BVwG W122 2225650-1

BVwGW122 2225650-121.7.2020

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W122.2225650.1.00

 

Spruch:

W122 2225650-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 18.10.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2020 und 27.05.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 09.05.2019 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet, begleitet von seinen beiden zu diesem Zeitpunkt bereits volljährigen Kindern, einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung 09.05.2019 gab der BF an, dass er der Volksgruppe der Perser angehöre und christlichen Glaubens sei. Er habe im Iran zwölf Jahre die Schule besucht, sieben Jahre lang Medizin studiert und danach als Arzt gearbeitet. Seine Muttersprache sei Farsi. Als Grund für seine Ausreise gab der BF an, dass er im Iran bei Treffen in geheimen Hauskirchen teilgenommen habe. Als er auf dem Weg nach Hause gewesen sei, sei sein Haus von der Geheimpolizei gestürmt und die Reisepässe seien beschlagnahmt worden. Dies seien seine Asylgründe. Im Falle einer Rückkehr, fürchte er sich vor dem Gefängnis und habe Angst um sein Leben.

3. Am 20.08.2019 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA). In dieser vermeinte der BF im Wesentlichen gesund zu sein und legte, neben iranischen Personaldokumenten, ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor. Sonstige Personaldokumente habe er in seiner Ordination aufbewahrt. Sein Reisepass sei, zusammen mit anderen Gegenständen, am 09.03.2019 von Beamten, die ihre Wohnung gestürmt hätten, mitgenommen worden.

Er habe nach zwölf Jahren Schule und siebenjährigem Medizinstudium im Iran als praktischer Arzt gearbeitet. Den Iran habe er am 17.03.2019 verlassen. Er sei iranischer Staatsangehöriger persischer Volksgruppenzugehörigkeit. Er sei als schiitischer Moslem geboren worden und mittlerweile protestantischer Christ. Er sei weder getauft noch aus dem Islam ausgetreten, trage aber das Christentum im Herzen. Er würde auch keine Taufvorbereitung besuchen, jedoch gehe er sonntags in die Kirche und besuche einen Bibelkurs. Er habe sich noch nicht näher mit dem Christentum auseinandergesetzt und wisse nicht worum es darin gehe.

Zu Verwandten im Iran hätten nur seine Kinder Kontakt. Im Iran würde seine Ehefrau leben. Seine beiden volljährigen Kinder wären hier ebenfalls Asylwerber. In Österreich würde auch seine Ex-Frau, die Mutter seiner Kinder, leben. Hier lebe er von der Grundversorgung. Auf sein Vermögen im Iran könne er nicht zurückgreifen. In seinem Heimatland habe er keine strafbaren Handlungen begangen bzw. sei er dort nicht vorbestraft oder inhaftiert gewesen. Er sei auch nicht politisch aktiv oder Mitglied in einer politischen Partei gewesen. Auch habe er keine Probleme mit Behörden seines Heimatlandes gehabt. Einen offiziellen Haftbefehl gegen ihn würde es in seinem Heimatland nicht geben.

In der Türkei habe er keinen Asylantrag gestellt. Dies sei einerseits kein sicheres Land, andererseits sei mit dem Schlepper ausgemacht worden, nach Europa gebracht zu werden. Das Ziel sei eigentlich Deutschland gewesen, jedoch hätten die Kinder zu ihrer Mutter nach Österreich gewollt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der BF im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er durch ein Telefonat, das sein Sohn mit seinem Freund geführt hätte, erfahren habe, dass zwei Fahrzeuge vor seiner Wohnung gestanden seien. Nach Rücksprache mit seiner Hauskirche habe er entschieden, dass sich die Familie verstecke. Im Geschäft eines Freundes habe er von dem Vorfall erzählt und dieser Freund habe ihm dann den Schlüssel zu einer Wohnung eines Bekannten gegeben. Auf dem Weg dorthin seien sie noch einkaufen gegangen. Zwei Tage später habe er von seinem Freund Informationen erhalten, zumal dieser sich zuvor bei der Frau des BF über die Lage erkundigt hätte. Er habe ihm geraten das Land zu verlassen und einen Schlepper nach Europa organisiert. Es habe keine persönlichen Bedrohungen gegen den BF oder seine Kinder gegeben. Dass es die iranischen Behörden gewesen seien, die die Wohnung durchsucht hätten, habe sein Freund ihm gesagt, der dies von der Frau des BF erfahren hätte. Er denke, dass seine Frau ihn bei den Behörden verraten habe. Sie sei eine traditionelle Frau gewesen und er habe versucht, seine Kinder zu evangelisieren. Daher habe es zuletzt auch Streit gegeben. Anfangs habe sie dies akzeptiert und er habe ihr gesagt, dass Gott sein Herz berührt hätte, er nun Christ sei und die Kinder dies auch wären. Nach einiger Zeit habe es auch Streit gegeben, weil er der Religion und dem Propheten den Rücken gekehrt hätte. Er sei davor schon seit dem 13.Lebensjahr ein Atheist gewesen, habe sich aber mit den religiösen Praktiken im Alltag arrangiert. Ein Schlüsselerlebnis, wie er zum Christentum gefunden hätte, habe es nicht gegeben. Er habe sich schon immer zum Christentum hingezogen gefühlt und habe vor acht Jahren einen Freund kennengelernt, der armenischer Christ sei. Im Sommer 2016 habe er das erste Mal eine Hauskirche besucht. Seine Kinder hätten ihn erst später dorthin mitbegleitet. Er sei 16 Mal dabei gewesen, wobei diese Hauskirche einmal im Monat, an jedem ersten Donnerstag, ihr Treffen gehabt hätte. Zuletzt habe er zehn Tage vor seiner Ausreise eine Hauskirche besucht. Damals sei sein Sohn dabei gewesen. Wann er seine Tochter zuletzt mitgenommen hätte, wisse er nicht genau. Es sei jedenfalls im Sommer 2018 gewesen.

Sein Freund habe diese Hauskirchen veranstaltet, obwohl er als armenischer Christ im Iran die Kirche besuchen hätte können, weil er den Leuten den Weg weisen habe wollen. Diesem sei es jedenfalls bis zu seiner Ausreise gut gegangen. Die Treffen seien immer der gleichen Ordnung nach abgelaufen und hätten am Abend eine Stunde lang gedauert. Es sei das Vater Unser gebetet worden und es seien Psalmen vorgetragen worden. Über das Schicksal der anderen Besucher wisse er nicht Bescheid, weil ihm sein Freund gesagt hätte, dass er weder ihn noch andere Mitglieder kontaktieren solle. Religiöse Lieder kenne er kaum, jedoch beschäftige er sich erst hier mit dem Neuen Testament. Im Iran habe er nur das Alte Testament und Filme über Jesus gesehen. Er selbst habe seine Kinder und seine Frau im Iran evangelisiert. Taufen habe sich deswegen bisher noch niemand lassen. In Österreich gehe er in die Kirche, zum Bibelkurs und würde beten. Er habe auch schon Gespräche bezüglich seiner Taufvorbereitung gehabt. Dass man aufgrund einer Taufe in Österreich Asylstatus erlagen könne, habe er bislang nicht gewusst.

