Normen
AsylG 1997 §16
AsylG 1997 §31
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §25 Abs1 Z1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §35
AsylG 2005 §35 Abs1
AsylG 2005 §35 Abs4
FrPolG 2005
FrPolG 2005 §11
MRK Art8
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2008:2007210423.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist ‑ ihren Angaben zufolge ‑ die Mutter des minderjährigen A.O.; beide sind somalische Staatsangehörige. Dem Sohn der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Mai 2006 Asyl gewährt und es wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
Mit dem am selben Tag per Telefax übermittelten, an die Österreichische Botschaft in Addis Abeba (die belangte Behörde) gerichteten Antrag vom 9. Jänner 2007 begehrte die Beschwerdeführerin gemäß §§ 34, 35 des Asylgesetzes 2005 ‑ AsylG 2005 die Gewährung desselben Schutzes. Dieser Antrag gilt gemäß § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auch als Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels.
Nachdem die Antragsunterlagen dem Bundesasylamt übermittelt worden waren, teilte diese Behörde der genannten Botschaft mit Schreiben vom 27. März 2007 mit, dass die Gewährung des Status des Asylberechtigten an die Beschwerdeführerin nicht wahrscheinlich sei.
Davon verständigte die belangte Behörde sowohl die Beschwerdeführerin als auch deren Vertreterin, die in der Folge beantragte, die Entscheidung über die Nichterteilung eines Einreisetitels schriftlich auszufertigen.
Dazu teilte die Botschaft der Beschwerdeführerin mit, dass der gegenständliche Antrag im Hinblick auf die erwähnte (negative) Mitteilung des Bundesasylamtes nunmehr gemäß den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 ‑ FPG weiter bearbeitet werde und sie forderte die Beschwerdeführerin in einem als "Verbesserungsauftrag" bezeichneten Schreiben vom 13. Juli 2007 auf, näher genannte Unterlagen (aktuelle Lichtbilder, Ausfüllen eines in deutscher Sprache verfassten Visumsantragsformulars, Nachweis ausreichender finanzieller Mittel bzw. Vorlage einer Verpflichtungserklärung, Nachweis einer Unterkunft in Österreich und Abschluss einer alle Risiken abdeckenden Versicherung, Vorlage von Hin‑ und Rückflugtickets) binnen vier Wochen nachzureichen.
Hierauf reagierte die Vertreterin der Beschwerdeführerin nur mit dem Hinweis, sie habe nicht beantragt, dass ihr Antrag gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nach den Bestimmungen des FPG weiter behandelt werde. Das Begehren auf Erlassung eines schriftlichen Bescheides beziehe sich lediglich darauf, dass der Beschwerdeführerin bisher nur mündlich mitgeteilt worden sei, ihr werde kein Einreisetitel erteilt.
Dazu erläuterte die belangte Behörde in ihrem Antwortschreiben, dass ein solcher Antrag ihrer Auffassung nach nur nach den Bestimmungen des FPG abgelehnt werden könne. Vor einer solchen Entscheidung sei der Antragstellerin jedoch nachweislich die Gelegenheit zu geben, fehlende Unterlagen nachzureichen, was in Form des "Verbesserungsauftrages" erfolgt sei.
Nachdem die Beschwerdeführerin die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt hatte, teilte ihr die Botschaft mit Schreiben vom 14. August 2007 schließlich die Absicht mit, dem Antrag aus den Gründen des § 21 Abs. 1 Z 2 und 3 iVm Abs. 5 Z 1, 2 und 3 FPG nicht stattzugeben und räumte der Beschwerdeführerin dazu eine Äußerungsmöglichkeit ein.
