AsylG 2005 §56
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs2 Z7
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W272.2211554.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Alois BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik IRAN, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2021, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.01.2022, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 56, 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 50, 52 Abs. 2 Z 3, Abs. 9, 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG 2005 wird stattgegeben und der Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahren auf internationalen Schutz
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein iranischer Staatsangehöriger, verließ im Jahr 2015 Iran, stellte infolge illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 21.09.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.
Im behördlichen Verfahren gab der BF als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er im Iran Alkohol getrunken habe und in der Folge als Spitzel für den Geheimdienst Sepah habe arbeiten müssen. Weiters brachte er vor, in Österreich zum Christentum konvertiert zu sein.
1.2. Mit Bescheid vom 14.11.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 17.12.2018 binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass entgegen den Ansichten des BFA eine asylrelevante Verfolgung in Iran gegeben sei. Die Länderfeststellungen seien mangelhaft und es sein unterblieben, Zeugen einzuvernehmen.
1.4. Am 19.09.2019 verurteilte das Bezirksgericht XXXX den BF wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à € 4,-. Am 27.03.2020 zeigte die Finanzpolizei den BF wegen Verdachts auf Schwarzarbeit an.
1.5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 04.01.2021, W183 2211554-1/18E, wurde die Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung am 22.10.2020, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 53, 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.
1.6. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 11.03.2021 die außerordentliche Revision des BF zurück.
2. Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels
2.1. Am 29.04.2021 stellte der BF einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005. Er gab an, dass seit Dezember 2015 durchgängig in Österreich aufhältig sei. Außerdem verfüge er über Deutschkenntnisse auf Niveau A2 und könne er einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss eines Deutsch-Integrationskurses nachweisen. Er legte folgende Integrationsunterlagen vor:
Mitvorgelegt wurden:
Einstellungszusage (Arbeitsbestätigung) von XXXX datiert auf 12.01.2021
Stellungnahme seiner rechtsfreundlichen Vertretung vom 27.04.2021
Einstellungszusage (Mitteilung) der XXXX vom 13.04.2021
Zeugnis des BF zur Integrationsprüfung Sprachniveau A2 vom 20.02.2020
ÖSD Zertifikat A1 des BF vom 06.02.2020
2.2. Mit Schreiben vom 27.03.2020 informierte die Finanzpolizei das BFA über einen beigelegten Strafantrag. Der BF wird darin als unerlaubt beschäftigter Ausländer angeführt.
2.3. Am 08.07.2021 übermittelte der BF eine Kopie seines iranischen Reisepasses und fügte hinzu, dass sich seit der Rechtskraft der Entscheidung Anfang dieses Jahres keine wesentlichen Änderungen im Leben des BF ergeben haben. Er war und sei nach wie vor gesund.
Am 04.08.2021 wurde der BF von der PI XXXX wegen § 120 FPG angezeigt.
2.4. Am 12.08.2021 wurde der BF vom BFA niederschriftlich im Beisein seiner rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Farsi einvernommen. Er wurde aufgefordert seinen Reisepass in Original, die Kopie der Geburtsurkunde und einen Nachweis für einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft vorzulegen. Außerdem berichtete der BF, dass er in Iran geboren sei, dort 10 Jahre die Schule besucht habe und ca. eineinhalb Jahre erwerbstätig gewesen sei. In seinem Herkunftsstaat seien seine Eltern, zwei Schwestern und fünf Brüder aufhältig; Kontakt bestehe wöchentlich über WhatsApp. Er habe keine Kinder, aber führe seit drei Jahren eine Beziehung mit einer afghanischen Staatsangehörigen in Österreich. Er kenne seine Freundin seit mehr als 4 Jahren, sie habe bereits zwei Töchter und er wolle sie heiraten, aber seine Papiere reichen nicht aus. Sonst habe er in Österreich keine Verwandten. Sein Privat- und Familienleben habe sich seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung nicht geändert, aber er lebe seit fünf Jahren in Österreich und wolle nicht ausreisen, weil er sich hier ein Leben aufgebaut habe, er könne sich nicht vorstellen zurückzureisen. Er habe keine Ausbildung gemacht und sei nicht erwerbstätig gewesen. Er bestreite seinen Lebensunterhalt durch Leistungen aus der Grundversorgen, aber versuche eine Arbeit zu finden. Er habe im Bundesgebiet viele Freunde aus Österreich, Afghanistan und Iran durch das Fitnessstudio und er sei im Rahmen der Kirche bei Projekten ehrenamtlich tätig; seit 2019 nicht mehr. Er sei Mitglied bei der evangelischen Kirche in XXXX und besuche ca. wöchentlich die Messe.
Sein iranischer Reisepass wurde am 13.08.2021 sichergestellt. Außerdem legte der BF einen Mietvertrag vom 31.08.2018 vor.
2.4. Mit Schreiben vom 09.09.2021 und vom 22.09.2021 übermittelte der BF weitere Unterlagen:
Kopien vom Konventionsreisepass der Freundin des BF und ihre beiden Kinder
Patenschaftserklärung
Lohnabrechnungen (Juni-August) von der Freundin des BF
2.5. Am 23.09.2021 wurde dem BF vom BFA ein Verbesserungsauftrag bezüglich der Patenschaftserklärung erteilt und darauf hingewiesen, dass obwohl ein Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft sowie ein Arbeitsvorvertrag und eine Kopie seiner Geburtsurkunde ausständig seien.
2.6. Mit Bescheid des BFA vom 02.11.2021 (zugestellt am 05.11.2021) wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vom 29.04.2021 gem. § 56 AsylG 2005 abgewiesen. Außerdem wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist sowie gegen den BF ein auf die Dauer von 1,5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der BF in Österreich illegal aufhalte, und nicht berufstätig sei, sondern von der Grundversorgung lebe. Insgesamt könne keine hohe Integration festgestellt werden. Da der BF keinen Rechtsanspruch für eine ortsübliche Unterkunft nachweisen habe können, sein Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne und er über keine Patenschaftserklärung verfüge, sei der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzuweisen gewesen Es verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Erkenntnis des BVwG vom 04.01.2021, laut dem ebenfalls keine nennenswerte Integration im Fall des BF erkannt habe werden können. Die Verurteilung wegen § 223 StGB sowie die Anzeige wegen Schwarzarbeit können ebenfalls als Indizien für eine mangelnde Integration gelten. Da auch kein schützenswertes Familienleben vorliege und ein Eingriff in sein Privatleben ebenfalls im Sinne des Art. 8 EMRK als verhältnismäßig angesehen werde, sei auch eine Rückkehrentscheidung zulässig. Die Erlassung eines Einreiseverbots von 1, 5 Jahren gegen den BF wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht fristgerecht nachgekommen sei, illegal im österreichischen Bundesgebiet verblieben sei und dadurch die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden könne.
2.7. Mit Schriftsatz vom 01.12.2021 erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte vor, dass sich die belangte Behörde nicht in adäquater Weise mit dem in Österreich bestehenden Familienleben des BF auseinandergesetzt habe. Der BF wohne seit mehr als drei Jahren mit seiner Lebensgefährtin und deren beiden Töchtern in einem Haushalt und bestehe dadurch eine intensive Beziehung. Eine Heirat sei geplant, aber scheiterte auf Grund von hierfür notwendigen Dokumenten, die der BF nicht zu Verfügung habe. Der BF unterstütze seine Lebensgefährtin wesentlich im Alltag stelle eine wichtige männliche Bezugsperson der beiden Mädchen dar, weil ihr leiblicher Vater vor etwa neun Jahren verstorben sei. Aus diesem Grund hätte die belangte Behörde im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung die Auswirkungen der Aufenthaltsbeendigung des BF auf seine Lebensgefährtin und die im selben Haushalt lebenden Töchter prüfen müssen.
Der BF sei auf die Leistungen der Grundversorgung bislang angewiesen gewesen, weil seine Lebensgefährtin als alleinerziehende Mutter nicht in der Lage sei, den BF bei der Sicherung seines Lebensunterhaltes maßgeblich zu unterstützen. Er habe sich aber in der Vergangenheit durchaus um Arbeit bemüht und zeige einen Arbeitswillen, jedoch sei er daran gescheitert, dass er seinen Führerschein nicht umschreiben habe können sowie Saisonarbeitsstellen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ein einem zeitlichen zumutbaren Ausmaß erreichbar seien. Er habe sich um Arbeitsstellen für den Erhalt eines Aufenthaltstitels sehr bemüht und zwei Einstellungszusagen vorgelegt. Es treffe zwar zu, dass es sich hierbei nicht um formelle Arbeitsvorverträge handle, aber sei trotzdem damit belegt, dass der BF bei Erhalt eines Aufenthaltstitels die Arbeitsstelle antreten und ein Einkommen zur Absicherung seines Lebensunterhaltes erwirtschaften könne und sein weiterer Aufenthalt würde keine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft darstellen. Schließlich wohne der BF nach wie vor gemeinsam in derselben Wohnung mit der Lebensgefährtin und sei seine Unterkunft wie bisher gesichert. Für die Erlassung eines für die Dauer von 1,5 Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF bestehe ebenfalls keine rechtliche Grundlage, weil es sei ein durchaus legitimes Verhalten, die Entscheidung des BVwG beim VwGH in Form einer ao. Revision zu bekämpfen und im Anschluss daran nach mehr als fünfjährigem Aufenthalt in Österreich einen Antrag gemäß § 56 einzubringen. Weiter sei nicht korrekt, dass sich der BF freiwillig in die Mittellosigkeit begeben habe, sondern habe er sich um Einstellungszusagen bemüht. Schließlich habe er auch die Geldstrafe bezüglich der Verurteilung wegen § 223 StGB bezahlt und sei dies auch die einzige strafrechtliche Verurteilung des BF.
2.8. Das BVwG führte am 17.01.2022 unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsberaterin als willkürliche Vertreterin sowie eine Zeugin teilnahmen. Der BF wurde zu seiner Person, Herkunft, persönlichen Lebensumständen sowie zur derzeitigen Situation in Österreich befragt. Ergänzend brachte das BVwG das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, vom 22.12.2021, Version 4 sowie die Covid19-Risikogruppen Verordnung zum Parteiengehör. Seitens der Parteien wurde eine Frist für die Möglichkeit zur Erbringung des Arbeitsvorvertrages und des Mietvertrages, Bescheinigung einer laufenden alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung vereinbart. Das BFA nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil, das Verhandlungsprotokoll wurde übermittelt und gab keine schriftliche Stellungnahme ab.
2.9. Mit Schreiben vom 21.01.2022 brachte der BF ergänzend vor, dass das Bestehen der Versicherung des BF über die Grundversorgung in Kumulation mit dem Vorliegen eines aktuellen Arbeitsvorvertrages die notwendigen Voraussetzungen für eine positive Prognoseentscheidung im Zusammenhang mit der Selbsterhaltungsfähigkeit des BF erfüllen Damit liege die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in berücksichtigungswürdigen Fällen vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grund des Antrages des BF auf internationalen Schutz, des dazu ergangenen Bescheides des BFA sowie des Erkenntnisses des BVwG, der in diesen Verfahren vorgelegten Schriftsätze samt vorgelegter Unterlagen, der Einvernahmen des BF sowie auf Grund des hier maßgeblichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vom 29.04.2021, der durch diesen vorgelegten Unterlagen, der angefochtene Bescheid, der erhobenen Beschwerde, der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, der Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, in das Zentrale Melderegister, das Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem, das AJ-WEB Auskunftssystem und das Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
1.1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Bakhtiari an. Er spricht Farsi als Erstsprache. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
1.1.2. Der BF wurde am XXXX geboren und stammt aus XXXX . Er besuchte 10-12 Jahre die Grundschule und studierte im Anschluss Computer-Programmierung an der Universität. Für seinen Lebensunterhalt ist sein Vater aufgekommen und für sein Studium er selbst; er arbeitete in seiner Heimatprovinz oder in Teheran am Bau als Eisenbieger. In Iran leben seine Eltern, fünf Brüder und zwei Schwestern. Zu seinen Familienangehörigen hat der BF regelmäßig Kontakt.
1.1.3. Er ist gesund und leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung. Im Juni 2020 erkrankte er an Covid-19 und ist nunmehr genesen. Der BF ist arbeitsfähig.
1.1.4. Der BF wurde in Österreich wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB in Abwesenheit des BF zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätze à € 4,- verurteilt, weil er am 04.02.2019 in XXXX einen gefälschten iranischen Führerschein, mithin eine Urkunde zur Erlangung eines österreichischen Führerscheins, vorlegte. Bei der Strafbemessung wurde mildernd das Tatsachengeständnis des BF und seine bisherige Unbescholtenheit berücksichtigt; erschwerend wog kein Umstand. Die Geldstrafe hat der BF mittlerweile bezahlt.
1.2. Zum Verfahrensgang und zur Situation des BF in Österreich:
1.2.1. Der BF reist im Jahr 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Im behördlichen Asylverfahren führte er zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst aus, dass er in Iran Alkohol getrunken habe und in der Folge als Spitzel für den Geheimdienst Sepah habe arbeiten müssen sowie dass er in Österreich zum Christentum konvertiert sein. Mit Bescheid vom 14.11.2018 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt, sondern gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist.
Das BVwG wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 04.01.2021, W183 2211554-1/18E als unbegründet ab. Das Erkenntnis vom 04.01.2021 erwuchs in Rechtskraft: Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.03.2021, Ra 2021/18/0067-6 wurde die außerordentliche Revision des BF zurückgewiesen, weil das BVwG die Leitlinien aus der höchstgerichtlichen Judikatur für einen behaupteten Religionswechsel beachtet hat und in einer vertretbaren Beweiswürdigung, die sich insbesondere auf wenig überzeugende Motive des BF für den Glaubenswechsel und sein bloß oberflächliches Wissen über den neuen Glauben stützte, zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Fall des BF eine bloße Scheinkonversion vorliegt, die bei Rückkehr in den Iran zu keiner Verfolgung führen würde.