Die Verbindung zu Gott würde den Islam vom Christentum unterscheiden. Den Islam finde er schlecht. In Österreich würde er täglich in der Bibel lesen. Er würde das Lukasevangelium lesen, jedoch könne er sich an keine konkrete Stelle oder einen konkreten Vers erinnern. Welches das bedeutendste Fest im Jahr der von ihm besuchten Freikirche sei, wisse er nicht. Beim Reformationsfest würde es um Martin Luthers Korrektur der Lehren durch seine 95 Thesen gehen. Grundsätzliche Glaubensinhalte gab er mit Buße, Kirche, Errettung, die Göttlichkeit von Jesus Christus, seine Auferstehung und die Auferstehung an. Das größte Wunder sei die Auferstehung von Jesus gewesen. Das Glaubensbekenntnis konnte der BF auf Nachfrage aufsagen. Er würde im Falle einer Rückkehr auf keinen Fall zum islamischen Glauben zurückkehren und seinen christlichen Glauben habe er schon vor seiner Ausreise nicht verheimlicht. Wirtschaftliche Probleme habe er im Iran keine gehabt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde ihm nicht zur Verfügung stehen. Im Falle einer Rückkehr würde er von den staatlichen Behörden hingerichtet werden.

4. Mit Schreiben vom 17.09.2019 wurde der belangten Behörde ein Konvolut an iranischen Unterlagen und eine Stellungnahme zur Situation der Konvertiten im Iran abgegeben. Diese erfolgte durch die rechtfreundliche Vertretung, dem Verein ZEIGE, dem mit Schreiben vom 09.08.2019 die Vollmacht zur Vertretung des BF in gegenständlicher Rechtssache erteilt wurde.

5. Mit Bescheid des BFA vom 18.10.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpukt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde festgehalten, dass der BF bezüglich seines Fluchtvorbringens und seiner Konversion nicht glaubwürdig gewesen sei. Seine Konversion sei nicht glaubhaft, weil er die innere Überzeugung zu dieser nicht habe darlegen können. Der BF sei nach der islamischen Religion sozialisiert worden und habe nur vage Angaben machen können, warum er Christ geworden sei. Ebenso sei er weder getauft noch aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Da er auch den Unterscheid zwischen Gottesdienst und Kirchenbesuch nicht darlegen habe können, würde es bei ihm auch an Wissen über die Eucharistie mangeln. Ebenso würde der BF nur kurze und oberflächliche Angaben zur Ausübung seines Glaubens in Österreich machen, was darauf schließen lasse, dass der BF nicht aus innerer Überzeugung Christ geworden sei.

Ebenso habe der BF kein Schlüsselerlebnis darlegen können, warum er sich vom Islam abgewandt habe. Ebenso sei es nicht nachvollziehbar, dass der BF 2010 nach islamischen Recht geheiratet habe, wenn er bereits mit 12 oder 13 kein Interesse mehr an diese Religion gehabt hätte. Wie im Iran zum Christentum gekommen sei, habe der BF auch nur vage darlegen können. Da der BF angegeben habe, dass er nur unregelmäßig in die Hauskirche gegangen sei, sei eine Hinwendung zum Christentum aus innerer Überzeugung auch nicht nachvollziehbar gewesen. Die Besuche in der Hauskirche samt deren Abläufe seien vom BF auch sehr vage und emotionslos geschildert worden. Ebenso habe er nie öffentliche Kirchen besucht oder an christlichen Veranstaltungen im Iran teilgenommen. Da er auch nicht außerhalb des Familienkreises missioniert habe, sei er im Iran auch nur eine „low profile person“.

In der Einvernahme habe der BF auch großes Nichtwissen über kirchliche Lieder, Gebete und Bibelstellen gehabt, wodurch eine Hinwendung zum Christentum aus innerer Überzeugung nicht anzunehmen sei. Dass der BF in den acht Jahren seit seiner Hinwendung zum Christentum noch nicht einmal die Bibel vollständig gelesen habe, würde ebenfalls gegen eine Hinwendung zum Christentum sprechen. Auch zu den Festen der reformatorischen Kirche habe der BF, wenn überhaupt, nur rudimentäre Angaben machen können. Der BF habe für sein angeblich achtjähriges Interesse am Christentum nicht den Eindruck vermittelt, dass er tiefergehendes Interesse an dieser Religion habe. Diese verdeutliche auch seine Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben in Österreich, wo der BF kaum außenwirksame Akte gesetzt habe und er auch keine detaillierten Angaben über seine Glaubensfindung und Glaubensauslebung hat machen können. Er vermittelte den Eindruck, dass er nur zum Schein konvertiert sei, um Asyl zu erlangen.

Betreffend die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates sei festgestellt worden, dass diese widersprüchlich gewesen seien. Hier gab es dahingehend Divergenzen, weil der BF einmal ausgeführt habe, dass er nach dem Besuch der Hauskirche auf dem Nachhauseweg gewesen sei, als die Wohnung gestürmt worden sei, hingegen er vor dem BFA ausgeführt habe, dass er im Zuge der Abholung seiner Tochter von der Universität davon erfahren habe. Dass es sich dabei um Autos der iranischen Behörden gehandelt habe, würde jedenfalls ausschließlich auf bloßen Vermutungen basieren. Es sei auszuschließen, dass die iranischen Behörden eine Person von geringem Interesse so verfolgen würden. Nicht nachvollziehbar sei es gewesen, dass der Freund des BF mit der Ehefrau Kontakt aufgenommen habe, weil so der Standort des BF in Erfahrung gebracht hätte werden können. Das Einkaufen auf der Flucht, die tagelang unbehelligte Aufenthalt im Iran vor der Ausreise und das einfache Passieren der Grenze seien gewichtige Anhaltspunkte, dass die iranischen Behörden keine asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen gegen den BF gesetzt hätten. Auch würden die Behauptungen eines Streites mit der Frau aufgrund der Evangelisierung dagegensprechen, dass dieser gefragt worden sei, ob sie mit dem BF seine Tochter abhole. Ebenso hätte die Frau des BF schon früher die Behörden verständigen können. Auch aus den vagen Schilderungen über die weitere Zukunft der Hauskirche könne auch der Rückschluss gezogen werden, dass diese niemals aufgeflogen sei. Dass die Leute der Hauskirche keinen Kontakt zum BF hätten halten wollen, zumal man von dessen Schicksal wohl erfahren wollen würde, um so einer eigenen Verfolgung entkommen zu können, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar gewesen. Auch würde das Nachsenden der iranischen Dokumente dagegensprechen, dass der BF im Iran einer Verfolgung seitens der staatlichen Behörden unterliegen würde. Ebenso könne dem BF nicht gefolgt werden, wenn er vermeint, dass er vor seinen Problemen im Iran in der Türkei nicht sicher gewesen wäre.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 18.10.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 18.10.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

6. Am 18.10.2019 erging seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich der Bericht, dass gegen den BF eine Anzeige wegen Raufhandels erstattet wurde.