In der darauf folgenden Stellungnahme vom 16. August 2007 betonte die Beschwerdeführerin neuerlich, sie habe kein "Touristenvisum" beantragt, sondern einen auf ihren Sohn bezogenen Antrag nach § 34 AsylG 2005 gestellt. Ohne Parteiengehör und wegen Verwechslung der beiden Söhne der Beschwerdeführerin habe das Bundesasylamt der Botschaft mitgeteilt, dass die Asylgewährung nicht wahrscheinlich sei, was Art. 8 EMRK in Verbindung mit Art. 6 EMRK widerspreche. Im Fall der Familienzusammenführung mit einem anerkannten Flüchtling seien die für die Erteilung eines "Touristenvisums" erforderlichen Voraussetzungen nicht relevant bzw. die von der Botschaft "zitierten Paragraphen des FPG" nicht anwendbar.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. August 2007 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin unter Verwendung formularmäßiger Textbausteine ab. Dabei wurde einleitend auf den von der Beschwerdeführerin gestellten "Antrag gem. § 34 Abs. 1 AsylG" hingewiesen, der "außerdem" als Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gelte. Die belangte Behörde brachte dann zum Ausdruck, dass sie den Antrag ablehne, weil sie die Voraussetzungen für die Erteilung eines Einreisetitels nach § 21 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 5 Z 2 und 3 FPG, dessen Text im Bescheid wiedergegeben wurde, als nicht erfüllt erachte.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die das asylrechtliche Familienverfahren betreffenden §§ 34 und 35 AsylG 2005 lauten (auszugsweise):
"Familienverfahren im Inland
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten
(§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
Anträge im Familienverfahren bei Berufsvertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, hat einen Antrag gemäß § 34 Abs. 1 bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland (Berufsvertretungsbehörde) zu stellen. Dieser Antrag gilt außerdem als Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels.
(2) [...]
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Berufsvertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Antrags- und Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Berufsvertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag im Familienverfahrenist unverzüglich dem Bundesasylamt zuzuleiten.
(4) Die Berufsvertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen, wenn das Bundesasylamt mitgeteilt hat, dass die Gewährung des Status des Asylberechtigen oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesasylamt nur erteilen, wenn das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht. Die Berufsvertretungsbehörde hat weiters den Fremden zu informieren, dass der Antrag erst nach persönlicher Stellung in der Erstaufnahmestelle als eingebracht gilt (§ 17 Abs. 2)."
In diesem Zusammenhang bestimmt § 25 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ergänzend:
"§ 25. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als gegenstandslos abzulegen
1. im Familienverfahren, wenn dem Fremden nach Befassung des Bundesasylamtes die Einreise nicht gewährt wird;"
Die Erläuternden Bemerkungen zu § 35 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP 54 f) führen ‑ soweit hier relevant ‑ aus:
"§ 35 ermöglicht den Familienangehörigen eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten die Antragstellung in einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland. [...]
Bei Anträgen im Familienverfahren, die bei einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde gestellt werden, gilt ebenfalls die generelle Norm, dass der Antrag auf internationalen Schutz erst eingebracht ist, wenn der Asylwerber diesen persönlich in der Erstaufnahmestelle im Inland stellt.
Neu ist der Vorschlag, vor Einreise das Bundesministerium für Inneres zu befassen; hiermit soll verhindert werden, dass gefährliche Fremde ‑ etwa Terroristen ‑ unter dem Regime der Familienzusammenführung nach Österreich kommen.
Gegen die Mitteilung des Bundesasylamtes ist kein Rechtmittel möglich, wohl aber kann nach den Vorschriften des FPG gegen die Verweigerung des Visums ein ‑ je nach Fall ‑ ordentliches oder außerordentliches Rechtsmittel ergriffen werden."
Die Beschwerdeführerin war als Mutter eines minderjährigen Asylberechtigten Familienangehörige iSd § 2 Z 22 AsylG 2005. Nach den zitierten Bestimmungen hat der sich im Ausland befindliche Familienangehörige eines Asylberechtigten den Antrag auf internationalen Schutz, der ex lege als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes nach den Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 zu behandeln ist, bei der zuständigen, mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Berufsvertretungsbehörde einzubringen. Dieser Antrag gilt auch als Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels, über den die Berufsvertretungsbehörde nach Einlangen der Mitteilung des Bundesasylamtes nach § 34 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005 zu entscheiden hat.
