AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:I421.2269403.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ÄGYPTEN, vertreten durch MigranntInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX (BFA-O) vom 07.03.2023, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 29.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde dazu von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag einer Erstbefragung unterzogen. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er dabei an, er habe Ägypten im Alter von fünf Monaten mit seinen Eltern aus politischen Gründen verlassen. Abu Dhabi habe er aus Studienzwecken verlassen, die Ukraine wegen des Krieges. Seine Heimat seien die Vereinigten Arabischen Emirate und habe er dort nichts zu befürchten.
2. Am 29.09.2022 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme einvernommen. Zusammengefasst gab er dabei befragt zu seinen Fluchtgründen an, in Ägypten geboren aber mit seinen Eltern in die Vereinigten Arabischen Emirate gereist zu sein und dort sein Leben lang gewohnt zu haben. Er könne nicht nach Ägypten zurück, weil seine Eltern politische Probleme hätten. Das Haus seiner Eltern sei ihnen weggenommen worden, sein Vater sei festgenommen worden und die Mutter habe mit 50.000 Genin den Vater wieder freigekauft.
3. Am 06.03.2023 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor der belangten Behörde statt, in welcher er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen ausführte, keine Asylgründe zu haben, außer studieren zu wollen. Er habe in den Vereinigten Arabischen Emiraten vier Semester Engineering studiert und es in Charkow nicht geschafft zu studieren, weil er in der Ukraine aufgrund des Krieges nur zwei Monate aufhältig gewesen sei. Er wolle in Österreich noch weitere vier Semester studieren, das sei sein Grund, warum er hier sei.
4. Mit Bescheid vom 07.03.2023, Zl. XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem BF keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Dem BF wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen die Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).
5. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch die Rechtsvertretung des BF am 24.03.2023 eingebrachte Beschwerde. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der BF Sippenhaft befürchte und deshalb ungerechtfertigten, willkürlichen Vorwürfen seitens der ägyptischen Behörden und schwerwiegenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei, wogegen er sich aufgrund der Korruption und Inkompetenz der ägyptischen Polizei nicht habe wehren können. Dem BF drohe im Falle einer Rückkehr Folter und Tod. Zudem hätte der BF jegliche Existenzmöglichkeit in Ägypten verloren, wohingegen er in Österreich ein intensives, schützenswürdiges Privat- und Familienleben aufgebaut habe.
6. Mit Schriftsatz vom 27.03.2023, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck am 31.03.2023, wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck vorgelegt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige, ledige BF ist Staatsangehöriger von Ägypten, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum islamischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch, zudem spricht er Englisch. Seine Identität steht fest.
Der BF ist in Gizeh geboren und im Kindesalter mit seiner Familie in die Vereinigten Arabischen Emirate gezogen. Er hat in XXXX die Grundschule, die Mittelschule und das Gymnasium besucht und die Matura abgeschlossen und an der University of XXXX studiert, das Studium aber abgebrochen. Von 2014 bis 2015 lebte er mit seiner Familie in Gizeh in Ägypten und anschließend bis 2021 in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo er zuletzt von 14.03.2021 bis 13.03.2023 über ein Aufenthaltsrecht verfügte. Der BF reiste am 30.11.2021 aus den Vereinigten Arabischen Emiraten aus. Er reiste in die Ukraine zum Studieren und hielt sich bis Ende Februar 2022 dort auf. Der BF war in Besitz eines von 10.12.2021 bis 09.03.2022 gültigen Visums für die Ukraine. Aufgrund des Krieges in der Ukraine reiste er über die Slowakei nach Deutschland, wo er am 24.03.2022 einreiste und als aus der Ukraine kommender Drittstaatsangehöriger registriert wurde. Dort stellte der BF am 03.05.2022 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Einen Antrag auf internationalen Schutz stellte der BF nicht. Am 05.09.2022 lehnte die Ausländerbehörde im XXXX in Deutschland mit Bescheid den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG (Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz) ab. Der BF reiste weiter nach Österreich und hält sich seit (mindestens) 29.09.2022 im Bundesgebiet auf und ist seit 15.10.2022 durchgehend melderechtlich in Österreich erfasst.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Seine Eltern sowie seine Schwester leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Vater des BF arbeitet nicht mehr, erhält aber keine Pension. Der BF steht in regelmäßigen Kontakt zu ihnen. Der BF finanzierte sich seinen Aufenthalt in der Ukraine selbständig durch Ersparnisse. In Ägypten leben weitere Verwandte des BF, insbesondere Onkel und Tanten des BF.
In Österreich hat der BF keine familiären Angehörigen oder sonstigen privaten Beziehungen. Der BF weist keine Deutschkenntnisse auf. Der BF hat keine Nachweise über einen abgeschlossenen Deutschkurs oder eine absolvierte Deutschprüfung erbracht.
Der BF geht keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Maßgebliche private Bindungen des BF zu Österreich sind nicht gegeben und liegt auch keine integrative Verfestigung in sprachlicher, sozialer oder beruflicher Hinsicht vor.
Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Ägypten aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird. Ein konkreter Anlass für ein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden.
Hinsichtlich seiner Ausreise aus Ägypten konnte keine asylrelevante Verfolgungs- oder Bedrohungsgefahr des BF festgestellt werden.
Der BF muss bei seiner Rückkehr nach Ägypten nicht mit einer Verfolgung rechnen und wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Eine Rückkehr des BF nach Ägypten ist möglich und zumutbar und führt nicht dazu, dass er dort in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Es ist ihm zumutbar wieder in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren und eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Der BF befindet sich erst seit wenigen Monaten in Österreich und ist hier daher nicht verfestigt.
1.3 Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Zur aktuellen Lage in Ägypten werden auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Ägypten vom 29.08.2022 folgende Feststellungen getroffen:
COVID-19
Die Einreise nach Ägypten ist derzeit ohne jegliche COVID-19 Einschränkung möglich (WKO 21.7.2022; vgl. BMEIA 22.8.2022, AA 22.6.2022): Ägypten hat ab Freitag, den 17.6.2022, alle Beschränkungen für die Einreise für Ägypter und Ausländer aufgehoben (WKO 21.7.2022). Es ist keine Vorlage einer Impfungsbescheinigung, eines negativen PCR-Testes oder des AntigenSchnelltests mehr notwendig (WKO 21.7.2022; vgl. BMEIA 22.8.2022).
Eine neue Infektionswelle hat auch Ägypten erfasst, derzeit steigen die Infektionszahlen wieder (Stand Mitte Juli). Es bestehen zum Teil lokale Einschränkungen (z.B. Maskenpflicht in Taxis), die aber nicht durchgesetzt werden (WKO 21.7.2022).
Der Flugverkehr findet eingeschränkt wieder statt. An Flughäfen sind Temperaturmessungen möglich. Die Weiter- oder Durchreise in andere Länder kann eingeschränkt oder mit einer Testpflicht vor Abreise verbunden sein (AA 22.6.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.6.2022): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5 , Zugriff 25.8.2022
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (22.8.2022): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/ , Zugriff 26.8.2022
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (21.7.2022): Coronavirus: Situation in Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-aegypten.html , Zugriff 26.8.2022
Politische Lage
Das in der Verfassung garantierte Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats, wie auch die dort enthaltenen Rechte wie Presse-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind de facto und de jure ausgehöhlt. Verfassungsänderungen im April 2019 griffen erheblich in die Gewaltenteilung ein, stärkten die Kontrolle des Militärs über das zivile Leben und verlängerten die Amtszeit des Staatspräsidenten um zwei auf sechs Jahre (AA 26.1.2022). Präsident Abdel Fatah Al-Sisi regiert Ägypten seit seiner Machtübernahme auf eine immer autoritärere Weise (FH 28.2.2022). Die Lage in Ägypten unter Staatspräsident Al-Sisi ist durch ein hohes Maß an staatlicher Repression und eine Politik geprägt, die – dominiert durch Militär und Sicherheitsbehörden und vermeintlich im übergeordneten Interesse der Stabilität – für oppositionspolitische Betätigungen und die Entfaltung bürgerlicher Freiheiten kaum noch Raum lässt (AA 26.1.2022). Die anhaltende Menschenrechtskrise in Ägypten unter der Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi war Gegenstand internationaler Kritik im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (HRW 13.1.2022).