7. Gegen den o.a. Bescheid der belangten Behörde erhob der BF mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 11.11.2019 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Hierbei wurde angeführt, dass der BF zahlreiche Personaldokumente vorgelegt habe, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass dieser seine Identität habe verschweigen wollen. Ebenso sei es nicht auszuschließen, dass die Ehefrau nicht bereits nach dem ersten Gespräch über das Christentum mit dem BF gestritten habe, sondern erst danach. Nur weil der BF keine leitende Funktion in der Hauskirche gehabt hätte, sei es nicht auszuschließen, dass er deswegen nicht von einer behördlichen Verfolgung aufgrund seines Glaubensabfalls betroffen hätte sein können. Aus der militärischen Ausbildung im Iran könne auch nicht geschlossen werden, dass der BF nur zum Schein konvertiert sei, weil diese Ereignisse in keinem zeitlichen Zusammenhang stehen würden. Auch sei es möglich, dass der Freund abseits der armenischen Kirche noch privat Hauskirchen hätte führen können. Dass der BF nicht konvertieren würde, weil er in einem muslimischen Umfeld aufgewachsen sei, entbehre jedweder nachvollziehbaren Begründung. Trotz seines fragmentarischen Wissensstandes sei der BF in der Lage mit der Verbindung zu Gott den Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum aufzuzeigen. Er habe die grundlegenden Werte des Christentums erfasst und bemühe sich bereits um eine Taufvorbereitung. Aus dem Fehlen eines förmlichen Austritts aus einer Religionsgemeinschaft könne ebenfalls nicht abgeleitet werden, dass der BF nur zum Schein konvertiert sei. Im Fall einer Rückkehr in den Iran sei der BF jedenfalls privater und staatlicher Verfolgung ausgesetzt, zumal sein Verhalten im Iran jedenfalls als eine echte Konversion angesehen werde und er somit einer staatsfeindlichen regimekritischen Haltung verdächtigt werden würde. Somit sei dem BF aufgrund der Beschwerdegründe die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, jedoch zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten.

8. Am 19.11.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

9. Am 03.02.2020 übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung eine am 27.01.2020 verfasste Stellungnahme zur Situation der Konvertiten im Iran und beantrage die Einvernahme des Diakons der Kirchengemeinde des BF. Ebenso wurde ein Konvolut an Integrationsunterlagen vorgelegt.

10. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 12.02.2020 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und seine rechtfreundliche Vertretung, ebenso wie zwei Zeugen, persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der Behörde nahm nicht teil.

Zu Beginn der Verhandlung gab der BF an, dass es ihm gut gehe. Er sei gesund, leide aber partiell unter einer Gesichtslähmung und unter psychischen Problemen sowie habe er Depressionen. Wegen den Gedächtnisproblemen sei er in Behandlung bei einem Neurologen. Wegen den Depressionen sei er bei der Caritas in Wr. Neustadt gewesen. Diese habe ihm geraten, dass er eine Psychotherapie in Anspruch nehmen solle. Für diese habe er aber noch keinen Termin bekommen. Er nehme seit ca. 7 Monaten Candesartan wegen Bluthochdruck ein. Die Probleme mit seinem Gesicht habe er seit seiner Kindheit und er sei dadurch beruflich nicht beeinträchtigt gewesen.

Zur Zeit seiner Ausreise und auch jetzt sei der BF offiziell verheiratet. Er habe zwei Kinder, gehöre der Volksgruppe der Perser an und sei Christ. Wegen seiner Nationalität bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe er in seinem Heimatland keine Probleme gehabt, wegen dem Christentum aber schon. Seine Muttersprache sei Persisch und er könne ein wenig Englisch und Deutsch.

Der BF legte Bilder von seiner Taufe vor und gab an, dass er nach dem Besuch von Taufkursen getauft worden sei. Er glaube an Jesus Christus, der sein Herz berührt habe. Durch dieses Ereignis und der Veränderung in Bezug auf den Heiligen Geist habe er ein neues Leben angefangen. Das zeige, dass sein Herz durch Jesus Christus erobert worden sei und er mit einem neuen Leben im Sinne des Jesus angefangen habe. Dieses Leben habe vor ca. drei Jahren begonnen.

Auf die Frage, warum er sich dennoch in einen Raufhandel verwickeln habe lassen, führte der BF nach einer Gegenfrage aus, dass er damit nicht angefangen habe und er geschlagen worden sei. Da er nicht privat wohnen habe wollen, habe er sich gedacht, dass er in der Unterkunft ein paar Tage bleiben dürfe. Ob er oder seine Tochter damals zuerst die Polizei verständigt hätten, wisse er nicht mehr. Da er nicht derjenige gewesen sei, der mit dem Raufhandel angefangen habe, habe er genau das getan, was man im Christentum tun würde. Er habe keinen Fehler gemacht und im Sinne des Christentums gehandelt.

Im Moment der Taufe habe der BF weiße Kleidung angezogen und sei befragt worden, ob er annehme, dass Jesus Christus sein Gott sei. Er sei ins Wasser gegangen (untergetaucht), damit seien seine Sünden gewaschen worden. Er sei vor ca. drei Jahren Christ geworden.

Es sei beim Lesen der Bibel gewesen und hatte dabei ein sehr gutes und positives Gefühl gehabt. Er habe eine innere Ruhe gespürt und sei im Vergleich zu früher geduldiger geworden. Er sei früher sehr gierig gewesen, nun wolle er seinen Mitmenschen helfen und den anderen Zuneigung zeigen. Geld sei ihm weniger wichtig geworden.

Der Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum sei im Zwang und der Scharia zu finden. Im Christentum erfahre er, der Sohn Gottes zu sein. Er spüre die Anwesenheit des Heiligen Geistes in ihm und die Rettung erhalte er in der Gnade des Jesus Christus.

Ob er als Mediziner Probleme mit religiösen Lehren habe, beantwortete der BF dahingehend, dass der Islam Frauen und Männer trenne. Daraus sei eine Kultur entstanden und die Frauen kämen nicht zu den männlichen Ärzten, um sich untersuchen zu lassen.

Die Aufgabe jedes Mediziners sei die Heilung und die Rettung der Kranken, dies würde der Islam einschränken. Nach mehrmaligem Nachfragen aufgefordert, am Beispiel der Auferstehung der Toten das Problem zwischen der Medizin und der Religion aufzuzeigen, führte der BF an, dass im Bereich der Medizin der Verstorbene tot sei und es ihn nicht mehr geben würde. Im Sinne der Religion, hier im Sinne des Christentums, würde der Mensch auferstehen und sei vor Gott anwesend.

