Normen
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56
BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z5
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
MRK Art8
NAG 2005 §44 Abs4 idF 2009/I/029
VwGG §34 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210032.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der am 31. Jänner 2008 geborene Erstrevisionswerber und die am 13. April 2009 geborene Zweitrevisionswerberin sind die Kinder von M. N. und A. T. Alle sind georgische Staatsangehörige. Die Eltern sind mittlerweile standesamtlich verheiratet. 2 Der Vater A. T. reiste Ende August 2005 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte unter Verwendung einer falschen Identität am 28. August 2005 einen Asylantrag, der im zweiten Rechtsgang mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. Jänner 2007 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen wurde; unter einem wurde seine (insbesondere) Abschiebung nach Georgien gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt und seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet verfügt. Dagegen erhob A. T. eine Berufung. In der Folge wurde er zweimal strafgerichtlich verurteilt, und zwar wegen versuchten Diebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat und wegen versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (davon acht Monate bedingt nachgesehen).
3 Mittlerweile war M. N. Anfang Jänner 2006 nach Österreich nachgekommen. Sie stellte am 9. Jänner 2006 - ebenfalls unter Verwendung einer falschen Identität - einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. März 2007 in Verbindung mit einer Ausweisung nach Georgien zur Gänze abgewiesen wurde. Auch sie erhob eine Berufung. 4 Am 31. Jänner 2008 wurde der Erstrevisionswerber in Österreich geboren. Für ihn wurde unter Angabe eines falschen Namens am 22. Februar 2008 ein Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren gestellt, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 2. April 2008 abwies; unter einem wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde sowie die Rechtsmittel seiner Eltern wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 30. Oktober 2008 als unbegründet ab.
5 Von den drei Genannten am 12. März 2009 gestellte Asylfolgeanträge wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 20. März 2009 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und neuerlich ihre Ausweisung (nach Georgien) verfügt. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 20. April 2009 als unbegründet ab.
6 Am 13. April 2009 war die Zweitrevisionswerberin in Österreich geboren worden; auch bei ihr wurde gegenüber den Behörden ein unrichtiger Name angegeben. Für sie wurde kein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
7 Die Familie verblieb auch nach Ablauf des bis 15. Juni 2009 eingeräumten Aufschubs der Durchsetzung der Ausweisung in Österreich. In der Folge unternommene Versuche, für sie Heimreisezertifikate zu erlangen, blieben wegen der unrichtigen Identitätsangaben erfolglos. Ihr Aufenthalt wurde daher ab 15. Juli 2011 gemäß § 46a Abs. 1a FPG (idF des FrÄG 2011) geduldet, weil ihre Abschiebung aus tatsächlichen, von ihnen (vermeintlich) nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erschien. Die beiden Revisionswerber und ihre Mutter erhielten am 15. Juli 2012 antragsgemäß bis 14. Juli 2013 gültige "Aufenthaltsbewilligungen für besonderen Schutz" nach § 69a Abs. 1 Z 1 NAG (idF des FrÄG 2011); A. T. wurde dieser Aufenthaltstitel aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens verwehrt; sein Aufenthalt war aber weiterhin geduldet. 8 Alle Familienangehörigen stellten am 9. Juli 2013 (nach späterer Abänderung) Anträge auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG. Dabei legten die Eltern jeweils im März/April 2013 in Georgien ausgestellte, gültige georgische Reisepässe, die auf ihre richtigen Identitäten lauteten, vor. Auf entsprechenden Vorhalt, dass das Scheitern (der Vorbereitung) der Abschiebung, die Duldungen und die Erteilung von Aufenthaltstiteln nur durch die unrichtigen Identitätsangaben bewirkt worden seien, erklärten die Eltern bei ihrer Befragung am 1. August 2013 übereinstimmend, ihnen tue "die Sache" leid, sie glauben aber, dass "es alle Leute so machen würden"; sie hätten einfach Angst gehabt, wieder zurück nach Georgien zu müssen. Über die genannten Anträge wurde von der Niederlassungsbehörde im Hinblick auf ein Vorgehen gemäß § 25 NAG nicht entschieden. 9 Mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 31. März 2014 wurde M. N. wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden als Beteiligte nach den §§ 12 (zweiter Fall), 223 Abs. 1, 224 StGB, wegen versuchter Schlepperei nach § 15 StGB, § 114 Abs. 1 FPG und wegen entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt nach § 115 Abs. 1 FPG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt. Diesem Schuldspruch lag zusammengefasst zugrunde, dass M. N. im Zeitraum April 2009 bis September 2013 bei einem Mittäter für mehrere Drittstaatsangehörige durch Auswechslung der Datenseite verfälschte tschechische Reisepässe und gefälschte tschechische Führerscheine bestellte. Mit weiterem gegen M. N. ergangenem Strafurteil vom 8. Oktober 2014 wurde sie noch der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von sozialen Leistungen nach § 119 zweiter Satz FPG und der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach § 228 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Beim zweiten Vergehen hatte sie die Eintragung der falschen Identität in ihren österreichischen Führerschein bewirkt. Dem ersten Vergehen lag zugrunde, dass sie unter Berufung auf ein gemäß § 120 Abs. 2 FPG erschlichenes Recht Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und der Grundversorgung im Gesamtausmaß von zumindest EUR 19.215,50 in Anspruch genommen habe. Eine solche unrechtmäßige Inanspruchnahme von sozialen Leistungen im Gesamtausmaß von zumindest EUR 6.050,-- nach § 119 zweiter Satz FPG wurde auch A. T. zur Last gelegt, weshalb er mit Urteil vom 8. Oktober 2014 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt wurde.