Wenngleich das AsylG 2005 diesbezüglich keine ausdrückliche Anordnung trifft, ist davon auszugehen, dass auch für die Erteilung eines Einreisevisums im Grunde des § 35 AsylG 2005 die vom AVG abweichenden Bestimmungen über das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden nach dem FPG zur Anwendung kommen (in diesem Sinne schon zur Vorgängerbestimmung des § 16 AsylG 1997 das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. November 2003, B 1701/02, VfSlg. 17.033, mit weiteren Hinweisen; vgl. auch die Bezugnahme auf das FPG im Zusammenhang mit den Rechtsmittelmöglichkeiten in den oben wiedergegeben Gesetzesmaterialien). Vor dem Hintergrund dieser besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG) stellt die von der belangten Behörde vorgenommene bloße Bezugnahme auf die für die Antragsabweisung maßgeblichen Gesetzesstellen noch keinen Begründungsmangel dar. Nach den genannten Bestimmungen genügt es nämlich, dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. ausführlich den hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0216).
Die belangte Behörde begründete ‑ wie oben dargestellt ‑ die Versagung des Visums zwar nur mit dem Hinweis auf das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 21 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 5 Z 2 und 3 FPG in Verbindung mit der Wiedergabe von deren Inhalt (Entgegenstehen von öffentlichen Interessen mangels ausreichender eigener Unterhaltsmittel und Gefahr einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft). Unter Bedachtnahme auf die im angefochtenen Bescheid vorgenommene einleitende Bezugnahme auf den Antrag der Beschwerdeführerin "gem. § 34 Abs. 1 AsylG", der auch als Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gelte, im Zusammenhalt mit den oben dargestellten Aktenvorgängen lässt sich aber mit ausreichender Deutlichkeit die der Antragsabweisung auch zugrundeliegende Auffassung der belangten Behörde erkennen, dass ihr die (an keine sonstigen Voraussetzungen gebundene) Erteilung eines Einreisetitels im Grunde des § 35 AsylG 2005 im Hinblick auf die negative Mitteilung des Bundesasylamtes vom 27. März 2007 verwehrt gewesen sei. Es wäre daher ‑ so ist die Bescheidbegründung auch nach dem Vorbringen in der Gegenschrift zu verstehen ‑ weiters zu prüfen gewesen , ob der Beschwerdeführerin nach den Bestimmungen des FPG ein Einreisetitel hätte erteilt werden können, was allerdings im Hinblick auf das Fehlen der erwähnten (finanziellen) Voraussetzungen zu verneinen gewesen sei.
Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin ‑ im Einklang mit ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung, sie habe die Erteilung eines "Touristenvisums" (gemeint: eines Einreisetitels nach dem FPG) nicht beantragt ‑ in der Beschwerde nicht. Darauf braucht daher nicht weiter eingegangen werden. Die Beschwerde kritisiert allerdings unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels, die belangte Behörde gehe mit keinem Wort darauf ein, weshalb die Voraussetzungen für die Gewährung desselben Schutzes und für die Gewährung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 nicht vorlägen.
Dem ist jedoch zu entgegnen, dass sich der Aktenlage entnehmen lässt, dass sich die belangte Behörde insofern offenbar an die Mitteilung des Bundesasylamtes vom 27. März 2007, wonach die Gewährung des Status des Asylberechtigten an die Beschwerdeführerin nicht wahrscheinlich sei, gebunden erachtete.