Unter Bezugnahme auf die rechtskräftige Entscheidung des BVwG vom 04.01.2021 steht fest, dass sich der BF wegen des als unglaubwürdig erachteten Vorbringens vorübergehend als Asylwerber im Bundesgebiet aufgehalten hat und diesbezüglich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht hatte. In der Entscheidung des BVwG wurde umfangreich dargestellt, dass der BF in Iran nicht auf Grund des Trinkens von Alkohol und seiner angeblichen Tätigkeit für Sepah verfolgt wird. Der BF wuchs in Iran als schiitischer Muslim auf. In Österreich besucht er die Gottesdienste der evangelischen Kirche und wurde er von dieser im Jahr 2017 getauft, jedoch ist der BF nicht aus einem inneren Entschluss zum Christentum konvertiert. Seine christliche Glaubensüberzeugung ist aktuell nicht derart ernsthaft, sodass sie Bestandteil der Identität des BF wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich der BF im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird. In diesem Zusammenhang hat sich seit der Entscheidung vom 04.01.2021 kein neuer Sachverhalt ergeben. Dem BF droht im Falle der Rückkehr in den Iran keine konkrete Verfolgung iSd § 3 AsylG 2005 und auch keine Gefahr iSd §8 AsylG 2005.
Der BF ist trotz der Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen, sondern hielt sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Am 29.04.2021 stellte der BF beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005. Dieser wurde mit Bescheid vom 09.11.2021 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkt III.). Außerdem wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 1,5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.). Dagegen erhob er fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
1.2.2. Der BF hat grundlegende Deutschkenntnisse. Zuletzt hat er im Februar 2020 die Integrationsprüfung auf Sprachniveau A2 bestanden sowie kurz davor das ÖSD Zertifikat A1. Eine einfache Unterhaltung in Deutsch ist möglich. Er absolvierte keine sonstigen Aus-oder Fortbildungen.
1.2.3. Der BF bezieht seit seiner Einreise im Dezember 2015 Leistungen aus der Grundversorgung. Er verfügt auch über die Grundversorgung über einen Sozialversicherungsschutz. Er war bis August 2018 in Quartieren der Grundversorgung untergebracht. Im Anschluss daran verzog er in eine private Wohnung nach XXXX , wo er bis dato gemeinsam mit seiner Freundin und deren zwei Töchtern lebt. Er ist seit 07.09.2018 an dieser Wohnadresse gemeldet. Der Mietvertrag vom 31.08.2018 wurde mit Mietvertrag vom 16.08.2021 für weitere zwei Jahre, sohin bis zum 31.08.2023 verlängert. Der BF verfügt damit über einen Wohnsitz. Der Mietzins wurde zumindest bis August 2021 anteilig von seiner Freundin und von ihm bezahlt (€ 180,-). Er ging bis dato keiner legalen Erwerbstätigkeit in Österreich nach. Am 27.10.2019 wurde der BF von der Finanzpolizei bei der Schwarzarbeit als Security auf dem XXXX betreten. Er legte eine Einstellungszusage von XXXX und einen Arbeitsvorvertrag der XXXX vor. Mit Arbeitsbeginn ist der BF in der Lage die Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes sicherzustellen. Der BF war bisher nicht nachhaltig am Arbeitsmarkt integriert und nicht selbsterhaltungsfähig. Eine gültige Patenschaftserklärung samt notwendige Mittel wurde nicht vorgelegt.
1.2.4. Der BF verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. sozialen Bindungen in Österreich. Er lebt hier seit ca. 3 Jahren in einer Wohngemeinschaft mit der afghanischen Staatsangehörigen Frau XXXX . Sie sind weder standesamtlich noch religiös verheiratet. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihre Beziehung einer freundschaftlichen Beziehung hinausgeht und sie im Sinne einer Lebensgemeinschaft eine Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft führen. Seine Freundin hat bereits zwei Töchter aus einer früheren Beziehung namens XXXX (geb. XXXX in Teheran) und XXXX (geb. XXXX in Teheran). Der leibliche Vater von XXXX ist vor ca. neun Jahren in Iran verstorben. Der BF hilft im Haushalt mit Kochen oder unterstützt die Mädchen beim Onlineunterricht oder bei der Hausübung. Aktuell besteht noch keine derart intensive Beziehung, die einer Vater-Töchter-Beziehung oder einem Familienleben bzw. einer Ehe/Lebensgemeinschaft gleichkommt. Seine Freundin sorgt als alleinerziehende Mutter für den Lebensunterhalt und die Obsorge ihrer Töchter. Die Lebensgefährtin ist Asylberechtigte in Österreich, ihre Töchter erhielten Asyl auf Grund Erstreckung, sie sind ebenfalls afghanische Staatsangehörige. Weder seiner Lebensgefährtin noch deren Töchter droht in Iran Verfolgung oder eine andere Gefahr. Frau XXXX arbeitet Vollzeit als Wäschereiarbeiterin bei XXXX . Es besteht weder zwischen der Lebensgefährtin und dem BF noch zwischen den Töchtern der Lebensgefährtin und dem BF ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis, wenngleich die Lebensgefährtin derzeit bei der Finanzierung des Lebensunterhalts des BF unterstützt. Es leben außerdem zwei Halbschwestern und Brüder der Lebensgefährtin des BF in Österreich.
Die sonstigen sozialen Kontakte beschränken sich auf Bekannte vom Fußballspielen, dem Fitnessstudio sowie lockere Bekanntschaften aus der Kirche und Nachbarschaft. Seit 2019 ist er nicht mehr Mitglied in dem Fitnessstudio. Er verrichtete Remunerationstätigkeiten (Müllsammeln) im Jahr 2016, hilft einer Nachbarin bei der Gartenarbeit, aber ist darüber hinaus nicht regelmäßig ehrenamtlich tätig und auch aktuell kein Mitglied in einem Verein.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Länderinformationen der Staatendokumentation zu Iran aus dem COI-CMS (Country of Origin Information-Content Management System) vom 22.12.2021, Version 4:
1.3.1. Politische Lage:
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 14.9.2021b; vgl. ÖB Teheran 11.2021). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der 'velayat-e faqih', der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel 'Revolutionsführer' (GIZ 12.2020a; vgl. BS 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter, religiöser Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 11.2021; vgl. US DOS 30.3.2021, FH 3.3.2021). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 14.9.2021a; vgl. FH 3.3.2021, US DOS 30.3.2021), ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und die höchste Autorität des Landes (FH 3.3.2021). Er steht somit höher als der Präsident. Des Weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran bzw. IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative (ÖB Teheran 11.2021; vgl. FH 3.3.2021, US DOS 30.3.2021). Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z. B. schiitischer Klerus). Die Mitgliedschaften und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 5.2.2021).
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: An der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (ÖB Teheran 11.2021). Am 18.6.2021 fanden in Iran erneut Präsidentschaftswahlen statt (Tagesschau.de 18.6.2021; vgl. AA 14.9.2021a). Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und vormalige Justizchef Ibrahim Raisi mit mehr als 62 % der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50 % und war somit niedriger als jemals zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung sogar bei nur 26 %. Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt (Standard.at 19.6.2021; vgl. DW 19.6.2021). Wie bei jeder Wahl hat der Wächterrat die Kandidaten im Vorhinein ausgesiebt (Tagesschau.de 18.6.2021). Raisi wurde mehr oder weniger von Revolutionsführer Khamenei ins Amt gehievt (Zeitonline 23.6.2021). Raisi ist seit 5.8.2021 Staatspräsident. Am 25.8.2021 hat das Parlament den Vorschlag des neuen Staatspräsidenten für das Kabinett gebilligt, damit hat die neue Regierung ihr Amt angetreten (AA 14.9.2021a.). In Folge der Präsidentschaftswahlen vom Juni 2021 befindet sich die gesamte Befehlskette in konservativer bzw. erzkonservativer Hand (Oberster Führer, Präsident/Regierungschef, Leiter der religiösen Judikative, Regierung, Parlament, Wächterrat, Expertenrat) (ÖB Teheran 11.2021).
Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 3.3.2021). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive, zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 12.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 11.2021). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren (GIZ 12.2020a). Bei den Parlamentswahlen vom 21.2.2020 haben (ultra-)konservative Kandidaten knapp 80 % der Sitze im Parlament gewonnen. Die Überprüfung von Kandidatinnen und Kandidaten für Parlamentswahlen durch den Wächterrat garantierte dabei bereits im Vorfeld der Wahlen, dass nur Abgeordnete gewählt werden konnten, die das Regime nicht infrage stellen. Unabhängige Wahlbeobachter wurden nicht zugelassen (AA 5.2.2021). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6 %, was als die niedrigste Wahlbeteiligung in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 3.3.2021; vgl. AA 5.2.2021) mit einem Rekord an ungültigen Stimmen. Es herrscht breite Politikverdrossenheit aufgrund nicht eingelöster Versprechen der vorigen Regierung Rohani zu wirtschaftlichen Reformen, Westöffnung und Korruptionsbekämpfung (ÖB Teheran 11.2021).
Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern, davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte (klerikale) Juristen, die vom Parlament bestätigt werden müssen. Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt unter anderem auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. GIZ 12.2020a, FH 3.3.2021, BS 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 12.2020a). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der 'Gesamtinteressen des Systems' zu achten (AA 14.9.2021a; vgl. GIZ 12.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 12.2020a).
Das Parlament, der Expertenrat sowie der Präsident werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Dabei sind Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 5.2.2021). Das iranische Wahlsystem entspricht aber nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Folglich können iranische Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten auswählen (FH 3.3.2021; vgl. AA 5.2.2021).
Das Regime reagierte auch unter der moderaten Regierung von Präsident Rohani in den letzten Jahren auf die wirtschaftliche Krise und immer wieder hochkommenden Unmut und Demonstrationen mit hartem Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtsaktivistinnen, religiösen & ethnischen Minderheiten und Umweltaktivisten. Die Regierung Raisi ist noch dabei, ihre Machtstruktur auf allen Ebenen zu festigen. Sie hat jedoch bereits stärkere Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Sinne der 'islamischen Gesellschaftsordnung' (Rolle der Frauen fokussiert auf Gebärfunktion), der Ablehnung 'westlicher' Kultur, der Unterdrückung von Kritik (Internetzensur) und eine stärkere Ausrichtung auf Russland und China und deren politische Modelle angekündigt (ÖB Teheran 11.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.9.2021a): Politisches Portrait - Iran, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450 , Zugriff 24.11.2021
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.9.2021b): Steckbrief - Iran, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394 , Zugriff 24.11.2021
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683557/6039039/22618901/-/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl%2D_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_05%2E02.2021.pdf?nodeid=22618137&vernum=-2 , Zugriff 24.11.2021
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 27.4.2021
DW – Deutsche Welle (19.6.2021): Raeissi wird neuer Präsident im Iran, https://www.dw.com/de/raeissi-wird-neuer-pr%C3%A4sident-im-iran/a-57961660 , Zugriff 25.6.2021
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 27.4.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 27.4.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 9.12.2021
Standard.at (19.6.2021): Hardliner Raisi gewann Präsidentenwahl im Iran, https://www.derstandard.at/story/2000127545908/kleriker-raisi-fuehrt-laut-medienberichten-bei-praesidentenwahl-im-iran , Zugriff 25.6.2021
Tagesschau.de (18.6.2021): Keine Macht dem Volk? https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-wahlen-kandidaten-stimmung-101.html , Zugriff 25.6.2021
US DOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 27.4.2021
Zeitonline (23.6.2021): Wofür steht Ebrahim Raissi? https://www.zeit.de/2021/26/iran-praesidentenwahl-ebrahim-raissi-ali-chamenei , Zugriff 25.6.2021
1.3.2. Sicherheitslage:
Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage in Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im Juli 2021 Proteste gegen die Wasserknappheit in der Provinz Khuzestan und im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 7.12.2021).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 14.6.2021). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 7.12.2021b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 7.12.2021b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie verüben immer wieder Anschläge und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 7.12.2021).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 7.12.2021b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte im Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen, kriminellen Banden und den Sicherheitskräften (EDA 7.12.2021). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 11.2021). Gelegentlich kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Auch für unbeteiligte Personen besteht das Risiko, unversehens in einen Schusswechsel zu geraten (EDA 7.12.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (7.12.2021b, unverändert gültig seit 2.12.2021): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396 , Zugriff 7.12.2021
EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (7.12.2021, unverändert gültig seit 30.8.2021): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html , Zugriff 7.12.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 7.12.2021
1.3.3. Allgemeine Menschenrechtslage
Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene 'Hohe Rat für Menschenrechte' untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten 'Pariser Prinzipien' (AA 5.2.2021).
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR)
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt) (ICCPR)
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD)
Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht) (CRC)
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie (CRC-OP-SC)
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD)
Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen
UN-Apartheid-Konvention
Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 5.2.2021)
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT)
Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention (OP-CAT)
Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe (OP2-ICCPR)
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)
Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (CED)
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (CRC-OP-AC) (unterzeichnet aber nicht ratifiziert)(AA 5.2.2021).
Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Menschenrechtslage, insbesondere der politischen und bürgerlichen Rechte, wobei sich der Spielraum für zivilgesellschaftliches Engagement im Menschenrechtsbereich in den letzten Jahren erheblich verengt hat (ÖB Teheran 11.2021). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition, jedoch auch immer wieder gegen die islamisch definierten (GIZ 12.2020a). Die tiefe wirtschaftliche und politisch Krise Irans hat Auswirkungen auf die Einhaltung der Menschenrechte (BAMF 5.2021). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören: Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der 'schwersten Verbrechen' entsprechen und ohne einen fairen Prozess; rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (US DOS 11.3.2020; vgl. AI 7.4.2021, FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte; Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets - einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit; Einschränkungen der Religionsfreiheit; Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung; weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen; rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien; Menschenhandel; Gewalt gegen ethnische Minderheiten; strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten; Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten sowie Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten; und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (US DOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Die Regierung unternimmt kaum Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 30.3.2021).
