B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W175.2248702.1.00
Spruch:
W175 2248701-1/4EIM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 21.10.2021, Islamabad-ÖB/KONS/2948/2019, aufgrund des Vorlageantrages 1.) der volljährigen XXXX alias geboren am XXXX , 2.) der volljährigen XXXX alias geboren am XXXX und 3.) der volljährigen XXXX alias geboren am XXXX , afghanische Staatsangehörige, alle vertreten durch XXXX , über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 16.08.2021, zu Recht:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die Beschwerdeführerinnen (BF), afghanische Staatsangehörige, stellten gemeinsam mit ihrem Vater am 31.10.2019 schriftlich und am 18.02.2020 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (ÖB Islamabad) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde die Mutter der BF, ebenfalls afghanische Staatsangehörige, genannt, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.07.2019, GZ W258 215277-1 ua., der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.
2. Mit Mail vom 28.05.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der ÖB Islamabad mit, dass die angegebenen Geburtsjahre der BF um zwei Jahre jüngeren Datums seien, als die Bezugsperson in ihrer Erstbefragung im Jahr 2016 und ihrer Einvernahme im Jahr 2017 angegeben habe. Es wurde um Amtshilfe betreffend eine Altersfeststellung bei den BF ersucht.
3. Am 16.11.2020 wurden die BF einer Altersfeststellung inklusive einer Zahnuntersuchung und am 18.11.2020 einer Röntgenuntersuchung und einer körperlichen Untersuchung unterzogen.
4. Mit Mail vom 25.11.2020 übermittelte die ÖB Islamabad dem BFA die Untersuchungsergebnisse. Betreffend alle BF ergab sich aufgrund des Zahnstatus ein Mindestalter von 17 und aufgrund der körperlichen Untersuchung und der Röntgenuntersuchung ein Mindestalter von 22 Jahren.
5. Das BFA teilte in seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG, datiert mit 02.08.2021, mit dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens nicht wahrscheinlich sei. Die BF seien volljährig und leite die Bezugsperson den Status als Asylberechtigte ihrerseits nur aus einem Familienverfahren nach dem 4. Abschnitt des AsylG ab. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.
In der diesbezüglichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass nach der durchgeführten Altersfeststellung im Bericht vom 23.11.2020 festgehalten werde, dass aus dem Zahnstatus, dem physischen Erscheinungsbild und der Röntgenuntersuchung ein Alter zum Untersuchungszeitpunkt am 16.11.2020 und 18.11.2020 von zumindest 22 Jahren ergebe. Die BF hätten somit im Zeitpunkt der Antragstellung bei der ÖB das 18. Lebensjahr bereits vollendet und handle es sich demnach zum prüfungsrelevanten Zeitpunkt nicht mehr um Minderjährige.
6. Mit Schreiben vom 05.08.2021, zugestellt am selben Tag, wurde den BF eine Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung der Anträge mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Stellungnahme des BFA vom 02.08.2021 zu entnehmen. Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
7. Mit Mail vom 09.08.2021 ersuchte die rechtliche Vertretung die ÖB Islamabad um Übermittlung der Gutachten der Altersfeststellung. Mit Mail vom 10.08.2021 ersuchte die rechtliche Vertretung das BFA um Übermittlung der Gutachten.
Mit Mail vom 10.08.2021 teilte das BFA den BF mit, dass Akteneinsicht bei der ÖB Islamabad zu beantragen sei. Aufgrund der besonderen Bestimmungen sei dies im Akt des BFA von der Akteneinsicht ausgenommen.
Mit Mail vom 11.08.2021 teilte die ÖB Islamabad der rechtlichen Vertretung der BF mit, dass Akteneinsicht nur vor Ort gewährt werden könne.
8. Die BF brachten am 11.08.2021 eine Stellungnahme ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bezugsperson ihren Asylstatus nicht aus einem Familienverfahren ableiten würde. Gemäß § 13 Abs. 3 BFA-VG habe bei Zweifeln hinsichtlich des Alters eine multifaktorielle Untersuchungsmethodik zur Anwendung zu kommen; bei anhaltenden Zweifeln über die Minderjährigkeit sei zu Gunsten des Fremden von der Minderjährigkeit auszugehen. Ein diesbezügliches Sachverständigengutachten müsse ausreichend begründet sei. Es müsse dargelegt werden, auf welchem Weg zur Schlussfolgerung gekommen sei. Das Gutachten müsse einen Befund und ein Gutachten im engeren Sinn enthalten. Auch müssten betreffend die Frage der Minderjährigkeit die eingereichten Dokumente und die Aussagen der Bezugsperson im Asylverfahren berücksichtigt werden. Der Aufforderung zur Stellungnahme sei das Gutachten nicht beigelegt worden. Den Inhalt des Gutachtens zu kennen, sei essentiell, um adäquat zu den negativen Wahrscheinlichkeitsprognosen des BFA Stellung nehmen zu können. Dass das Gutachten für die BF nicht einsehbar sei, stelle eine schwerwiegende Verletzung des Rechts auf Parteiengehör dar. Um in geeigneter Weise zu der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose Stellung zu nehmen, müsse das Gutachten der Altersfeststellung ausgehändigt werden. Aus der Stellungnahme und der Mitteilung des BFA würden keine Details der Gutachten hervorgehen. Es sei nicht zu entnehmen, welche Körperteile geröntgt worden seien und auch nicht, wie sich die Begutachtung der Zähne und des physischen Erscheinungsbildes konkret darstellten. Der Reifungsprozess des Knochenalters werde durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Das Handwurzelröntgen sei nur bis zum 17. Lebensjahr bei männlichen und bis zum 15. Lebensjahr bei weiblichen Jugendlichen aussagekräftig. Ob im vorliegenden Fall die Röntgenaufnahmen und die zahnärztliche Untersuchung jeweils zum selben Ergebnis geführt hätten, würden die BF nicht wissen. Auch zur körperlichen Untersuchung würden den BF Details fehlen. Diese sei überdies nicht adäquat, um das Alter einer Person zu bestimmen. Nachdem es sich bei den Schwestern nicht um Drillinge handle, sei das Ergebnis der Altersfeststellung nicht nachvollziehbar. Dass das Alter aller drei BF gleich angegeben worden sei, verdeutliche die Ungenauigkeit und Unverlässlichkeit der angewendeten Methode. Altersdiagnosen könnten grundsätzlich keine exakte Auskunft über das tatsächliche Alter einer Person geben und müsse die Einschätzung anhand von vielen Faktoren festgemacht werden. Die Zweifelsregel zugunsten der Minderjährigkeit hätte im vorliegenden Fall angewendet werden müssen und hätte die Behörde von der Minderjährigkeit der BF ausgehen müssen. Sowohl die Aussagen der Bezugsperson und der BF sowie die vorgelegten Dokumente würden die Eigenschaft der Familienangehörigen der BF belegen.