Abdel Fatah Al-Sisi ist seit dem 8.6.2014 Präsident Ägyptens. Seine Wiederwahl erfolgte im März 2018 (AA 28.2.2022). Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt. Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, der 2013 durch einen Staatsstreich an die Macht kam, während er als ägyptischer Verteidigungsminister und Befehlshaber der Streitkräfte diente, wurde nur durch unfaire, nicht wettbewerbsfähige Wettbewerbe gewählt. Bei den Wahlen 2018 erhielt Sisi 97% der Stimmen, nachdem er alle Oppositionskandidaten zum Rückzug gedrängt hatte, so dass nur noch Mousa Mostafa Mousa, der Vorsitzende der Al-Ghad-Partei, der sich für Sisi eingesetzt hatte, im Rennen war. Die Wahlen im Jahr 2018 wurden durch eine niedrige Wahlbeteiligung, den Einsatz staatlicher Mittel und Medien zur Unterstützung von Sisis Kandidatur, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt (FH 28.2.2022).
Das im Jänner 2021 neu zusammengetretene Parlament ist von einer regierungstreuen nationalen Wahlliste dominiert. Lediglich eine kleine Gruppe von Abgeordneten nimmt, in einem sehr eng begrenzten Rahmen, oppositionelle Positionen ein. Parteien nehmen keine eigenständige Rolle in der Willensbildung ein und wurden durch das 2014 reformierte Wahlrecht weiter geschwächt. Angesichts breiter Desillusionierung bzgl. der Parlamentsarbeit und sehr niedriger Wahlbeteiligung setzte das neue Parlament Befragungen von Regierungsmitgliedern an, die aber die grundsätzliche Rolle des Parlaments als Legitimierungsinstitution für Exekutivhandeln nicht ändern (AA 26.1.2022).
Quellen:
- AA - Auswätiges Amt [Deutschland] (28.2.2022): Ägypten: Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/steckbrief/203556 , Zugriff 26.8.2022
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf , Zugriff 1.8.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068728.html , Zugriff 23.8.2022
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066548.html , Zugriff 23.8.2022Sicherheitslage
Verschiedene terroristische Gruppen sind in Ägypten aktiv, die bedeutendste ist der IS Wilayat Sinai. Terroristische Anschläge können im ganzen Land stattfinden, wiewohl sie sich zuletzt auf der Sinai Halbinsel konzentriert haben. Im Jahr 2020 gab es gemäß öffentlich zugänglicher Informationen ca. 234 terroristische Angriffe. Immer wieder, auch im Jahr 2021, finden sich Berichte über Zusammenstöße zwischen ägyptischer Armee und Terroristen v.a. am Nord-Sinai, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Neben dem Nord-Sinai ist auch das Wüstengebiet im Westen bis zur libyschen und sudanesischen Grenze ein Hotspot. Terroristische Anschläge und Militäroperationen führen (auch) zu zivilen Opfern. Ziele der terroristischen Angriffe sind die Sicherheitskräfte, aber auch diplomatische Vertretungen, Touristenorte, Transportknotenpunkte, Märkte und Einkaufszentren, westliche Unternehmen, Restaurants und lokale Regierungseinrichtungen. Die Behörden sind aktiv in der Terrorismusbekämpfung, die AntiTerrorgesetzgebung ist streng und bedeutet Einschränkungen fundamentaler Menschen- und Freiheitsrechte. Erfolge werden erzielt. Im Jahr 2020 wurden nach offiziellen Angaben 750 Waffenverstecke ausgehoben und 150 Terroristen getötet (STDOK 17.3.2022).
Das Risiko terroristischer Anschläge ist weiterhin gegeben (FD 2.8.2022; vgl. AA 22.6.2022, BMEIA 22.8.2022). Im Norden der Sinai-Halbinsel, dem Gouvernorat Nordsinai und dem ägyptischisraelischen Grenzgebiet - mit Ausnahme des unmittelbaren Küstenabschnitts und des Grenzortes Taba - finden militärische Operationen statt, da es in der Vergangenheit zu terroristischen Anschlägen kam. Im Gouvernorat Nordsinai gilt der Ausnahmezustand, der mit nächtlichen Ausgangssperren einhergeht. Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 22.6.2022; vgl. BMEIA 22.8.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.6.2022): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5 , Zugriff 25.8.2022
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (22.8.2022): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/ , Zugriff 26.8.2022
- FD - France diplomatique [Frankreich] (2.8.2022): Egypte - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite , Zugriff 26.8.2022
- STDOK – Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenweswen und Asyl (17.3.2022): Themenbericht: Terrorismus in Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
Rechtsschutz / Justizwesen
Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit der Justiz vor. Einzelnen Gerichten fehlt es manchmal an Unparteilichkeit und diese gelangen zu politisch motivierten Ergebnissen. Die Regierung respektiert in der Regel Gerichtsbeschlüsse (USDOS 12.4.2022). Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet (AA 26.1.2022).
Der Aufbau der Justiz und die Grundzüge der Verfahren folgen formell und materiell weitgehend europäischen (v.a. französischen) Mustern (Unabhängigkeit der Richter, Instanzenzüge etc). Islamische Einschläge existieren zwar (Sharia z.B. für muslimische Bürger relevant im Familien- und Erbrecht; Sharia in der Verfassung als Rechtsquelle festgelegt), sind aber für die Rechtsordnung insgesamt nicht bestimmend. Mit 4.6.2022 wurde auf Weisung des Präsidenten im Justizministerium ein Expertenkomitee zur Reform des Personenstandsrechts eingesetzt, welches die neuen Gesetzesvorlagen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen diskutieren soll (ÖB 6.2022).
Staatsanwaltschaften und Gerichte verlängerten die Untersuchungshaft Tausender Inhaftierter, gegen die wegen fabrizierter Terrorismusanklagen ermittelt wurde, ohne ihnen die Möglichkeit einzuräumen, die Rechtmäßigkeit ihrer Haft anzufechten. Im Oktober 2021 erließ das Justizministerium eine Verordnung, wonach die Untersuchungshaft auch in Abwesenheit der Betroffenen und somit ohne ordnungsgemäße Verfahrensgarantien verlängert werden konnte (AI 29.3.2022).
Es existieren in Ägypten Straftatbestände, die, als solche oder in ihrer konkreten Anwendung, eine Diskriminierung aufgrund bestimmter Merkmale darstellen. So werden die vage gefassten Straftatbestände der Antiterror-Gesetzgebung und der Straftatbestand der Verbreitung von Falschnachrichten regelmäßig gegen politische Opposition oder politisch aktive Zivilgesellschaft eingesetzt. Insgesamt ist die Einleitung von Strafverfahren, die aufgrund vager Strafvorschriften regelmäßig möglich ist und lange Untersuchungen, Inhaftierung, Reisesperren oder Kontensperrung nach sich ziehen kann, häufiger zu beobachten gegen Personen, deren politische Meinung im Konflikt mit staatlichen Stellen steht, sowie gegen deren Umfeld und Verwandte. Der Blasphemieparagraph findet überproportional auf Christen und Atheisten Anwendung, der Unzuchtparagraph nahezu ausschließlich auf homosexuelle Männer (AA 26.1.2022).
Gesetzlich ist das Recht auf ein faires Verfahren vorgesehen, aber die Justiz kann dieses Recht oft nicht gewährleisten. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für die Finanzierung des Rechtsbeistands, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 12.4.2022).
Das Recht auf ein faires Verfahren ist in der Praxis – v.a. bei Delikten, die die Staatssicherheit betreffen – oft nicht gewährleistet und wird u.a. durch folgende Praktiken beeinträchtigt: Verhaftungen ohne Haftbefehl, exzessive Anwendung von Präventiv- und Untersuchungshaft, Anwendung der Militärgerichtsbarkeit auf Zivilisten, Massenprozesse gegen eine große Anzahl von Beschuldigten mit mangelnder Beweisführung zum Einzelfall. Auffallend sind die teils unverhältnismäßigen Strafen, was nicht immer nur an den Rechtsnormen selbst, sondern oft auch an der Ermessensausübung durch die jeweiligen Richter liegt, sowie der Umstand, dass eine sehr dürftige Beweislage keineswegs einer Verurteilung entgegensteht (in dubio pro reo ist kein die Praxis bestimmendes Prinzip) (ÖB 6.2022).Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf , Zugriff 1.8.2022
- AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070273.html , Zugriff 1.8.2022
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2022): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075269/AEGY_%C3%96B_Bericht_2022_06.pdf , Zugriff 1.8.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html , Zugriff 1.8.2022
Sicherheitsbehörden
Das Innenministerium ist zuständig für die Durchsetzung der Gesetze und innere Sicherheit, ihm unterstehen die Polizei (Public Security Sector Police), die Zentralen Sicherheitkräfte (Central Security Force – CSF), der Nationale Sicherheitssektor (National Security Sector – NSS) sowie Zoll und Immigration. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und führen Einsätze bei Demonstrationen durch. Der NSS ist bei Bedrohungen der inneren Sicherheit zuständig sowie für die Bekämpfung des Terrorismus, gemeinsam mit anderen ägyptischen Sicherheitskräften. Zivile Behörden haben eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 12.4.2022).
Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten bei fehlender Transparenz oder Rechenschaftspflicht. Die reguläre Polizei ist formal von den Sicherheitsdiensten getrennt, in der Praxis beaufsichtigt der Staatssicherheitsdienst das Handeln der Polizei. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Terrorismusvorwürfe werden weit ausgelegt und regelmäßig zur Ahndung jeder Form von Kritik an Regierungshandeln eingesetzt. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 26.1.2022).
Der seit 2017 bestehende Ausnahmezustand wurde im Oktober 2021 durch Präsident Sisi nicht verlängert, jedoch führte dieser im November 2021 gesetzliche Regelungen ein, die es dem Präsidenten erlauben, im Fall von Naturkatastrophen oder Terrorismus Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zu ergreifen, wie Ausgangssperren oder Evakuierungen, für eine maximale Dauer von sechs Monaten (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 26.1.2022), dadurch wurden im Ausnahmezustand bestehende Regelungen in reguläre Gesetze überführt (AA 26.1.2022).
Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Militärs auch im wirtschaftlichen Umfeld. Die traditionell starke Verflechtung des Militärs in sämtlichen ägyptischen Strukturen ist laut Schätzungen für bis zu 45% des BIP verantwortlich, auch wenn es dazu aus Gründen der Geheimhaltung keine offiziellen/verlässlichen Zahlen gibt (Präsident Al-Sisi spricht von knapp 2%). Das Militär ist in sämtlichen Infrastrukturbereichen ebenso tätig wie beispielsweise beim Abfüllen von Wasser oder der Produktion von Pasta und beim Import von Babymilchpulver (WKO 5.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf , Zugriff 1.8.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html , Zugriff 1.8.2022
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich - AußenwirtschaftsCenter Kairo (5.2022): Außenwirtschaftsbericht Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aegyptenwirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 22.8.2022
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Menschenrechtslage in Ägypten hat sich – bei bereits Besorgnis erregendem Niveau – 2021 in fast allen Bereichen weiter verschlechtert (AA 26.1.2022).
Ägypten hat einige internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 26.1.2022).
Die im September 2021 veröffentlichte nationale Menschenrechtsstrategie präsentiert Ägypten als Vorreiter in der Region. Dies spiegelt sich allerdings bisher in der Umsetzung des Schutzes von Menschenrechten nicht wieder. Während im Bereich Frauen- und Kinderrechte gewisse Fortschritte erzielt werden konnten, werden politische und zivile Rechte fast ausschließlich durch die Verfassung geschützt. Konkrete Gesetze zum Schutz von politischen Rechten fehlen. Die Umsetzung des Schutzes ist folglich mangelhaft. Auch die Menschenrechtsstrategie sieht Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen vornehmlich bei der Zivilbevölkerung. Politisch motivierte Strafverfolgung und Einschränkung von Rechten seitens des Regimes und insbesondere der Sicherheitsdienste werden nicht thematisiert (AA 26.1.2022).
Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen durch die Regierung oder ihre Vertreter sowie durch terroristische Gruppen; erzwungenes Verschwindenlassen durch die Staatssicherheit; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Inhaftierung; politische Gefangene oder Häftlinge; politisch motivierte Repressalien gegen Personen, die sich in einem anderen Land aufhalten; willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Verstöße in einem Konflikt, einschließlich Berichten zufolge Verschwindenlassen, Entführungen, körperliche Misshandlungen und außergerichtliche Tötungen; schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medien, einschließlich Verhaftungen oder strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Zensur, Sperrung von Websites und Missbrauch von Verleumdungsgesetzen; schwerwiegende Einschränkungen der Internetfreiheit; erhebliche Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich übermäßig restriktiver Gesetze über die Organisation, Finanzierung oder Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft; Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, einschließlich Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Aktivisten; schwerwiegende und unangemessene Beschränkungen der politischen Partizipation; schwerwiegende staatliche Beschränkungen für inländische und internationale Menschenrechtsorganisationen; Straftaten, die mit Gewalt oder der Androhung von Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere oder intersexuelle Personen verbunden sind, sowie die Anwendung des Gesetzes zur willkürlichen Verhaftung und Verfolgung dieser Personen (USDOS 12.4.2022; vgl. AI 29.3.2022). Todesurteile wurden nach grob unfairen Verfahren verhängt und Hinrichtungen vollstreckt, auch für Drogendelikte (AI 29.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht _ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070273.html , Zugriff 1.8.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021- Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html , Zugriff 1.8.2022
Haftbedingungen
Die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten sind hart (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 26.1.2022, AI 29.3.2022) und potenziell lebensbedrohlich, da die Gefängnisse überfüllt sind und es keinen angemessenen Zugang zu medizinischer Versorgung, angemessenen sanitären Einrichtungen und Belüftung, Nahrung und Trinkwasser gibt (USDOS 12.4.2022). Es existieren Spezialgefängnisse für politische Straftäter, in denen die Haftbedingungen deutlich härter sind als in regulären Gefängnissen (AA 26.1.2022). Die Behörden verweigerten kranken Gefangenen routinemäßig den Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung. Nach Angaben des Komitees für Gerechtigkeit, einer unabhängigen Organisation, starben in den ersten acht Monaten des Jahres 2021 57 Gefangene, die meisten von ihnen aus politischen Gründen, in der Untersuchungshaft (HRW 13.1.2022; vgl. AI 29.3.2022).
Die Behörden trennen nicht immer Jugendliche von Erwachsene und inhaftieren manchmal Untersuchungshäftlinge zusammen mit verurteilten Gefangenen. In einem Bericht vom 24.3.2021 berichtet eine lokale Menschenrechtsorganisation, dass die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten medizinische Vernachlässigung, Isolationshaft und die Verweigerung von Besuchen, Telefongesprächen, akademischen Studien und der Versorgung von Gefangenen und Häftlingen mit Nahrungsmitteln außerhalb des Gefängnisses bzw. mit bestimmten Nahrungsmitteln umfassen (USDOS 12.4.2022).
Die Regierung organisierte zwischen Jänner und Mai 2021 Besuche von Delegationen lokaler und ausländischer Medienkorrespondenten, Vertretern von Menschenrechtsorganisationen, religiösen Führern und dem Nationalen Menschenrechtsrat im Tora-Gefängnis, im Borg al-Arab-Gefängnis, im El Marag-Gefängnis, im Wadi al-Natroun-Gefängnis, im Gefängnis von Fayoum und in drei Gefängnissen im Gouvernement Minya (USDOS 12.4.2022). Gemäß einer anderen Quelle blieben die ägyptischen Gefängnisse 2021 ohne unabhängige Kontrolle (HRW 13.1.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten _ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070273.html , Zugriff 1.8.2022
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066548.html , Zugriff 23.8.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html , Zugriff 1.8.2022
Todesstrafe
Die Vollstreckung der Todesstrafe wurde im Juni 2014 nach einem seit 2011 bestehenden defacto Moratorium wiederaufgenommen (AA 26.1.2022). Die Anwendung der Todesstrafe hat seit der Machtübernahme durch Al-Sisi drastisch zugenommen (FH 28.1.2022; vgl. AA 26.1.2022), obwohl es ernsthafte Bedenken wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit und politisch motivierter Strafverfolgung gibt (FH 28.2.2022). Im Jahr 2021 hat Ägypten die Anwendung der Todesstrafe und Hinrichtungen weiter verschärft, in vielen Fällen nach unfairen Verfahren und Massenprozessen (HRW 13.1.2022). Ägyptische Gerichte verhängen die Todesstrafe für ein breites Spektrum von Verbrechen, einschließlich Fällen von angeblicher politischer Gewalt, Terrorismus, aber auch Drogendelikte, Einsatz von Sprengstoff mit Todesfolge, Spionage und diverse staatsgefährdende Straftaten gegen die äußere Sicherheit (AA 26.1.2022)
Öffentlichkeitswirksam wurden zahlreiche Führungskader der Muslimbrüder erstinstanzlich zum Tode verurteilt (AA 26.1.2022). Bei den in jüngerer Zeit (seit 2013) international breit kritisierten Verhängungen von Todesurteilen in Massenverfahren gegen Anhänger der Muslimbrüder handelte es sich in den meisten Fällen um Urteile in Abwesenheit. Ist ein Angeklagter, dem ein mit der Todesstrafe bedrohtes Verhalten zur Last gelegt wird, flüchtig, kommt es in Ägypten zu einem Prozess in Abwesenheit, bei dem über den Betroffenen automatisch, aber provisorisch, die Todesstrafe verhängt wird. Wird der Betroffene später aufgegriffen, wird die Todesstrafe aufgehoben und das gesamte Verfahren in seiner Anwesenheit neu durchgeführt (ÖB 6.2022).