Persönlich glaube er, dass der Geist jedes Menschen, nach dem Sterben wieder auferstehen würde, so wie Jesus Christus, und mit dem Tod sei nicht alles vorbei. Wie er sich als Mediziner das erklären könne, beantwortete der BF dahingehend, dass er ein Mensch sei und vieles in der Hand Gottes, des Allmächtigen, liegen würde.

Danach wurde der erste Zeuge, der Diakon für Flüchtlingsarbeit in der Glaubensgemeinschaft, befragt. Er gab an, den BF regelmäßig zweimal in der Woche zu sehen, zuletzt am Sonntag. Sie würden miteinander auf Englisch kommunizieren. Sie hätten zuletzt über ein Gebet gesprochen. Dies könne er mit einer WhatsApp Kommunikation auf seinem Mobiltelefon belegen. Der BF führte diesbezüglich aus, dass er ein neuer Christ sei und nachfragen würde, um den Inhalt des Christentums bzw. der Bibel besser zu verstehen.

Auf Nachfrage des Richters vermeinte der BF in diesem Zusammenhang zu glauben, dass Jesus Christus selbst Gott sei und dies für ihn nicht verständlich gewesen sei, warum Gott Jesus allein gelassen habe. Auf die Frage, ob er wisse, was an dieser Stelle davor und danach mit Jesus passiert sei, antwortete der BF mit einer Gegenfrage und schwieg. Auch der Zeuge bekam keine Antwort auf die nochmals dem BF gestellten Frage. Nach der Übersetzung der Frage vermeinte der BF, dass Jesus dies bei der Kreuzigung gesagt habe. Nach der auch sonst bei der Übersetzung behilfliche Sohn des BF zur Kommunikation mit dem BF und dem Zeugen herbeigezogen wurde, gab der BF an, dass Jesus sich für unsere Sünden geopfert habe, damit wir von unseren Sünden befreit werden. Das wichtigste Gebot sei es, Gott mit all seinen Kräften zu lieben und auch die Nachbarn zu lieben, wie sich selbst. Als Glaubensfrage beschäftige ihn derzeit ganz besonders die Nächstenliebe und die Vergebung der Sünden. Ansonsten falle ihm nichts ein. Hinsichtlich der emotionalen Verflachung in Bezug auf Glaubensfragen für den BF1, gab der Zeuge an, dass dieser unter Depressionen leide.

Der BF kenne die heiligen drei Könige. Diese seien gekommen, als Jesus Christus in Betlehem geboren wurde. Nach Darstellung ihrer Herkunft, ihrer Namen und deren Geschenke brachte der BF vor, dass diese die Besonderheit von Jesus erkannt hätten. Obwohl der Jesus Christus in einem Stall geboren worden und ziemlich arm gewesen sei; würde das Kommen von den drei Königen zeigen, dass der Jesus der eigentliche Gott wäre.

Auf Frage des Richters, was der BF mit „Begraben in unseren Sünden wie Jesus Christus“ meinen würde, gab der Zeuge an, dass das die Beschreibung der Taufe sei (der Brief des Apostels Paulus an die Römer in Kapitel 6). Im Grunde würde das ganze Kapitel die Taufe beschreiben. Daraufhin wurde der Zeuge aufgefordert herauszufinden, ob der BF diese Botschaft verstanden hätte. Der BF führte an, dass alle gesündigt hätten. Mit Reue und Glauben würden wir den Heiligen Geist empfangen. Wir hätten alle den falschen Gedanken gehabt und mit der Reue und der Taufe kämen wir auf den richtigen Weg. Gemeint sei, dass wir unsere Vergangenheit begraben würden und mit der Taufe werde eine neue Geburt, ein neuer Mensch geboren und somit seien wir dann Sohn des Gottes.

Der Zeuge führte aus, dass der BF reif sei, zu erkennen, worum es im christlichen Glauben gehe. Er würde die Bibel lesen und habe die Bereitschaft die dort geschriebenen Dinge zu hören. Er habe die Bereitschaft, das zu brauchen und das anders zu machen.

Bei der Familie des BF habe er den Eindruck gehabt, mit ihnen auf Herzensebene kommunizieren können, als wären diese seine Glaubensgeschwister. Da der BF länger in einem nicht-christlichen Setting gelebt habe, dauere es umso länger auch Dinge abzulegen. Er sei bei der Taufe des BF dabei gewesen und sei mit ihm im Wasser gestanden.

Bei den Gottesdiensten der Freikirche seien zirka 200 Leute anwesend. Der BF komme mit seinen Kindern jeden Sonntag und regelmäßig auch unter der Woche.

Im Iran sei der BF etwa 16 Mal in einer Hauskirche gewesen. Diese habe sich in einer anderen Stadt, etwa eineinhalb bis zwei Stunden von seinem Wohnort entfernt, befunden, wo er auch Verwandte gehabt habe. Der BF habe maturiert und sei danach sieben Jahre auf der Universität gewesen. Er sei Allgemeinmediziner gewesen. Seine wirtschaftliche Situation im Iran sei gut gewesen.

In Österreich lebe er mit seiner Tochter gemeinsam. Er habe einen A1 Deutschkurs gemacht, und spreche ein bisschen Deutsch. Arbeit habe er in Österreich keine. Er sei vor ca. 9 Monaten illegal in das Bundesgebiet eingereist. Er sei unbescholten und habe österreichische Freunde. Seinen Unterhalt bestreite er von der Grundversorgung.

Den Iran habe er schlepperunterstützt über die Berge am 17.03.2019 verlassen.

Seine Fluchtgründe seien es gewesen, dass er durch einen Freund Christ geworden sei. Er habe auch seine Frau missioniert, die ihn dann leider verraten habe. Er sei zum Geschäft eines Freundes gefahren und habe sich ihm anvertraut. Er habe die Familie in eine Wohnung gebracht und der BF habe ihn gebeten, nachzugehen, was alles passiert sei. Zu dieser Zeit habe seine Tochter studiert und es sei vereinbart gewesen, dass er sie abhole. Seine Frau sei nicht wach geworden und sei nicht bereit gewesen mitzukommen. Daraufhin habe er seinen Sohn geweckt und mit ihm zusammen seine Tochter abgeholt. Auf dem Heimweg habe der Freund seines Sohnes angerufen und berichtet, dass zwei Autos vor dem Haus stehen würden und zwei Personen dabei gewesen wären, den PC mitzunehmen.