10 Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27. Jänner 2015 wurde (von Amts wegen) ausgesprochen, dass allen Familienangehörigen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werden. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und Abs. 3 Z 1 FPG wurden überdies gegen A. T. und M. N. jeweils auf die Dauer von fünf Jahren befristete Einreiseverbote erlassen.
11 Die dagegen von A. T. erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 25. November 2015 als unbegründet ab; jene der anderen Familienmitglieder wies es mit der Maßgabe ab, dass die Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 und 4 FPG erlassen werden.
12 Ungeachtet dessen erfolgte weiterhin keine Ausreise. Am 22. September 2016 wurden für die beiden Kinder Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 56 Abs. 2 AsylG 2005 gestellt.
13 Diese Anträge wies das BFA mit den im zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheiden vom 5. Jänner 2018 ab. Unter einem wurden gegen die Revisionswerber (neuerlich) Rückkehrentscheidungen, nunmehr gestützt auf § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG, erlassen und (wiederum) gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei.
14 Dagegen erhoben die Revisionswerber jeweils Beschwerde und legten im Rahmen des weiteren Verfahrens Patenschaftserklärungen im Sinne des § 2 Z 26 AsylG 2005 vor. Das BVwG wies diese Beschwerden mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. März 2018 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es noch aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
15 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt zwar nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
17 In dieser Hinsicht wird von den Revisionswerbern - nach Abtretung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, deren Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. November 2018, E 1837, 1838/2018- 7, abgelehnt worden war - in der dann fristgerecht ausgeführten außerordentlichen Revision geltend gemacht, es fehle "eine klarstellende höchstgerichtliche Rechtsprechung (zu) der Frage, nach welchen Kriterien das der Behörde gemäß § 56 Abs. 1 AsylG eingeräumte Ermessen in einem Fall wie dem gegenständlichen auszuüben ist." Dabei sei davon auszugehen, dass weder das BFA noch das BVwG Zweifel daran gehabt hätten, dass die Revisionswerber "grundsätzlich die Kriterien des § 56 AsylG erfüllen".
18 § 56 AsylG 2005 (in der seit 1. Oktober 2017 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 68/2017) normiert unter der Überschrift "Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen"
Folgendes:
"§ 56. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls
1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,
2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und
3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.
(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen.
(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit,
die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand."
19 In diesem Zusammenhang bestimmt § 60 AsylG 2005 unter der Überschrift "Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen" Nachstehendes:
"§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn
- 1. ...
- 2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde."
20 Nach der mit VwGH 29.4.2010, 2009/21/0255 (ergangen zur Vorgängerregelung des § 44 Abs. 4 NAG idF BGBl. I Nr. 29/2009), begonnenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Gesetzeszweck (nunmehr des § 56 AsylG 2005) die Bereinigung von besonders berücksichtigungswürdigen "Altfällen" unter isolierter Bewertung allein des faktischen - notwendigerweise in näher bestimmtem Umfang rechtmäßigen - Aufenthaltes sowie des Grades der in Österreich erlangten Integration. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliegt, können die (nunmehr) in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten, bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK zu beachtenden Gesichtspunkte einfließen, und zwar in dem Maße, als sie auf den Integrationsgrad des betreffenden Fremden Auswirkungen haben. Jedoch spielen - mangels Bedeutung für den Integrationsgrad - allfällig vorhandene, aber auch fehlende Bindungen zum Heimatstaat (iSd § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) oder die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus (iSd § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG) keine Rolle.
