VwGH Ro 2015/18/0002

VwGHRo 2015/18/00021.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. M A H, 2. L O A, 3. Y A J, 4. B A J, 5. A A J, und 6. Ab A J, alle vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 31. August 2015, 1) Zl. W196 2014635-2/2E, 2) Zl. W196 2107601- 1/2E, 3) Zl. W196 2107603-1/2E, 4) Zl. W196 2107604-1/2E,

5) Zl. W196 2107607-1/2E und 6) Zl. W196 2107609-1/2E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §16;
AsylG 1997 §3 Abs3 idF 2003/I/101;
AsylG 2005 §17 Abs1;
AsylG 2005 §17 Abs2;
AsylG 2005 §17;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13;
AsylG 2005 §25 Abs1 Z2;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §34 Abs1;
AsylG 2005 §34;
AsylG 2005 §35 Abs4;
AsylG 2005 §35;
AVG §56;
FrÄG 2009;
FrPolG 2005 §11a Abs2;
FrPolG 2005 §9 Abs3;
MRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I. Sachverhalt und Revisionsverfahren:

1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der zweit- bis sechstrevisionswerbenden Parteien. Sie alle sind somalische Staatsangehörige und halten sich nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) nicht in Österreich auf. Ein weiterer Sohn der Erstrevisionswerberin lebt jedoch in Österreich, ihm wurde am 26. September 2011 subsidiärer Schutz zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

2 Mit Schreiben vom 31. Juli 2013, vom Rechtsvertreter der revisionswerbenden Parteien persönlich überreicht am 6. August 2013, beantragte die Erstrevisionswerberin für sich und ihre damals minderjährigen Kinder (zweit- bis sechstrevisionswerbenden Parteien) beim Bundesasylamt (nunmehr:

Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; BFA) internationalen Schutz in Österreich "gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 AsylG". Diese Anträge wies das BFA mit Bescheiden jeweils vom 30. April 2015 als unzulässig zurück.

3 Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien eine gemeinsame Beschwerde an das BVwG, die mit den angefochtenen Erkenntnissen abgewiesen wurde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das BVwG für zulässig.

Begründend führte das BVwG aus, das BFA habe sich bei seiner Entscheidung an den Wortlaut des § 17 AsylG 2005 gehalten, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz nur von Personen (Fremden) gestellt werden könne, die sich in Österreich befänden. Dies gelte auch für die Antragstellung gemäß § 34 AsylG 2005, sodass der eindeutige Wortlaut des Gesetzes auch im Familienverfahren keine Antragstellung aus dem Ausland zulasse. Rechtsschutzdefiziten könne durch den Ausbau des Rechtsschutzes im Visaverfahren (nach § 35 AsylG 2005) begegnet werden. Im Ergebnis sei dem BFA daher kein Vorwurf zu machen. Der Wortlaut des Gesetzes sei eindeutig, was die alleinige Antragsmöglichkeit im Inland betreffe. Durch die inhaltliche Trennung der Antragstellung auf internationalen Schutz gemäß § 34 AsylG 2005 und des Einreiseantrags gemäß § 35 AsylG 2005 sei die früher ergangene Judikatur der Höchstgerichte nicht mehr darauf anwendbar.

Da es zu der maßgeblichen aktuellen Rechtslage aber keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe, sei die Revision zuzulassen gewesen.

4 Gegen diese Erkenntnisse des BVwG wendet sich die vorliegende ordentliche Revision.

In ihr wird vorgebracht, dass die revisionswerbenden Parteien bei der österreichischen Botschaft in A zunächst Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 AsylG 2005 gestellt hätten, die mit Bescheid der österreichischen Botschaft A vom 30. Mai 2013 abgewiesen worden seien, weil das Bundesasylamt der österreichischen Vertretungsbehörde mitgeteilt habe, eine Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson nach § 34 AsylG 2005 sei als nicht wahrscheinlich einzustufen. Ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde gegen diesen Bescheid der Botschaft sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Juli 2013, VH 2013/21/0095-2, abgewiesen worden.

Der von den Höchstgerichten in den Entscheidungen VfSlg. 17.033/2003 und VwGH vom 19. Juni 2008, 2007/21/0423, vorgegebenen Vorgehensweise folgend hätten die revisionswerbenden Parteien sodann vertreten durch ihren Rechtsvertreter schriftliche Anträge auf internationalen Schutz nach § 34 AsylG 2005 beim Bundesasylamt eingebracht, die nun - im Beschwerdeverfahren - als unzulässig zurückgewiesen worden seien.

Dies sei zu Unrecht erfolgt, weil sich die revisionswerbenden Parteien im Wesentlichen auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 2008, 2007/21/0423, bezogen hätten. Der Wortlaut der maßgeblichen asylgesetzlichen Bestimmungen zur Definition eines Antrags auf internationalen Schutz und zu dessen Formerfordernissen (vgl. etwa § 2 Abs. 1 Z 13 und insbesondere auch § 17 Abs. 1, 2 und 5 AsylG 2005) habe seither keine Änderung erfahren. Auch die hier relevante Bestimmung des § 34 AsylG 2005 über Anträge im Familienverfahren sei nicht geändert worden. Einzig § 35 AsylG 2005 sei dahingehend novelliert worden, dass ein auf diese Bestimmung gestützter Antrag nun nur noch als Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels und nicht mehr wie zuvor auch zugleich als Antrag auf internationalen Schutz gelte. Bei richtiger Lesart des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des darin angeführten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.033/2003 werde ersichtlich, dass die Änderung des § 35 AsylG 2005 keinesfalls zu einer Unanwendbarkeit dieser Rechtsprechung führe und keinerlei Einfluss auf den von den Höchstgerichten vorgezeichneten Weg zu einer rechtmäßigen Antragstellung habe.