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB) sowie Staatsschutzdelikte (insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, laufen Gefahr, der Spionage beschuldigt zu werden (AA 5.2.2021). Das Regime geht in den letzten Jahren immer wieder hart gegen Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtsaktivistinnen und gegen religiöse und ethnische Minderheiten vor (ÖB Teheran 11.2021). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (BS 2020; vgl. ÖB Teheran 11.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683557/6039039/22618901/-/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl%2D_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_05%2E02.2021.pdf?nodeid=22618137&vernum=-2 , Zugriff 29.11.2021
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2021): Länderreport 35: Iran: Aktuelle Lage vor den Präsidentschaftswahlen: Die hybride Staatsordnung, Strafrecht, Menschenrechtslage und Ausblick, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/2021/laenderreport-35-Iran.pdf?__blob=publicationFile&v=2#%5B%7B%22num%22%3A17%2C%22gen%22%3A0%7D%2C%7B%22name%22%3A%22FitH%22%7D%2C766%5D , Zugriff 29.11.2021
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
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GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/#c4398 , Zugriff 28.4.2021
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 10.12.2021
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1.3.4. Religionsfreiheit
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten 'Buchreligionen' (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben in ihren Gemeinden relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als 'mohareb' (Waffenaufnahme gegen Gott) verfolgt und mit der Todesstrafe bestraft werden (AA 5.2.2021; vgl. ÖB Teheran 11.2021). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018). Religiöse Minderheiten werden mit Argwohn betrachtet und als Bedrohung für das theokratische System gesehen (CSW 3.2021). Auch unterliegen Anhänger religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 5.2.2021). Somit werden auch anerkannte religiöse Minderheiten (Zoroastrier, Juden, Christen) diskriminiert, sie sind in ihrer Religionsausübung jedoch nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Sie haben gewisse rechtlich garantierte Minderheitenrechte, etwa eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 11.2021). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, IRB 9.3.2021). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, BAMF 3.2019) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 3.3.2021). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (AI 7.4.2021; vgl. ÖB Teheran 11.2021).
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Open Doors 2021). Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha'i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Mitunter wird von bedrohlicher Diskriminierung von Nicht-Schiiten seitens des familiären oder gesellschaftlichen Umfelds berichtet. Auch oppositionelle schiitische Geistliche und muslimische Sekten sind der Verfolgung ausgesetzt (ÖB Teheran 11.2021).
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 7.4.2021).
Die Regierung überwacht weiterhin die Aussagen und Ansichten hochrangiger schiitischer religiöser Führer, die die Regierungspolitik oder die Ansichten des Obersten Führers Ali Khamenei nicht unterstützten. Diese werden durch Behörden weiterhin mit Festnahmen, Inhaftierungen, Mittelkürzungen, Verlust von geistlichen Berechtigungsnachweisen und Beschlagnahmungen von Eigentum unter Druck gesetzt (US DOS 12.5.2021). Die Inhaftierung von Angehörigen religiöser Minderheiten, welche ihre Kultur, ihre Sprache oder ihren Glauben praktizieren, ist weiterhin ein ernstes Problem (HRC 11.1.2021).
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 7.4.2021; vgl. ÖB Teheran 11.2021). In der Praxis werden kaum mehr Verurteilungen wegen Apostasie registriert, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 11.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683557/6039039/22618901/-/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl%2D_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_05%2E02.2021.pdf?nodeid=22618137&vernum=-2 , Zugriff 6.12.2021
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 18.12.2020
BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (23.5.2018): Analyse Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 17.4.2020
CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla_sl52920/iran---march-2021-1.pdf, Zugriff 7.5.2021
DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 30.4.2021
HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (11.1.2021): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 30.4.2021
IRB – Immigration and Refugee Board [Kanada] (9.3.2021): Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https://www.ecoi.net/de/dokument/2048913.html , Zugriff 7.5.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 14.12.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 3.12.2020
Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum 1. Oktober 2019 – 30. September 2020), https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 19.1.2021
US DOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 11.2021). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel 'mohareb' ('Waffenaufnahme gegen Gott'), 'mofsid-fil-arz/fisad-al-arz' ('Verdorbenheit auf Erden'), 'Handlungen gegen die nationale Sicherheit' (ÖB Teheran 11.2021; vgl. DIS/DRC 23.2.2018), 'Organisation von Hauskirchen' und 'Beleidigung des Heiligen', wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 5.2.2021). In der Praxis werden kaum mehr Verurteilungen wegen Apostasie registriert, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 11.2021; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2021). Quellen zufolge fand 1990 die einzige 'offizielle' Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt (AA 12.1.2019).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 5.2.2021; vgl. Open Doors 2021). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Die Probleme, die durch Konversion auftreten können, sind breit gefächert. Sie beginnen in der Schule, wo Kinder aus konvertierten Familien einen Verweis, oder die Verwehrung des Hochschuleintritts riskieren, sollten sie den Fächern Religionsunterricht, Islamische Lehre und Koranstunde fernbleiben (ÖB Teheran 11.2021).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich 'konvertierte' Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 11.2021).
Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden 'kontrolliert', de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2020). Die Schließungen der 'Assembly of God'-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind (DIS/DRC 23.2.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Razzien gegen Hauskirchen werden weiterhin durchgeführt (AI 7.4.2021).
Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet (ÖB Teheran 11.2021; vgl. FH 3.3.2021, CSW 3.2021). Im August 2020 wurden 35 neu Konvertierte verhaftet und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen wie 'Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen', 'Verbreitung vom zionistischen Christentum' und 'Gefährdung der inneren Sicherheit' zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden (ÖB Teheran 11.2021). Trotzdem ist die Zahl der verhafteten Christen laut Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr gesunken. Der Rückgang der Zahl der Verhaftungen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Ende 2019 alle Hände voll zu tun hatten, die Proteste im Land zum Schweigen zu bringen. Darauf folgte die Coronakrise, welche die Regierung auf andere Weise beschäftigte. Allerdings wurden im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2021 mehr Christen zu Gefängnisstrafen verurteilt als im Vorjahr. Teilweise müssen inhaftierte Christen Hypotheken aufnehmen, um die hohen Kautionszahlungen für ihre Entlassung aufbringen zu können. Weil sie befürchten, dass ein Gerichtsurteil zu einer langen Gefängnisstrafe führt, fliehen viele iranische Christen nach ihrer vorläufigen Entlassung aus dem Land, wobei sie ihre Kaution und somit häufig auch ihren Grundbesitz verlieren (Open Doors 2021).
Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen 'Verbrechen gegen Gott' angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch 'low-profile' Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen ist, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019, UK HO 2.2020). Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 11.2021; vgl. Landinfo 16.10.2019). Darüber hinaus wird Christen mitunter der Konsum von Alkohol (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens vorgeworfen (ÖB Teheran 11.2021).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden in der Regel nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. Landinfo 16.10.2019).
Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein 'high-profile'-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Die iranischen Behörden sind in erster Linie daran interessiert, die Ausbreitung des Christentums zu stoppen, und verfügen allem Anschein nach nicht über die notwendigen Ressourcen, um alle christlichen Konvertiten zu überwachen (UK HO 2.2020).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 11.2021).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 23.2.2018). Open Doors gibt im Weltverfolgungsindex 2021 an, dass die Taufe als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen wird und deshalb verboten ist (Open Doors 2021).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (USDOS 12.5.2021). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der 'Katholischen Jerusalem Bibel' ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den 'Katechismus der Katholischen Kirche' ins Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683557/6039039/22618901/-/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl%2D_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_05%2E02.2021.pdf?nodeid=22618137&vernum=-2 , Zugriff 6.12.2021
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 20.4.2020
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 7.5.2021
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 4.1.2021
CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla_sl52920/iran---march-2021-3.pdf, Zugriff 7.5.2021
DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 7.5.2021
IRB – Immigration and Refugee Board [Kanada] (9.3.2021): Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https://www.ecoi.net/de/dokument/2048913.html , Zugriff 7.5.2021
Landinfo [Norwegen] (16.10.2019): Iran: Kristne konvertitter – en oppdatering om arrestasjoner og straffeforfølgelse, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019853/Respons-Iran-Kristne-konvertitter-en-oppdatering-om-arrestasjoner-og-straffeforf%C3%B8lgelse-AVA-16102019.pdf , Zugriff 5.1.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 14.12.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 7.1.2021
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US DOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
1.3.5. Ethnische Minderheiten
Iran gehört mit über 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,1 %. Dabei ist die iranische Gesellschaft viel heterogener, als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51 % der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24 % der Gesamtbevölkerung, etwa 8 % Gilakis und Mazanderanis, 7 % Kurden, 3 % Araber und je etwa 2 % Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran eines der größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten Irans leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. (GIZ 12.2020c).
Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 5.2.2021). Überwiegend leben die Minderheiten allerdings in den ökonomisch benachteiligten Randgebieten (DW 6.2.2021) und die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, ist zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015; vgl. AA 5.2.2021, FH 3.3.2021, AI 7.4.2021, ÖB Teheran 11.2021). Die Diskriminierung ethnischer Minderheiten in Iran ist weiterhin ein Problem, betroffen sind v.a. Kurden, Araber, Belutschen, Aseris und Turkmenen. Die strukturelle Diskriminierung dieser Gruppen äußert sich im Alltag auch mit dem Verbot ihrer Muttersprache im Unterricht und vor Behörden (nur Farsi erlaubt) und im Verbot des Zugangs zu höheren politischen Ämtern (schiitischen Männern vorbehalten). Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen können bedroht, festgenommen und bestraft werden. Unabhängig von der Art der ihnen vorgeworfenen Straftat werden Angehörige ethnischer Minderheiten öfter zum Tode verurteilt, gefoltert und verbringen mehr Zeit in Untersuchungshaft (ÖB Teheran 11.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683557/6039039/22618901/-/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl%2D_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_05%2E02.2021.pdf?nodeid=22618137&vernum=-2 , Zugriff 29.11.2021
AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
BMI – Bundesministerium für Inneres [Österreich] / Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 4.6.2019
DW - Deutsche Welle (6.2.2021): Kurden verstärkt im Visier Teherans, https://www.dw.com/de/kurden-verst%C3%A4rkt-im-visier-teherans/a-56473340 , Zugriff 30.11.2021
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 30.4.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 30.4.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 14.12.2021
1.3.6. Bewegungsfreiheit:
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (US DOS 30.3.2021). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker, Künstler sowie Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (US DOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021).
Zur rechtmäßigen Ausreise aus der Islamischen Republik Iran benötigen iranische Staatsangehörige einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 90€). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 5.2.2021).
Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 5.2.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683557/6039039/22618901/-/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl%2D_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_05%2E02.2021.pdf?nodeid=22618137&vernum=-2 , Zugriff 24.11.2021
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
US DOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
1.3.7. Grundversorgung:
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der monatliche Mindestlohn für eine vierköpfige Familie mit einer erwerbstätigen Person liegt bei umgerechnet etwa 100 Euro im Monat (aufgrund Inflation und Wechselkursveränderung stark schwankend). Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. IRR (ca. 400 Euro pro Monat) (AA 5.2.2021).
Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 11.2021; vgl. BS 2020). Gründe sind die US-Sanktionen und deren extraterritoriale Anwendung und damit Zurückhaltung europäischer Unternehmen vor Geschäften mit Iran, aber auch die Folgen der Corona-Pandemie. Viele Privatunternehmen mussten aufgrund fehlender Devisen und Importmöglichkeiten von Rohstoffen, Bestandteilen oder Ausrüstung die Produktion drosseln oder schließen (ÖB Teheran 11.2021).
Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen, aber auch ein beträchtlicher „Braindrain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft beeinträchtigt (ÖB Teheran 11.2021). Aufgrund der COVID-19-Pandemie haben im Jahr 2020 ca. eine Million Menschen ihren Arbeitsplatz verloren (HRC 14.5.2021). Angesichts der Kaufkrafteinbußen können viele Menschen ihre Lebenserhaltungskosten nur sehr knapp abdecken, jede Verschlechterung führt zu Verzweiflung. So kam es zu lokal begrenzten kurzzeitigen Protesten und Streiks, etwa wegen Gehaltsrückständen und schlechten Arbeitsbedingungen, aufgrund des Preisdrucks in der Produktion (ÖB Teheran 11.2021).
Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 12.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80 % der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20 % ausmacht (BS 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 12.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BS 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85 % der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11 % des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 12.2020b). Soziale Unzufriedenheit war in den letzten Jahren mehrmals der Hintergrund von Unruhen in der Bevölkerung. Bei den gewalttätigen Unruhen im November 2019 starben Hunderte Menschen (Landinfo 12.8.2020) und Tausende wurden verletzt (FH 3.3.2021) [Bezüglich der Unruhen vgl. Sie bitte das Kapitel zur Versammlungsfreiheit].
Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 12.2020b; vgl. BS 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 12.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BS 2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683557/6039039/22618901/-/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl%2D_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_05%2E02.2021.pdf?nodeid=22618137&vernum=-2 , Zugriff 24.11.2021
BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html ,Zugriff 29.4.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 29.4.2021
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Sozialbeihilfen
Dem Arbeitsministerium ist die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten 'Hohen Versicherungsrat' (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Der Hauptversicherer ist die 'Organisation für Sozialversicherung' (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in das System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden (ÖB Teheran 11.2021). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80 % des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 500.000 IRR (ca. 2 Euro, sog. Yarane; Umrechnungskurs stark schwankend) (AA 5.2.2021). Selbstständige und Beamte sind nicht Teil der Arbeitslosenversicherung, da angenommen wird, dass ihre Arbeitsverträge nicht gekündigt werden können (Landinfo 12.8.2020).