Demgegenüber vertritt die Beschwerdeführerin fallbezogen die Meinung, die Anordnung des § 35 Abs. 4 erster Satz AsylG betreffend das ohne weiteres zu erteilende Visum im Fall einer "positiven" Mitteilung des Bundesaylamtes bedeute "im Umkehrschluss" nicht, dass die belangte Behörde ein Visum zur Einreise nicht erteilen dürfe, wenn eine derartige Mitteilung seitens des Bundesasylamtes "negativ beschieden" werde. Vielmehr habe die belangte Behörde diesfalls aus eigenem die "entsprechenden Feststellungen" zu treffen und bei Vorliegen der Voraussetzungen ‑ sogar gegen eine Mitteilung des Bundesasylamtes, wonach die Gewährung des Status des Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei ‑ ein Visum zur Einreise nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 zu erteilen. Jede andere Auslegung würde der Beschwerdeführerin einen effektiven Rechtsschutz verwehren, weil die (nach Auffassung der Beschwerdeführerin aus näher genannten Gründen unrichtige) Mitteilung des Bundesasylamtes nicht selbständig bekämpfbar sei.
Zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels iSd § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 ist auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen. Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich ‑ im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde ‑ durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).
Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des Bundesasylamtes über die Prognose einer Asylgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Asylgewährung keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde ‑ wie die Beschwerdeführerin meint ‑ im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesasylamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer asylberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Asylantrages zuständige Bundesasylamt die Asylgewährung nicht für wahrscheinlich erachtet.
Soweit die Beschwerdeführerin bei dieser Auslegung ein Rechtsschutzdefizit zu erkennen glaubt, sind ihr die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dem schon erwähnten Erkenntnis VfSlg. 17.033, die sinngemäß auch für die aktuelle Rechtslage gelten, entgegen zu halten, wonach in einem Verfahren nach § 16 AsylG 1997 (nunmehr § 35 AsylG 2005) bloß über die Erteilung eines Visums, nicht aber über den Asylerstreckungsantrag (nunmehr: Antrag im Familienverfahren) abgesprochen werde. Richtig sei zwar ‑ so der Verfassungsgerichtshof ‑, dass die Ablehnung der Erteilung eines solchen Visums gemäß § 31 AsylG 1997 (nunmehr: § 25 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005) zur Folge habe, dass ein Asylerstreckungsantrag zunächst als gegenstandslos abzulegen sei; damit werde aber nicht über einen Asylerstreckungsantrag rechtskräftig abgesprochen. Der Stellung eines neuen Asylerstreckungsantrages direkt bei der Asylbehörde (postalisch oder durch einen Vertreter im Inland) stehe die Erledigung, der keine res iudicata‑Wirkung zukomme, ebenso wenig entgegen, wie der Umstand, dass sich die Beschwerdeführerinnen im Ausland befinden. Das für die Asylgewährung aufgestellte Erfordernis des Aufenthaltes im Inland könne sich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf die im Ausland befindlichen Angehörigen eines Asylberechtigten beziehen, da diese bei Abweisung eines Antrages nach § 16 AsylG 1997 nie in die Lage kämen, dass über ihren Asylerstreckungsantrag nicht bloß nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen, sondern in einem rechtstaatlich einwandfreien Verfahren, in dem sie alle Argumente, auch jene, die sie aus Art. 8 EMRK ableiten, vortragen können, in rechtsstaatlich einwandfreier Weise entschieden werde.
Daraus ist zu folgern, dass es einer Überprüfungsmöglichkeit der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung durch das Bundesasylamt im Rahmen des Visumsverfahrens nach § 35 AsylG 2005 unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes nicht bedarf. Es muss dem Familienangehörigen eines Asylberechtigten vielmehr ermöglicht werden, dass über seinen Antrag im Familienverfahren trotz Nichterteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 in einer "rechtsstaatlich einwandfreien Weise" entschieden wird. Ob die Bestimmungen des AsylG 2005, die in der vorliegenden Konstellation eine schriftliche Antragstellung beim Bundesasylamt nicht (mehr) kennen, insoweit einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich wären oder sich als verfassungswidrig erweisen, braucht hier aber mangels Präjudizialität dieser Normen nicht weiter geprüft werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 19. Juni 2008
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