Auch im vorliegenden Verfahren sei die österreichische Vertretungsbehörde bei ihrer Entscheidung über die Erteilung eines Einreisetitels an die Mitteilung der Asylbehörde gebunden gewesen. Sie habe den Antrag im Falle einer negativen "Prognoseentscheidung" durch das Bundesasylamt abzulehnen gehabt, ohne selbst eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen. Dass dies auch für die im gegenständlichen Fall anzuwendende Rechtslage gelte, sei vom Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt worden (VwGH vom 17. Oktober 2013, 2013/21/0152). Entgegen den Ausführungen des BVwG fehle es sohin keineswegs an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sondern die gegenständlichen Erkenntnisse würden von dieser Rechtsprechung abweichen. Die Revision sei daher schon aus diesem Grund zulässig.

Die Erkenntnisse seien inhaltlich rechtswidrig. Das BVwG stelle zwar ein dem Verfahren nach § 35 AsylG 2005 immanentes Rechtsschutzdefizit ausdrücklich fest, schlage jedoch zu dessen Lösung entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Ausbau des Rechtsschutzes im Visaverfahren vor. Aus diesem Vorschlag sei für die revisionswerbenden Parteien im konkreten Fall nichts gewonnen, weil das Gesetz eine dem Antragsteller eingeräumte Überprüfungsmöglichkeit dieser Mitteilung der Asylbehörden, die bloß nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen getroffen wird, weder kannte noch kennt. Um ein verfassungswidriges Rechtsschutzdefizit zu vermeiden, hätten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts klargestellt, dass es Familienangehörigen in solchen Konstellationen möglich sein müsse, einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren direkt bei der Asylbehörde zu stellen.

Es werde seitens der revisionswerbenden Parteien nicht behauptet, das AsylG 2005 kenne die Vorgehensweise einer Antragstellung im Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 aus dem Ausland direkt bei der Asylbehörde. Allerdings habe auch die alte Fassung des Asylgesetzes ein solches Verfahren nicht vorgesehen und es sei dies erst durch die Judikatur der Höchstgerichte ermöglicht worden. Für eine Unanwendbarkeit der zitierten Entscheidungen lägen keine Anhaltspunkte vor. Die wesentliche Intention des Verwaltungsgerichtshofes sei darin gelegen gewesen, es im Ausland befindlichen Familienangehörigen eines Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten zu ermöglichen, dass über seinen Antrag im Familienverfahren trotz Nichterteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 in einer rechtsstaatlich einwandfreien Weise entschieden werde. Dieses Ziel könne auch nach der anzuwendenden Rechtslage nur dadurch erreicht werden, dass in derartigen Fällen eine schriftliche Antragstellung aus dem Ausland für zulässig erachtet werde. Aufgrund der vom BVwG getroffenen Feststellungen stehe fest, dass die revisionswerbenden Parteien sämtliche der in § 34 Abs. 3 AsylG 2005 aufgestellten Anforderungen für die Erteilung desselben Schutzes, der auch der in Österreich aufhältigen Bezugsperson zukommt, erfüllten.

Des Weiteren werde darauf hingewiesen, dass die Höchstgerichte nicht nur eine Antragstellung vom Ausland aus ermöglicht hätten, sondern die Rechtsprechung auch besage, dass internationaler Schutz an diese Personen gewährt werden könne, obwohl sie sich noch außerhalb des Bundesgebietes befänden.

Nach Auffassung der revisionswerbenden Parteien sei der Fall auf der Grundlage der Feststellungen des BVwG entscheidungsreif. Es lägen daher die Voraussetzungen dafür vor, dass der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheide.

Ausgehend davon beantragten die revisionswerbenden Parteien, der Verwaltungsgerichtshof möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache selbst entscheiden und ihnen denselben Schutz wie der näher bezeichneten Bezugsperson zuerkennen; hilfsweise möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

5 Das BFA erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Revision als unbegründet abzuweisen.

Es führte aus, dass sich die Revision auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes zur früheren Rechtslage bezögen. Durch das FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, sei diese grundlegend geändert worden. Ein Antrag nach § 35 AsylG 2005 bei der Vertretungsbehörde im Ausland sei nun kein Antrag auf internationalen Schutz, sondern nur noch ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels. Daher sei die frühere Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zur Antragstellung im Ausland nicht auf die aktuelle Rechtslage übertragbar.

Diese Änderung des § 35 AsylG 2005 durch das FrÄG 2009 wirke sich aufgrund der Systematik des AsylG 2005 auch auf dessen § 34 aus, sodass dieser materiell nunmehr anders zu interpretieren sei:

Gemäß § 34 AsylG 2005 gelte der Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen eines international Schutzberechtigten als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sei ein Antrag auf internationalen Schutz das Ersuchen eines "Fremden in Österreich", sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen. Dementsprechend gelte ein Antrag auf internationalen Schutz als gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde um Schutz vor Verfolgung ersuche (§ 17 Abs. 1 AsylG 2005). Aus dem Gesetz und den Materialien ergäben sich keine Hinweise, dass ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 34 AsylG 2005 nicht ein Antrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asyl 2005 sein sollte. Daher sei nun Voraussetzung für einen Antrag auf internationalen Schutz sowohl im Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 als auch für "normale" Anträge, dass sich der Fremde zumindest zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufhalte. Im vorliegenden Fall erfüllten die revisionswerbenden Parteien diese Prozessvoraussetzung nicht, weshalb ihre Anträge zurückzuweisen gewesen seien.