Iranischen Bürgern stehen unterschiedliche Arten von Versicherungsschutz zur Verfügung. Bei der obligatorischen Versicherung werden Arbeitnehmer von den Arbeitgebern versichert. 7 % der Prämie werden von den Arbeitnehmern und 23 % von den Arbeitgebern gezahlt. Weiters steht den Eigentümern der Unternehmen eine freiwillige Abdeckung zur Verfügung. Es gibt drei Prämiensätze von 12 %, 14 % und 18 %, die zulasten der Versicherten gehen. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei Letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Ein freiwilliger Versicherungsschutz ist für zuvor versicherte Personen zwischen 18 und 50 Jahren verfügbar. Dieser ist vollständig von der versicherten Person zu zahlen. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Generell ist für Angestellte die Mitgliedschaft im Sozialversicherungssystem verpflichtend. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Zuschüsse und Leistungen werden auf Basis des Gehalts (insbesondere der letzten zwei Jahre) der zu versichernden Person berechnet, sowie auf Basis der monatlichen Zahlungen bei privat versicherten Personen. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Angestellte müssen 7 % des monatlichen Gehalts abgeben, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag bezahlen (IOM 2021). Die Mittel für die Altersrente werden durch gemeinsame Beiträge der versicherten Person, des Arbeitgebers und der Regierung gedeckt und variieren je nach Beitragsjahren. Die Altersrente wird über die Pensionskasse für Beamte, über die Organisation für soziale Sicherheit sowie über 16 weitere Pensionsfonds in Iran bereitgestellt. Die Hinterbliebenenrente wird an Angehörige einer versicherten verstorbenen Person gezahlt. Zu den Angehörigen zählen Witwe/Witwer, Kinder (das heißt Söhne bis zum Alter von 20 Jahren und Töchter bis zur Heirat) und Eltern. Die Rente des Ehepartners beträgt 50 % der Alters- oder Invalidenrente der versicherten Person, während sie für Waisen 25 % und für Eltern 20 % beträgt. Die kombinierte Hinterbliebenenrente darf nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn oder über der Rente des Verstorbenen liegen. In Iran gibt es einen gesetzlichen monatlichen Mindestlohn für ungelernte Arbeitnehmer, der unter Berücksichtigung der Inflation jährlich neu berechnet wird. Im April 2020 lag der Mindestlohn bei 18,34 Millionen Rial (ca. 113 USD). Darüber hinaus zahlt der Staat (praktisch) jeder Familie eine Wohnungs- und Lebensmittelzulage in Form von monatlichen Geldtransfers (yaraneh-ye naqdi), wobei der Gesamtbetrag für einen unverheirateten Arbeitnehmer 25 Millionen Rial (ca. 155 USD) und 30 Millionen Rial (ca. 186 USD) für einen verheirateten Arbeiter pro Monat beträgt. Familienbeihilfe wird im Rahmen von Sozialversicherungssystemen für Eltern gewährt, die mindestens 720 Tage gearbeitet und Beiträge gezahlt haben. Die Familienbeihilfe wird gezahlt, bis das Kind 18 Jahre alt ist oder - wenn es studiert - bis das Studium abgeschlossen ist. Die Familienbeihilfe wird monatlich gezahlt und als das Dreifache des gesetzlichen täglichen Mindestlohns eines ungelernten Arbeitnehmers für jedes Kind berechnet. Die Leistungen werden jährlich angepasst (Landinfo 12.8.2020).
Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 5.2.2021). Als Teil des iranischen Sozialwesens haben alle iranischen Bürger das Recht auf kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung. Alle Bürger können über die Wohlfahrtsorganisation TAMIN EJTEMAEI eine Sozialversicherung beantragen. Darüber hinaus können Leistungen von Arbeitgebern oder privaten Anbietern und Organisationen angeboten werden (IOM 2021).
Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die 'sadeqe', die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 12.2020b). Die staatliche Wohlfahrtsorganisation betreibt Selbsthilfegruppen für Familien in schwierigen Situationen, die in Familienzentren organisiert sind. Einige erhalten Unterstützung bei der Arbeitssuche. Ein Projekt mit einem Mikrofinanzierungsansatz umfasst 50.000 Menschen - nicht nur Frauen, sondern auch Landbevölkerung und andere. Ziel ist es, die Armut zu verringern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf weiblichen Ernährern. Es gibt ca. drei Millionen Familien, die von Frauen geführt werden. 180.000 von ihnen werden von der staatlichen Wohlfahrtsorganisation betreut. Das Budget ist begrenzt und nicht alle Bedürftigen erhalten Hilfe. Die Leistungen gehen nicht unbedingt an die Frauen, sondern können beispielsweise die Bildung für Kinder abdecken (Landinfo 12.8.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683557/6039039/22618901/-/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl%2D_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_05%2E02.2021.pdf?nodeid=22618137&vernum=-2 , Zugriff 24.11.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 30.12.2020
IOM – International Organization for Migration (2021): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/-/Iran_%2D_Country_Fact_Sheet_2021%2C_deutsch.pdf?nodeid=23268593&vernum=-2 , Zugriff 19.11.2021
Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 30.12.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 17.12.2021
1.3.8. Medizinische Versorgung
Seit der Islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert allen Bürgern das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung (ÖB Teheran 11.2021). Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt (ÖB Teheran 11.2021; vgl. IOM 2021). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs (ÖB Teheran 11.2021; vgl. Landinfo 12.8.2020). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 11.2021). Neben den medizinischen Universitäten wird ein Teil der Dienstleistungen von Versicherungsunternehmen und den Provinz- und Bezirkseinheiten erbracht. Die dezentralen Einrichtungen (Gesundheitshäuser, ländliche Gesundheitszentren) bieten in den Räumlichkeiten der medizinischen Universitäten kostenlose Dienstleistungen an. An anderer Stelle bezahlt die erkrankte Person einen kleinen Betrag, um eine medizinische Behandlung zu erhalten (IOM 2021). Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird. Die Mahak-Gesellschaft zur Unterstützung krebskranker Kinder ist beispielsweise ein bekanntes gemeinnütziges Forschungs-, Krankenhaus- und Rehabilitationszentrum für Kinder mit Krebs. Die Patienten werden von Ärzten im ganzen Land an Mahak überwiesen. Laut einem Vertreter von Mahak wird jedes Kind, bei dem Krebs diagnostiziert wird, entweder im Mahak-Krankenhaus oder in anderen Krankenhäusern behandelt. Mahak deckt auch die Behandlung von Patienten in anderen Krankenhäusern in Iran ab. Die Behandlung ist kostenlos und die Patienten müssen nicht versichert sein, um eine Behandlung zu erhalten. Selbst Verwandte können bei der Begleitung ihrer kranken Kinder eine Finanzierung für die Unterkunft erhalten. Mahak empfängt Krebspatienten auch aus mehreren Nachbarländern (Landinfo 12.8.2020).
Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 11.2021). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitszentrum kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2021).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung - die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2020c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung, gerade bei Notfällen oder Unfällen, ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischen Standards. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 24.11.2021a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede zwischen den Regionen. Folgende Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan sowie Sistan und Belutschistan. Es ist davon auszugehen, dass sich eine Vielzahl an Haushalten keine ausreichende Gesundheitsversorgung leisten kann. Gesundheitsdienste sind geografisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 11.2021).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen 'Behvarz' (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird. In Städten übernehmen sogenannte 'Gesundheitsposten' in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren anzufinden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 11.2021). Bis zu 90 % der Bevölkerung in ländlichen Regionen haben Zugang zu Basisgesundheitsdienstleistungen. Auch in städtischen Regionen gibt es eine Vielzahl an Gesundheitszentren (IOM 2021). Weitere staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser. Die medizinische Belegschaft in Iran umfasst insgesamt mehr als 51.000 Allgemeinärzte, 32.000 Fachärzte, 115.000 Krankenschwestern, 33.000 Hebammen und 35.000 örtliche Gesundheitshelfer (behvarz) (Landinfo 12.8.2020). Im Jahr 2020 wurden 161 Projekte zum Bau ländlicher Gesundheitszentren abgeschlossen. Somit wurde der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verbessert. Daneben hat das Überweisungssystem bei Hausärzten dazu beigetragen, dass Servicepakete für Prävention, Pflege und Behandlung auch in ländlichen Gebieten angeboten werden (IOM 2021).
Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen noch immer out-of-pocket-Zahlungen von den versicherten Personen geleistet werden (ÖB Teheran 11.2021). Es ist jedoch anzuführen, dass der Anteil derartiger Zahlungen durch die Patienten in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist. Vor dem Health Transformation Plan im Jahr 2014 waren Out-of-pocket-Zahlungen die Hauptfinanzierungsquelle, und lagen über 50 % der Kosten. 2010 erreichten die Zahlungen einen Höchststand von 58 %, während sie bis 2016 auf 35,5 % zurückgingen. Dies ist jedoch noch weit von dem erklärten Ziel entfernt, die Out-of-pocket-Zahlungen auf unter 30 % zu senken. Dies bedeutet, dass das Zahlungssystem nach wie vor weitgehend auf Servicegebühren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gesundheitswesen basiert (Landinfo 12.8.2020). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2020c). Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können (Landinfo 12.8.2020).
Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt zwei verschiedene Arten von Krankenversicherungen, jene über den Arbeitsplatz oder eine private Versicherung. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt. Um eine Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig. Zusätzliche Dokumente können später gegebenenfalls angefordert werden (IOM 2021).
Allen iranischen Bürgern stehen mehrere Arten eines primären Krankenversicherungsschutzes zur Verfügung, darunter Tamin-Ejtemaei, Salamat, Khadamat-Darmani und Nirouhaye - Mosalah. Der Krankenversicherungsschutz umfasst medizinische Behandlungen und die Versorgung mit Medikamenten und Impfstoffen. Im Allgemeinen ist der primäre Krankenversicherungsschutz begrenzt. Für weitere medizinische Dienstleistungen kann zusätzlich eine private Krankenversicherung abgeschlossen werden (IOM 2021). Die 'Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste' (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die 'Imam Khomeini Stiftung', um nicht versicherte Personen - etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge. Registrierte afghanische Flüchtlinge können sich in der staatlichen Krankenversicherung registrieren (ÖB Teheran 11.2021).
Da es keine allgemein akzeptierte Definition für schutzbedürftige Personen gibt, ist es schwierig, diese Gruppe zu spezifizieren. Dennoch gibt es einige NGOs, die sich auf einen bestimmten Kreis Betroffener spezialisieren. Allgemein gibt es zwei Arten von Zentren, die Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen in Iran leisten, nämlich öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen, sich oft an kleinere, spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, die Projekte zu Gender, alten Menschen, Menschen mit Behinderung (inklusive psychischer Probleme), ethnische und religiöse Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem sozio-psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlung etc. Die Imam Khomeini Relief Foundation bietet Dienstleistungen für Frauenhaushalte, Waisen, Familien von Häftlingen usw. an, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Zugang zu öffentlichen Angeboten ist für alle Bürger gleich. Dennoch gibt es zusätzliche Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen, die von den Gemeinden/Organisationen abgedeckt werden (IOM 2021).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2021; vgl. Landinfo 12.8.2020, HRC 14.5.2021). Obwohl auf dem Papier Medikamente und Lebensmittel von den Sanktionen nicht betroffen sind, ist es seit 2020 u.a. wegen fehlender Zahlungskanäle zu mehr Engpässen bei bestimmten Medikamenten wie z.B. Insulin gekommen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. HRC 14.5.2021). Das Gesundheitsministerium ist sehr bemüht, den Bedarf an Medikamenten zu decken. Aufgrund der mangelnden Devisen steigen aber die Preise der Medikamente, die aus dem Ausland eingeführt werden, sodass schwache Gesellschaftsschichten sich diese nicht mehr leisten können. Viele Medikamente werden in Iran selbst produziert, jedoch oftmals nicht in entsprechender Qualität (ÖB Teheran 11.2021). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021a): Reise- und Sicherheitshinweise - Gesundheit, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396#content_5 , Zugriff 24.11.2021
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 30.12.2020
HRC – UN Human Rights Council (14.5.2021): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Secretary-General [A/HRC/47/22], https://www.ecoi.net/en/file/local/2053883/A_HRC_47_22_E.pdf , Zugriff 26.11.2021
IOM – International Organization for Migration (2021): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/-/Iran_%2D_Country_Fact_Sheet_2021%2C_deutsch.pdf?nodeid=23268593&vernum=-2 , Zugriff 19.11.2021
Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): Report Iran. The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 11.1.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 17.12.2021
1.3.9. Rückkehr
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus (AA 5.2.2021). In der iranischen Gesetzgebung gibt es kein Gesetz, das die Beantragung von Asyl im Ausland strafbar macht (Cedoca 30.3.2020). In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden (AA 5.2.2021). Allerdings gibt es zum Thema Rückkehrer nach wie vor kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 11.2021).
Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 5.2.2021).
Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).
In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird das Risiko für Repressionen eher gering ausfallen (DIS/DRC 23.2.2018).
Iraner, die im Ausland leben und sich dort öffentlich regimekritisch äußern, können von Repressionen bedroht sein, nicht nur wenn sie nach Iran zurückkehren. 2019 und 2020 wurden zwei Exil-Oppositionelle im Ausland verschleppt und sind derzeit in Iran inhaftiert. In Belgien läuft ein Gerichtsprozess gegen einen iranischen Diplomaten, der 2018 einen Anschlag auf das Jahrestreffen der oppositionellen Volksmudschaheddin in Paris geplant haben soll (AA 5.2.2021). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Iraner oder Ausländer, die bestimmte Straftaten im Ausland begangen haben und in Iran festgenommen werden, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Auf die Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss; die Gerichte erlassen eigene Urteile. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind jedoch keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 5.2.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683557/6039039/22618901/-/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl%2D_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_05%2E02.2021.pdf?nodeid=22618137&vernum=-2 , Zugriff 26.11.2021
Cedoca – Documentation and Research Department of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (30.3.2020): COI Focus IRAN Treatment of returnees by their national authorities, https://coi.easo.europa.eu/administration/belgium/PLib/COI_Focus_Iran_Treatment%20of_returnees_by_their_national_authorities_30032020_update_ENG.pdf , Zugriff 18.12.2020
DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 29.4.2020
ÖB Teheran – Österreichische Botschaften [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 14.12.2021
1.3.10. COVID-19
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Die derzeitige tägliche Infektionszahl von ca. 1.400 (John-Hopkins-Universität) und 18 Toten zeigen verhältnismäßig keine höhere Fallzahl als in Österreich an. Das Gesundheitssystem ist intakt und die Impfungen haben begonnen.