Er habe Angst bekommen, das Auto angehalten und habe seinen Freund angerufen. Er sagte, dass er nicht mehr nach Hause dürfe und keinen von der Kirche anrufen solle. Er habe irgendwo sein Auto geparkt und sei per Taxi und Personentransporter zum Geschäft seines Freundes gefahren und sich dort mit seinen Kindern versteckt. Auf seine Bitte habe der Freund nachgeforscht und ein paar Tage später angerufen um mitzuteilen, dass der Geheimdienst bei ihnen zu Hause gewesen wäre. Sie hätten das Haus durchsucht und dabei den Computer, den Laptop, seinen USB-Stick, den Reisepass und das Heilige Buch mitgenommen. Dies habe der Freund in einem Gespräch mit der Frau des BF erfahren.

Seine Frau habe er in Gesprächen über Religionen zu evangelisieren versucht. Nach einiger Zeit habe er ihr mitgeteilt, dass er sich verändert habe und der Grund seiner Veränderung Jesus Christus sei. Auf die Aussage, dass er ein Christ sei, habe seine Frau beim ersten Mal keine Reaktion gezeigt und nichts dazu gesagt. Er habe das als ein Zufriedenheitsgefühl empfunden.

Ein Freund habe ihn zum Christentum gebracht. Er habe diesen schon ca. 8 oder 9 Jahre gekannt. Er habe gewusst, dass er nicht an den Islam glaube. Er habe ihn gebeten, dass er sich mit den anderen Religionen auseinandersetzen solle. Dies habe er auch gemacht. Auf die Frage, wenn er seiner Frau sage, er sei Christ, was seine Frau dann glauben solle, was es bedeute ein Christ zu sein, antwortete der BF, dass er sie gefragt habe, ob sie die Veränderungen bei ihm festgestellt hätte und dies habe sie auch bestätigt. Daraufhin er ihr gesagt, dass diese Veränderungen aufgrund des Christentums seien.

Seinen Sohn habe er um 03:00 Uhr in der Früh aufgeweckt, damit er beim Fahren nicht einschlafe. Seine Kinder seien nicht von der Mutter großgezogen worden, weil er von dieser getrennt sei und er die Obsorge erhalten hätte.

Als der Freund seines Sohnes angerufen habe und dieser davon berichtete, dass zwei Autos vor dem Haus stehen würden und zwei Personen dabei wären, den PC ins Auto zu bringen, habe er gewusst, dass er in Gefahr sei. Der Freund habe dies mit eigenen Augen gesehen. Er selbst sei sich sicher, dass dies wegen der Hauskirche gewesen sei, weil andernfalls hätten die Behörden doch seinen PC in der Ordination beschlagnahmen müssen. Seine Frau habe seinem Freund auch selbst gesagt, dass sie den BF verraten hätte. Sie sei wohl ihrer Verpflichtung als Muslimin nachgegangen und habe seinem Freund gesagt, dass sie sich wünschen würde, dass der BF zerstückelt komme, hingerichtet werde und ein Ketzer sei. Sie sei unglücklich darüber gewesen, dass er konvertiert sei und habe sich deswegen auch bei seinem Freund darüber geäußert.

Der Streit mit seiner Frau über die Kinder habe mit dem Christentum dahingehend zu tun, dass sie dieses Thema dafür ausgenutzt habe. Wenn er seine Kinder nicht aus dem Haus rausschmeiße, würde sie ihn verraten. Dies sei sieben oder acht Tage gewesen, bevor sie ihn verraten habe. Er habe dies erst jetzt gesagt, weil er das Ganze nicht vor ihm habe, um das runter zu lesen. Deswegen erzähle er auch nicht alles im Detail, sondern erst dann, wenn er danach gefragt werde.

Mit seiner Frau habe er über den Islam gesprochen, ehe er über seine Veränderungen gesprochen habe und ehe er gesagt habe, dass dies aufgrund des Christentums passiert sei. Er könne sich erinnern, wie seine Frau gemeint habe, er sei Christ geworden. Sie habe nichts dazu gesagt. Er habe ein Gefühl gehabt, als ob sie schockiert, aber nicht traurig gewesen wäre. Direkt gefragt habe sie danach nicht, bevor er ihr das gesagt habe. Er habe ihr gesagt, dass er sich verändert habe, weil sein Herz von Jesus berührt worden und er ein Christ sei. Sie habe keine Reaktion gezeigt. Der BF habe ihr gesagt, dass er ihr die Bibel zum Lesen geben werde.

Darauf aufmerksam gemacht, dass er vor der belangten Behörde sagte, dass seine Frau ihn gefragt hätte, ob er Christ geworden wären und er dies bejaht hätte, vermeinte der BF, dass nicht alles durchdacht bzw. auswendig gelernt hätte. Die Geschichte liege zehn bis elf Monate zurück und das Gedächtnis spiele auch nicht so ganz mit, was er wann und wie formuliert habe.

Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde der BF hingerichtet werden. Er könne, wegen diesem Problem, wegen dem er ausgereist sei, dort kein Leben führen. Im Falle einer Rückkehr würde ihm das Ganze noch einmal passieren. Er sei ein Christ und werde seinen Glauben nicht verleugnen. Daher werde er mit Sicherheit hingerichtet.

Auf Frage seiner rechtsfreundlichen Vertretung nach drei seiner Lieblingsstellen in der Bibel antwortete der BF, dass von Matthäus in der Bibel von Jesus stehe: „Habt ihr gehört, dass ihr eure Nachbarn lieben solltet. Die Feinde als Fremde zu betrachten. Er habe auch weiters gesagt, dass wir unsere Feinde lieben sollen. „All die das nicht gut mit euch meinen, betet auch für sie. So zeigt ihr, dass ihr Gottes Kind seid“.

In der Bibel stehe im Kapitel Johannes, dass Gott alle auf der Welt liebe, so sehr, dass er seinen einzigen Sohn versandt habe, um all die jene die an ihn glauben würden, gerettet werden bzw. ein ewiges Leben erlangen. Dies sei seine zweite Lieblingsstelle.

Drittens von Matthäus: „Alles was ihr liebt, das die anderen für euch tun, tut das Gleiche für sie. Das ist die Zusammenfassung des Wortes Thorat und alle Bücher der Propheten. Amen“. Auf Nachfrage, was mit Thorat gemeint sei, antwortete der BF: „Das Alte Testament.“

Sein christliches Leben in Österreich sehe so aus, dass er immer bete, wenn er die Ruhe brauche, oder wenn er etwas von Gott oder für die anderen haben wolle. Danksagung an Gott, für alles was er uns gegeben habe. Er lese das Heilige Buch und gehe jeden Sonntag von 09:30 bis 12:00 Uhr in die Kirche und nehme an den offiziellen Veranstaltungen teil. Er singe die religiösen Lieder und höre den Predigten zu. Er nehme am Abendmahl teil und zum Schluss bete er. Er gehe jede zweite Woche in eine Hauskirche und nehme an deren Missionierung teil. Dies finde jeweils immer am Donnerstag von 18:00 bis 22:00 Uhr statt.