9. Am 11.08.2021 übermittelte die ÖB Islamabad die Stellungnahme der BF an das BFA.
10. Mit Mail vom 12.08.2021 teilte das BFA der ÖB Islamabad mit, dass negativen Wahrscheinlichkeitsprognosen aufrecht bleiben würden.
11. Mit Bescheiden vom 16.08.2021 wies die ÖB Islamabad die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG ab. Das BFA habe nach erneuter Prüfung mitgeteilt, dass durch die Stellungnahme der BF nicht unter Beweis gestellt werden habe können, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten entgegen der seinerzeit erfolgten Mitteilung wahrscheinlich sei.
12. Mit Mail vom 17.08.2021 teilte die rechtliche Vertretung der BF der ÖB mit, dass es der Familie aufgrund der aktuellen Lage in Afghanistan nicht möglich sei, die Gutachten persönlich abzuholen. Es sei eine Person bevollmächtigt worden, die die Gutachten abholen werde.
13. Mit Mail vom 24.08.2021 teilte die rechtliche Vertretung der BF der ÖB mit, dass der Bevollmächtigte die Kopie der Gutachten nicht bekommen hätte, da sich auf der Vollmacht kein Stempel von den afghanischen Behörden befinden würde. Aktuell sei es jedoch nicht möglich einen Stempel von einer zuständigen Behörde zu bekommen. Es sei für die BF und den Vater nicht möglich, die Kopien der Gutachten abzuholen. Die BF würden sich aktuell versteckt halten.
14. In den Beschwerden der BF vom 26.08.2021 wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Stellungnahme vom 11.08.2021 verwiesen. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass den BF bis heute das Gutachten der Altersfeststellung nicht vorliege. Bei den BF handle es sich um Geschwister unterschiedlichen Alters und nicht um Drillinge. Dass das Gutachten ergebe, dass alle BF im Untersuchungszeitpunkt mindestens 22 Jahre alt gewesen seien, werfe massive Zweifel an der Qualität des Gutachtens auf. Auch würden sich aufgrund der vorgelegten Dokumente (Geburtsurkunden, Reisepässe) keine Anhaltspunkte dafür ergeben, am angegeben Alter zu zweifeln. Die Behörde habe es unterlassen, die Unterlagen zu würdigen. Der Vater der BF habe gleichzeitig mit diesen einen Antrag gemäß § 35 AsylG eingebracht. Da dieser bereits eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose erhalten habe, würden die BF alleine, ohne jegliche Familienangehörige in Afghanistan zurückbleiben. Zwischenzeitlich hätten auch die Taliban das Land erneut übernommen und könnten die BF nicht alleine in Afghanistan überleben. Das Familienleben könne auch nicht in einem anderen Land fortgesetzt werden. Es wäre eine ausführliche Prüfung einer möglichen Art. 8 EMRK Verletzung geboten gewesen. Die Ausführungen der BF in ihrer Stellungnahme seien nicht berücksichtigt worden.
15. In der Folge erließ die ÖB Islamabad am 21.10.2021, zugestellt am selben Tag, Zl. Islamabad-ÖB/KONS/2948/2019, eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen wurden. Begründend führte die ÖB Islamabad aus, es sei ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden sei. Die Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des BFA durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des BFA einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG 2005 Beschwerde erhoben werde.
Die ÖB teilte die Ansicht des BFA, dass die Voraussetzungen für ein Angehörigenverhältnis nicht gegeben seien, da die BF nicht nachweisen könnten, dass es sich bei ihnen um minderjährige Kinder einer Asylberechtigten handle. Am 18.11.2020 sei aufgrund einer multifaktoriellen Untersuchung festgestellt worden, dass die BF zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens 21 Jahre alt sein mussten. Den BF, welche laut den Dokumenten erst 15 bzw. 17 Jahre als sein sollen, werde ein Mindestalter von 22 Jahren attestiert. Aufgrund der klaren Ergebnisse und der Abweichung von fünf bis sieben Jahren könne den Urkunden kein Glauben geschenkt werden. Es sei jedenfalls von unrichtigen Angaben in den vorgelegten Dokumenten auszugehen. Somit handle es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um von einer berechtigten Behörde ausgestellte, echte Dokumente mit unwahrem Inhalt. Auch wenn die Echtheit der Dokumente unzweifelhaft wäre, würde dies nicht die Richtigkeit der Inhalte beweisen. Soweit ausgeführt werde, dass es zu einer Verletzung des Parteiengehörs gekommen sei, da den BF der Bericht der Altersfeststellung nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, wurde darauf verwiesen, dass im Verfahrensakt ein Mail-Verkehr aufliege, in welchem darauf hingewiesen werde, dass den BF eine Kopie des Gutachtens ausgehändigt werden könne, diese Möglichkeit von ihnen aber nicht in Anspruch genommen worden sei.