Iran ist weiterhin von COVID-19 betroffen (AA 20.12.2021). Die COVID-Lage flachte nach einer dramatischen 5. Welle im August 2021 mit weltweit höchsten Fallzahlen etwas ab (ÖB Teheran 11.2021). Es kann aber immer wieder – insbesondere vor iranischen Feiertagen – vorkommen, dass kurzfristig inneriranische Reisebeschränkungen eingeführt werden. Dann wird Fahrzeugen mit Autokennzeichen aus anderen Provinzen die Einreise in die betroffenen Provinzen nicht gestattet. Fahrzeugen mit Autokennzeichen aus den betroffenen Provinzen dürfen diese nicht verlassen. Diese Beschränkungen werden in der Regel einige Tage vorher über die Medien bekannt gegeben. Aktuell gelten solche Maßnahmen für alle Provinzen der Kategorien 'orange' (u.a. Teheran) und 'rot'. Für den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen sowie dem öffentlichen Personennahverkehr kann ein Ausweispapier verlangt werden. Zusätzlich können Kontrollen und Messungen der Körpertemperatur an Provinz- und Stadtgrenzen durchgeführt werden. Bei Infektionsverdacht können Quarantänemaßnahmen oder die Einweisung in ein Krankenhaus angeordnet werden. Für Inlandsflugreisen kann ein negativer PCR-Test verlangt werden. Informationen erteilen die jeweiligen Fluggesellschaften. Im Alltag ist derzeit vor allem in 'gelb', 'orange' und 'rot' eingestuften Regionen mit Einschränkungen bei Öffnungszeiten und Serviceangebot zu rechnen. Vollständig Geimpfte und Genesene sind von den Beschränkungen im öffentlichen Leben nicht ausgenommen (AA 20.12.2021).
Das Tragen von Gesichtsmasken an geschlossenen öffentlichen Orten ist verpflichtend. Bei Nichteinhaltung kann eine Geldstrafe verhängt werden. In Iran gelten Maßnahmen und Beschränkungen, darunter die vorübergehende Schließung nicht wesentlicher Geschäfte und religiöser Schreine und die Absage einiger öffentlicher Veranstaltungen. Jede Provinz ist in der Lage, Beschränkungen einzuführen, um auf örtlich begrenzte Infektionsspitzen zu reagieren. Dies kann eine Sperrung und Bewegungseinschränkung beinhalten. Interne Reisebeschränkungen, auch in wichtige Tourismus- und Pilgergebiete, können kurzfristig verhängt werden (GOV.uk o.D.).
Die COVID-19-Pandemie hat die Herausforderungen im Gesundheitssystem noch verschlimmert. Bis zum 1.10.2020 hatte der Gesundheitssektor nur 27 % der aus dem nationalen Entwicklungsfonds bereitgestellten 1,1 Milliarden US-Dollar erhalten. Im Gesundheitswesen Beschäftigte haben monatelang keinen Lohn erhalten, arbeiteten in Sonderschichten und mit begrenztem Schutz. Mit Stand März 2021 sind mehr als 550 Ärzte, Krankenschwestern und andere Pflegekräfte Berichten zufolge an COVID-19 verstorben (HRC 14.5.2021). Die Auswirkungen der Covid 19-Pandemie auf den Gesundheitssektor sind schwer abzuschätzen. Während der schlimmsten Pandemie-Phasen führte Iran regelmäßig die Statistiken an Infizierten und Todesfällen in der Region und teilweise weltweit an. Die tatsächlichen Zahlen dürften etwa dreimal höher gelegen haben. Berichte über Kranke, die mangels Betten aus Spitälern nach Hause geschickt wurden, häuften sich. Kosten für Medikamente auch in Spitalsbehandlung konnten sich nicht alle leisten. Wegen voller Auslastung der Krankenhäuser (am meisten in den großen Städten und Ballungsräumen) wurden Feldspitäler aufgebaut. Seitens der Behörden wurden zwar Maßnahmen erlassen, um das Gesundheitssystem zu entlasten, insbesondere Hygienemaßnahmen und Bewegungseinschränkungen, die jedoch regelmäßig missachtet werden. Ein besonderes Problem stellen religiöse Prediger und Veranstaltungen dar, bei denen viele Männer, ohne Abstand zu halten, zusammenkommen (ÖB Teheran 11.2021).
Einreisebestimmungen unterliegen häufigen Änderungen und einer uneinheitlichen Anwendung (AA 20.12.2021). Personen, die nach Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf zum Zeitpunkt des Beginns der Reise nicht älter als 72 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, so kann ausländischen Staatsangehörigen die Einreise verwehrt werden. Nach Ankunft ist unter Umständen auf Aufforderung der iranischen Behörden am Flughafen ein weiterer PCR-Test zu machen, dessen Kosten Änderungen unterliegen und zwischen 15 und 50 Euro liegen. Zusätzlich zum Test ist der Nachweis über eine vollständige Impfung vor mindestens 15 Tagen erforderlich. Eine Regelung über die Gültigkeitsdauer des Impfschutzes ist nicht bekannt (BMeiA 20.12.2021). Reisende können bei Einreise zusätzlich zu ihrem gesundheitlichen Befinden und ihrer Reiseroute sowie Aufenthaltsorten in Iran befragt werden. Bei COVID-19-Symptomen können ärztliche Untersuchungen vorgenommen werden. Ein erneuter COVID-19-Test kann immer von den iranischen Behörden angeordnet und durchgeführt werden. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses wird für ausländische Staatsangehörige Selbstisolation in einer staatlichen Unterkunft angeordnet. Bei positivem Testergebnis erfolgt eine rigorose Kontrolle der Kontaktpersonen und gegebenenfalls ergehen weitere verpflichtende (Quarantäne-)Anweisungen der iranischen Behörden. Alle entstehenden Kosten sind von den Reisenden zu tragen. Sollte man innerhalb von zwei Wochen nach Einreise Symptome entwickeln, die auf eine Erkrankung an COVID-19 hinweisen könnten, kann ebenfalls ein erneuter Coronatest durchgeführt werden. Die Verfahren können sich kurzfristig ändern. Abweichende Handhabungen sind jederzeit möglich (AA 20.12.2021).
Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte, Reisen und die öffentlichen Verkehrsmittel zu meiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr (AA 20.12.2021). Iran will wegen der neuen Omikron-Variante erneut strenge Corona-Einschränkungen bis hin zum Lockdown einführen. Wegen der Wirtschaftskrise in Iran wollte die Regierung von Präsident Raisi erneute Beschränkungen eigentlich unbedingt vermeiden. Aufgrund der Bestätigung des ersten Omikron-Falls, hat die Regierung nach Meinung von Gesundheitsexperten jedoch keine andere Wahl mehr, als erneut einen Lockdown zu verhängen (Finanzen.at 20.12.2021).
Die Covid-Krise verstärkt die aufgrund der US-Sanktionen ohnehin ökonomisch schwierige Lage. Eine Reihe von UN-Sonderberichterstattern kritisierten die Auswirkungen der Sanktionen auf die Anschaffung von Impfstoffen. Nachdem der Oberste Führer Khamenei den Import von Impfstoffen aus Großbritannien und den USA zunächst verboten hatte, und im Lichte der Probleme mit der Bezahlung von Importen aufgrund der US-Sanktionen (als 'middle in-come country' muss Iran COVAX-Impfstoffe bezahlen) setzte man im Sinne der Doktrin der nationalen Resilienz auf eigene Impfstoff-Entwicklung. Die Massenproduktion stockte jedoch, und auch Offizielle kritisieren den Umgang mit der Pandemie. Organisierte zivilgesellschaftliche Kritik wird unterdrückt (Verhaftung von Rechtsanwälten, die Klage gegen Behörden anstrebten). Mittlerweile hat die Lieferung ausländischer Impfstoffe seit September 2021 deutlich zugenommen, sodass Ende November 2021 mehr als 70 % der Erwachsenen in Iran zumindest erstgeimpft wurden (ÖB Teheran 11.2021) und ca. 60 % doppelt geimpft sind. Auch die dritte Boosterimpfung hat bereits begonnen (Finanzen.at 20.12.2021). Die offizielle Zahl der Todesopfer im Land hat mehr als 120.000 erreicht (BBC News 18.10.2021; vgl. WHO 2.12.2021), aber die iranischen Behörden geben zu, dass die tatsächliche Zahl viel höher liegt. Viele Iraner führen das Ausmaß der Covid-Todesfälle auf die Entscheidung des Obersten Führers zurück, den Import von in den USA und Großbritannien entwickelten Impfstoffen im vergangenen Winter zu verbieten (BBC News 18.10.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.12.2021, unverändert gültig seit 13.12.2021): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/iransicherheit/202396 , Zugriff 20.12.2021
BBC News (18.10.2021): Covid: Thousands of children left without parents in Iran, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-58886923 , Zugriff 20.12.2021
BMeiA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (20.12.2021, unverändert gültig seit 16.12.2021): Iran - Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 20.12.2021
Finanzen.at (20.12.2021): Iran plant erneut Corona-Einschränkungen wegen Omikron-Variante, https://www.finanzen.at/nachrichten/aktien/iran-plant-erneut-corona-einschrankungen-wegen-omikron-variante-1031057367 , Zugriff 21.12.2021
GOV.uk - Governement United Kingdom [Großbritannien] (o.D.): Foreign travel advice Iran, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/iran/coronavirus , Zugriff 20.12.2021
HRC – UN Human Rights Council (14.5.2021): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Secretary-General [A/HRC/47/22], https://www.ecoi.net/en/file/local/2053883/A_HRC_47_22_E.pdf , Zugriff 20.12.2021
ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 20.12.2021
WHO - World Health Organisation (2.12.2021): COVID-19 situation updates for week 47 (21–27 November 2021), https://reliefweb.int/report/iran-islamic-republic/covid-19-situation-updates-week-47-21-27-november-2021 , Zugriff 20.12.2021
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:
2.1.1. Die Identität des BF steht auf Grund des beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokument, seinen iranischen Reisepass, Nr. XXXX , gültig bis 30.06.2026, fest und mit seinen Angaben im behördlichen und gerichtlichen Verfahren in Einklang (Verhandlungsprotokoll, Seite 5). Dies hat auch das BVwG im Asylverfahren und das BFA seiner Entscheidung unterstellt.
2.1.2. Dass der BF der Volksgruppe Lor angehört gab er so erstmals in der mündlichen Verhandlung an. Im Asylverfahren gab er hingegen an, der Volksgruppe der Bakhtiari anzugehören, weshalb das Gericht der Feststellung im Asylverfahren folgt. Eine Änderung der Volksgruppe im letzten Jahr wäre nicht nachvollziehbar und wurden dahingehend Sachverhaltsänderungen nicht vorgebracht. Betreffend weitere Personenmerkmale (Staatsangehörigkeit, Alter, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand) erachtet das BVwG den BF für persönlich glaubwürdig, weil er im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte (Einvernahme am 12.08.2021, Seite 2 f; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2022, Seite 5 f). Diese stehen auch in Einklang mit den getätigten Angaben im Asylverfahren. Dass der BF sechs Brüder anstatt fünf Brüder in Iran hat ist nicht glaubhaft, weil er im Asylverfahren sowie bei der Einvernahme vor dem BFA am 12.08.2021 gleichbleibend angab (Seite 2), dass er zwei Schwestern und fünf Brüder in Iran habe und widersprüchlich dazu sechs Brüder in der mündlichen Verhandlung anführte (Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2022, Seite 7).
Dass der BF keinen Kontakt mehr mit seinen Eltern hat, ist ebenfalls nicht glaubhaft, weil er vor der belangten Behörde noch angab, dass er wöchentlich über WhatsApp zu den Familienmitgliedern im Herkunftsstaat Kontakt habe. Ein plötzlicher Kontaktabbruch mit seinen Eltern und jüngeren Geschwistern ohne weitere Gründe ist nicht nachvollziehbar und brachte er diesbezüglich auch keine weiteren Probleme vor (vgl. Einvernahme am 12.08.2021, Seite 2; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2022, Seite 7). Seine Angaben sind diesbezüglich nicht konsistent und das Gericht geht daher davon aus, dass der BF weiterhin regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern auch von Österreich aus aufrecht erhält.
2.1.3. Dass der BF gesund ist, gründet auf seinen eigenen Angaben im gesamten Verfahren: chronische oder akute Krankheiten oder andere Leiden oder Gebrechen sowie notwendige Medikamente und Behandlungen verneinte der BF durchgehend. Dass er an Corona erkrankte und mittlerweile genesen ist, steht ebenfalls auf seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Dass der BF arbeitsfähig ist, steht auf Grund seines Gesundheitszustandes in Verbindung mit seinem Alter (32 Jahre) fest. Zudem steht fest, dass er in Iran erwerbstätig war und auch in Österreich Remunerationstätigkeiten machte.
2.1.5. Die Feststellungen zu seiner Verurteilung in Österreich basieren auf der Einsicht in das Strafregister und dem Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts XXXX vom 19.06.2019 (AS 105 ff).
2.2. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang und zur Situation des BF in Österreich:
2.2.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamts und des Gerichtsaktes des BVwG zum Verfahren auf internationalen Schutz (insbesondere Bescheid vom 14.11.2018, Verhandlungsprotokoll vom 22.10.2020, Erkenntnis des BVwG vom 04.01.2021, außerordentliche Revision vom 16.02.2021, Beschluss des VwGH vom 11.03.2021) und zu dem hier zu behandelnden Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005. Dass der BF in Iran vor der Ausreise keiner Verfolgung ausgesetzt war und im Falle einer Rückkehr auch nicht ist, steht auf Grund dessen, dass sein Antrag auf internationalen Schutz zuletzt materiell geprüft und mit Erkenntnis vom 04.01.2021 rechtskräftig abgewiesen wurde, fest; ebenso wurde festgestellt, dass dem BF keine Gefahr iSv § 8 AsylG 2005 droht. Die Feststellungen zu seinem Glaubenswechsel basieren ebenfalls auf dem Erkenntnis des BVwG vom 04.01.2021. Der BF bestätigte wiederholt im aktuellen Verfahren, dass sich diesbezüglich auch kein neuer Sachverhalt dargetan hat.