Bei dieser Auslegung des § 34 AsylG 2005 könne auch kein Rechtsschutzdefizit entstehen, weil Familienangehörige die Möglichkeit hätten, einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 zu stellen. Eine Entscheidung in diesem Einreiseverfahren sei spätestens seit 1. Jänner 2014 vollinhaltlich durch das BVwG überprüfbar:

Die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA sei zwar kein Bescheid, sie sei aber einem Amtsgutachten vergleichbar, das die Vertretungsbehörde jedoch kraft gesetzlicher Anordnung und abweichend vom allgemeinen Verfahrensrecht absolut binde. Eine Bindung der Verwaltungsgerichte sei jedoch weder explizit noch implizit in § 35 AsylG 2005 vorgesehen, da nur die Vertretungsbehörden genannt würden. Das Nichtbestehen einer Bindung des BVwG an eine formlose Mitteilung einer Behörde ergebe sich darüber hinaus verfassungskonform auch aus der richterlichen Unabhängigkeit, seiner Stellung im Rechtsschutzgefüge und seiner Sachentscheidungspflicht.

Auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes spreche dafür, dass eine Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA inhaltlich im Rechtsweg überprüfbar sei: Mit Erkenntnis vom 6. Juni 2014, B 369/2013, habe der Verfassungsgerichtshof einen abweisenden Bescheid einer Vertretungsbehörde aufgehoben, da fallbezogen die Einreise einer Familienangehörigen aufgrund des Art. 8 EMRK geboten gewesen sein könnte. In diesem Fall habe das Bundesasylamt zuvor eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose erstattet. Indem der Verfassungsgerichtshof den Bescheid aufgehoben und kein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet habe, sei er implizit von einer inhaltlichen Nachprüfbarkeit eines abweisenden Bescheides gemäß § 35 AsylG 2005 durch das Gericht ohne Bindung an die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ausgegangen.

Darüber hinaus gebiete auch das Unionsrecht (Art. 47 GRC, Art. 16 der Richtlinie 2003/86/EG ) eine derartige Auslegung.

II. Rechtslage:

1. Zur historischen Entwicklung des Asylgesetzes in Bezug auf die strittigen Rechtsfragen:

6 Während das Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, die Möglichkeit vorsah, Asylanträge auch bei österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland einzubringen (§ 12 Abs. 2), die im Anschluss an das Bundesasylamt weiterzuleiten waren (§ 14 Abs. 3), und sonst keine weiteren Sondervorschriften für die Behandlung dieser Anträge enthielt, nahm das Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, (AsylG 1997), erstmals Einschränkungen in Bezug auf die Behandlung derartiger Anträge vor: Schriftliche Anträge waren nach dem AsylG 1997 grundsätzlich noch zulässig und es gab keine allgemeine Regelung, die es gestattet hätte, derartige Anträge oder solche, die nicht durch den Asylwerber persönlich bei einer österreichischen Asylbehörde eingebracht wurden, nicht zu erledigen. Asyl- und sogenannte Asylerstreckungsanträge von im Ausland befindlichen Antragstellern konnten bei einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland gestellt werden; sie galten außerdem als Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels (§ 16 Abs. 1 AsylG 1997). Für die Behandlung dieser Anträge trafen § 16 Abs. 2 und 3 AsylG 1997 besondere Vorschriften: Der bei der österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland gestellte Asylantrag war unverzüglich dem Bundesasylamt zuzuleiten und die Vertretungsbehörde hatte dem Antragsteller oder der Antragstellerin ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen, wenn ihr das Bundesasylamt mitgeteilt hatte, dass die Asylgewährung wahrscheinlich war. Asyl- und Asylerstreckungsanträge von Fremden, denen nach Befassung des Bundesasylamtes die Einreise nicht gewährt worden war, waren gemäß § 31 AsylG 1997 als gegenstandslos abzulegen. Überdies ordnete § 2 AsylG 1997 an, dass nur Fremde, die sich im Bundesgebiet aufhalten, Asyl und die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft erlangen konnten.

7 In den Gesetzesmaterialien wurde das Verhältnis von § 2 AsylG 1997 und den Bestimmungen der §§ 16 und 31 AsylG 1997 folgendermaßen erläutert (686 BlgNR 20. GP , 16):

"Nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sollen nur jene Fremden Asyl erhalten, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Eines Asylgewährung an Fremde im Ausland wäre insofern ein inhaltsleerer Akt, als in solchen Fällen ein für die Asylgewährung unabdingbares Moment, nämlich die tatsächliche Möglichkeit, über den betreffenden Fremden die Hoheitsgewalt in einem erforderlichen Mindestmaß auszuüben, fehlt.

Die Gewährung von Asyl und die Asylerstreckung an Fremde im Ausland sind somit nach dieser Bestimmung unzulässig. Gleiches gilt für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund des § 16 Abs. 3 zu sehen, der in Fällen, in denen bei einer österreichischen Vertretungsbehörde ein Asylantrag eingebracht wird, unter näheren Voraussetzungen die Erteilung eines Visums vorsieht. Asylanträge, die aus dem Ausland eingebracht werden, sind - wenn sie nicht binnen kurzem zur Einreise führen (§ 16 Abs. 3 ...) - als gegenstandslos abzulegen (§ 31)."