Wenn er das alles nicht machen könnte, dann bliebe nichts übrig. Wenn man einem Christen nicht erlaube, die gute Botschaft zu übermitteln, bliebe nichts übrig. Er habe den Glauben an das Christentum akzeptiert und spüre Jesus in seinem Herzen. Ohne die Erledigung der o.g. Aufgaben, bliebe einem Christen inhaltlich und spirituell nichts mehr übrig. Das sei für ihn eine Art von Tod. Der Genuss sei es, dass er in Gott lebe und Gott in ihm leben würde und er durch ihn Zuneigung gelernt habe. In Österreich besuche er jeden Donnerstag von 15:00 bis 17:30 Uhr den Bibelkurs mit anderen Freunden. Er habe, zusammen mit seinen Kindern, auch auf Instagram eine Seite, wo sie missionieren würden. Ob dieser Account auf ihn rückführbar sei, wisse er nicht. Es gäbe ein Foto von allen drei darauf.

Im Falle einer Rückkehr in den Iran, könne er sich nicht vorstellen im Verborgenen christliche Gebräuche zu praktizieren, weil dies nicht zu seinem Glauben passe, dass er die Religion verstecke. Er glaube, dass man das Christentum offen verkünden und nicht geheim halten solle. Die guten Nachrichten solle man offen verkündigen.

Wenn er nicht mehr in die Kirche gehen könne, würde das für ihn bedeuten, dass er weniger bis keinen Kontakt zu den Schwestern und Brüdern haben werde. Die Aufgabe sei jedoch, dass man den Glauben ausbreite. Somit würde er sich in seinem Glauben nicht entwickeln und auch keinen Kontakt zu den anderen Christen haben. Wenn er das nicht machen dürfe, wie könne er den anderen seine Liebe und Zuneigung zeigen.

Danach wurde eine Zeugin befragt. Sie sei mit der Familie des BF seit dem Sommer befreundet und bilde Jungschar-Mitarbeiter aus. Hinsichtlich des Glaubens gebe sie an, dass sie evangelikal sei und bezeugen könne, dass die drei BF aus Überzeugung Christen seien. Als Christ merke man, wenn es ein anderer Christ ernst meine.

Befragt hinsichtlich der Kommunikation mit den BF gab sie an, Bibelstellen auch auf Farsi geschickt zu haben und auch auf Englisch ausgewichen zu sein. Der BF habe sie über die Feiertage gefragt, das Lukas Evangelium und sie habe Audio-Dateien geschickt. Der BF schicke ihr christliche Lieder.

11. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 27.05.2020 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine zweite öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und seine rechtfreundliche Vertretung, ebenso wie eine Vertrauensperson, persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der Behörde nahm nicht teil.

Der BF gab an, seit ca. einem Jahr in Österreich zu leben. Derzeit wohne er mit seiner Tochter zusammen. Seinen Sohn sehe er regelmäßig in der Kirche. Vor der Corona-Krise hätten sie sich auch regelmäßig besucht. Vor vier oder fünf Tagen habe er seinen Sohn besucht. Letzten Sonntag sei er auch in der Kirche gewesen. In der Predigt sei es um die Liebe und Zuneigung gegangen. Den Iran habe er acht Tage nach dem Vorfall, bei dem der Geheimdienst seine Sachen beschlagnahmt hätte, verlassen. Nach mehrmaliger Aufforderung das Datum zu nennen, an dem er die Entscheidung getroffen habe, den Iran zu verlassen, legte sich der BF auf den 20.12.1397 fest. Damals sei er in dem Haus gewesen, wo sich die Familie versteckt habe.

Auf die Frage, was er in den sechs Tagen bis zu seiner tatsächlichen Flucht gemacht habe, legte der BF dar, wie es zu seiner Entscheidung zu fliehen gekommen sei. Daraufhin wurde er aufmerksam gemacht, dass er damit der Frage ausgewichen sei und er damit den Eindruck vermittle, sich der Wiedergabe einer einstudierten Geschichte zu bedienen, weil er wenig flexibel in einer zeitlichen und thematischen Variierung dieser Geschichte zeige. Nach dem der BF erneut sein Vorbringen wiederholte, hielt der Richter fest, dass sich das eben Gesagte vor seiner Entscheidung, das Land zu verlassen und nicht nach seiner Entscheidung, das Land zu verlassen, zugetragen habe.

Er habe seinen Sohn zum Christentum gebracht. Damit habe er begonnen, wie er 17 Jahre alt gewesen sei. Er habe mit ihm ein Gespräch über Religionen geführt, wobei er wusste, dass sein Sohn keinen Glauben an den Islam habe. Neben den Gesprächen habe er ihm auch einen Film über Jesus gezeigt. Seine Tochter sei 18,5 gewesen, wie er mit dieser über Religion zu sprechen begonnen hätte. Das erste Gespräch habe im Wald, in der Nähe vom Wohnort, stattgefunden. Die Familie habe im Iran als Bibel nur das Neue Testament gehabt. Es sei 1,5 cm dick und dunkelrot gewesen sowie eingepackt in Geschenkpapier in rosa Farbe und kleinen Mustern, die wie Herzen ausgesehen hätten.

Wenn der BF nicht mehr in die Kirche gehen könnte, fehle ihm dann die Gnade Gottes und die Kirche, aber auch die Gnade der Brüder und Schwestern. Das wäre traurig. Die Kirche sei ein Ort zur Entwicklung des Glaubens, aber auch um die anderen Brüder und Schwestern kennenzulernen.

Es habe zwei Tage lang gebraucht, bis der BF erkannt habe, dass er durch diese unbekannten Männer bedroht werden würde. Das habe ihm dann der Freund gesagt. Vier Tage sei er noch in dem Haus versteckt geblieben, ehe er die Flucht in die Türkei begonnen hätte.

Die Frage, wie oft pro Woche er gemeinsam mit seinem Sohn speise, beantwortete der BF dahingehend, dass ihre Wohnorte unterschiedlich wären.

Danach wurden noch Dokumente betreffend den BF vorgelegt und es folgte der Schluss der mündlichen Verhandlung. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.