Es kann auch von amtswegen keine asylrelevante Gefährdung des BF im Falle der Rückkehr in den Iran erkannt werden, zumal der BF in der hg. mündlichen Verhandlung ausdrücklich angab, nicht politisch aktiv zu sein und auch über einen in der iranischen Botschaft am 30.06.2021 ausgestellten iranischen Reisepass verfügt. Somit auch erst kürzlich Kontakt mit einer iranischen Behörde bestand. Daher steht fest, dass dem BF im Falle der Rückkehr keine Verfolgung iSd der GFK droht. Es steht fest, das ihm auch keine Gefahr iSd § 8 AsylG 2005 droht: Der BF ist gesund, gehört sohin keiner Corona-Risikogruppe an bzw. ist bereits von einer Corona-Erkrankung genesen und benötigt keine Behandlung. Er verfügt über einen Schul- und Universitätsabschluss und Arbeitserfahrung als Eisenbieger in Iran. Er kann in Iran seinen Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit sichern. Er verfügt zudem über ein familiäres Netz im Herkunftsstaat, mit dem er auch von Österreich aus Kontakt hält und das ihn nach der Rückkehr unterstützen kann. Es ist daher auch nicht ersichtlich, dass er in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
Dass ihm aus anderen Gründen, abgesehen von dem bereits vorgebrachten und gewürdigten Glaubenswechsel in Österreich, Folter oder unmenschliche Behandlung oder Strafe oder die Todesstrafe drohen würde, behauptete der BF auch selbst nicht. Dass ihm aus Gründen seiner Konversion keine Verfolgung droht wurde bereits umfangreich in der Entscheidung des BVwG vom 04.01.2021 dargestellt und auch in der hg. Verhandlung kein neuer Sachverhalt vorgebracht.
2.2.2. Die Feststellungen zu seinen Deutschkenntnissen und seiner Ausbildung in Österreich sowie dem Umstand, dass er keine Fortbildung absolvierte, beruhen auf seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung und dem vorgelegten Deutsch- und Integrationszertifikaten (Verhandlungsprotokoll, Seite 9). Dies steht mit dem gewonnenen Eindruck in der mündlichen Verhandlung in Einklang (Verhandlungsprotokoll, Seite 8 und24: „Richter stellt fest, dass der BF bisher teilweise in deutscher Sprache antwortet und die Fragen versteht bzw. Teile davon und die D heranzieht, um sich die Fragen übersetzen zu lassen, um in seiner Muttersprache antworten zu können. Richter stellt abschließend nochmals fest, dass der BF teilweise die in Deutsch gestellten Fragen verstanden hat und beantworten konnte. Ansonsten die Dolmetscherin für Übersetzungstätigkeiten herangezogen werden musste.“).
2.2.3. Die Feststellungen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und Versicherungsschutzes basieren auf einem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem zur Grundversorgung und auf einen Sozialversicherungsdatenauszug des BF sowie der Bestätigung über eine Krankenversicherung der Volkshilfe vom 21.01.2022.
Die Feststellungen zu den Meldeadressen und Wohnorten des BF ergeben sich aus dem ZMR-Auszug und dem zuletzt vorgelegten Mietvertrag vom 16.08.2021 sowie seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Dass der Mietzins anteilig vom BF und seiner Freundin beglichen wurde geht aus dem vorgebrachten Mietvertrag im behördlichen Verfahren vom 31.08.2018 hervor. Darin wird die gesamte Miete inklusive Betriebskosten von € 560 auf den BF (€ 180) und seine Freundin Fr. XXXX aufgeteilt. Dieser Mietvertrag wurde im August 2021 für weitere zwei Jahre verlängert, wobei hierbei die Mietzinsaufteilung nicht mehr enthalten ist. Nachdem der BF weiterhin Leistungen aus der Grundversorgung bzw. der Unterstützung durch die Volkhilfe (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls) für Miete erhält, ist davon auszugehen, dass er auch nach wie vor einen Mietanteil bezahlt. Sodass auch hier nicht von der finanziellen Abhängigkeit des BF von der Lebensgefährtin auszugehen ist. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF gründen auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung und vor der belangten Behörde (Einvernahme am 12.08.2021, Seite 3; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2022, Seite 9) und dem Strafantrag der Finanzpolizei vom 27.03.2020 (AS 31 ff). Dass der BF aktuell nicht selbsterhaltungsfähig ist und nicht nachhaltig am Arbeitsmarkt integriert ist, gründet auf dem Umstand, dass er bis auf eine illegale Beschäftigung als Security keiner anderen erlaubten Erwerbstätigkeit nachging. Das Gericht verkennt nicht, dass die Möglichkeiten für Asylwerber sehr begrenzt sind, aber gerade in Zeit der Corona-Pandemie waren Erntehelfer etc. gesucht und auch andere Remunerationsarbeiten verübte der BF lediglich im Jahr 2016 und dann nicht mehr. Er ist auch nicht ehrenamtlich tätig und war auch nicht bei Unternehmen zB „Schnupper“ oder Probearbeiten. Er nützte die Zeit auch nicht, um eine Aus-oder Fortbildung zu machen. Der BF legte im behördlichen Verfahren zwei Einstellungszusagen vor, diese entsprachen nicht einem Arbeitsvorvertrag und legte er einen solchen auch auf Anforderung des BFA bis nach der mündlichen Einvernahme nicht vor. Die Einstellungszusagen von XXXX vom 12.01.2021 und von XXXX vom 13.04.2021 weisen keine genaue Tätigkeitsbeschreibung oder andere Merkmale der zukünftigen Arbeitsstelle vor. Nach den Erzählungen des BF in der mündlichen Verhandlung zum Zustandekommen dieser Schreiben (Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2022, Seite 10: „RI: Wie haben Sie diese Bestätigungen bekommen von Herrn Abdulli? BF: BF: Ich bin dort gegangen. Ich habe gesagt, will arbeiten. Er hat gesagt probierst du, was du kannst. Ich habe gesagt Ja. Ich habe Fassade probiert. Er hat gesagt passt schon, wir wissen schon. Er hat gesagt, gibst du mir irgendetwas zum Melden. Ich habe gesagt, ich habe keines zum Melden. Ich brauche eine Bestätigung, dass ich mich melden kann. Er sagte, passt schon. RI: Haben Sie ihn vorher schon gekannt? BF: Nein. RI: Sie sind zur Baustelle hingegangen und haben einfach gefragt? BF: Ein bisschen mehr kennengelernt. Ich habe ihn gebeten, dass er mir vielleicht eine Chance geben kann, denn ich brauche eine Bestätigung. RI: Sie sind am 12.08.2021 vom BFA darauf hingewiesen worden, dass Sie einen Arbeitsvorvertrag vorlegen müssen. Sie wurden auch belehrt über die Formerfordernisse eines solchen. Sie hatten dafür eine Frist von 4 Wochen. Warum haben Sie keinen vorgelegt? BF: Ich habe zweimal geschickt. Ich bin dorthin gegangen. Ich habe es selbst abgegeben. RI: Ich rede jetzt über den Arbeitsvorvertrag. BF: Das sage ich. Ich bin selbst hingegangen und habe die 2 Verträge hingelegt. RI: Wann? BF: Ich kann mich nicht genau an den Tag erinnern, wann das war. RI: Warum haben Sie Ihrer Vertretung angegeben, dass Ihnen nie erklärt wurde, wie ein solcher ausschaut, wenn das eindeutig in der Niederschrift vom 12.08.2021 so festgehalten wurde. BF: Ich habe nicht verstanden, was Sie genau wollen. Ich bin dann zu dem Arbeitgeber gegangen. Ich sagte, dass ich einen Arbeitsvertrag brauche. RI: Wie oft haben Sie eine Zusage zu diesem bekommen? BF: 1x. RI: Das war vor der Einvernahme beim BFA. BF: Wollen Sie einen Neuen?“), ist vielmehr von Gefälligkeitsschreiben auszugehen, die in zeitlicher Nähe zum abweisenden Erkenntnis vom 04.01.2021 ausgestellt wurden. Vor der belangten Behörde konnte der BF auch nur sehr oberflächliche und vage Angaben zu den zwei Unternehmen und seiner geplanten Erwerbstätigkeit machen. Er wurde auch vom BFA über das Erfordernis eines Arbeitsvorvertrages und dessen Form informiert. Er war zu dieser Zeit auch bereits rechtlich vertreten. Der nunmehr am 20.01.2022 nachgereichte Arbeitsvorvertrag vom 18.01.2022 ist in schlechter Qualität und hat den Anschein, dass sowohl die Unterschriften als auch der Firmenblock und die Vertragsparteien in ein vorgefertigtes Formular hineinkopiert wurden. Doch liegt nunmehr ein gültiger Arbeitsvorvertrag vor. Mit diesem Arbeitslohn ist es ihm möglich seien Unterhalt zu finanzieren (Arbeitsvorvertrag)
Schließlich legte der BF auch eine gültige Patenschaftserklärung, trotz vom BFA erteilten Verbesserungsauftrag nicht vor. Mit Mail vom 23.09.2021 informierte die belangte Behörde den BF umfangreich, dass die Patenschaftserklärung im Original vorzulegen ist, eine Einschränkung der von den Paten übernommenen Leistungen nicht zulässig ist und eine Doppelnennung von Paten nicht zulässig ist. Außerdem wurden die notwendigen Unterlagen für die Überprüfung der Tragfähigkeit der Patenschaftserklärung angeführt (AS 143). Der BF kam dem Verbesserungsauftrag nicht nach und legte keine gültige Patenschaftserklärung vor. Auch war es ihr nicht möglich den BF finanziell zu unterstützen, da sie selbst angab, bis vor 2 Wochen nicht Vollzeit gearbeitet zu haben, da Kurzarbeit war. Die Lebensgefährtin ist für 2 Kinder verantwortlich und kann daher in den Zeiten der unsicheren Wirtschafts- bzw. Coronalage nicht den BF finanzieren. Daher ist auch nicht davon auszugehen, dass der BF von ihr finanziell abhängig war, zumal er auch Geldleistungen von der Volkhilfe erhalten hat.
2.2.4. Die Feststellungen zu seiner Freundin Frau XXXX und deren Töchter basieren auf einer Zusammenschau diesbezüglicher Angaben im Asylverfahren und in der mündlichen Verhandlung sowie auf der Zeugenaussage seiner Freundin und deren Tochter. Gerade eine intensive oder familienähnliche Beziehung zu seiner Freundin und deren Töchter sind nicht glaubhaft:
Fest steht, dass der BF, Frau XXXX und deren Töchtern XXXX seit September 2018 gemeinsam in einem Haushalt wohnen. Das ergibt sich zum einen aus der gemeinsamen Meldeadresse und den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben des BF und seiner Freundin in der mündlichen Verhandlung. Dass der BF seit über drei Jahren in einer Lebensgemeinschaft mit Frau XXXX , im Sinne einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft lebt, konnte nicht festgestellt werden. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass der BF seine Freundin und ihre Töchter im gesamten Asylverfahren, einschließlich erhobene außerordentliche Revision im Februar 2021 – bis auf eine Erwähnung bei der Einvernahme beim Bundesamt am 21.09.2018 („F: Haben Sie Familienangehörige oder sonstige Verwandte in Österreich? Wie oft sehen Sie diese? A: Nein, ich habe keine Familienangehörigen hier in Österreich. F: Haben Sie in Österreich Freunde bzw. Bekannte (Name, Staatszugehörigkeit, …)? A: Ich habe bereits Freundschaften geschlossen. F: Wie ist ihre aktuelle Wohnsituation in Österreich? Wie und mit wem wohnen Sie zusammen? A: Ich lebe bei meiner Freundin. Sie hat schon ein Interview gehabt, aber sie hat noch keine Antwort bekommen.“) – nie erwähnte. Er brachte die Beziehung zu Frau XXXX und deren Töchter im Asylbeschwerdeverfahren nicht als familiären oder sonstigen sozialen Kontakt vor (Verhandlungsprotokoll vom 22.10.2020, Seite 14: „RI: Haben Sie in Österreich familiäre oder verwandtschaftliche Beziehungen? BF: Nein. RI: Verfügen Sie in Österreich über soziale Kontakte und wenn ja, wie gestalten sich diese? BF: Ich bin Mitglied unserer Kirche, Mitglied im Fitnessstudio, wir spielen mit anderen Österreichern Fußball, gehen bergsteigen. RI: Wann entstanden diese Beziehungen? BF: Die erste Person, die ich in Ö kennengelernt habe, war Frau XXXX , das ist eine ältere Dame. Dann lernte ich ihre Tochter kennen, so nach der Kirche gehen wir zu ihr, es gibt Kuchen und Kaffee, aber wegen Corona nicht mehr, denn sie hat ein Kind. Im Fitnessstudio habe ich eigene Freunde.“). Dass der BF die Beziehung zu seiner Freundin und deren Töchter nie erwähnte, bestärkt die Annahme, dass es sich gerade nicht um eine so intensive und wichtige Beziehung für den BF handelt.