Offizielle Zahlen zu verhängten und vollstreckten Todesurteilen sind nicht verfügbar. Die Zivilgesellschaft geht von mindestens 450 erstinstanzlichen Todesurteilen und 38 Hinrichtungen im Jahr 2019 aus, es ist von einer höheren Dunkelziffer auszugehen. 2020 gab es insgesamt 103 Hinrichtungen, zwischen August 2020 und August 2021 bisher 176 Hinrichtungen. Damit dürfte Ägypten nach Iran und China die dritthöchsten Hinrichtungszahlen weltweit haben. In der ägyptischen Gesellschaft besteht breite Zustimmung zur Verhängung der Todesstrafe (AA 26.1.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht _ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068728.html , Zugriff 23.8.2022 - HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066548.html , Zugriff 23.8.2022
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2022): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075269/AEGY_%C3%96B_Bericht_2022_06.pdf , Zugriff 1.8.2022
Religionsfreiheit
90% aller Ägypter sind Muslime, fast alle von ihnen Sunniten. Ca. 10% der Bevölkerung sind Christen, 90% davon gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und der Rest anderen christlichen Konfessionen an (USDOS 2.6.2022).
Während Artikel 2 der Verfassung 2014 den Islam zur offiziellen Staatsreligion erklärt, heißt es in Artikel 64: "Glaubensfreiheit ist absolut" (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Die Verfassung von 2014 bestimmt die Scharia zur Quelle des Rechts (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt (AA 26.1.2022).
Die Verfassung von 2014 garantiert zwar uneingeschränkte Freiheit des Glaubens, beschränkt die Freiheit des Kultes aber auf Offenbarungsreligionen (Islam, Christentum, Judentum). Dadurch besteht eine Unterscheidung zwischen „anerkannten“ und „nicht-anerkannten“ Religionen, beispielsweise in der Freiheit zum Bau von Gotteshäusern (AA 26.1.2022; vgl. ÖB 6.2022, USDOS 2.6.2022) und der Ausübung religiöser Riten, die zu zahlreichen Formen der Diskriminierung im Alltag für die Anhänger „nicht-anerkannter“ Glaubensgemeinschaften führt. Atheismus ist nicht anerkannt (AA 26.1.2022).
Führende Vertreter des staatlichen Islam haben Einfluss auf die Politik, besonders in Fragen der privaten Lebensführung und sozialer Normen. Zugleich üben sie staatliche Kontrolle über Glaubensinhalte aus, beispielsweise durch die Ausbildung sämtlicher Geistlichen, die Zulassung von Moscheen und deren Personal und die Kontrolle bzw. Vorgabe von Predigten. Diese staatsnahe Mehrheitsreligion schreibt unter dem Signum des „moderaten Islam“ und im Rahmen des staatlichen Kampfes gegen terroristische und extremistische Strömungen eine sozial tief konservative aber ansonsten unpolitische Form der Religion vor und richtet sich in starkem Maße gegen unabhängige Prediger aus dem islamistischen Spektrum. Der staatliche Islam schränkt aber auch die Religionsfreiheit nichtsunnitischer Muslime ein: besonders der schiitischen Gemeinde und generell für Muslime, die Religionsfreiheit außerhalb des Rahmens der staatlichen anerkannten Religion leben wollen; beispielsweise die Freiheit, die Religion zu verlassen, heterodoxe Glaubenssätze zu vertreten oder außerhalb der Religion zu heiraten oder Beziehungen zu führen (AA 26.1.2022).
Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 2.6.2022).
Der Eintrag der Religionszugehörigkeit in Personaldokumenten bleibt auch für andere religiöse Minderheiten ein Einfallstor für Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Seit März 2009 ist es den Bahai erlaubt, nationale Ausweise und Pässe zu haben, in denen das Feld „Religion“ offen bleibt, was jedoch zu vielfältigen Problemen im Alltag führen kann (AA 26.1.2022).
Eine interreligiöse Ehe zwischen einem christlichen Mann und einer muslimischen Frau ist nach islamischem Recht verboten und kann in Ägypten nicht geschlossen oder nachträglich anerkannt werden (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 2.6.2022, ÖB 6.2022). Entsprechende Beziehungen können nur im Verborgenen geführt werden und Betroffene müssen, je nach familiärem Hintergrund, mit erheblichen Vergeltungsmaßnahmen durch Familienmitglieder rechnen. Sogenannte Ehrenmorde, gerade in konservativ islamisch geprägten Schichten, kommen in Ägypten immer wieder vor (AA 26.1.2022).
[Anm.: zu Kopten siehe folgendes Kapitel]
Die schiitische Minderheit ist marginalisiert und wird immer wieder Opfer von Übergriffen. Da Schiismus in Ägypten nicht als Religion anerkannt ist, sind die Mitglieder dieser Minderheit gezwungen, ihren Glauben im Verborgenen auszuüben (AA 26.1.2022). Schiiten riskieren Vorwürfe der Blasphemie, wenn sie ihre religiösen Meinungen öffentlich äußern, öffentlich beten oder schiitische Bücher besitzen. Schiiten geben an, sie seien vom Dienst in den Streitkräften sowie in den Sicherheits- und Geheimdiensten ausgeschlossen (USDOS 2.6.2022). Es gibt keine belastbaren Zahlen über die Anzahl von in Ägypten lebenden Schiiten (AA 26.1.2022). Schätzungen zufolge machen sie ca 1% der Bevölkerung aus (USDOS 2.6.2022). In ähnlicher Situation finden sich die etwa 2.000 Bahai, die ebenfalls keine staatliche Anerkennung genießen (AA 26.1.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht _ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068728.html , Zugriff 23.8.2022
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2022): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075269/AEGY_%C3%96B_Bericht_2022_06.pdf , Zugriff 1.8.2022
- USDOS - U.S. Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2074025.html , Zugriff 24.8.2022
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 12.4.2022).
Die Behörden verlangen sporadisch, dass Bürger im Alter von 18 bis 40 Jahren eine Erlaubnis des Innenministeriums vorlegen, um in bestimmte Länder zu reisen. Dies soll den Beitritt zu terroristischen Gruppen erschweren und die Flucht von Kriminellen verhindern (USDOS 12.4.2022).
Die Regierung verhängt Reiseverbote für manche Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 12.4.2022).
Zu internen Ausweichmöglichkeiten liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Es ist grundsätzlich von einer unterschiedslosen Verfolgungspraxis auszugehen. Allerdings kann zumindest bei vergleichsweise minder schweren Verfolgungsgründen (z.B. niedrigschwelligem oppositionellen Engagement) der Ortswechsel innerhalb des Landes dazu führen, dass die Betroffenen unbehelligt bleiben. Auf dem Nordsinai und in entlegenen Wüstenregionen ist das staatliche Gewaltmonopol zum Teil faktisch eingeschränkt. Bei geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründen (z.B. Genitalverstümmelung, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt) ist eine interne Ausweichmöglichkeit keine realistische Option (AA 26.1.2022).
Die Regierung versucht, den Zugang zum Nordsinai einzuschränken (USDOS 12.4.2022).
