, wie Vertauschen, zustande gekommen, sei dieses der Entscheidung zugrunde zu legen gewesen. Da nach der zwingenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 StVO ein Fahrzeuglenker als von Alkohol beeinträchtigt gelte, wenn er einen Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber aufweise, sei die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat als erwiesen anzunehmen gewesen. Im übrigen werde bemerkt, daß Feststellungen über die vom Lenker genossenen Alkoholmengen einem gesicherten Blutalkoholbefund die Beweiskraft nicht nehmen könnten und daß bei der Beurteilung der Frage, ob ein strafbarer Tatbestand nach der StVO verwirklicht worden sei, die Verwaltungsbehörde an die Beweiswürdigung der Gerichte nicht gebunden sei, weshalb die Einstellung des Verfahrens vor dem Gericht ebenfalls nicht schuldbefreiend wirken habe können. Der Berufung sei daher der Erfolg zu versagen und das erstinstanzliche Straferkenntnis zu bestätigen gewesen. Die Änderung im Spruch habe der genaueren Tatumschreibung und Anpassung an den Straftatbestand gedient. Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung habe nicht in unerheblichem Maße das an der Verkehrssicherheit bestehende Interesse, dem die Strafdrohung diene, gefährdet, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gerade gering gewesen sei. Daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, sei weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen gewesen und könne daher das Verschulden des Beschwerdeführers nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der Strafbemessung sei der Umstand, daß dem Beschwerdeführer der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugute komme, der relativ hohe Blutalkoholgehalt sowie die eher günstigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse berücksichtigt worden. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den von S 5.000,-- bis S 30.000,-- reichenden Strafsatz sei die verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch. Eine Herabsetzung der Strafe sei daher nicht in Betracht gekommen. Dies auch deshalb, weil eine mildere Strafe kaum geeignet gewesen wäre, den Beschwerdeführer von einer neuerlichen Wiederholung der Tat ausreichend abzuschrecken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst macht der Beschwerdeführer geltend, er habe zwar einer Blutabnahme zugestimmt, jedoch nicht einer Blutalkoholuntersuchung; überdies lägen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 6 StVO, nämlich eine erhebliche Verletzung, nicht vor, weshalb das Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung dem gegenständlichen Verfahren nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß gemäß § 5 Abs. 7 StVO ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes auch vorzunehmen hat, wenn sie ein Vorgeführter verlangt oder ihr zustimmt, oder wenn sonst eine Person, die im Verdacht steht, eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a begangen zu haben, oder ein Fußgänger, der im Verdacht steht, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, eine solche Blutabnahme verlangt.

Der Beschwerdeführer hat - wie aus der im Verwaltungsstrafakt erliegenden, vom Beschwerdeführer eigenhändig unterfertigten schriftlichen Erklärung vom 9. September 1979 zu entnehmen ist - nicht nur der Blutabnahme "zugestimmt", sondern diese auch "verlangt" und zwar ausdrücklich "zum Zwecke der Durchführung einer Blutalkoholuntersuchung". Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte sich zur Stützung ihres Schuldspruches eines rechtswidrig gewonnenen Beweismittels bedient, ist daher schon auf Grund der ausdrücklichen Erklärung des Beschwerdeführers unverständlich.

Der weiteren Rüge des Beschwerdeführers, wonach er "klar" ausgeführt habe, daß auf Grund seines erhöhten Blutzuckerspiegels eine Verfälschung des Alkoholwertes eingetreten sei, ist zu entgegnen, daß er in seiner Berufung vom 11. April 1980 in aktenwidriger Weise behauptet hat, der Alkotest sei negativ ausgefallen und stehe im Gegensatz zum ermittelten Blutalkoholgehalt. Das Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung könne "auf einen Fehler" zurückzuführen sein oder "auf einen möglicherweise vorhandenen erhöhten Blutzuckerwert". Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang schon wiederholt ausgesprochen, daß auf solche unbestimmt und allgemein gehaltene Einwendungen auch im medizinischen Bereich nicht eingegangen zu werden braucht (vgl. Erkenntnis vom 28. November 1984, Zl. 84/03/0150). Dazu kommt noch - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend darlegt - daß der Beschwerdeführer vom Polizeiarzt auch auf Grund der klinischen Untersuchung für fahruntauglich erklärt wurde (vgl. das hg. gerichtliche Erkenntnis vom 30. März 1984, Zl. 83/02/0241). Überdies hat der Beschwerdeführer im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens bei seiner Einvernahme am 13. März 1980 auf das Ergebnis der Blutuntersuchung selbst hingewiesen und ersucht, sein "Geständnis besonders zu werten" und bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der Strafbemessung rügt der Beschwerdeführer, es sei nicht ausgeführt worden, welche Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Strafbemessung zugrunde gelegt worden seien; außerdem könne der relativ hohe Blutalkoholgehalt nicht als Erschwerungsgrund herangezogen werden.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer über diese Umstände anläßlich der Beschuldigtenvernehmung im Rechtshilfeweg am 13. März 1980 vor der Bundespolizeidirektion Salzburg befragt wurde. Der Beschwerdeführer selbst gab in dieser Niederschrift zu seinen Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnissen an:

"Betriebsvermögen, laut Einkommensteuerbescheid, Gattin und zwei Kinder, Pkw ist Firmenfahrzeug". Da der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Einkommens keine klaren Angaben gemacht hat, ist es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse als "eher günstig" eingeschätzt und die Strafe mit S 7.000,-- nur geringfügig höher als mit dem gesetzlichen Mindeststrafsatz bemessen hat. Außerdem hat sie die übrigen Erwägungen (Erschwerungsgründe, keine Milderungsgründe) zutreffend dargelegt. Die belangte Behörde konnte das erwähnte "Geständnis" des Beschwerdeführers deshalb nicht als Milderungsgrund berücksichtigen, weil der Beschwerdeführer in der Folge die Tat wieder bestritten hat.

Insofern sich der Beschwerdeführer gegen die Berücksichtigung des relativ hohen Blutalkoholgehaltes als Erschwerungsgrund wendet, ist darauf zu verweisen, daß ein Tatbestandsmerkmal zwar bei der Strafbemessung weder als erschwerender noch als mildernder Umstand gewertet werden darf (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. März 1959, Slg. N. F. Nr. 4969/A), der gesetzliche Grenzwert von 0,8 %o jedoch kein Tatbestandsmerkmal ist, weshalb die belangte Behörde im Hinblick auf die beträchtliche Überschreitung dieses Grenzwertes zu Recht den sehr hohen Blutalkoholwert als Erschwerungsgrund angenommen hat.

Da es somit der Beschwerde nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 12. September 1986

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