8 Mit dieser Rechtslage befasste sich der Verfassungsgerichtshof in seinem - im vorliegenden Revisionsverfahren mehrfach zitierten - Erkenntnis vom 24. November 2003, B 1701/02, VfSlg. 17.033/2003. Dem Erkenntnis lag ein Fall zugrunde, in dem Angehörige eines in Österreich befindlichen Asylberechtigten, die sich im Ausland aufhielten, bei der Österreichischen Botschaft die Erstreckung des Asyls sowie die Erteilung von Einreisevisa nach § 16 AsylG 1997 beantragt hatten. Mit Bescheid der Österreichischen Botschaft wurde ihnen unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Bundesasylamts, wonach die Asylgewährung an die Antragsteller unwahrscheinlich sei, die Erteilung von Visa verweigert. Dagegen war Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben worden, der zu den strittigen Rechtsfragen unter anderem Folgendes ausführte:

"Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen wird in einem Verfahren nach § 16 AsylG bloß über die Erteilung eines Visums, nicht aber über den Asylerstreckungsantrag abgesprochen. Richtig ist zwar, dass die Ablehnung der Erteilung eines Visums gemäß § 31 AsylG zur Folge hat, dass ein Asylerstreckungsantrag zunächst als gegenstandslos abzulegen ist; damit wird aber nicht über einen Asylerstreckungsantrag rechtskräftig abgesprochen. Der Stellung eines neuen Asylerstreckungsantrages direkt bei der Asylbehörde (postalisch oder durch einen Vertreter im Inland) steht die Erledigung, der keine res iudicata-Wirkung zukommt (...) ebensowenig entgegen, wie der Umstand, dass die Beschwerdeführerinnen sich im Ausland befinden. § 2 AsylG lautet zwar:

‚Fremde, die sich im Bundesgebiet aufhalten, erlangen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Asyl und die Feststellung, daß sie damit kraft Gesetzes Flüchtlinge sind.'

Daraus leitet der Unabhängige Bundesasylsenat (in seiner Rechtsprechung) ab, dass Asylwerber sich bei Gewährung des Asyls im Inland aufhalten müssen (...) Das Erfordernis des Aufenthaltes im Inland kann sich aber schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf die im Ausland befindlichen Angehörigen eines Asylberechtigten beziehen, da diese bei Abweisung eines Antrages nach § 16 AsylG nie in die Lage kämen, dass über ihren Asylerstreckungsantrag nicht bloß nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen, sondern in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren, in dem sie alle Argumente, auch jene, die sie aus Art 8 EMRK ableiten, vortragen können, in rechtsstaatlich einwandfreier Weise entschieden wird. Bei Antragstellung bei der österreichischen Vertretungsbehörde (§ 16 AsylG) oder an einer Grenzübergangsstelle

(§ 17 AsylG) käme es immer wieder bloß zu einer Wahrscheinlichkeitsprüfung. Sie wären daher gezwungen, illegal nach Österreich einzureisen, bloß um eine Erledigung ihres Antrages in einem nicht bloß auf Wahrscheinlichkeitsprognosen beruhenden Verfahren, zu erreichen. Eine solche Auslegung wäre aber jedenfalls bei nachziehenden Angehörigen grob unsachlich."

9 Mit der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, wurde die verfahrensrechtliche Behandlung von schriftlichen Asylanträgen einerseits und der Möglichkeit einer Antragstellung im Ausland andererseits weiter eingeschränkt. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 1997 in der novellierten Fassung konnten Asylanträge nur mehr persönlich bei einer Erstaufnahmestelle eingebracht werden. Schriftliche Asylanträge, die noch immer zulässig waren, galten nun gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 1997 erst als eingebracht, wenn der Fremde der schriftlichen Aufforderung der Behörde, sich in der Erstaufnahmestelle persönlich einzufinden, Folge leistete. Wurde dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, war der Antrag als gegenstandslos abzulegen. Neu eingeführt wurde anstelle der Asylerstreckung das sogenannte Familienverfahren (§ 10 AsylG 1997). Gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 konnten Anträge im Familienverfahren auch bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden gestellt werden und galten außerdem als Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Der Antragsteller war gemäß § 16 Abs. 3 AsylG 1997 aber darauf aufmerksam zu machen, dass der Asylantrag erst nach der persönlichen Einbringung in der Erstaufnahmestelle (im Bundesgebiet) als eingebracht galt. Nach § 31 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 waren Asylanträge Fremder im Familienverfahren, denen nach Befassung des Bundesasylamtes die Einreise nicht gewährt worden war, als gegenstandslos abzulegen. Ebenso war mit schriftlich gestellten Asylanträgen zu verfahren, wenn der Fremde nicht persönlich zu der Erstaufnahmestelle kam. Im Übrigen wurde durch diese Gesetzesnovelle die Möglichkeit abgeschafft, außerhalb des Familienverfahrens Asyl bei den österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland zu beantragen (vgl. die Gesetzesmaterialien zu § 16 AsylG 1997, 120 BlgNR 22. GP , 16).