16. Mit Schreiben vom 02.11.2021 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Zur Begründung wurde dabei auf die Beschwerde vom 26.08.2021 verwiesen. Eine Bestätigung einer psychotherapeutischen Behandlung der Bezugsperson sowie eine Medikamentenliste der Bezugsperson war dem Vorlageantrag angeschlossen. Das Getrenntsein von der Familie und die ungewisse Lage der BF belaste die Bezugsperson schwer. Das Leben der BF, als alleinstehende Frauen, sei in Afghanistan in Gefahr. Sie würden das Haus nicht verlassen, versteckt leben und könnten den Lebensunterhalt nicht selbstständig bestreiten.
17. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 19.11.2021, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2021, wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakten übermittelt.
18. Mit Schreiben vom 14.04.2022 brachten die BF eine Stellungnahme zu den Altersfeststellungsgutachten ein. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass nunmehr eine Kopie der Gutachten ausgehoben hätte werden können. Die Gutachten hätten für alle drei BF die exakt selbe Alterseinschätzung ergeben. Es handle sich dabei um keine auch nur annähernd exakte oder verlässliche Altersbestimmung. Aus ihrer familiären Stellung als Schwestern ergebe sich zwingend eine zeitliche Differenz zwischen ihren Geburten, welche sich in den gegenständlichen Gutachten nicht widerspiegle. Die Altersgutachten seien sohin in keiner Weise nachvollziehbar und würden erhebliche Zweifel gegen deren Richtigkeit bestehen. Den BF sei nicht mitgeteilt worden, woraus sich begründete Zweifel der Behörde an der Richtigkeit der vorgelegten Dokumente (und den darin ersichtlichen Geburtsdaten) ergeben würden. Die wissenschaftlichen Grundlagen und Einzelergebnisse der im Zuge der Gutachtenserstellung durchgeführten Verfahren seien den BF nicht ausreichend zur Kenntnis gebracht worden. Unter anderem sei zur Altersbestimmung das Einsetzen der ersten Menstruationsblutung erhoben worden; das diesbezügliche Durchschnittsalter liege bei zwölf Jahren. Würde man den Altersgutachten folgen, hätten alle BF unnatürlich spät ihre erste Menstruationsblutung erlebt: die BF3 erst mit 18 Jahren und die BF1 und BF2 mit 16 Jahren. Dies erscheine höchst zweifelhaft, insbesondere, da die BF (laut Gutachten) keine Merkmale einer (sonstigen) Spät- oder Unterentwicklung aufweisen würden. Das Verfahren des Handwurzelröntgens habe nur eine Aussagekraft bis zum 17. Lebensjahr bei männlichen und bis zum 15. Lebensjahr bei weiblichen Jugendlichen, sodass diesen im Hinblick auf die Eruierung der Vollendung des 18. Lebensjahres keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden könne. Darüber hinaus sei beim Verfahren des Handwurzelröntgens eine Standardabweichung von 14,5 Monaten bei männlichen und von 11,2 Monaten bei weiblichen Jugendlichen zu berücksichtigen. Der Reifungsprozess des Knochenalters könne durch verschiedene Faktoren, insbesondere die Ernährung, psychosoziale Einflüsse, ethnische oder soziale Herkunft, beeinflusst werden. Im Rahmen der zahnärztlichen Röntgenuntersuchung würden Durchbruch (Eruption) und Mineralisation der Weisheitszähne beurteilt werden. Die Entwicklung der Weisheitszähne könne jedoch bereits vor dem Erreichen der Volljährigkeit abgeschlossen sein, sodass auch aus einem diesbezüglichen Ergebnis keine entscheidungswesentlichen Schlüsse gezogen werden könnten. Da die durchgeführten Altersbegutachtungen über keine exakte Messgenauigkeit verfügen würden, wäre im jedenfalls eine Prognose zugunsten der BF auszustellen gewesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF, Schwestern und Staatsangehörige Afghanistans, stellten gemeinsam mit ihrem Vater am 31.10.2019 schriftlich und am 18.02.2020 persönlich bei der ÖB Islamabad Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Als Bezugsperson wurde die Mutter der BF, ebenfalls afghanische Staatsangehörige, genannt, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.07.2019, GZ W258 215277-1 ua., der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Betreffend den Vater der BF erging seitens des BFA eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose.
Aufgrund von Zweifeln an der Minderjährigkeit der BF wurden diese am 16.11.2020 einer Altersfeststellung inklusive einer Zahnuntersuchung und am 18.11.2020 einer Röntgenuntersuchung und einer körperlichen Untersuchung unterzogen.
In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass die Gutachten über das Alter der BF1 zum Ergebnis kommen, dass sie zum Untersuchungszeitpunkt 22 Jahre oder älter war. Das Knochenröntgen ergab ein Alter von 22 Jahren oder mehr. Nach dem ärztlichen Allgemeingutachten war sie (bezogen auf den Untersuchungszeitpunkt) 22 Jahre oder älter. Letztlich ergab das zahnmedizinische Gutachten ein Alter von mehr als 17 Jahren im Untersuchungszeitpunkt.