21 Wie die Revision unterstellten auch das BFA und das BVwG (Letzteres unter Bezugnahme auf Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschh ofer, Asyl-und Fremdenrecht, 977) bei der Beurteilung, ob ein Aufenthaltstitel nach § 56 AsylG 2005 zu erteilen sei, handle es sich um eine Ermessensentscheidung. Davon ausgehend erachtete das BVwG die vom BFA vorgenommene Ermessensübung als "im Sinne des Gesetzes" gelegen. Im Rahmen der diesbezüglichen Begründung vertrat das BFA die Auffassung, der Zweck des § 56 AsylG 2005 liege nicht darin, rechtskräftig abgewiesenen Asylwerbern, die sich in Österreich vorübergehend einen Aufenthaltstitel erschlichen hätten, aus der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes infolge des "Schaffens von Fakten" zu "entlassen". Die Revisionswerber hätten die Voraussetzungen nach § 56 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005 nur erfüllt, weil ihr weiterer Aufenthalt infolge Verwendung einer falschen Identität erzwungen worden sei, wobei sich die Kinder das Verhalten der Eltern objektiv zurechnen lassen müssten. Das widerspreche dem Zweck des § 56 AsylG 2005. Diese Begründung des BFA sei - so das BVwG im angefochtenen Erkenntnis - nachvollziehbar und am Prüfungsmaßstab des Art. 130 Abs. 3 B-VG nicht rechtswidrig.
22 Der wiedergegebenen Beurteilung des BFA liegen die (besonderen) Umstände dieses Einzelfalls zugrunde. Eine Entscheidung des BVwG, mit der eine solche Einschätzung bestätigt wurde (zur Aufgabe des Verwaltungsgerichtes bei der Überprüfung behördlicher Ermessensübung siehe grundlegend VwGH 1.3.2016, Ra 2015/11/0106, Punkt 3.3.2. der Entscheidungsgründe), ist im Regelfall - so die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände vollständig und frei von Verfahrensmängeln berücksichtigt wurden - nicht revisibel (VwGH 26.7.2018, Ra 2017/11/0294, Rn. 27). Einzelfallbezogene Beurteilungen begründen nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wenn sie nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage oder nicht im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in unvertretbarer Weise vorgenommen wurden (vgl. im fremdenrechtlichen Konnex schon VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0033, und zahlreiche daran anschließende Entscheidungen; siehe etwa auch zur Beweiswürdigung aus der letzten Zeit VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0010, Rn. 8, mwN).
23 Das ist aber in Bezug auf die Überlegungen des BVwG nicht der Fall. Wie in Rn. 20 schon erwähnt, ist es Zweck des § 56 AsylG 2005, bei Vorliegen eines besonders hohen Integrationsgrades "Altfälle" mit einer fünf Jahre übersteigenden Aufenthaltsdauer zu "bereinigen". Den betroffenen Drittstaatsangehörigen soll in diesen Fällen die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben werden, wobei hiervon jene Konstellationen erfasst sein sollen, in denen die Schwelle des Art. 8 EMRK, sodass gemäß § 55 AsylG ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht wird (vgl. zu Letzterem neuerlich VwGH 29.4.2010, 2009/21/0255). Unabdingbare Voraussetzung (arg.: "jedenfalls") ist allerdings, dass der Aufenthalt in einem Zeitraum, der mindestens die Hälfte der gesamten durchgehenden Aufenthaltsdauer beträgt, rechtmäßig war; bei einem Aufenthalt bis zur Antragstellung zwischen fünf und sechs Jahren muss dessen Rechtmäßigkeit zumindest drei Jahre gegeben gewesen sein. Dem Sinn dieser Bedingung widerspricht es aber, wenn die notwendige Dauer der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht (etwa) durch ein asylrechtliches Aufenthaltsrecht während eines längeren Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz erreicht wird, sondern - wie im vorliegenden Fall - durch bewusst wahrheitswidrige Identitätsangaben mit dem zugestandenen Ziel, eine Abschiebung zu verhindern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Beurteilung der vom BFA vorgenommenen Ermessensübung durch das BVwG, der die Revision insoweit auch gar nicht konkret entgegentritt, aber durchaus als vertretbar dar. 24 Die in diesem Zusammenhang nur vorgetragene Behauptung in der Revision, die Identität der Revisionswerber sei "seit Jahren" richtig gestellt und "die Dauer unseres Verfahrens" sei von ihnen "nicht verschleppt" worden, wird der dargestellten Aktenlage nicht gerecht. Entscheidend ist, dass der weitere Aufenthalt (nach Abweisung des unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz und des Folgeantrags des Erstrevisionswerbers und seiner Eltern) ab Ende April 2009 nur deshalb nicht beendet werden konnte und in der Folge zu dessen Duldung und darauf aufbauend zur Erteilung von Aufenthaltstiteln führte, weil alle Familienmitglieder in Österreich unter einer falschen Identität gelebt haben. Völlig zu Recht gingen das BFA und das BVwG davon aus, dass es ohne diese Falschangaben nicht zur (unterstellten) formellen Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005 gekommen wäre. Zu Recht wurde aber - entgegen der in der Revision vertretenen Meinung - auch davon ausgegangen, dass sich die Kinder insoweit das (Fehl‑)Verhalten ihrer Eltern in objektiver Weise zurechnen lassen müssen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa zuletzt VwGH 7.3.2019, Ra 2019/21/0044 bis 0046, Rn. 18, und zum Bewusstsein des unsicheren Aufenthalts iSd § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205 bis 0210, Rn. 16, mwN). 