10 Durch das AsylG 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (Stammfassung), erfuhr diese Rechtslage insofern eine Änderung, als die bisher geltenden Regelungen in neuen Paragrafen Niederschlag fanden und in einigen Details modifiziert wurden. Anträge auf internationalen Schutz konnten grundsätzlich nur persönlich im Inland gestellt und eingebracht werden (§ 17 Abs. 1 und 2 AsylG 2005). Von der persönlichen Antragstellung und Einbringung waren gemäß § 17 Abs. 3 AsylG 2005 in Österreich nachgeborene Kinder von Asylwerbern und Fremden, denen der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ausgenommen; sie konnten Anträge auch schriftlich stellen und einbringen. Das Familienverfahren wurde nun in § 34 AsylG 2005 geregelt. Für im Ausland befindliche Familienangehörige (vgl. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005) von Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war, sah § 35 Abs. 1 AsylG 2005 weiterhin die Möglichkeit vor, Anträge auf internationalen Schutz bei österreichischen Vertretungsbehörden zu stellen; ein solcher Antrag galt auch nach wie vor als Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels. Als eingebracht galt der Antrag auf internationalen Schutz dieser Personen aber erst nach persönlicher Stellung in der Erstaufnahmestelle. Wurde ihnen die Einreise nach Befassung des Bundesasylamts (vgl. § 35 Abs. 3 und 4 AsylG 2005) nicht gewährt, waren ihre Anträge auf internationalen Schutz im Familienverfahren gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als gegenstandslos abzulegen. Dasselbe sah § 25 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 für schriftlich gestellte Anträge vor, soweit dies nicht gemäß § 17 Abs. 3 AsylG 2005 zulässig war.

11 Mit dieser Rechtslage beschäftigte sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 2008, 2007/21/0423. Diesem Verfahren lag ein Antrag der Mutter eines in Österreich asylberechtigten Minderjährigen zugrunde, die bei der Österreichischen Botschaft in Somalia gemäß den §§ 34, 35 AsylG 2005 die Gewährung desselben Schutzes beantragt hatte. Das Bundesasylamt hatte zur Wahrscheinlichkeit der Schutzgewährung eine negative Mitteilung erstattet. Die Botschaft hatte daraufhin den (mit dem Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Antrag auf Erteilung eines Visums) abgewiesen, wogegen sich die Antragstellerin beim Verwaltungsgerichtshof beschwerte.

Der Verwaltungsgerichtshof führte in dem zitierten Erkenntnis aus, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des Bundesasylamtes über die Prognose einer Asylgewährung gebunden sei. Soweit die Beschwerdeführerin bei dieser Auslegung ein Rechtsschutzdefizit zu erkennen glaube, seien ihr die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dem Erkenntnis VfSlg. 17.033/2003, die sinngemäß auch für die aktuelle Rechtslage gelten würden, entgegenzuhalten. Daraus sei zu folgern, dass es einer Überprüfungsmöglichkeit der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung durch das Bundesasylamt im Rahmen des Visumsverfahrens nach § 35 AsylG 2005 unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes nicht bedürfe. Es müsse dem Familienangehörigen eines Asylberechtigten vielmehr ermöglicht werden, dass über seinen Antrag im Familienverfahren trotz Nichterteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 in einer rechtsstaatlich einwandfreien Weise entschieden werde. Ob die Bestimmungen des AsylG 2005, die in der vorliegenden Konstellation eine schriftliche Antragstellung beim Bundesasylamt nicht (mehr) kennen würden, insoweit einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich wären oder sich als verfassungswidrig erwiesen, brauche im entschiedenen Fall aber mangels Präjudizialität dieser Normen nicht weiter geprüft werden.

12 Der Verfassungsgerichtshof schloss sich diesen Überlegungen in einem Verfahren, in dem der Asylgerichtshof eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesasylamt (das einen aus dem Ausland von einem Familienangehörigen gestellten schriftlichen Antrag auf internationalen Schutz nicht behandelt hatte) zurückgewiesen hatte, an (vgl. VfGH vom 27. September 2013, U 1233/2013, VfSlg. 19.795/2013). Er führte aus, das Bundesasylamt habe im dort entschiedenen Fall den schriftlichen Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes nach Ablehnung der Erteilung eines Visums gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als gegenstandslos abgelegt. Mit ihrem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens habe aber die Beschwerdeführerin - im Einklang mit der im an sie ergangenen Erkenntnis des VwGH vom 19. Juni 2008, 2007/21/0423, vertretenen Rechtsauffassung - hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie auf einer bescheidmäßigen Erledigung des Antrages auf Gewährung desselben Schutzes bestehe. Damit habe auf Grundlage der damals geltenden Stammfassung des § 35 AsylG 2005 jedenfalls ein Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung durch das Bundesasylamt und im Säumnisfall auf Entscheidung durch den Asylgerichtshof bestanden. Demgegenüber sei die vom Asylgerichtshof vertretene Auffassung, es bestehe auf Grund asylrechtlicher Regelungen kein Erledigungsanspruch, mit der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auslegung der Stammfassung des § 35 AsylG 2005 nicht in Einklang zu bringen. Der Beschwerdeführerin sei es frei gestanden, auf der bescheidmäßigen Erledigung ihres als gegenstandslos abgelegten Antrages zu beharren, weil sonst keine Möglichkeit bestünde, über den Antrag im Familienverfahren in rechtsstaatlich einwandfreier Weise und nicht bloß nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen zu erkennen. Diesbezüglich verwies der Verfassungsgerichtshof auf sein Vorerkenntnis VfSlg 17.033/2003 zum AsylG 1997, dessen Argumentation der Verwaltungsgerichtshof - wie der Verfassungsgerichtshof weiter ausführte - zutreffend auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 in der Stammfassung übertragen habe.