Ebenso wird festgestellt, dass die Gutachten über das Alter der BF2 zu dem Ergebnis kommen, dass sie im Untersuchungszeitraum 22 Jahre oder älter war. Das Knochenröntgen ergab ein Alter von 22 Jahren oder mehr. Nach dem ärztlichen Allgemeingutachten war sie (bezogen auf den Untersuchungszeitpunkt) 22 Jahre oder mehr. Letztlich ergab das zahnmedizinische Gutachten ein Alter von über 17 Jahren.
Weiters wird festgestellt, dass die Gutachten über das Alter der BF3 zu dem Ergebnis kommen, dass sie im Untersuchungszeitraum 22 Jahre oder älter war. Das Knochenröntgen ergab ein Alter von 22 Jahren oder mehr. Nach dem ärztlichen Allgemeingutachten war sie (bezogen auf den Untersuchungszeitpunkt) 22 Jahre oder mehr. Letztlich ergab das zahnmedizinische Gutachten ein Alter von über 17 Jahren.
Eine Familienangehörigeneigenschaft der BF zur Bezugsperson im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG kann nicht festgestellt werden. Bei den BF handelt es sich um im Zeitpunkt der Antragstellung auf der Grundlage schlüssiger und unbedenklicher multifaktoriellen Altersfeststellungsgutachten um volljährige Personen. Die Einzelgutachten und die Gesamtgutachten liegen vollständig im Akt ein.
Das BFA teilte nach Prüfung des Sachverhaltes mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die BF volljährig seien. Dazu wurde den BF Parteiengehör gewährt, wovon sie Gebrauch machten, und es hielt das BFA auch nach neuerlicher Überprüfung seine negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht.
Das Altersfeststellungsgutachten wurde den BF im Rahmen des Verfahrens vor der Vertretungsbehörde nicht zur Verfügung gestellt. Die BF führten in ihrer Stellungnahme vom 14.04.2022 aus, zwischenzeitlich eine Kopie der vollständige Altersfeststellungsgutachten (Gesamtgutachten und Einzelgutachten) ausgehoben zu haben und brachten diesbezüglich eine Stellungnahme ein.
Es liegt kein berücksichtigungswürdiges Familienleben sowie kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den BF und der Bezugsperson vor.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten der ÖB Islamabad, den vorgelegten Unterlagen, den Angaben der BF und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Bezugsperson.
Die Feststellungen zur Abstammung aller drei BF von der Bezugsperson (= Mutter) gründen sich auf die dahingehend nachvollziehbaren Angaben sämtlicher BF in Zusammenschau mit dem Vorbringen der Bezugsperson im Zuge ihres eigenen Verfahrens über ihren Antrag auf internationalen Schutz; diesbezüglich wurden auch seitens der ÖB Islamabad bzw. des BFA keinerlei Bedenken geäußert.
Die Feststellungen zur Volljährigkeit der BF stützen sich auf die unbedenklichen multifaktoriellen Altersfeststellungsgutachten. Die BF haben mittlerweile Kenntnis von den vollständigen Altersfeststellungsgutachten erlangt.
In den gegenständlichen Fällen liegen verschiedene Beweismittel vor, die gegeneinander abzuwägen sind, - konkret die Aussagen der BF sowie der Bezugsperson, die vorgelegten schriftlichen Unterlagen/Dokumente, sowie die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, wobei evident ist, dass die Aussagen der Bezugsperson und die vorgelegten Dokumente in Widerspruch zu den amtswegig eingeholten Altersfeststellungsgutachten stehen.
Zunächst ist zur Ausführung der BF in ihrer Beschwerde und ihrer Stellungnahme vom 14.04.2022 wonach die Gutachten zur selben Alterseinschätzung für alle drei BF kommen würden, es sich bei den BF um Geschwister unterschiedlichen Alters und nicht um Drillinge handeln würde und sich aus ihrer familiären Stellung als Schwestern zwingend eine zeitliche Differenz zwischen ihren Geburten ergeben würde, welche sich in den Gutachten nicht widerspiegeln würde, ist festzuhalten, dass nicht die Geburtsdaten, sondern die Volljährigkeit aller drei BF festgestellt wurde. Eine zeitliche Differenz zwischen den Geburtsdaten der BF ist aufgrund der Gutachten denkbar und möglich. Es wurde lediglich das Mindestalter der BF mit 22 Jahren („…22 years of age or more...“) festgesetzt.
Altersfeststellungsgutachten können naturgemäß nicht derart exakt sein, dass etwa ein konkretes Geburtsdatum erhoben werden könnte, vielmehr kann lediglich eine Eingrenzung des Alters einer Person vorgenommen werden, wobei eine Bandbreite mit einer unteren Grenze und im Regelfall ein nach oben offenes Alter angegeben wird. Dies hängt damit zusammen, dass bestimmte körperliche Ausprägungsmerkmale bis zu einem gewissen Alter fortschreiten, danach sich aber nicht mehr verändern. Um einen möglichst hohen Qualitätsstandard und eine möglichst hohe Richtigkeitsgewähr von Altersfeststellungsgutachten zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber normiert, das sogenannte "multifaktorielle Gutachten" einzuholen sind, die aus mehreren Teilgutachten bestehen, die wiederum einer gesamthaften Würdigung zu unterziehen sind.
Derartige, aufwendige multifaktorielle Gutachten sind in den vorliegenden Fällen eingeholt worden. Es fällt auf, dass bei allen BF jeweils auch zwei der drei Teilgutachten davon ausgeht, dass die BF zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits volljährig gewesen sind. Insofern liegt eine überwiegende Übereinstimmung der einzelnen Teilgutachten vor, sodass auch die gesamthafte Würdigung letztlich nur zu dem Schluss kommen kann, dass die BF eben volljährig gewesen sind.