Ein Meldewesen existiert nicht (AA 26.1.2022; vgl. DEB 3.2014). Die Wohnadresse wird auf dem Personalausweis angeführt. Bei einem Umzug muss die Adresse aktualisiert werden. Es gibt aber keine Überprüfung der Wohnsitzdaten durch die Meldebehörde, wodurch veraltete oder falsche Adressen unentdeckt bleiben und es gibt keine Strafe für die Nichtaktualisierung der Adresse (DFAT 17.6.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht _ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- DEB - Deutsche Botschaft Kairo [Deutschland] (3.2014): Rechtsverfolgung in Ägypten in Zivilund Handelssachen, https://kairo.diplo.de/blob/1504098/ed993d3218a2f43cdbae47f47c9650da/merkblattrechtsverfolgung-in-aegypten-data.pdf , Zugriff 25.8.2022
- DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.6.2019): DFAT Country Information Report – Egypt, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-informationreport-egypt.pdf , Zugriff 25.8.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html , Zugriff 1.8.2022
Grundversorgung und Wirtschaft
Durch die Leistungen der Vorjahre kam Ägypten recht gut durch die Covid-19 Krise. Zwar wurde das gesteckte Ziel eines jährlichen 6 %-igen Wachstums in den COVID-Jahren nicht erreicht, aber mit einem BIP Wachstum von 3,6 % im Jahr 2020 und 3,3 % im Jahr 2021 gab es trotz der herausfordernden Situation ein stabiles Wachstum. Um gut durch die COVID-19 Pandemie zu kommen, war ein Rettungs- bzw. Konjunkturpaket über EGP 100 Mrd. (ca. EUR 6 Mrd.) geschnürt worden. Das Jahr 2022 bringt der ägyptischen Wirtschaft aber große Herausforderungen und eine strukturelle Wirtschaftskrise (WKO 5.2022).
Ob man auch 2022 mit den üblichen Stützen die Wirtschaft wieder ankurbeln kann, ist aber noch fraglich. Bisher war der Tourismus ein Hauptfaktor. Nach COVID-19 hatte sich Ägypten schnell wieder für Touristen geöffnet. Ob man die ausbleibenden Ankünfte aus der Ukraine und Russland schnell ersetzen kann, bleibt fraglich. Zuletzt sorgten auch die staatlichen Megaprojekte (nicht weniger als 34 neue Städte und Stadtteile) für gut gefüllte Auftragsbücher. Mittels internem Schreiben an die jeweiligen Fachminister hat der ägyptische Ministerpräsident im März 2022 einen Stopp für sämtliche Neuprojekte mit Devisenbezug verordnet. Nur die wichtigsten Projekte sollen durchgeführt werden. Um die derzeitige Krise wieder meistern zu können, ist Ägypten auf Investitionen und Hilfsprogramme angewiesen. Zusagen finanzieller Unterstützung gab es sehr schnell u.a. aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und aus Katar. Daneben ist Ägypten wieder im Gespräch mit dem IWF. Derzeit ist noch unklar, ob Ägypten wieder um finanzielle Unterstützung, oder nur technische Unterstützung für Reformprogramme ansuchen wird (WKO 5.2022).
Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben keinen Zugang zu diesem System (AA 26.1.2022).
Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er- und 1960er-Jahren geschlossen und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 26.1.2022).
Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an besonders Bedürftige sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 26.1.2022).
Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und wohltätige Stiftungen (AA 26.1.2022).
Subventionsabbau droht – trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern (AA 26.1.2022).
Über USD 20 Mrd. werden jährlich von ägyptischen Migranten aus dem Ausland rücküberwiesen. Diese Überweisungen sind für die Bevölkerung und den Konsum unverzichtbar (WKO 5.2022).
Um der bestehenden Arbeitslosigkeit (offiziell unter 10% sowie ca. 30% Jugendarbeitslosigkeit, inoffiziell und insgesamt bei etwa 20 bis 25%) Herr zu werden und künftig genug Arbeitsplätze zu generieren, braucht das Land ein BIP Wachstum von ca. 6%. 2012-2014 wurde dieses Ziel mit einem Wert von ca. 2,2% beunruhigend unterschritten. Auch 2015-2017 konnte das Ziel nicht erreicht werden und die 5% Marke knapp nicht geknackt werden. 2017/2018 (5,4%) und 2018/19 (5,6%) konnte die 5% Grenze endlich überschritten werden. Obwohl laut ursprünglichen Planungen endlich ein höheres Wachstum verzeichnet hätte werden sollen, brachte 2020 und 2021 den nächsten Rückschlag. Aufgrund von COVID-19 sank die Wirtschaftswachstumsrate 2020 auf 3,3 und 2021 auf 3,6. Dennoch wird 2022 mit einer Steigerung auf 5,3% gerechnet (WKO 5.2022).
Um dem Anstieg der Lebenshaltungskosten Einhalt zu gebieten, deckelte Premierminister Mustafa Madbuli den Brotpreis im März 2022. Ein 90-Gramm-Fladen darf nun nirgendwo mehr als ein Ägyptisches Pfund, also ca. 0,05 Euro kosten. Dies ist der Preis, für die rund 63 Millionen Bezugsberechtigte in rund 30.000 Bäckereien subventioniertes Brot beziehen können. Ab sofort gilt er auch für die 5000 Bäckereien, die nicht subventioniertes Brot verkaufen. Für die Zukunft kündigte die Regierung an, die Wirtschaft mit 130 Millionen Ägyptischen Pfund (ca. 6,4 Mio. Euro) zu stützen. Sie wolle damit gegen die wachsende Armut, das Schrumpfen der Privatwirtschaft und die wachsende Arbeitslosigkeit im Land vorgehen, die sich bereits vor der Corona-Pandemie abzeichneten. In Ägypten leben rund 30 Millionen Menschen in Armut [ca. ein Drittel der Bevölkerung], 70 % der Bevölkerung ist auf Staatshilfen angewiesen (DW 27.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht _ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- DW - Deutsche Welle (27.3.2022): Ägypten: Regierung ringt um Ernährungssicherheit, https://www.dw.com/de/%C3%A4gypten-regierung-ringt-um-ern%C3%A4hrungssicherheit/a61273354 , Zugriff 25.8.2022
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich - AußenwirtschaftsCenter Kairo (5.2022): Außenwirtschaftsbericht Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aegyptenwirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 22.8.2022
Medizinische Versorgung
Neben den relativ zahlreichen, sehr teuren Kliniken und Krankenhäusern mit internationalem Renommee gibt es in Ägypten ein Netz von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, deren Leistungsniveau nicht europäischen Standards entspricht (MSZ 17.6.2022). In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 22.6.2022).
Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, unter anderem die Unikliniken Kasr El Aini und Ain Shams, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können und die auch Behandlungsmöglichkeiten für chronische Krankheiten – hauptsächlich aus dem Bereich der Inneren Medizin und Psychiatrie – bieten. Im öffentlichen Gesundheitswesen besteht für letztere nur eine minimale Versorgung (AA 26.1.2022).
Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Häufig sind Generika zu niedrigen Preisen verfügbar. Preise für Importe werden staatlich kontrolliert (AA 26.1.2022).
Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 26.1.2022).
Ägypten hat 2018 ein Gesetz über die universelle Krankenversicherung (UHI) erlassen, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auszuweiten. Das Gesetz, dessen Umsetzung im Juli 2019 begonnen hat, birgt ein enormes Potenzial, wesentliche Fortschritte auf dem Weg zur universellen Gesundheitsversorgung (UHC) zu erzielen. Bei vollständiger Umsetzung über einen Zeitraum von 12-15 Jahren sollen alle Ägypterinnen und Ägypter im Rahmen des UHI-Systems versichert sein und ein Leistungspaket mit hochwertigen Gesundheitsleistungen und finanziellem Schutz erhalten (Khalifa et al 1.11.2021). Die Zahl der im System registrierten Personen hat bis August 2022 mehr als 4,5 Millionen Begünstigte [Anm.: bei einer Bevölkerung von insgesamt ca. 100 Millionen] erreicht. In den Gouvernoraten Port Said, Ismailia und Luxor wurden fast 13 Millionen medizinische Leistungen erbracht und über 196.000 Operationen in 21 Krankenhäusern und 134 Gesundheitsstationen in diesen drei Gouvernoraten durchgeführt (EI 9.8.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.6.2022): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 25.8.2022
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht _ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- EI - Egypt Independent (9.8.2022): Madbouli follows up on UHI system’s application, https://egyptindependent.com/madbouli-follows-up-on-uhi-systems-application/ , Zugirff 25.8.2022
- Khalifa et al (1.11.2021): Purchasing health services under the Egypt's new Universal Health Insurance law: What are the implications for universal health coverage?, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/hpm.3354 , Zugirff 25.8.2022
- MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych / Außenministerium [Polen] (17.6.2022): Informacje dla podróżujących – Egipt, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/egipt , Zugriff 25.8.2022
Rückkehr
Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt. Nach Ägypten zurückkehrende abgelehnte Asylwerber sind in der Regel keiner spezifischen Gefährdung aufgrund ihres Asylantrags im Ausland ausgesetzt. Sie unterliegen nach ihrer Rückkehr jedoch der allgemeinen Situation staatlicher Repression und der weitgehenden Einschränkung der Menschenrechte. Dies gilt besonders für die gefährdeten Gruppen (u. a. Angehörige der Opposition, insbesondere Muslimbrüder, religiöse Minderheiten, LGBTI-Personen, Frauen) (AA 26.1.2022).