13 Durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122/2009 (FrÄG 2009), erfuhr die Stammfassung des AsylG 2005 - soweit für das vorliegende Verfahren von Relevanz ist - insofern eine Änderung, als nun der Antrag eines Familienangehörigen bei der Berufsvertretungsbehörde im Ausland nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nicht mehr als Antrag auf internationalen Schutz, sondern nur mehr als Antrag auf einen Einreisetitel galt. Die bisher geltende Regelung zur Gegenstandslosigkeit nach § 25 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde beseitigt.

14 Dazu wurde in den Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP , 22 und 24) Folgendes ausgeführt:

"Zu (...) (§ 25 Abs. 1 Z 1):

Künftig soll es sich bei dem Antrag eines Familienangehörigen bei der österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland um einen bloßen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels handeln und der Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren formal erst im Inland gestellt werden können (Siehe dazu § 35 neu). Es hat daher die Anschlussbestimmung des § 25 Abs. 1 Z 1, wonach Anträge auf internationalen Schutz im Familienverfahren als gegenstandslos abzulegen sind, wenn dem Fremden die Einreise nicht gewährt wird, zu entfallen.

(...)

Zu (...) (Überschrift des § 35, § 35 Abs. 1, 3 und 4):

Die Systematik der Sonderbestimmungen für das Familienverfahren soll weiters insofern geändert werden, als der Antrag des Familienangehörigen bei der Berufsvertretungsbehörde im Ausland nicht mehr als Antrag auf internationalen Schutz, sondern nur mehr als Antrag auf einen Einreisetitel gilt. Nach der geltenden Rechtslage hat dieser Antrag beide Funktionen (§ 35 Abs. 1). Es wird damit in systematisch konsequenter Weise normiert, dass Anträge auf internationalen Schutz ausnahmslos nur mehr im Inland gestellt werden können, ohne dass sich die Rechtsposition des Fremden dadurch verschlechtert. Das Verfahren bis zur Genehmigung der Einreise bleibt unverändert. Der Fremde hat lediglich nach erfolgter Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß den Bestimmungen des § 17 Abs. 1 und 2 zu stellen bzw. einzubringen. Darüber ist der Fremde zu informieren (siehe § 35 Abs. 4 letzter Satz (neu)). Auch in der geltenden Rechtslage gilt der Antrag auf internationalen Schutz bei der Berufsvertretungsbehörde lediglich als gestellt und muss noch persönlich bei der Erstaufnahmestelleeingebracht werden. Mit der geplanten Änderung wird überdies künftig das verfahrensrechtlich unbefriedigende Ergebnis, dass über den Antrag auf internationalen Schutz nicht abgesprochen wird, sondern dieser als gegenstandslos abgelegt wird, wenn dem Fremden die Einreise nicht gewährt wird, vermieden (siehe dazu auch die Streichung des § 25 Abs. 1 Z 1). (...)

Wie bisher ist dem Fremden ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen, wenn das Bundesasylamt mitteilt, dass die Gewährung internationalen Schutzes wahrscheinlich ist. (...)."

2. Die aktuelle Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

15 Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 70/2015, lauten auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

(...)

13. ein Antrag auf internationalen Schutz: das - auf welche Weise auch immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten;

(...)

Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(...)

Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(...)

Verfahrensablauf

§ 17. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde um Schutz vor Verfolgung ersucht.

(2) Der Antrag auf internationalen Schutz gilt mit Anordnung des Bundesamtes gemäß § 43 Abs. 1 BFA-VG als eingebracht, soweit sich aus diesem Bundesgesetz oder dem BFA-VG nichts anderes ergibt.

(3) Ein Antrag auf internationalen Schutz von einem in Österreich nachgeborenen Kind eines Asylwerbers oder Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, kann auch bei einer Regionaldirektion oder einer Außenstelle der Regionaldirektion eingebracht werden; diese Anträge können auch schriftlich gestellt und eingebracht werden. Das Familienverfahren (§ 34) eines minderjährigen, ledigen Kindes eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zukommt oder dessen Verfahren zugelassen und noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, ist mit Einbringen des Antrags zugelassen.

(...)

Gegenstandslosigkeit und Zurückziehen von Anträgen

§ 25. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als gegenstandslos abzulegen

  1. 1. (...)
  2. 2. wenn der Antrag, soweit dies nicht gemäß § 17 Abs. 3 zulässig war, schriftlich gestellt wurde. (...)

    Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

  1. 1. dieser nicht straffällig geworden ist;
  2. 2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

    3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

  1. 1. dieser nicht straffällig geworden ist;
  2. 2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

    3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

    4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat."

16 Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben. Dies gilt somit auch für Fremde, deren Antrag auf einen Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 abgewiesen worden ist. § 11a FPG sieht für Beschwerdeverfahren in Visaangelegenheiten besondere Verfahrensvorschriften vor; unter anderem dürfen im Beschwerdeverfahren keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden (§ 11a Abs. 2 FPG).