Zu berücksichtigen ist weiters, dass die Bezugsperson nach ihren Angaben über keinerlei Bildung verfügt bzw. Analphabetin ist und sohin keine Möglichkeit hatte, eigenständig die Geburtsdaten ihrer Kinder festzuhalten (vgl. etwa VHP vom 22.06.2017 Seite 4). Im Übrigen ist dem Akt der Bezugsperson betreffend deren Antrag auf internationalen Schutz zu entnehmen, dass diese in ihrer Erstbefragung am 04.06.2016 sowie ihrer Einvernahme am 21.02.2017 ausführte, die BF seien XXXX alt. Daraus würden sich in etwa die Geburtsjahre XXXX ) ergeben. Diese Angaben widersprechen den in den im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Dokumenten angeführten Geburtsdaten der BF.
Auch mit den in den Verfahren vor der Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen (Reisepässe, Tazkiras), in denen das Geburtsdatum der BF1 mit XXXX angeführt ist, kann den gegenständliche Gutachtensergebnissen nicht wirksam entgegengetreten werden. Die Gutachten aller drei BF kommen zu dem Schluss, dass diese im Untersuchungszeitpunkt (Anm.: im November 2020) 22 Jahre oder älter waren. Daraus ergibt sich ein Mindestalter im Zeitpunkt der Antragstellung im Oktober 2019 von 21 Jahren. Dies bedeutet, dass nach wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen die angegebenen Altersangaben vom tatsächlichen Alter um vier, fünf und sieben Jahre abweichen. Dies ist eine so eklatante Abweichung vom behaupteten Alter, dass, selbst wenn man eine größere Bandbreite annehmen wollte und im Zweifel von einer Minderjährigkeit der BF ausgehen müsste, in den vorliegenden Fällen keinesfalls von Zweifeln gesprochen werden kann. Ob eine Person erst XXXX oder gar schon 21 Jahre alt ist, kann lebenserfahrungsgemäß in manchen Fällen sogar laienhaft durch Augenschein festgestellt werden, vielmehr noch ist evident, dass sich ausgebildete Fachärzte bei ihrer Altersbeurteilung nicht um vier, fünf und sieben Jahre "verschätzen" würden.
Daraus folgt, dass die vorgelegten Dokumente wie die Tazkiras und die darauf aufbauenden afghanischen Reisepässe offensichtlich keinen Inhalt aufweisen, der mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Den BF ist zwar zuzugestehen, dass bloße Zweifel an der Richtigkeit von Urkunden nicht ausreichend, um die an Beweiswert abzusprechen, doch sind in den vorliegenden Fällen gerade eben nicht nur bloße Zweifel vorhanden, sondern gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die den Daten, die in den Urkunden aufscheinen, widersprechen.
Auch ergibt sich aus den vorgelegten Dokumenten der BF, dass eine unmittelbar – wie in Europa übliche – nach den Geburten der BF erfolgte Registrierung bzw. Meldung nicht erfolgt ist, zumal nach den vorgelegten Übersetzungen die Tazkiras jeweils XXXX ausgestellt wurden. Die vorgelegten Tazkiras wurden somit rund zwei Monate vor der schriftlichen Antragstellung und die Reisepässe nach der schriftlichen Antragstellung und rund ein bzw. eineinhalb Monate vor der persönlichen Antragstellung ausgestellt.
Da in Afghanistan üblicherweise keine Registrierung oder Meldung einer Geburt erfolgt, muss davon ausgegangen werden (sollte keine Totalfälschungen vorliegen), dass die Behörden bei der Ausstellung der vorgelegten Urkunden keine Möglichkeit hatten, die Personaldaten auf ihre Richtigkeit zu prüfen, sondern die Angaben der BF ungeprüft dokumentierten. Die in den Urkunden ausgewiesenen Geburtsdaten geben folglich keine verlässliche Auskunft über das tatsächliche Alter der BF und ist der Rückschluss der Behörde sohin logisch nachvollziehbar.
Hinsichtlich der im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Identitätsdokumente der BF ist weiters darauf zu verweisen, dass die Beschaffung von echten Urkunden mit unwahrem Inhalt in Afghanistan möglich ist; dieser Umstand ist den allgemeinen Länderberichten zu Afghanistan zu entnehmen. Die bloße Möglichkeit, in Afghanistan (relativ einfach) an echte Urkunden mit unwahrem Inhalt zu gelangen bedeutet nicht zwangsläufig - ohne das Hinzutreten anderer Hinweise -, dass dies bei jeder afghanischen Urkunde der Fall sein muss. Die vorgelegten Identitätsdokumente sind mit dem sonstigen Vorbringen der BF - insbesondere mit den Angaben der Bezugsperson in deren inhaltlichem Asylverfahren - in Zusammenhang zu setzen. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass die Geburtsdaten der BF den Aussagen der Bezugsperson nicht entsprechen (sieh dazu oben). Es ist auch aus diesem Grund davon auszugehen, dass die Urkunden unwahren Inhaltes sind.
Den Gutachten zur Altersfeststellung, die im Ergebnis zur Volljährigkeit der BF im Antragszeitpunkt kommen, stehen zusammengefasst die widersprüchlichen Angaben der Bezugsperson in ihrem inhaltlichen Asylverfahren entgegen, die für die Volljährigkeit der BF im Antragszeitpunkt sprechen. Auch die Ausstellung der vorgelegten afghanischen Urkunden kurz vor der gegenständlichen Antragstellung insbesondere auch unter Berücksichtigung des Urkundenwesens in Afghanistan, und die eklatanten Altersunterschiede von mehreren Jahren in den vorgelegten Unterlagen einerseits und den Gutachten andererseits sprechen gegen die Minderjährigkeit der BF. Überdies brachten die BF keine weiteren Nachweise hinsichtlich ihrer vorgebrachten Minderjährigkeit, etwa Familienfotos oder weitere Unterlagen, in Vorlage.