Erstmals brachte er eine Beziehung bei der Einvernahme am 12.08.2021 vor und gab an, dass er seine Freundin bereits seit mehr als 4 Jahren kenne, seit 3 Jahren mit ihr gemeinsam wohne und heiraten möchte. Zwei Fragen später, gibt er wiederum an, dass sich seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung am 04.01.2021 sein Privat- und Familienleben nicht geändert habe (Einvernahme am 12.08.2021, Seite 2-3). Erst auf Nachfrage schilderte der BF auch seine Beziehung zu den Kindern seiner Freundin (Einvernahme am 12.08.2021, Seite 4). In der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung steigerte er sein Vorbringen dahingehend, dass er angibt eine intensive Beziehung zu seiner Freundin und deren Töchter aufgebaut zu haben und schon eine Art Vaterrolle übernommen habe. Dem ist zu entgegnen, dass der BF und die Freundin des BF und ihre ältere Tochter als Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung divergierende Aussagen zu der Rolle des BF im Haushalt und im Leben von ihnen machten. So gab der BF zum Beispiel widersprüchlich in der mündlichen Verhandlung an, dass er auch zu den Lehrern der Kinder in die Schule gehe, zuletzt vor 20 oder 25 Tage, weil es einen Streit in der Schule gegeben habe und die Lehrerin gesagt habe, dass die Kinder Probleme haben. Zum einen waren jedoch zu der angegebenen Zeitspanne (ca. 24.12.-29.12.2021) Weihnachtsferien und zum anderen schilderte die Freundin des BF wiederum eine andere Geschichte in der mündlichen Verhandlung und ihre Tochter gab wiederum an, dass ihr der BF bei den Hausaufgaben helfe, aber nicht, dass der BF auch Kontakt zu ihrer Lehrerin habe (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2022, Seite 15, 19, 22). Weiters weiß der BF nicht darüber Bescheid, dass seine Freundin auch Brüder in Österreich hat. Die Zeugin gab diesbezüglich nicht nachvollziehbar an, dass sie nicht gerne über ihre Familie rede. Jedoch gerade in einer Lebensgemeinschaft bzw. Ehe kennt man die Familienmitglieder der jeweiligen Partner zumindest in Grundzügen. Schließlich ist nicht glaubhaft, dass der BF und seine Freundin schon konkret heiraten wollen und dies auch bereits versucht haben und an fehlenden Dokumenten scheiterte. Der BF konnte sich problemlos einen iranischen Reisepass ausstellen lassen und verfügt damit über ein gültiges Identitätsdokument, weshalb nicht ersichtlich ist, dass sie nicht standesamtlich heiraten könnten bzw. erforderliche Unterlagen zu besorgen (Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2022). Insgesamt konnte deshalb keine derart intensive Beziehung zu Frau XXXX und deren Töchter, die über eine freundschaftliche Beziehung hinausgeht, festgestellt werden. Zur Aufrechterhaltung des Kontaktes des BF mit seiner Freundin und deren Kindern, wird darauf verwiesen, dass den Kindern es möglich ist über soziale Kanäle mit dem BF Kontakt zu halten. Sie haben auch in der Schulzeit gelernt damit zu kommunizieren. Auch ist es ihnen möglich mit dem BF direkten Kontakt im Iran oder anderen Staaten oder gemeinsamen Urlaub zu machen, um weitere soziale Kontakte aufrecht zu erhalten. Dass der BF bisher mit Ausnahme den Kontakten im Haushalte, tägliche Ausflüge unternommen hätte wurde nicht vorgebracht. Sodass auch zum Wohle der Kinder, der Kontakt – Gespräche – weiterhin möglich sind und es zu keinen unverhältnismäßigen Einschränkungen kommt.
Die Feststellungen zu seinen familiären und verwandtschaftlichen Bindungen in Österreich, zu seinen sonstigen sozialen Kontakten in Österreich, zu seinem Tagesablauf und seiner Freizeitbeschäftigung gründen auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll, Seite 7). Dass er aktuell, abgesehen von nachbarschaftlicher Hilfe nicht regelmäßig ehrenamtlich tätig ist oder Mitglied in einem Verein ist steht ebenfalls auf Grund seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung fest.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des BF und zur aktuellen Covid-19-Pandemie:
2.3.1. Die den Länderfeststellungen (vgl. Punkt II.1.3.) zu Grunde liegenden Berichte wurden dem BF zur Kenntnis gebracht, der BF erstattete dazu keine Stellungnahme und trat den Berichten nicht entgegen.
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das BVwG kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.
2.3.2. Die allgemeinen Feststellungen zur Pandemie auf Grund des Corona-Virus gründen auf unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen und stützen sich jeweils mit einer Vielzahl weiterer Hinweise auf die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung, BGBl. II 203/2020; https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html ; https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/ .
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Allgemeine Bestimmungen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2. Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen:
3.2.1. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen wird, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
§ 56 AsylG 2005 idgF lautet:
„Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen
§ 56. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.
(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.“
Gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen. Gemäß Abs. 6 leg. cit. ist im Antrag der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt. Gemäß Abs. 8 leg. cit. hat das Bundesamt, wenn ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen wird, darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
§ 60 AsylG 2005 idgF lautet:
„Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn
1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder
2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.“
3.2.2. Der BF hält sich seit Dezember 2015 und somit etwas mehr als 6 Jahre durchgehend im Bundesgebiet auf. Der BF verfügte über keine Aufenthaltsberechtigung außerhalb seines Asylverfahrens, der rechtmäßige Aufenthalt des BF beläuft sich auf ca. 5 Jahre und ein Monat. Seit rechtskräftigen Erkenntnis vom 04.01.2021 befindet sich der BF ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich. Er ist trotz der Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen, sondern hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Auch Anträge gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 begründen gemäß § 58 Abs. 13 leg cit kein Aufenthalts- oder Bleiberecht.
Der BF mietet gemeinsam mit seiner Freundin seit September 2018 eine Wohnung in XXXX . Der Mietvertrag 31.08.2018 wurde mit Mietvertrag vom 16.08.2021 für weitere zwei Jahre, sohin bis zum 31.08.2023 verlängert. Er verfügt damit über einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft im Sinne des § 60 Abs. 2 Z1 AsylG 2005.
Der BF ist bzw. war durchgehend ausschließlich in seiner Eigenschaft als Asylwerber und Bezieher der Grundversorgung krankenversichert und verfügt über eine entsprechende Krankenversicherung (Bescheinigung der Volkshilfe). Eine sonstige Krankenversicherung weist er nicht auf.
Bislang war der BF im Bundesgebiet nicht selbsterhaltungsfähig und lebte durchgehend von der Grundversorgung. Er ging in Österreich noch keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Auch eine rechtsgültige Patenschaftserklärung wurde für den BF nicht abgegeben. Er legte zwar eine Einstellungszusage von zwei Unternehmen und brachte von einem auch einen Arbeitsvorvertrag, aber sind diese Einstellungszusagen als Gefälligkeitsschreiben anzusehen und es besteht noch keine positive Zukunftsprognose für eine nachhaltige Integrierung am Arbeitsmarkt und Selbsterhaltungsfähigkeit. Hinsichtlich der Relevanz von Einstellungszusagen in Asylverfahren wird auf die Judikatur des VwGH (vgl. Entscheidung vom 22.02.2011, Zl. 2010/18/0323) verwiesen, "wonach einer "bindenden Einstellungszusage" keine wesentliche Bedeutung zukommt, da der BF lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 15. September 2010, Zl. 2007/18/0612, und vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0195, jeweils mwN)". Der BF verfügt über keine Berufserfahrung in Österreich jedoch nunmehr auch über einen Arbeitsvorvertrag der den Arbeitgeber zuächst nur verpflichtet, den BF anzustellen und ihm die Möglichkeit gibt, innerhalb des Probemonats ohne Angaben von Gründen zu kündigen (Arbeitsvorvertrag im Akt).
Folglich ist nicht auszuschließen, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 führen könnte. Mit der Einstellung wäre der BF in der Lage seinen Unterhalt zu finanzieren.
Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005 dürfen nur erteilt werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehöriger – wozu der BF als iranischer Staatsangehöriger zählt – neben den Voraussetzungen des § 56 AsylG 2005 auch sämtliche Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 leg cit erfüllt. Der BF verfügt über eine leistungspflichtige Krankenversicherung, wenngleich sie von der Grundversorgung bezahlt wird und mit seinem Arbeitsvorvertrag die Möglichkeit seinen Unterhalt zu finanzieren und damit keine Belastung einer Gebietskörperschaft in finanzieller Hinsicht darzustellen. Mehr als ein Arbeitsvorvertrag kann nicht erwartet werden.
Aber wie von der belangten Behörde auch richtig festgestellt, ist neben den drei zwingenden Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1. – 3. AsylG 2005, Zweck des § 56 AsylG 2005, bei Vorliegen eines besonders hohen Integrationsgrades „Altfälle“ mit einer fünf Jahren übersteigenden Aufenthaltsdauer zu „bereinigen“. Den betroffenen Drittstaatsangehörigen soll in diesen Fällen die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthaltes durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben werden, wobei hiervon jene Konstellationen erfasst sein sollen, in denen die Schwelle des Art. 8 MRK, sodass gemäß § 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht wird (vgl VwGH 29.04.2010, 2009/21/0255, 26.06.2019, Ra 2019/21/0032). Trotzdem ist der Grad der Integration zu berücksichtigen (vgl VwGH 11.06.2014, 2013/22/0356). Aber gerade der BF weist keine besonders hohen bzw. geforderten Integrationsgrad auf.
So hat der BF zwar grundlegende Deutschkenntnisse und im Februar 2020 die Integrationsprüfung auf den Sprachniveau A2 bestanden, darüberhinausgehende Verbesserungen oder weiterführende Deutschkurse hat der BF seitdem nicht besucht. So sind seine Deutschkenntnisse auch nur grundlegend wie in der Verhandlung auch durch den Richter festgestellt werden konnte. Weitere Integrationskurse, Fort- oder Ausbildungen hat der BF nicht absolviert. Ein Familienleben führt der BF in Österreich nicht. Wie schon beweiswürdigend dargelegt, wohnt der BF zwar mit seiner Lebensgefährtin und deren beiden Töchtern seit 3 Jahren in einem gemeinsamen Haushalt, aber geht, dass Gericht nicht von derart starken intensiven Beziehungen aus, dass von einem Familienleben auszugehen ist. So gab der BF selbst bis auf die Einvernahme vom 21.09.2018 seine Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und deren Töchter nicht als Familienleben oder als soziale Kontakte bekannt. Weder in dem Asylverfahren vor dem BVwG noch in der außerordentlichen Revision. Aber auch in der gegenwärtigen Verhandlung versuchte der BF eine intensive Beziehung mit den Töchtern und der Lebensgefährtin darzulegen, vermochte aber nicht zu überzeugen, warum die geplante Hochzeit bis dato nicht erfolgte. Dem BF war es auch möglich einen iranischen Reisepass zu erhalten, so wäre es ihm auch möglich gewesen, weitere Dokumente zu erhalten. Doch intensivere Versuche hier eine Ehe einzugehen wurden nicht glaubhaft vorgebracht, sodass das Gericht davon ausgeht, dass der BF und seine Lebensgefährtin auch keine intensivere Beziehung ausüben wollen. Auch die Beziehung mit der älteren Tochter war durch Widersprüche geprägt. Sonstige soziale Beziehung mit Ausnahme einer alten Dame und Bekannten aus dem Fitnessstudio hat der BF nicht. Wenn der BF in den Asylverfahren von seinen Beziehungen zur christlichen Kirche sprach, so ist in der gegenwärtigen Situation, vom BF mit keinem Wort eine solcher nähere Kontakt erwähnt worden. Er brachte auch nicht vor zu beten oder sonntäglich die Kirche zu besuchen, sodass gegenständlich auch bestätigt wird, dass der BF in dem vorangegangen Verfahren nur eine Scheinkonversion angab, um so ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Eine Integration am Arbeitsmarkt erfolgte überhaupt nicht. Der BF ist keiner legalen Beschäftigung nachgegangen, hat nur kurz im Jahr 2016 Remunerationsarbeiten durchgeführt, und erwähnte lediglich Gartenarbeiten für die Nachbarin, wobei sich hier weder von ihm noch von seiner Lebensgefährtin, bei den Schilderung des Tagesablaufes, eine Erwähnung erfolgte. Schwer wiegt jedoch auch das straffällige Verhalten des BF in Österreich. Wenngleich es sich „nur“ um ein Vergehen handelte, so zeigt es, dass der BF nicht davon zurückschreckt strafrechtswidrige Handlungen zu setzen. Auch die illegale Tätigkeit als Security-Arbeiter zeigt, dass der BF sich nicht an die österreichische Rechtsordnung hält. Wenngleich zu seinen Gunsten spricht, dass der BF seither unbescholten ist und daher nicht unbedingt eine Gefahr von ihm ausgeht. Der BF war in den letzten Jahren nicht ehrenamtlich tätig oder hat sich sonst in der österreichischen Gesellschaft ergänzend engagiert. So liegt zwar eine private Integration vor, weitere schulische oder berufliche Ausbildung noch weitere Kenntnisse der deutschen Sprache auf Niveau B1, konnte der BF nicht vorlegen, sodass nicht die notwendige besonders hohe Integration gegeben ist (vgl VwGH 11.06.2014, 2013/22/0356) und daher die belangte Behörde in Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen ihre Entscheidung getroffen hat und die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden war. Die belangte Behörde hat der ihr im Rahmen des § 56 AsylG offen stehende, stets auf Grund der Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Ermessensausübung, vollständig und frei von Verfahrensmängel und die erfolgte Einzelfallbeurteilung nicht unvertretbar wahrgenommen. Und durch die zum Ausdruck gebrachte mangelnde ausgeprägte Integration aufgezeigt, dass es schon an der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles fehle (VwGH 11.02.2020, Ra 2019/21/0308).
3.3. Erlassung einer Rückkehrentscheidung und damit in Zusammenhang stehende Absprüche:
3.3.1. Ist ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005 abzuweisen, ist dies gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gegen den Antragsteller zu verbinden, sodass die Zulässigkeit einer solchen zu prüfen ist:
Das Bundesamt hat gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Ob eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG:
Gemäß § 9 Abs. BFA-VG, ist, wenn durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremden-polizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß Abs. 3 leg. cit ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird. Gemäß Abs. 9 leg. cit. ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
3.3.1.1. Vom Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z. B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammenleben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellt, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Der BF hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen oder sonstige nahe Verwandten oder familienähnliche Beziehungen. Der BF lebt mit seiner Freundin und deren Töchter in einem Haushalt. Sie sind weder standesamtlich noch religiös verheiratet. Der BF hilft im Haushalt oder unterstützt die Mädchen beim Onlineunterricht oder bei den Hausübungen. Seine Freundin sorgt als alleinerziehende Mutter für den Lebensunterhalt und die Obsorge ihrer Töchter. Es besteht zwischen seiner Freundin und dem BF oder ihren Töchtern kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Die Beziehung zu seiner Freundin und deren Töchter ist nicht derart intensiv, dass es schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK darstellt. Diese Beziehungen sind allenfalls beim Privatleben zu berücksichtigen. Die Rückkehrentscheidung greift daher nicht in das Recht des BF auf Schutz des Familienlebens ein. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des BF eingreifen.
3.3.3.2. Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378). Im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, argumentierte er, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [..] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).