In Ägypten wird ein von der EU ausgestelltes Heimreisepapier nicht anerkannt. Ägyptische Staatsangehörige können bei freiwilliger Rückkehr nicht ohne Vorlage eines ägyptischen Identitätsdokuments oder eines von einer ägyptischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokuments (Laissez-Passer) wieder nach Ägypten einreisen (AA 26.1.2022).
IOM unterstützt seit 2011 die Rückkehr von in Europa gestrandeten Ägyptern und ihre anschließende sozioökonomische Reintegration in Ägypten. Die meisten Rückkehrer entscheiden sich dafür, mit der geleisteten Wiedereingliederungshilfe ein eigenes Unternehmen zu gründen (96,8 % der Rückkehrer im Jahr 2016) und damit sowohl ihren eigenen Lebensunterhalt als auch den ihrer Gemeinschaft zu verbessern. Eine der wichtigsten gefährdeten Kategorien ägyptischer Rückkehrer, die IOM zunehmend unterstützt, sind unbegleitete Migrantenkinder (UMF), die allein das Mittelmeer auf der Suche nach einem neuen Leben in Europa überqueren. Für UMF unternehmen IOM Ägypten und ihre Regierungspartner erhebliche Anstrengungen, um sicherzustellen, dass das Wohl des Kindes im Mittelpunkt ihrer Rückkehr und Wiedereingliederung steht (IOM o.D.).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht _ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- IOM Egypt - International Organization for Migration (o.D.): Assisted Voluntary Return and Reintegration, https://egypt.iom.int/assisted-voluntary-return-and-reintegration , Zugriff 25.8.2022
Dokumente
Totalgefälschte Dokumente, einschließlich Reisedokumente, Personenstands- und sonstige Urkunden sind kommerziell erhältlich und kommen regelmäßig vor. Es gibt keine Erkenntnisse über echte Dokumente unwahren Inhalts im Bereich öffentlicher Urkunden. Die Inhalte öffentlicher Urkunden können mitunter fehlerhaft sein. Beispielsweise wird die Abgabe der ägyptischen Staatsangehörigkeit mitunter in Personenstandsregistern nicht nachvollzogen oder eine nach ägyptischem Recht unwirksame Eheschließung als gültige Ehe eingetragen. Echte Privaturkunden unwahren Inhalts kommen regelmäßig vor, beispielsweise in der Form von Gefälligkeitsbestätigungen (AA 26.1.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht _ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1 Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2 Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Erstbefragung des BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.09.2022 und der niederschriftlichen Angaben vor der belangten Behörde am 29.09.2022 sowie am 06.03.2023 sowie der vom BF vorgelegten Unterlagen, des bekämpften Bescheides und der Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), Zentrales Melderegister (ZMR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS) und des Strafregisters sowie ein Sozialversicherungsdatenauszug eingeholt.
2.3 Zur Person des Beschwerdeführers:
Da der BF im Verfahren einen ägyptischen Reisepass vorlegen konnte, steht seine Identität samt Staatsangehörigkeit und Geburtsdatum fest (AS 87).
Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, seinen Lebensumständen, seiner Muttersprache sowie seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit basieren auf den übereinstimmenden Angaben des BF im Rahmen der Erstbefragung (Protokoll vom 29.09.2022, AS 3 f) und der niederschriftlichen Einvernahme (Protokoll vom 06.03.2023, AS 200 ff).
Die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand basiert auf den Angaben des BF in den Einvernahmen vor dem BFA, in welcher er angab, dass es ihm gut gehe und er keine Medikamente zu sich nehme (AS 200) und ergab sich aus dem Akteninhalt nichts Gegenteiliges, weshalb die Feststellung zu treffen war, dass er gesund ist. Daraus lässt sich auf die Arbeitsfähigkeit des BF schließen, welche weiters im erwerbsfähigen Alter des BF begründet liegt.
Die Feststellungen zur Reiseroute des BF basieren auf dem Verwaltungsakt, insbesondere der Erstbefragung (Protokoll vom 29.09.2022, AS 11), der Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (AS 29 ff) sowie der Auskunft des Ministry of Interior of the Slovak Republic (AS 55).
Dass der BF in der Ukraine im Besitz eines Visums war, wurde durch dessen Vorlage belegt (AS 118), so auch der Aufenthaltstitel in den Vereinigten Arabischen Emiraten (AS 165).
Entgegen den Angaben des BF in der Erstbefragung, wonach er in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, erteilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem BFA zur Person des BF am 21.10.2022 die Auskunft, dass dieser sich bereits am 02.03.2022 in der Bundesrepublik Deutschland unerlaubt aufgehalten habe, am 24.03.2022 endgültig eingereist sei und als aus der Ukraine kommender Drittstaatsangehöriger registriert worden sei. Eine Asylantragstellung sei nicht erfolgt und habe am 05.09.2022 die zuständige deutsche Ausländerbehörde im XXXX die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt (AS 29 ff). Zudem basieren die Feststellungen zum Aufenthalt des BF in Deutschland, insbesondere der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und dessen Ablehnung, auf den im Akt vorliegenden Bescheiden des Landesamtes XXXX (AS 127 ff; 149).
Die Feststellungen bezüglich seiner Schulausbildung, seinem Studium und seiner Berufstätigkeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten gründen auf den Angaben des BF vor belangten Behörde (AS 107, 202) und war ihm diesbezüglich Glauben zu schenken. Dass der BF in den Vereinigten Arabischen Emirate studierte, belegte er durch die in Vorlage gebrachten Unterlagen der University of XXXX in XXXX (AS 137 ff).
Im Auszug aus dem Zentralen Melderegister ist ersichtlich, dass der BF seit 15.10.2022 melderechtlich in Österreich erfasst ist.
Die Feststellungen zu seinen in Ägypten und in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebenden Familienangehörigen basieren auf den Angaben des BF im Verfahren (AS 105, 202 ff). Dass er in Österreich keine familiären Angehörigen oder sonstigen privaten Beziehungen hat, gründet ebenfalls auf den Angaben des BF (Protokoll vom 06.03.2023, S 206) und wurden solche auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.
Die Feststellungen zu den fehlenden Deutschkenntnissen des BF basieren auf den Angaben des BF am 06.03.2023 vor dem BFA, wo er ausführte, nicht Deutsch zu können (AS 200). Befragt danach, ob er irgendwelche Kurse besuche, gab er an, aktuell keinen Deutschkurs zu besuchen, sondern selbst Deutsch zu lernen und bislang keinen Deutschkurs besucht zu haben. Gleichzeitig gab er zu Protokoll, im Quartier an einem Tag in der Woche einen Deutschkurs besucht zu haben (AS 206). Eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses erbrachte er nicht.
Einem aktuellen Sozialversicherungsdatenauszug ist zu entnehmen, dass der BF keiner gemeldeten Erwerbstätigkeit nachgeht, der Bezug der Grundversorgung dem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem.
Die Feststellung, dass der BF über keine maßgeblichen privaten Bindungen und über keine integrative Verfestigung in sprachlicher, sozialer oder beruflicher Hinsicht verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben vor der belangten Behörde und wurden in der Beschwerde keine weiteren integrativen Anknüpfungspunkte vorgebracht.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.
2.4 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Dass für die Ausreise des BF keine asylrelevante Verfolgungs- oder Bedrohungsgefahr festgestellt werden konnte, ergibt sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde.
Auf diesen gründet sich ebenso die Feststellung, dass er nicht aufgrund seiner Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Staatsangehörigkeit oder politischen Gesinnung in seinem Heimatstaat verfolgt wird.
So gab der BF in der Erstbefragung befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass er fünf Monate alt gewesen sei, als er Ägypten mit seinen Eltern verlassen habe, dies sei aus politischen Gründen passiert. Abu Dhabi habe er aus Studienzwecken verlassen, die Ukraine wegen des Krieges. Seine Heimat seien die Vereinigten Arabischen Emirate und habe er dort nichts zu befürchten (Protokoll vom 29.09.2022, AS 13).
Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab er an, nicht nach Ägypten zurück zu können, weil seine Eltern politische Probleme gehabt hätten. Das Haus seiner Eltern sei ihnen weggenommen worden, sein Vater sei festgenommen worden und die Mutter habe mit 50.000 Genin den Vater wieder freigekauft. Auf die Frage, wer den Vater politisch verfolgt habe, gab er zu Protokoll: „Damals wurde durch die Revolution, der Staatspräsident Mursi, das ist die Mursi Partei und mein Vater war sein Gegner.“ (Protokoll vom 29.09.2022, AS 105) Auf Vorhalt der belangten Behörde, dass es den Staatspräsidenten nicht mehr gebe und der BF zu diesem Zeitpunkt ein Neugeborener gewesen sei, stimmte der BF dem BFA zu und führte weiters aus, dass seine Eltern in Armut leben würden und wenn er in Ägypten sei, wolle er wieder zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. (Protokoll vom 29.09.2022, AS 105)
In der weiteren niederschriftlichen Einvernahme gab er an, keine Asylgründe zu haben, außer studieren zu wollen. Er habe in den Vereinigten Arabischen Emiraten vier Semester Engineering studiert und es in Charkow nicht geschafft zu studieren, weil er in der Ukraine aufgrund des Krieges nur zwei Monate aufhältig gewesen sei. Er wolle in Österreich noch weitere vier Semester studieren, das sei sein Grund, warum er hier sei. Er sehe keine andere Möglichkeit sein Studium abzuschließen und seine Familie zu unterstützen. Das sei alles, was er zum Asylgrund angeben wolle. (Protokoll vom 06.03.2023, AS 205)
Darüber hinaus führte der BF dabei auf die Frage, wovon die Familie leben solle, da die Abfertigung nicht reichen werde, aus, dass dies der Grund sei, warum er weggegangen sei und hier einen Asylantrag stelle. Die finanzielle Lage seiner Familie sei schwierig, und möchte er etwas erreichen, um seine Familie zu unterstützen (Protokoll vom 06.03.2023, AS 202).
Aus all dem geht hervor, dass der BF in Ägypten keiner Bedrohungs- oder Verfolgungsgefahr ausgesetzt war und dies auch bei einer Rückkehr nicht sein wird. Vielmehr führte der BF selbst an, keine Asylgründe zu haben und gab wiederholt an, wegen des Studiums in die Ukraine gegangen zu sein und nunmehr in Österreich studieren zu wollen, um seine Familie finanziell unterstützen zu können.
Vor diesem Hintergrund war sein Vorbringen, dass er im Falle einer Rückkehr nach Ägypten die Sippenhaft fürchte, weil sein Vater in XXXX und nicht in Ägypten sei und er aus diesem Grund vom ägyptischen Staat anstatt des Vaters für dessen Verfehlungen herangezogen werden könnte, nicht glaubhaft. Die Schilderungen des BF stellten sich als sehr vage und oberflächlich dar. So konnte der BF nicht mal darlegen, was seinem Vater vorgeworfen werde, sondern gab er dazu an, es nicht zu wissen, weil der Vater weder Moslembruder sei, noch zu irgendeiner Organisation gehöre. Dabei führte er auch aus, dass es vor siebzig Jahren ein Hochwasser gegeben hätte, durch welches vieles vernichtet worden sei, er aber nicht sagen könne, weswegen sein Vater gesucht werde, und erwähnte gleichzeitig, dass sein Vater Forderungen an den ägyptischen Staat gerichtet hätte und deswegen vom Staat gesucht werde (AS 205). Aufgrund seinen unkonkreten und teils widersprüchlichen Angaben ist es dem BF nicht gelungen, eine konkrete gegen ihn gerichtete Verfolgungsgefahr wegen allfälliger politischer Tätigkeiten seines Vaters glaubhaft zu machen.
Auch konnte dem Vorbringen des BF kein fluchtartiges Verlassen von Ägypten wegen einer Bedrohung oder Verfolgung abgeleitet werden. Nach den Angaben des BF sei die Familie 2014 nach Ägypten zurückgegangen, um dem BF zu ermöglichen, dort zu studieren, weil die Studiengebühren in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu hoch gewesen seien, wobei der BF dies nicht geschafft habe und die Familie 2015 wieder in die Vereinigten Arabischen Emirate zurückgekehrt sei. Schließlich habe sich der BF 2021 entschlossen in die Ukraine zu reisen, um dort zu studieren und wolle in Deutschland bzw. nunmehr in Österreich sein Studium fortsetzen und die Familie unterstützen. (AS 202 ff)
In einer Gesamtschau war den Angaben des BF nicht zu entnehmen, dass er Ägypten aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat. Dafür spricht auch, dass er es verneinte in Ägypten aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit oder mit Behörden oder mit Privatpersonen Probleme gehabt zu haben. Ebenso gab er an, nicht politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein (AS 204).
Zusammengefasst gelangt das Bundesverwaltungsgericht somit zur Überzeugung, dass der BF keine asylrelevanten Fluchtgründe hat. Es ist dem BF nicht gelungen, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen und waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
Auf Grundlage des zuvor Gesagten besteht für das Bundesverwaltungsgericht somit kein Grund, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln und wurde auch im Beschwerdeschriftsatz kein darüberhinausgehender Sachverhalt substantiiert vorgebracht.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich auch den tragenden Erwägungen des BFA hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an. Der BF ist jung, gesund und arbeitsfähig, zudem ledig und ohne Sorgepflichten. Er hat in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Schulausbildung abgeschlossen, mehrere Jahre studiert, wenn auch ohne Abschluss, bereits Berufserfahrung gesammelt und durch eigene Erwerbstätigkeit für seinen Lebensunterhalt sorgen können. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb er nicht in der Lage sein sollte, sich in seinem Herkunftsstaat durch die Aufnahme einer Tätigkeit eine Lebensgrundlage zu schaffen. Es wird nicht verkannt, dass seine Kernfamilie, bestehend aus seinen Eltern und seiner Schwester, nicht in Ägypten leben. Allerdings verfügt er in Ägypten über zahlreiche Verwandte, sodass er dort dennoch über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Nach den Angaben des BF geht ein Großteil seiner Onkel und Tanten einer Erwerbstätigkeit nach und leben sie in seiner Geburtsstadt Gizeh, wo sich der BF auch 2014 bis 2015 mit seiner Familie aufgehalten hat. Auch wenn die Kernfamilie des BF nicht in Ägypten lebt, kann der BF somit im Falle einer Rückkehr dennoch auf ein umfangreiches familiäres Netzwerk zurückgreifen, was ihm den Aufbau einer Existenz erheblich erleichtern sollte. Vor dem Hintergrund, dass der BF in der Lage war, seinen Aufenthalt in der Ukraine durch eigene Ersparnisse zu finanzieren (AS 202), ist davon auszugehen, dass es ihm auch in Ägypten möglich sein wird, seinen Lebensunterhalt selbständig zu bestreiten. Die Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln ist insbesondere im urbanen Raum Ägyptens ebenso gewährleistet (vgl. Punkt II.1.3.). In Anbetracht dieser Umstände kann letztlich nicht davon ausgegangen werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
Hinsichtlich der individuellen Rückkehrsituation des BF verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass es immer wieder zu Bedrohung durch Terrorismus kommt, jedoch ist nach den Länderfeststellungen Ägypten kein klassisches Bürgerkriegsland. Ein bewaffneter innerstaatlicher oder zwischenstaatlicher Konflikt besteht demnach nicht, sodass eine Gefährdung des BF im Falle der Rückkehr aufgrund solcher Konflikte ausgeschlossen werden kann. Die allgemein herrschende Situation in Ägypten stellt generell keine Bedrohung im Sinne des Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar.
Aus einer Zusammenschau der zitierten Quellen ergibt sich sohin eine Sicherheitslage, die es einer Person wie dem BF erlaubt, in Ägypten relativ unbehelligt zu leben, ohne zwingend damit rechnen zu müssen, Opfer von Verfolgung, willkürlicher Gewalt oder kriegerischen Auseinandersetzungen zu werden. Auch vermochte der BF selbst keine außerhalb seiner eigenen Person liegenden Gründe nennen, welche gegen eine Rückkehr bzw. für die reale Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung, unmenschlichen Behandlung, der Todesstrafe bzw. einer wie immer gearteten existentiellen Bedrohung sprechen würden.