In einer Gesamtschau aller hervorgekommenen Umstände misst das erkennende Gericht dem Ergebnis der Gutachten einen höheren Beweiswert bei und geht aus den eben dargelegten Überlegungen von der Volljährigkeit der BF im Antragszeitpunkt aus.
Hinsichtlich des Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen Familienlebens ist auszuführen, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen kein Hinweis auf das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Familienlebens ergibt und im gesamten Verfahren auch kein diesbezügliches substantiiertes Vorbringen erstattet wurde. Es wurde ausgeführt, dass die BF allein in Afghanistan nicht überleben könnten. Der Vater habe eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose erhalten. Das Familienleben könne in keinem anderen Land fortgesetzt werden. Das Getrenntsein von der Familie und die ungewisse Lage der BF belaste die Bezugsperson (psychisch) schwer. Ein konkretes Vorbringen, wonach die Bezugsperson und die BF – trotz räumlicher Trennung – einen besonders engen Kontakt bzw. eine besonders intensive Beziehung aufrechterhalten hätten, ließ die Beschwerde vermissen. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass sich die Bezugsperson bereits seit rund sechs Jahren in Österreich befindet und davor bereits ohne die BF von Pakistan nach Indien reiste und dort wohnhaft war (vgl. VHP vom 22.06.2017 Seite 4) und in dieser Zeit sohin kein Familienleben im Sinne eines Zusammenlebens bestanden haben kann. Überdies ist festzuhalten, dass der Vater der BF zwischenzeitlich nach Österreich gereist ist und hier am 23.03.2022 einen Asylantrag stellte; sein Verfahren ist derzeit vor dem BFA anhängig. Die BF leben sind somit seit zumindest diesem Zeitpunkt in der Lage, ihren Alltag alleine – ohne ihre Eltern – zu bewältigen. In einer Gesamtbetrachtung ist den BF der Beweis des Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen Familienlebens nicht gelungen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) idgF lauten wie folgt:
„Ausübung der Verwaltungsgerichtsbarkeit
§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).
Beschwerdevorentscheidung
§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Vorlageantrag
§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.
Anzuwendendes Recht
§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art 9 Abs. 1 erster Satz und Art 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.
(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.
(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.
(9) Für die Entscheidungenüber die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§2 Abs. 4 Z13a) ist Art 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in
Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) idgF lauten:
„Mitwirkung eines Fremden
§ 13
[…]
(3) Gelingt es dem Fremden nicht, eine behauptete und auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit, auf die er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, kann das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose (§ 2 Abs. 1 Z 25 AsylG 2005) auch die Vornahme radiologischer Untersuchungen, insbesondere Röntgenuntersuchungen, anordnen. Jede Untersuchungsmethode hat mit dem geringst möglichen Eingriff zu erfolgen. Die Mitwirkung des Fremden an einer radiologischen Untersuchung ist nicht mit Zwangsmittel durchsetzbar. Bestehen nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel, so ist zu Gunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
„Begriffsbestimmungen
(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
[…]
25. multifaktorielle Untersuchungsmethodik: ein auf drei individuellen medizinischen Untersuchungen (insbesondere körperliche, zahnärztliche und Röntgenuntersuchung) basierendes Modell zur Altersdiagnose nach dem Stand der Wissenschaft;“
Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Übergangsbestimmungen
§ 75
[…]
(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs 1 Z 15, 3 Abs 4 bis 4b, 7 Abs 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs 6 und 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.“
Die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Einreisetitel wurden am 31.10.2019 schriftlich und am 18.02.2020 persönlich, und somit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, eingebracht. Gemäß der Übergangsbestimmung § 75 Abs. 24 AsylG 2005 war daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der geltenden Fassung anzuwenden.
Zu A) Abweisung der Beschwerden:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen.
Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).
Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des BFA noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige BFA die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe hiezu BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1ua).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis. Die Prognose des BFA - und die in der Folge darauf gestützte Auffassung der Vertretungsbehörde, dass die Familienangehörigeneigenschaft zwischen der BF und der Bezugsperson nicht vorliegt - ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend:
Im gegenständlichen Fall wurden Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG gestellt und als Bezugsperson die in Österreich seit dem Jahr 2019 asylberechtigte Mutter der BF genannt.
Es wird vor dem Hintergrund der vorgelegten Dokumente nicht verkannt, dass grundsätzlich erst sekundär, also nur wenn solche Bescheinigungsmittel nicht vorhanden oder nicht unbedenklich bzw. unzweifelhaft sind, die Behörde eine Untersuchung anordnen kann und die medizinische Altersfeststellung nur subsidiär zum Einsatz kommt. Allerdings war es aufgrund der Dokumentenunsicherheit in Afghanistan nachvollziehbar, dass die Behörde die Altersfeststellung in Auftrag gegeben hat. Die Behörde hätte vielmehr ihre Ermittlungspflichten unterlassen bzw. verletzt, wenn sie sich lediglich allein auf den persönlichen Eindruck von den BF, wie das optische Erscheinungsbild und das Auftreten vor der Behörde, gestützt hätte.