12. Der BF legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

 Iranischer Personalausweis

 Iranischer Führerschein

 Medizinische Ausweiskarte aus dem Iran

 Kursanmeldebestätigung, Zeitbestätigung und Mitteilung der Kurseinstufung des ÖIF

 Bestätigungsschreiben von Oasis

 Iranische Bestätigung über die Ableistung des Militärdienstes

 Iranische Heiratsurkunde

 Iranisches Diplom über den Studienabschluss samt iranischer Lizenz zur Ausübung des Arztberufes

 Terminkarte des ÖIF betreffend Integrationsmaßnahmen

 Zeugnis zur Integrationsprüfung A1 des ÖIF, samt Kursbesuchsbestätigung

 Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs des ÖIF

 Bestätigung über die Durchführung gemeinnütziger Tätigkeiten

 Zahlreiche Referenz- und Unterstützungsschreiben

 Bilder der Taufe des BF

 Ausbildungsauftrag einer Fahrschule

 Verschiebung der Prüfung des Deutschkurses A2 aufgrund der Corona-Krise

 Arztbrief mit Therapievorschlag der depressiven Episoden

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

 

1.1. Zuständigkeit des entscheidenden Einzelrichters

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt dem erkennenden Einzelrichter zugewiesen, woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

 

2.1. Zur Person des BF wird festgestellt:

 

2.1.1. Der BF, dessen Identität durch die Vorlage eines unbedenklichen Personaldokumentes abschließend geklärt werden konnte, ist Staatsangehöriger des Iran. Der BF ist verheiratet und hat zwei volljährige Kinder, die mit ihm zusammen nach Österreich mitgekommen sind. Er ist gesund und leidet im Entscheidungszeitpunkt an keinen schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der BF befindet sich zwar wegen psychischer Probleme (depressive Episoden) in ärztlicher Behandlung, jedoch beschränkt sich die gegenwärtige Therapie nur auf die tägliche Einnahme von einer Tablette eines Medikaments. Er verfügt mit seiner Ehefrau und zahlreichen Geschwistern über soziale Anknüpfungspunkte im Iran; er steht mit diesen nicht in Kontakt.

Der BF hat zwölf Jahre die Schule besucht und ist sieben Jahre auf der Universität gewesen. Er hat den Militärdienst absolviert und seinen Unterhalt durch seine Tätigkeit als Allgemeinmediziner bestritten. Er lebte vor seiner Ausreise zusammen mit seiner Familie in einer Wohnung.

2.1.2. Der BF reiste illegal aus dem Iran in die Türkei aus. In das österreichische Bundesgebiet reiste der BF ebenfalls illegal ein und stellte am 09.05.2019 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann festgestellt werden, dass der BF im Iran keinen Kontakt zum Christentum gehabt hat, er dort nicht in eine Hauskirche gegangen und dort nicht zum christlichen Glauben konvertiert ist. Der BF wird infolgedessen auch nicht von den iranischen Behörden verfolgt.

Der BF wurde in Österreich getauft und ist in einer kirchlichen Gemeinde aktiv. Es kann festgestellt werden, dass sich der BF mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt hat. Jedoch hat sich der BF nicht nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt und ist dieser Glaube für den BF nicht identitätsstiftend. Bei der behaupteten Konversion des BF handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es wird festgestellt, dass der BF im Falle der Rückkehr in den Iran weder in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde noch als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des BF in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

2.1.3. In Österreich hat der BF mit seinen beiden volljährigen Kindern Familienangehörige. Diese sind ebenfalls Asylwerber und erhalten mit dem BF zeitgleich eine gleichlautende Entscheidung im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Eine weitere Bezugsperson in Österreich ist die Mutter seiner volljährigen Kinder, von der der BF geschieden ist.

Der BF ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht seit seiner Ankunft in Österreich Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Der BF verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Der BF spricht kaum Deutsch. Er hat neben Sprachkursen auch an integrativen Maßnahmen teilgenommen.

Der BF ist in einer christlichen Gemeinde aktiv. Über diese hat im Bundesgebiet im Zuge seines Aufenthaltes einige Freundschaften geschlossen. Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Insgesamt ist – insbesondere unter der Betrachtung der Aufenthaltsdauer des BF – davon auszugehen, dass die privaten Interessen des BF, die öffentlichen Interessen nicht überwiegen.

2.2.Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Politische Lage

 

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

 

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

 

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA

.

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

 

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

 

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems“ sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

 

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem “Implementation Day" am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

 

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH. Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

 

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende

war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr

zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in „politischen“ Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB Teheran 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani.

 

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

 

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkonten. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen.

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

 

Verbotene Organisation

 

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität. die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen. deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten. können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komalah-Partei. die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK). die aus Belutschistan stammende Jundallah. und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK). die eng mit ihrer Schwesterorganisation. der PKK. zusammenarbeitet (AA 12.1.2019). Die politischen Gruppierungen KDPI. Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 12.2018) und hat einen bewaffneten Flügel.Auch die Volksmudschahedin (MEK. MKO. PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

 

Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erklärt eine Quelle. dass sie noch nie davon gehört hätte. dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau. wie z.B. dem Verteilen von Flyern. angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quellen schon möglich. dass man inhaftiert wird. wenn man mit politischem Material. oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an. welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Volksmudschaheddin (Mujahedin-e-Khalq - MEK, MKO; People’s Mojahedin Orga¬nisation of Iran - PMOI; National Council of Resistance of Iran - NCRI)

 

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO,„iranische Volksmudschahedin") gilt in Iran als Terror-Organisation, die für die Ermordung von17.000 IranerInnen verantwortlich gemacht wird (ÖB Teheran 9.2017, vgl. Global Security o.D.). Es handelt sich um eine linksgerichtete Gruppierung, die in den 1960er Jahren gegründet wurde, um sich gegen den Schah zu stellen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wendete sie sich gegen die klerikalen Führer. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren verlegten die Volksmudschaheddin ihr Camp in den Irak (Global Security o.D., vgl. ACCORD 7.2015, Guardian. Saddam Hussein stellte ihnen eine große Militärbasis namens Camp Ashraf unweit deriranischen Grenze zur Verfügung (Guardian 9.11.2018). Zwischen 2009 und 2013 wurde Camp Ashraf von irakischen Sicherheitskräften zumindest zweimal überfallen und etwa 100 Menschengetötet. Daraufhin nahmen die USA die MEK von der Terrorliste, um weitere Todesopfer zu vermeiden. Nachdem die MEK offiziell nicht mehr als Terrororganisation galt, konnten die USA Albanien davon überzeugen, die übrigen 2.700 Mitglieder aufzunehmen. Diese wurden zwischen2014 und 2016 nach Tirana geflogen. Mittlerweile sind viele von Ihnen in die EU und USA weitergereist (Guardian 9.11.2018). Im Exil hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat[National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Guardian 21.9.2012, vgl. ACCORD9.2013).

 

Experten sind sich einig, dass die Volksmudschaheddin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016, vgl. Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018, vgl. Arab News 22.1.2018).