25 Im Übrigen ist aber auch die Annahme, die Revisionswerber würden die zeitlichen Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 2 FPG erfüllen, nicht nachvollziehbar. Die Aufenthaltsdauer errechnet sich beim Erstrevisionswerber bis zur Stellung der gegenständlichen Anträge am 22. September 2016 nämlich mit etwa acht Jahren und acht Monaten und bei der Zweitrevisionswerberin mit etwa sieben Jahren und fünf Monaten. Der rechtmäßige Aufenthalt beim Erstrevisionswerber (während der Verfahren über seine Anträge auf internationalen Schutz und im Zeitraum des Besitzes von Aufenthaltstiteln) dauerte aber insgesamt nur etwa vier Jahre und zwei Monate, bei der Zweitrevisionswerberin (im Zeitraum des Besitzes von Aufenthaltstiteln) nur etwa drei Jahre und vier Monate, was jeweils nicht der Hälfte der Gesamtaufenthaltsdauer entspricht. Nach der genannten Bestimmung wäre aber - wie schon erwähnt - Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 jedenfalls gewesen, dass mindestens die Hälfte des festgestellten durchgehenden Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist. Auch deshalb wäre den Revisionswerbern somit der beantragte Aufenthaltstitel nicht zu erteilen gewesen.
26 Soweit in der Revision dann noch unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK bzw. des § 9 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidungen in Frage gestellt wird, ist zunächst auf die gegen die Revisionswerber und ihre Eltern bereits rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidungen zu verweisen. Seit dem diesbezüglichen Erkenntnis des BVwG vom 25. November 2015 sind bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses nur etwas weniger als zweieinhalb Jahre vergangen. Zwar ist die Integration der Kinder durch den (erfolgreichen) Schulbesuch und die damit einhergehende Intensivierung der Beziehungen zu ihrem Geburtsland fortgeschritten. Das führt aber noch nicht dazu, dass für die Kinder eine Wohnsitznahme gemeinsam mit den Eltern in Georgien, wo sich ihre Mutter nach deren Abschiebung im Februar 2018 bereits aufhält, unzumutbar wäre, befinden sie sich doch noch in einem anpassungsfähigen Alter (vgl. dazu etwa VwGH 3.10.2017, Ra 2017/01/0288 bis 0290, Rn. 11, mwN). Vor allem ist der vorliegende Fall aber dadurch gekennzeichnet, dass gegen die Eltern wegen fremdenrechtlich besonders bedeutsamer Straftaten rechtskräftige Einreiseverbote bestehen und deshalb im öffentlichen Interesse nicht hinzunehmen wäre, dass sie im Wege der Erteilung von Aufenthaltstiteln an die Kinder ein Aufenthaltsrecht in Österreich bekommen könnten. Vielmehr haben die Kinder im Sinne der gegen alle Familienmitglieder ohnehin schon bestehenden Ausreiseverpflichtung den dadurch für sie bewirkten - wenn auch gravierenden - Eingriff in ihr (Privat‑)Leben hinzunehmen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt neuerlich VwGH 7.3.2019, Ra 2019/21/0044 bis 0046, Rn 18, und darauf Bezug nehmend zuletzt VwGH 25.4.2019, Ra 2018/22/0251 bis 0256, Rn. 20). Vor diesem Hintergrund war es aber vertretbar, weiterhin die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gegen die Revisionswerber anzunehmen und insoweit sogar von einem eindeutigen Fall auszugehen, in dem (ausnahmsweise) auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht notwendig war.
27 Schließlich meint die Revision noch, es fehle eine klarstellende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, "wie mit einem Fall umzugehen ist, in dem rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, diese aber über einen Zeitraum von mehreren Jahren von der Behörde nicht vollstreckt werden". Das geht aber schon deshalb ins Leere, weil im vorliegenden Fall nach der Aktenlage beginnend ab Oktober 2016 mehrere Versuche einer sogenannten "Direktabschiebung" unternommen wurden, die aber daran gescheitert sind, dass die Revisionswerber und die anderen Familienmitglieder bei der beabsichtigten Festnahme an den angegebenen Aufenthaltsorten nicht angetroffen werden konnten. 28 Die Revision zeigt somit insgesamt keine ihre Zulässigkeit begründende, für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.
Wien, am 26. Juni 2019
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