Zum Erfordernis der Einholung eines Sachverständigengutachtens ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach die multifaktorielle Altersdiagnose dann angeordnet werden soll, wenn weder aus den bisher vorliegenden Ermittlungsergebnissen hinreichend gesicherte Aussagen zur Volljährigkeit bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers gezogen werden können, noch der Antragsteller seine behauptete Minderjährigkeit durch geeignete Bescheinigungsmittel nachweisen kann. Liegen jedoch Ermittlungsergebnisse vor, die die Annahme der Volljährigkeit des Antragstellers bei Asylantragstellung rechtfertigen, so ist weder verpflichtend von Amts wegen eine multifaktorielle Altersdiagnose anzuordnen, noch kommt die Zweifelsregel zugunsten Minderjähriger zu Anwendung (vgl. VwGH vom 19.06.2018, Ra 2018/20/0251; mH auf VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0007 und VwGH vom 28.03.2017, Ra 2016/01/0267).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 25 AsylG basiert die multifaktorielle Untersuchungsmethodik auf drei individuellen medizinischen Untersuchungen (insbesondere körperliche, zahnärztliche und Röntgenuntersuchung). Den erläuternden Bemerkungen zu § 13 Abs. 3 BFA-VG ist darüber hinaus zu entnehmen ist, dass eine Altersdiagnose auf Grundlage eines Untersuchungsmodells zu erfolgen habe, das sich auf drei individuelle medizinische Untersuchungen stütze und eine radiologische Untersuchung alleine keineswegs ausreichend sei (RV 1803 XXIV. GP ). Als Verfahren zur Altersfeststellung werden von der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft folgende Untersuchungen empfohlen: Röntgenuntersuchung der linken Hand, Panoramaschichtröntgen des Gebisses und eine körperliche Untersuchung (Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, § 13 BFA-VG, Stand: 01.03.2016).
Aus dem Akt ergibt sich, dass seitens der Vertretungsbehörde Altersfeststellungsgutachten eingeholt wurden, die an Hand jener Parameter und jener multifaktoriellen Untersuchungsmethodik erstellt wurden, wie diese auch in Österreich zur Anwendung gelangen. Dementsprechend wurden auf der Grundlage mehrerer Untersuchungen Einzelgutachten erstellt (Knochenröntgen, Dentalröntgen und körperliche Untersuchung mit einer auf dieser beruhenden Alterseinschätzung), deren Ergebnisse in ein schlüssiges Gesamtgutachten eingeflossen sind. Das Gesamtgutachten hat ein Mindestalter von mindestens 22 Jahren der BF im Untersuchungszeitpunkt (16.11.2020 und 18.11.2020) ergeben, woraus folgt, dass die BF im Antragszeitpunkt (31.10.2019) unzweifelhaft volljährig waren.
Auf der Grundlage der eingeholten multifaktoriellen Altersdiagnostik ist daher davon auszugehen, dass es sich beim BF um eine im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 35 Abs. 1 AsylG eindeutig volljährige Person handelt, sodass der Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG (arg. „zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind“) nicht erfüllt ist.
Durch die bloße Behauptung eines Geburtsdatums, das mit schlüssigen Gutachtensergebnissen nicht in Einklang zu bringen ist, einschließlich der Vorlage afghanischer Dokumente zur „Untermauerung“ des angegebenen Lebensalters, ist dem Gutachten nicht wirksam entgegengetreten worden. Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, ist auch die Beweiskraft derartiger Urkunden zudem gering, da afghanische Personenstandsurkunden unwahren Inhalts weit verbreitet sind, zumal derartige Dokumente von den Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt werden (vgl. etwa deutsches Auswärtiges Amt, 06.11.2015, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, S. 27).
Hinweise, dass die verfahrensgegenständlichen Gutachten grob willkürlich erstellt und die darin wiedergebenden Ergebnisse grob unsachgemäß ermittelt worden wären, liegen nicht vor.
Bei dem tätig gewordenen pakistanischen medizinischen Zentrum handelt es sich um ein Institut, das laut Homepage unter anderem regelmäßig von den Visa-Abteilungen der Botschaften, so auch bezüglich Einreisewilliger in die USA, zur Vornahme der erforderlichen ärztlichen Begutachtungen herangezogen wird XXXX ). Dem erkennenden Gericht liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die fachliche Kompetenz der für das Institut tätigen Ärzte in Zweifel zu ziehen sein könnte.
In den Stellungnahmen wie auch in den Beschwerden haben die BF mehrfach reklamiert, dass ihnen von der Vertretungsbehörde die Altersfeststellungsgutachten nicht zur Kenntnis gebracht worden sei.
Hiezu ist festzuhalten, dass allfällige Sicherheitsbedenken des tätig gewordenen medizinischen Zentrums (Anm.: Vermerk in den Gutachten: „No part of this report may please be released to the applicant or relatives for security reasons“) einen wie hier gänzlichen Verzicht auf die Zurverfügungstellung der Gutachtensergebnisse im Lichte des Gebotes der Einräumung von Parteiengehör nicht zu rechtfertigen vermögen.
Eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch die Vertretungsbehörde aufgrund der unterlassenen Übermittlung des Altersfeststellungsgutachtens – die Behörde verweist darauf, dass es dem BF unbenommen geblieben wäre, Akteneinsicht zu nehmen – wurde nunmehr jedenfalls dadurch saniert, dass die BF im Rechtsmittelverfahren die Altersfeststellungsgutachten ausheben konnten und diesbezüglich auch die Möglichkeit zur Stellungnahme bekommen haben, von welcher sie auch Gebrauch machten. Den BF war daher aufgrund der damit erhaltenen Informationen eine zweckentsprechende und zielgerichtete Stellungnahme möglich.