 

III. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 Die Revision ist im Sinne des Zulassungsausspruchs des

BVwG zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

18 Die Darstellung der historischen Entwicklung jener

Vorschriften in den österreichischen Asylgesetzen, die sich mit der Beantragung von Asyl bzw. internationalem Schutz aus dem Ausland befassen, macht deutlich, dass der Gesetzgeber im Laufe der letzten Jahrzehnte eindeutig und zunehmend einschränkend das Ziel verfolgt hat, ein Asylverfahren bzw. ein Verfahren zur Gewährung von internationalem Schutz nur in Bezug auf Personen zu führen, die sich im Bundesgebiet befinden. Dass dabei - auch für Familienangehörige von Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten in Österreich - keine Ausnahme gemacht werden soll, lässt sich klar erkennen.

19 Schon das AsylG 1997 war von der gesetzgeberischen Absicht getragen, kein Asyl oder eine Asylerstreckung an Fremde im Ausland zuzulassen. Asylanträge aus dem Ausland sollten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers als gegenstandslos abgelegt werden, wenn der antragstellenden Partei nicht binnen kurzem eine Einreise nach Österreich gestattet wurde (vgl. die in Rz 7 wiedergegebenen Gesetzesmaterialien sowie die entsprechenden gesetzlichen Regelungen in den §§ 2, 16 und 31 AsylG 1997). Allerdings sah das AsylG 1997 noch nicht vor, dass schriftliche Asylanträge oder solche, die nicht persönlich vor der österreichischen Asylbehörde eingebracht werden, unzulässig seien. Darüber hinaus traf es auch keine Regelung, die es gestattet hätte, derartige Anträge - im Allgemeinen - nicht weiter zu behandeln. Ausgehend davon ließ die damalige Rechtslage auch eine verfassungskonforme Auslegung, wie sie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 17.033/2003, zur Beseitigung von Rechtsschutzdefiziten vorgenommen hat, zu, indem der Verfassungsgerichtshof im Ausland befindlichen Familienangehörigen von Asylberechtigten in Österreich nahelegte, einen Asylerstreckungsantrag postalisch oder durch einen Vertreter im Inland einzubringen, um ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren zu erhalten, in dem sie alle Argumente, auch jene die sie aus Art. 8 EMRK ableiten, vortragen könnten (vgl. Rz 8).

20 Mit der AsylG-Novelle 2003 wurde jedoch eine ausdrückliche Regelung geschaffen, wie mit schriftlichen Asylanträgen umzugehen war: Sie sollten erst dann als eingebracht gelten, wenn der Fremde der Aufforderung der Behörde, sich in der Erstaufnahmestelle in Österreich persönlich einzufinden, Folge leistete; anderenfalls war der Antrag gemäß § 31 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 als gegenstandslos abzulegen. Diese Vorschrift sah auch keine Ausnahmen für Familienangehörige von Fremden, denen in Österreich bereits Asyl gewährt worden war, vor.

21 Auch das AsylG 2005 (Stammfassung) änderte an dieser restriktiven Haltung des Gesetzes zu schriftlichen Anträgen auf internationalen Schutz grundsätzlich nichts. Lediglich für in Österreich nachgeborene Kinder von Asylwerbern oder Fremden, denen der Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten zukam, eröffnete es in § 17 Abs. 3 AsylG 2005 ausnahmsweise die Möglichkeit, Anträge nicht persönlich, sondern schriftlich zu stellen. Für alle anderen Personen wurden schriftliche Anträge jedoch explizit nicht zugelassen; sie sollten nach § 25 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 als gegenstandslos abgelegt werden.

22 Der Verwaltungsgerichtshof gab in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 2008, 2007/21/0423 (vgl. Rz 11), unter Hinweis auf VfSlg. 17.033/2003 zu verstehen, dass er wegen weiter bestehender Rechtsschutzdefizite im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 verfassungsmäßige Bedenken an der geschilderten Rechtslage hatte. Er gab allerdings auch zu bedenken, dass die Bestimmungen des AsylG 2005 eine schriftliche Antragstellung nicht mehr kennen würden und sich insoweit - wie aufgezeigt - von jener Rechtslage unterschieden, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.033/2003 zugrunde lag. Ob dadurch eine verfassungskonforme Interpretation des AsylG 2005 im Sinne der Ausführungen in VfSlg. 17.033/2003 (schriftliche Antragstellung aus dem Ausland) überhaupt noch möglich sei, wurde - entgegen der Begründung im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 19.795/2013 - ausdrücklich offen gelassen.

23 Mit dem FrÄG 2009 wurde schließlich auch die Möglichkeit für Familienangehörige von Fremden, die in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz erlangt haben, beseitigt, ihren Antrag auf internationalen Schutz bei der österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland zu stellen. Die Gesetzesmaterialien lassen keinen Zweifel daran, welche Vorstellungen der Gesetzgeber damit verfolgt hat: Es werde dadurch "in systematisch konsequenter Weise normiert, dass Anträge auf internationalen Schutz ausnahmslos nur mehr im Inland gestellt werden können" (vgl. Rz 14).

24 Dieser gesetzgeberischer Wille findet seinen Niederschlag in den §§ 17 Abs. 1 und 2, 25 Abs. 1 Z 2 und 35 AsylG 2005 (idgF). Somit verbleibt nach der geltenden Rechtslage den Familienangehörigen eines in Österreich Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 nur die Möglichkeit, bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels zu stellen. Es ist jedoch nicht zulässig, den Antrag auf internationalen Schutz bei der österreichischen Vertretungsbehörde zu stellen oder ihn postalisch oder durch einen Vertreter im Inland bei der österreichischen Asylbehörde einzubringen.