Der BF befindet sich seit rund sechs Jahren in Österreich, sodass der Aufenthaltsdauer bereits eine Bedeutung zukommt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der BF seit Dezember 2015 bis zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung im Jänner 2021 lediglich über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht als Asylwerber verfügte, wobei ihm der unsichere Aufenthaltsstatus – jedenfalls seit dem abweisenden Bescheid des BFA im November 2018 – bewusst sein musste. Mit zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes am 11.03.2021 erwuchs das Erkenntnis vom 04.01.2021 in Rechtskraft und der BF hielt sich seitdem weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er stellte zwar am 29.04.2021 beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, aber Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels begründen gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht.
Der BF konnte mit dem Integrationszeugnis auf Sprachniveau A2 und dem gewonnenen Eindruck in der mündlichen Verhandlung gewisse, aber keineswegs außergewöhnliche sprachliche Integration geltend machen. Der BF bezieht seit seiner Einreise im Dezember 2015 Leistungen aus der Grundversorgung und ging in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Im Oktober 2019 wurde er von der Finanzpolizei bei der Schwarzarbeit betreten. Hinsichtlich der vorgelegten Einstellungszusagen und dem vorgelegten Arbeitsvorvertrag ist einerseits auszuführen, dass aus einer Einstellungszusage allein nicht ein bereits erreichter Grad an Integration in wirtschaftlicher Hinsicht ableitbar ist, sondern bloß die noch ungewisse Möglichkeit deren künftigen Eintretens. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung eines Asylwerbers der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz bzw. der BF mittlerweile über keine Aufenthaltsberechtigung verfügt und damit über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mwN) Er ist nicht nachhaltig am Arbeitsmarkt integriert und nicht selbsterhaltungsfähig. Zu seinen Gunsten spricht der vorgelegte Arbeitsvorvertrag, welche ihn zumindest ermöglich seinen Unterhalt zu finanzieren, wenngleich dadurch nicht zwingend davon auszugehen ist, dass der BF langfristig Arbeit gefunden hat. Es besteht die Möglichkeit, dass der BF im Probemonat gekündigt wird und hat er bisher keine entsprechenden Berufserfahrungen. Eine nähere Beziehung und gegenseitige Kenntnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht auch nicht.
Die Beziehung zu seiner Freundin und ihren zwei Töchtern (14 und 12 Jahre) ist jedenfalls bei seinem Privatleben zu berücksichtigen. Sie leben in einem Haushalt seit gut drei Jahren und der BF unterstützt seine Freundin beim Kochen oder ihre Kinder bei der Schule. Außerdem verfügt er über freundschaftliche Bekanntschaften in Österreich. Er verrichtet keine ehrenamtliche Tätigkeit, ist nicht Mitglied in einem Verein und machte auch sonst keine Aus- oder Fortbildung. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob den BF ein „Vorwurf“ im Hinblick auf eine unterlassene Integration zu machen ist, sondern darum, ob sie im objektiv gelungen ist oder nicht (vgl. VwGH 19.04.2012, 2010/21/0242). Den Kontakt zu seinen Freunden vom Fußballspielen und lockeren Bekanntschaften aus der Kirche und Nachbarschaft kann er auch von Iran aus telefonisch oder per Internet aufrecht erhalten, wie er es zum Teil auch jetzt schon in Österreich tut.
Ferner weist der BF nach wie vor Bindungen zum Herkunftsstaat auf:
Der BF hat sein gesamtes bisheriges Leben bis zum Verlassen des Herkunftsstaates in Iran, wo er aufgewachsen ist, sozialisiert, ausgebildet wurde und gearbeitet hat, verbracht und dort finanziell abgesichert gelebt. Es bestehen anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat, zumal alle seine Familienangehörigen (Eltern und sieben Geschwister) in Iran leben und er somit über familiäre und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Iran verfügt. Als gebildeter, gesunder Mensch mit bereits mehrjähriger Arbeitserfahrung ist davon auszugehen, dass sich der BF in die Gesellschaft des Herkunftsstaates wieder eingliedern können wird. Zumal er auch schon vor seiner Ausreise einem Erwerb als Eisenbieger nachging und entsprechend für seine Existenz sorgen konnte. Anfänglich kann er auch auf Unterstützung seiner Familie zählen, sein Vater kam zum Teil auch vor seiner Ausreise für den Lebensunterhalt des BF auf. Schließlich beherrscht der BF auch die Sprache seines Herkunftsstaates, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass er bei seiner Wiedereingliederung mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen hätte. Es kann in Gesamtschau seiner Situation nicht davon die Rede sein, dass der BF aus seinem Herkunftsstaat entwurzelt wäre und im Bundesgebiet derart verwurzelt wäre, sodass ihm eine Rückkehr unzumutbar wäre und die erlassene Rückkehrentscheidung eine Verletzung seines Privatliebens im Sinne des Art. 8 EMRK darstellen würde.
Im Hinblick auf die bisherigen Ausführungen sind zum Entscheidungszeitpunkt die Beziehungen des BF zu Österreich im Gegensatz zu den weiterhin vorhandenen Bindungen zum Herkunftsstaat insgesamt betrachtet nicht stärker ausgeprägt.
Schließlich wurde der BF im Februar 2019 in Österreich wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Sein Tatsachengeständnis und seine bisherige Unbescholtenheit wurde bei der Strafbemessung mildern berücksichtigt; erschwerend wog kein Umstand. Im Oktober 2019 wurde der BF von der Finanzpolizei bei der Schwarzarbeit betreten. Seitdem wurde der BF nicht mehr straffällig und die Geldstrafe bezahlte er ebenfalls. Er zeigt damit eine positive Zukunftsprognose.
Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet zwar insbesondere in Anbetracht des sechsjährigen Aufenthaltes ein gewisses Gewicht hat, aber gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).
Den BF kommt auch kein Aufenthaltsrecht nach einem anderen Bundesgesetz zu.
Insgesamt misst das BVwG den öffentlichen Interessen – die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf – an der Beendigung des Aufenthalts vom BF im Bundesgebiet höheres Gewicht zu, als seinen Interessen an einem Verbleib.
Dabei übersieht das BVwG nicht, dass die Fortführung der Beziehung zu seiner Freundin und deren Töchter (14 und 12 Jahre) nach einer Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat nicht mehr durch Begegnung möglich wäre, sondern auf Kommunikationsmittel wie Sprach- und Videotelefonie beschränkt wäre. Dies ist ihnen auch möglich, weil die Töchter auch auf Grund von Onlineunterricht wegen diverser Corona-Maßnahmen an elektronische Kommunikationsmittel gewöhnt sind. Hinzu kommt, dass seine Freundin und ihre Töchter afghanische Staatsangehörige sind, ihnen droht in Iran keine Verfolgung oder Gefahr. Wenn sie es wünschen, können sie den BF auch in Iran besuchen. Dies bedeutet einen Eingriff in das Privatleben vom BF zu seiner Freundin und ihren Töchtern. Diesen erachtet das BVwG mit Blick auf die sonst mäßig ausgeprägte Integration des BF (insbesondere in beruflicher und sprachlicher Hinsicht), mit Blick auf seine nach wie vor intensiven Bindungen zum Herkunftsstaat sowie mit Blick auf den Umstand, dass er die behördliche Entscheidungen ignorierte, die ihn verpflichtet hätten, das Bundesgebiet zu verlassen bzw. er dadurch von seinem unsicheren Aufenthalt Kenntnis hatte und er einmal strafgerichtlich verurteilt wurde, als verhältnismäßig und gerechtfertigt. Sodass auch unter Berücksichtigung des Kindeswohles in Bezug auf die beiden Töchter der Freundin des BF von einer verhältnismäßigen Maßnahme auszugehen ist. Auch bisher ist der Kontakt sehr stark über das gemeinsame Gespräch gelaufen, welches durch die Kommunikationsmittel möglich wäre. Aufgrund der beabsichtigten Arbeit des BF in der Dauer von 07.00 – 17.00 wäre es ihm auch in Österreich nicht mehr möglich, täglich das Essen vorzubereiten oder die Kinder von der Schule abzuholen und der Kontakt würde sich verringern.
Folglich ist der belangten Behörde letztlich beizupflichten, dass insbesondere seit der rechtskräftigen Entscheidung vom 04.01.2021 kein neuer Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zulässt, dass der angefochtene Bescheid einen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.
3.3.4. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für die Betroffene als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005.
Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhalts wurde bereits mit Erkenntnis des BVwG vom 04.01.2021 rechtskräftig verneint. Der BF hat auch in diesem Verfahren keine solche Bedrohungen substantiiert vorgebracht. Auch die Länderfeststellungen lassen nicht auf solche Bedrohungen schließen. Der BF kann sich im Fall der Rückkehr in den Iran den Lebensunterhalt sichern. Eine ausreichende Grundversorgung und medizinische Versorgung steht im Heimatland des BF zur Verfügung, sodass § 50 Abs. 1 FPG 2005 der Zulässigkeit seiner Abschiebung nicht entgegensteht.
Auch wenn nun weltweit die Corona-Pandemie vorherrscht, so ist hier neben Iran auch Österreich betroffen. Der BF ist gesund und leidet an keiner Erkrankung, die auf einen schweren Krankheitsverlauf schließen lässt. Iran hat auch mit der Durchimpfung der Bevölkerung begonnen. Der BF ist in Österreich bereits im Juni 2020 an Corona erkrankt und mittlerweile genesen
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhalts wurde ebenso bereits mit Erkenntnis des BVwG vom 04.01.2021 rechtskräftig verneint. Mit Blick auf die Rechtskraftwirkung des Erkenntnisses des BVwG vom 04.01.2021 und mangels Neuerungen, die eine abweichende Beurteilung zulassen könnten, ist nicht davon auszugehen, dass dem BF Verfolgung im Herkunftsstaat droht, sodass auch § 50 Abs. 2 FPG 2005 der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nicht entgegensteht.
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Auch eine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für Iran liegt nicht vor.
Die Abschiebung des BF nach Iran ist daher zulässig.
3.3.5. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG 2005 wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg cit zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 leg cit 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides. Dies, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, jene Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Derartige Gründe wurden im Verfahren nicht vorgebracht und es liegen keine Anhaltspunkte vor, die eine längere Frist erforderlich machen würden.
3.4. Einreiseverbot:
3.4.1. Mit einer Rückkehrentscheidung kann gemäß § 53 Abs. 1 FPG vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, gemäß Abs. 2 für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist (Z 1);
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde (Z 2);
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt (Z 3);
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist (Z 4);
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist (Z 5);
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (Z 6);
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (Z 7);
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat (Z 8)
9.oder an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat (Z 9).
3.4.2. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots ist von der Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1- Z 9 des § 53 Abs. 2 FPG 2005 anzunehmen (VwGH 16.11.2012, 2012/21/0080).
Entgegen der Begründung der belangten Behörde, besteht beim BF keine Mittellosigkeit, weil er bestreitet seinen Lebensunterhalt mit Leistungen aus der Grundversorgung und lebt gemeinsam mit seiner Freundin in einer privaten Wohnung. Er ist zwar derzeit nicht selbsterhaltungsfähig, aber auch nicht mittellos. Weiters verfügt er über einen rechtsgültigen Arbeitsvorvertrag, der es ihm ermöglicht seinen Unterhalt bei Arbeitsbewilligung zu finanzieren. Somit kann die Verhängung eines Einreiseverbots nicht auf § 53 Abs. 2 Z 6 gestützt werden.
Der BF wurde in Österreich wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von € 400,- verurteilt, weil er am 04.02.2019 in XXXX einen gefälschten iranischen Führerschein, mithin eine Urkunde zur Erlangung eines österreichischen Führerscheins, vorlegte. Bei der Strafbemessung wurde mildernd das Tatsachengeständnis des BF und seine bisherige Unbescholtenheit berücksichtigt; erschwerend wog kein Umstand. Die Geldstrafe hat der BF mittlerweile bezahlt. Diese Verurteilung fällt unter keinen der demonstrativ aufgezählten Fällen von § 53 Abs. 2 FPG 2005. Jedoch aus der Formulierung des § 53 Abs. 2 FPG ergibt sich, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ bzw. enumerativ zu sehen ist ("Dies ist insbesondere dann anzunehmen, "), weshalb ein darauf begründetes Einreiseverbot nicht auszuschließen wäre.
Außerdem wurde der BF am 27.10.2019 von der Finanzpolizei bei der Schwarzarbeit als Security auf dem XXXX betreten. Dieser Sachverhalt erfüllt § 53 Abs. 2 Z 6.
In Anbetracht der sonstigen Unbescholtenheit des BF, der nur einmaligen Betretung bei der Schwarzarbeit, die ihm laut seinen Angaben nicht bewusst war, weil ihm zugesagt wurde, ein paar Stunden dürfe er arbeiten und dem aufgebauten Privatleben in Österreich, geht das erkennende Gericht von einer positiven Zukunftsprognose aus. Insbesondere wurde der BF nicht wegen Delikte verurteilt, die Gefahren für Leib und Leben nach sich ziehen, sondern ist der Unwertgehalt bei einer Urkundenfälschung deutlich niedriger. Auch die Geldstrafe hat der BF bereits bezahlt und war seitdem unbescholten. Ebenso erachten auch große Teile der Gesellschaft Schwarzarbeit oder „Pfuschen“ als Kavaliersdelikt und schreiben diesem auch keinen großen Unwertgehalt zu. Insofern ist zum Entscheidungszeitpunkt eine ausgehende Gefahr vom BF für die öffentliche Sicherheit nicht anzunehmen.
Die Erlassung eines Einreiseverbotes gegen den BF ist daher nicht rechtmäßig, weil auf Grund der einmaligen Betretung bei der Schwarzarbeit und der einmaligen Verurteilung wegen Urkundenfälschung – wenngleich es nicht verharmlost werden soll - und der BF seit zwei Jahren nicht mehr strafgerichtlich verurteilt wurde und daher eine positive Zukunftsprognose besteht, keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vom BF ausgehend ist.
Der Beschwerde gegen die Erlassung eines Einreiseverbotes ist deshalb stattzugeben und der Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – im Rahmen der rechtlichen Beurteilung bereits wiedergegebenen – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Im gegenständlichen Fall war die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu treffen. Auch verfahrensrechtlich wurden keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen, auch der Abwägung des Privat- und Familienlebens, auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung zu Fragen des Art. 8 EMRK wurde bei den Erwägungen II.3.3. wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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