Der BF brachte keine gesundheitlichen Einschränkungen oder einen Behandlungsbedarf vor, sodass auf spezifische medizinische Versorgungsmöglichkeiten nicht weiter eingegangen werden muss. Ebenso ist er angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den BF. Das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, ist in Österreich nicht geringer als in Ägypten und gehört der BF zudem zu keiner Risikogruppe und ist bei ihm aufgrund seines Alters auch im Falle einer Infektion von keinem schweren Krankheitsverlauf auszugehen. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zumeist mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Es fehlt daher auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie fallgegenständlich an den geforderten außergewöhnlichen Umständen iSd Art. 3 EMRK.
2.5 Zu den Feststellungen zur Lage in Ägypten:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Ägypten (Gesamtaktualisierung: 29.08.2022) und den dort zitierten Quellen. Dieser Bericht fußt sowohl auf Berichten verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemeinanerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln (vgl. VwGH 15.09.2020, Ra 2020/18/0145).
Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen weder im Administrativ- noch im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegen, sodass die der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte nicht in Zweifel zu ziehen waren.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1 Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1 Rechtslage:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.2 Zur Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.4. ausgeführt, konnte der BF nicht glaubhaft machen, in Ägypten verfolgt oder bedroht zu werden. Er war nicht aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung der realen Gefahr einer Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt.
Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund der Sippenhaft der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein wird.
Dem BF ist es damit nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung von maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiären Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage:
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).
3.2.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Dem BF droht in Ägypten - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art. 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art. 3 EMRK - was in Ägypten aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die in Ägypten leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des BF kein stichhaltiger Grund dafür vor anzunehmen, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung zu erleiden oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu sein. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden (und ergeben sich solche auch nicht aus dem Länderinformationsblatt für Ägypten), die nahelegen würden, dass bezogen auf den BF ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Ein bewaffneter Konflikt besteht in Ägypten ebenfalls nicht. Zwar ist die Sicherheitslage nicht mit jener in Österreich vergleichbar, jedoch erreichen die nach den einschlägigen Länderberichten vorgekommenen sicherheitsrelevanten Vorfälle nicht ein derart hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen würden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Ägypten alleine durch seine Anwesenheit im Staatsgebiet, wo er über umfangreiche familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. Punkt II.1.3.). Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf den BF wurden im Verfahren ebenfalls nicht (substantiiert) vorgebracht und wurde nicht dargelegt, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation in Ägypten und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt betroffen wäre.
Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Ägypten mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.
Auch dafür, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Ägypten die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Er ist jung, gesund und erwerbsfähig, zudem hat er keine Sorgepflichten und verfügt über eine Schulausbildung und Berufserfahrung und ist es ihm zumutbar seinen Lebensunterhalt selbständig zu bestreiten. Darüber hinaus verfügt er aufgrund seiner Verwandten über umfangreiche familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat. Damit kann der BF im Falle einer Rückkehr auf familiäre Unterstützung zurückgreifen. Die Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln ist insbesondere im urbanen Raum Ägyptens ebenso gewährleistet (vgl. Punkt II.1.3.). Der Umstand, dass der Lebensunterhalt des BF in Ägypten möglicherweise bescheidener ausfallen mag als er in Österreich sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, ihm wäre im Falle der Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten (vgl. VfGH 24.02.2020, E3683/2019; zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059).
Der Vollständigkeit halber ist aufgrund der aktuellen Situation festzuhalten, dass auch die COVID-19-Pandemie einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat nicht entgegensteht. Der typische Krankheitsverlauf des Corona Virus zeigt, dass Infizierte oftmals keine Symptome haben und nur in wenigen Ausnahmefällen eine Intensivbehandlung notwendig ist oder Infizierte sterben. Der junge BF ist gesund und gehört keiner Covid-19 Risikogruppe an, weshalb er im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht einer Gefahr im Sinne des Art. 2 bzw. 3 EMRK ausgesetzt ist.
Aus den dargestellten Umständen ergibt sich somit, dass eine Rückkehr des BF nach Ägypten nicht automatisch dazu führt, dass er in eine unmenschliche Lage bzw. eine existenzielle Notlage geraten und in seinen durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten verletzt würde.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
3.3.1 Rechtslage:
Gemäß § 58 Abs 1 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG 2005). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG 2005 von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des BF, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.3.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG 2005. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 war daher nicht zu erteilen.
Die Beschwerde war auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG abzuweisen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
3.4.1 Rechtslage:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.4.2 Zur Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Wie oben ausgeführt, war ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) nicht zu erteilen. Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:
Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtige Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0371; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008; 01.09.2020, Ra 2020/20/0239).
Entsprechend der Beweiswürdigung verfügt der BF im Bundesgebiet über keine familiären bzw. verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte, weshalb ein Eingriff in das Familienleben somit zu verneinen ist und ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des BF zu prüfen ist.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt. Das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 06.05.2020, Ra 2020/20/0093).
Zum Privatleben des BF in Österreich ist folgendes festzuhalten: Im Hinblick auf die Zeitspanne, die sich der spätestens Ende September 2022 eingereiste BF in Österreich aufhält, kann eine von Art. 8 EMRK geschützte Aufenthaltsverfestigung noch nicht angenommen werden. Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 29.09.2022 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung, vier Monate. Der nunmehr viermonatige Aufenthalt des BF im Bundesgebiet beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb er während des gesamten Aufenthaltes nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherter Weise bleibend verfestigen kann.
Der BF verfügt über keine maßgeblichen privaten Beziehungen in Österreich, weist keine Deutschkenntnisse auf und hat keine Bestätigung eines Deutschkursbesuches oder ein Zertifikat über eine bestandene Deutschprüfung vorgelegt. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Der BF brachte weder in den Einvernahmen noch in der Beschwerde weitere für die Integrationsschritte oder nennenswerte private Bindungen vor. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in Österreich in sprachlicher, sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht sind somit nicht erkennbar.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK – aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaige wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt jedoch im Fall des jungen und grundsätzlich gesunden BF, welcher überdies ledig und ohne Sorgepflichten ist, über Schulbildung und Berufserfahrung als auch über ein familiäres Netzwerk in seinem Herkunftsstaat verfügt, ebenfalls nicht vor.
Hinsichtlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF ist auszuführen, dass dies nach der Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt, da der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass es von Fremden, welche sich im Bundesgebiet aufhalten als selbstverständlich anzunehmen ist, dass sie die geltenden Rechtsvorschriften einhalten (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Dem allenfalls bestehenden Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen damit öffentliche Interessen daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Der BF verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG abzuweisen war.
3.5. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
3.5.1 Rechtslage:
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.5.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem BF keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Ägypten erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen war.
3.6. Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG erfolgt ist.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 07.03.2023 die aufschiebende Wirkung – zu Recht, wie unten auszuführen sein wird – aberkannt.
Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr des nach Ägypten keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art 8 EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienleben in Österreich nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des BF und jenen Österreichs ergibt, wie bereits oben ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG gegeben.
Zu Recht hat daher die belangte Behörde § 55 Abs. 1a FPG zur Anwendung gebracht. Die Beschwerde erweist sich damit insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.7 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG kann das BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat.
Der BF machte im gegenständlichen Verfahren keine asylrelevanten Verfolgungsgründe geltend, weshalb die belangte Behörde die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf Grundlage des § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG somit zu Recht zur Anwendung brachte.
Wie bereits mehrfach ausgeführt, hat die durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des BF und jenen Österreichs ein Überwiegen der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides ergeben, weshalb die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den gegenständlichen bekämpften Bescheid zulässig war.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 1 BFA-VG abzuweisen war.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine Beschwerdeverhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage – den darin aufscheinenden Einvernahmen des BF und den darin getätigten gleichbleibenden Angaben – in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, die Entscheidung in zeitlicher Nähe liegt, die gebotene Aktualität aufweist und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Somit kann selbst bei Berücksichtigung aller zugunsten des BF sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis erzielt werden und vermag daran auch eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht und ein dabei gewonnener (positiver) persönlicher Eindruck nichts zu ändern (vgl. VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0180; 06.04.2020, Ra 2019/01/0430).
Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet binnen sieben Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs. 5 VFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall – wie oben dargelegt – aber nicht gegeben.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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