25 Abschließend ist allerdings zu beurteilen, ob die vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 17.033/2003 aufgezeigten Rechtsschutzdefizite, die vom Verwaltungsgerichtshof in seiner bereits zitierten Rechtsprechung bestätigt wurden, auch nach der geltenden Rechtslage weiter bestehen und bejahendenfalls, ob sie im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Bestimmungen des AsylG 2005 beseitigt werden können oder eine Anfechtung der relevanten gesetzlichen Vorschriften im Gesetzesprüfungsverfahren nach Art. 140 Abs. 1 B-VG erfordern.

26 Dazu ist vorauszuschicken, dass die Einschränkung der inhaltlichen Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz auf Fremde, die sich im Bundesgebiet aufhalten, schon in den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des AsylG 1997 (sinngemäß) damit begründet wurde, dass die Schutzgewährung durch Österreich nur in diesem Fall durch die Ausübung von Hoheitsgewalt im erforderlichen Mindestmaß gewährleistet sei (vgl. Rz 7). Ausgehend von diesem zutreffenden Argument erscheint die vom Gesetz vorgenommene Differenzierung zwischen Fremden, die sich im Ausland, und solchen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, sachlich gerechtfertigt. Auch der Verfassungsgerichtshof hat diesbezüglich bislang unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Fremden untereinander keine Bedenken geäußert.

27 VfSlg. 17.033/2003 und die Folgejudikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts erkannten vielmehr Defizite im effektiven Rechtsschutz gegen die Verweigerung eines Visums nach § 16 AsylG 1997 bzw. § 35 AsylG 2005 (Stammfassung), die es als Ausgleich erforderlich machten, schriftliche Asylanträge aus dem Ausland von Familienangehörigen eines in Österreich anerkannten Flüchtlings oder subsidiär Schutzberechtigten zuzulassen.

28 Diese Bedenken bezogen sich auf Vorschriften, wie sie - mit den dargestellten Veränderungen - nach wie vor im AsylG 2005 enthalten sind. Danach hat die österreichische Vertretungsbehörde dem Fremden, der einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 stellt, einen solchen (nur) zu erteilen, wenn das Bundesamt (nunmehr: BFA) mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist (§ 35 Abs. 4 AsylG 2005). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid; eine für den Antragsteller negative Mitteilung kann daher auch nicht (selbständig) angefochten werden (vgl. VwGH vom 6. Oktober 2010, 2008/19/0527). Gleichzeitig ist die Vertretungsbehörde im Ausland an die Mitteilung des Bundesamtes über die Prognose einer Asylgewährung oder die Gewährung von subsidiärem Schutz aber gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH vom 19. Juni 2008, 2007/21/0423, und aus der Folgejudikatur etwa VwGH vom 18. April 2013, 2012/21/0157, und vom 17. Oktober 2013, 2013/21/0152).

29 Der Verfassungsgerichtshof argumentierte in VfSlg. 17.033/2003, es müsse auch im oben beschriebenen System sichergestellt sein, dass über die damals noch vorgesehenen Asylerstreckungsanträge von Familienangehörigen im Ausland "nicht bloß nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen, sondern in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren, in dem sie alle Argumente, auch jene, die sie aus Art. 8 EMRK ableiten, vortragen können, in rechtsstaatlich einwandfreier Weise entschieden" werde (vgl. Rz 8).

30 Für das geltende Recht, das Anträge auf internationalen Schutz aus dem Ausland sachlich begründbar (vgl. Rz 26) nicht mehr kennt, ist entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes sicherzustellen, dass über den Antrag auf Erteilung des Einreisetitels eines Familienangehörigen des in Österreich befindlichen Schutzberechtigten in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren entschieden wird und insbesondere auch Gesichtspunkte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Familienleben nach Art. 8 EMRK berücksichtigt werden. Diesen Erfordernissen kann im geltenden Recht aber auch ohne Zulassung eines Antrags auf internationalen Schutz aus dem Ausland entsprochen werden.

31 Dazu hält der Verwaltungsgerichtshof zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das BFA zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des BFA schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht. Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.

32 Problematisch wäre hingegen, die Entscheidung über den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 an eine Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes zu binden, die im Visaverfahren vom Antragsteller nicht effektiv in Frage gestellt werden kann und keiner verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterläge.

Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegen gehalten werden.

33 Hinzu kommt, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung - wie das BFA in der Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt - bereits wiederholt gefordert hat, im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. VfGH vom 6. Juni 2014, B 369/2013, und vom 23. November 2015, E 1510- 1511/2015-15).

34 Auf dieser Grundlage erkennt der Verwaltungsgerichtshof nicht, dass es im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 (in der soeben beschriebenen Neugestaltung) ein Rechtsschutzdefizit gibt, das es notwendig machen würde, entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut und den eindeutigen Intentionen des Gesetzgebers eine schriftliche Antragstellung auf internationalen Schutz für Personen aus dem Ausland, insbesondere auch für Familienangehörige von in Österreich bereits Schutzberechtigten, zu ermöglichen.

35 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

36 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Auch unter Bedachtnahme darauf, dass die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz unter die Garantien des Art. 47 GRC fallen und daher ein dem Art. 6 EMRK gleichwertiger Rechtsschutz gewährt werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) anerkannt, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff). Schon deshalb bedurfte es der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht.

37 Ein Kostenzuspruch an die obsiegende belangte Behörde vor dem BVwG konnte entfallen, weil von ihr kein Aufwandersatz verzeichnet wurde.

Wien, am 1. März 2016

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