Der Richtigkeit der in den Einzeluntersuchungen und der darauf beruhenden Gesamtgutachten gewonnen Ergebnisse wurde – wie beweiswürdigend ausgeführt – von Parteienseite nicht substantiiert entgegengetreten.
Im Übrigen wurden auch keine weiteren Befunde vorgelegt, welche die zum Zeitpunkt der BF bereits vorgelegene Volljährigkeit widerlegt hätten oder ein Vorbringen dahingehend erstattet, dass die Ärzte des untersuchenden Instituts notorisch mangelnde Fachkenntnisse aufweisen würden. Aus den vorgelegten Unterlagen lässt sich ebenso wenig erkennen, dass die in Auftrag gegebenen Gutachten grob willkürlich erstellt und/oder die darin wiedergegebenen Ergebnisse medizinisch grob unsachgemäß ermittelt wurden.
Zusammenfassend war festzustellen, dass die BF im Zeitpunkt der Antragstellung bereits volljährig waren.
Gemäß § 35 Abs. 5 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, […].
Der Familienangehörigenbegriff im Sinne der Legaldefinition des § 35 Abs. 5 AsylG ist daher schon im Hinblick darauf nicht erfüllt. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung zu Zlen. Ra 2015/21/0230 bis 0231-3 unter anderem mit dem Begriff des Familienangehörigen nach § 35 Abs. 5 AsylG auseinandergesetzt und ausgeführt, dass aus den ErläutRV zum FNG-AnpassungsG 2014 eine restriktive Tendenz in Bezug auf den zu erfassenden Personenkreis zu erkennen sei.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in Ra 2016/18/0253-0254 vom 21.02.2017 ausführt und auch kürzlich in Ra 2017/19/0609-0611 vom 03.05.2018 wiederholt, stellt die Ausstellung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG nur eine von mehreren im nationalen österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG zu eröffnen. Diesem Zweck wird aber nicht entsprochen, wenn - wie im gegenständliche Fall - den volljährigen Töchtern einer Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, da sie bei der Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise von vorneherein nicht dem Familienverfahren nach § 34 AsylG unterliegen würden.
Der Einreisetitel nach § 35 AsylG erweist sich daher von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der (volljährigen) BF auf Familienzusammenführung mit ihrer in Österreich befindlichen Mutter zu entsprechen.
Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK steht unter Gesetzesvorbehalt. Wenn die Verweigerung eines Einreiseantrags in den Schutzbereich des Privatlebens oder des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK eingreift, ist zu prüfen, ob sich diese auf eine gesetzliche Bestimmung stützt, was im vorliegenden Fall offensichtlich zutrifft, und ob sie Ziele verfolgt, die mit der EMRK in Einklang stehen, wofür hier insbesondere die Verteidigung der Ordnung im Bereich des Fremden- und Asylwesens sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes in Betracht kommen.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. Bei Erteilung eines Einreisetitels ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK im Allgemeinen kein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land gewährt (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00, Newsletter 2001, 159 uva). Art. 8 EMRK gewährt auch kein unmittelbares Zuwanderungsrecht und lässt den Mitgliedstaaten der EMRK bei der Regelung der Einwanderungspolitik einen breiten Ermessensspielraum (vgl. VfSlg 17.013/2003 und 18.613/2008).
Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u. a.) stellen die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. Die Verweigerung eines Visums, welche dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung der Einwanderungskontrolle dient, kann nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.09.2007, B 328/07; VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247; 22.01.2013, 2011/18/0012).
Weiters ist anzumerken, dass Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern oder zwischen Geschwistern nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht unter den Begriff des „Familienlebens“ des Art. 8 EMRK fallen, außer wenn weitere Faktoren einer Abhängigkeit, die über normale Gefühlsbande zwischen solchen Familienangehörigen hinausgehen, festgestellt werden können (EGMR 13.12.2007; Emonet und andere/Schweiz, Nr. 39051/03, Abs. 35 und EGMR 07.11.2000, Kwakye-Nti und Dufie/Niederlande, Nr. 31519/96). Ein solcher Ausnahmefall liegt beispielsweise vor, wenn die Beziehung zwischen Eltern und einem volljährigen Kind aufgrund eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses (z.B. schwerstbeeinträchtigtes und pflegebedürftiges Kind) einer Beziehung zwischen Eltern und einem minderjährigen Kind gleichkommt.
Solche Faktoren der Abhängigkeit wurden jedoch weder vorgebracht noch sind solche der Aktenlage zu entnehmen. Schwerwiegende Erkrankungen oder sonstige gesundheitliche Beeinträchtigungen der BF wurden nicht vorgebracht. Festgehalten wird, dass nunmehr auch der Vater der BF nach Gewährung eines Visums D seiner Ehefrau bzw. Mutter der BF nach Österreich nachreiste und hier am 23.03.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die BF leben somit zum Entscheidungszeitpunkt ohne ihre Eltern und haben ihren Alltag ohne Hilfe ihrer Eltern zu bewältigen. Mangels anderslautender Hinweise ist in dieser Zeit keine existenzbedrohende Situation für die BF eingetreten, sodass gegenständlich zwischen den im Ausland aufhältigen BF und ihren in Österreich wohnhaften Familienangehörigen kein derart besonderes Abhängigkeitsverhältnis gegeben ist, das einer Beziehung zwischen Eltern und minderjährigen Kindern gleichkommt.
Da die belangte Behörde über die betreffenden Einreiseanträge ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des BFA, dass die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die BF in Bezug auf die in Österreich befindliche Mutter nicht wahrscheinlich ist, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.
Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen der gegenständlichen Verfahren auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
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