 

Die Entwaffnung der Kämpfer der Volksmudschaheddin in Camp Ashraf und an anderen Orten nahe Bagdad erfolgte während der US-Invasion im Irak durch die Amerikaner. Die MEK-Führung habe sich von Saddam Hussein distanziert und ihre Opposition gegenüber der islamischen Regierung in Teheran betont. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die MEK aus Sicht der Amerikaner neu erfunden. Die MEK-Führung stellt sich selbst als demokratische und populäre Alternative zum islamischen Regime dar und behauptet, über Unterstützung der iranischen Bevölkerungsmehrheit zu verfügen (ÖB Teheran 9.2017). Inwieweit die MEK von der iranischen Bevölkerung unterstützt wird ist umstritten. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik, die iranische Regierung und deren Sicherheitsapparat zu stürzen. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen (ACCORD 7.2015). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung ist und international präsent ist, aber sie genießt in Iran selbst aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung (ÖB Teheran 12.2018).

 

Die Streichung der MEK von der Liste terroristischer Organisation durch die EU und die Vereinigten Staaten 2012 wurde von iranischer Seite scharf verurteilt. Verbindungen zur MEK gelten in Iran als mohareb (Waffenaufnahme gegen Gott), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 9.2017).

Die MEK konzentriert sich mittlerweile auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Iran führt eine Liste mit ca. 100 MEK- Unterstützern (hauptsächlich Anführern), die nicht nach Iran zurückkehren können, da sich das Interesse der Behörden auf sie richten würde (ACCORD 7.2015). In Bezug auf die Unterstützung der iranischen Bevölkerung für die MEK gibt es widersprüchliche Informationen.

 

Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch missbrauchen würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten, angewendet. Solche Vorwürfe werden von der MEK kategorisch zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).

 

PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistane (Partei für Freiheit und Leben in Kurdi¬stan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)

 

Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbaueiner kurdischen Nationalidentität, und man wollte die Assimilierung der Kurden durch die Zentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKK ihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Die PJAK ist die einzige kurdische Partei, die noch immer aktiv für ihre Ziele - z.B. Selbstbestimmung - in Iran kämpft. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen bei ca. 3.000 Kämpfern. Es gibt auch Einheiten mit Kämpferinnen (BMI 2015, ACCORD 7.2015). Die Hälfte der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauensein (TRAC o.D.)Die PJAK liefert sich seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden. In den Jahren 2017 und 2018 kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit kurdischen Oppositionsgruppen (PJAK, KDP-Iran, Komala), mit mehreren Dutzend Festnahmen und zahlreichen Toten. Es ist weiterhin mit verschärften Repressalien gegen kurdische Organisationen zu rechnen. Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen - insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 12.2018). Die PJAK ist im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Bei der PJAK gibt es zwei Arten von Mitgliedschaft: Zum einen professionelle Mitglieder, die unter anderem auch militärisches Training erhalten und Waffen tragen. Diese sind unverheiratet und haben ihr Leben der PJAK gewidmet. Sie werden von der PJAK z.B. in kurdische Dörfer oder Städte entsandt, wo sie versuchen, die Leute zu organisieren und verschiedene Komitees und legale Organisationen zu gründen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Professionelle Mitglieder nehmen an militärischen und politischen Aktivitäten der PJAK teil. Die zweite Gruppe bilden die semi-professionellen oder lokalen Mitglieder, die ein normales Leben mit ihren Familien führen. Sie nehmen nicht an militärischen Aktivitäten teil, führen aber politische Aktivitäten aus, wie z.B. Flyer verteilen. Um ein semi-professionelles Mitglied zu werden, muss man das Ausbildungsprogramm der Partei durchlaufen. Neben diesen beiden Gruppen gibt es auch noch die Sympathisanten, die selten auch Flyer verteilen oder an Demonstrationen teilnehmen. Diese sind nicht direkt an der Organisation von Demonstrationen beteiligt und haben auch keine Verbindung zur Organisation der Partei. Die Sympathisanten arbeiten unter der Führung der semi-professionellen Mitglieder. Da die PJAK in Iran eine verbotene Organisation ist, müssen sowohl Mitglieder als auch Sympathisanten mit ernstzunehmenden Strafen rechnen, wenn ihre Aktivitäten enthüllt werden (DIS/DRC 30.9.2013).

 

Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Organization of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)

 

Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran (AA 12.1.2019). Letztere wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die vom Irak aus das Regime bekämpft (AA 9.12.2015, vgl. BMI 2015).

 

Die kurdischen Oppositionspartien, insbesondere die KDPI, sind in Iran nicht sehr stark durch Mitglieder repräsentiert, sondern am ehesten durch Sympathisanten (ACCORD 7.2015). Die KDPI wurde 1945 gegründet und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt. Die KDPI fordert kurdische Autonomie (TRAC o.D.) innerhalb eines demokratischen Iran (MERIP o.D.). Das Hauptquartier der KDPI, die sich in ihrer Geschichte mehrmals gespalten hat, befindet sich im Irak (MERIP o.D., vgl. ACCORD 7.2015).

 

Komalah (SKHKI) hat ihre Zentrale in der Autonomen Kurdischen Region Irak. Es gibt Parteimitglieder und -sympathisanten. Organisiert ist sie in einzelnen Zellen, die von Mitgliedern geführt werden. Die Mitglieder einer Zelle teilen sich die Arbeit auf, aber nur eine Person nimmt Kontakt zur Zentrale auf. Sympathisanten hören das Parteiradio, schauen Komala TV und beteiligen sich an Aktivitäten, die von Komala empfohlen werden. Die Zellen fungieren als eine Art Schirmorganisation, die eine große Anzahl an Sympathisanten abdecken. Geheime Aktivitäten der Partei in Iran werden von der Einheit „Takesh" durchgeführt. Komala erlaubt ihren Mitgliedern in Iran nicht, sich in größeren Gruppen als zwei oder drei Personen zu treffen (DIS/DRC 30.9.2013). Komala ist in Iran verboten (BMI 2015) und erscheint momentan weniger aktiv. Zuletzt wurden im September 2018 drei angebliche Komala-Mitglieder wegen Terrorismus nach unfairen Verfahren und trotz internationaler Proteste hingerichtet, zeitgleich fanden Raketenangriffe auf einen Stützpunkt der KDPI in Nord-Irak statt (ÖB Teheran 12.2018).

 

Rechtsschutz / Justizwesen

 

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“;IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungs-maßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahestehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019) Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

 

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

 

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

 

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

 

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte: Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden"; Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen; Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

Spionage für fremde Mächte; Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel; Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

 

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

 

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden (AA 12.1.2019). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes („Diya“) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten (ÖB Teheran 12.2018).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

 

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist.

 

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 12.1.2019).

 

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 12.1.2019).

 

Sicherheitsbehörden

 

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium. die Ordnungskräfte des Innenministeriums. die dem Präsidenten berichten. und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC). welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte. eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern. sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten. die den strikten Moralkodex nicht befolgen. involviert (US DOS 13.3.2019). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen und Kinder an (AA 12.1.2019). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung. die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten. wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 12.2018).

 

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei. Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei). Internetpolizei. Drogenpolizei. Grenzschutzpolizei. Küstenwache. Militärpolizei. Luftfahrtpolizei. eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein. deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut. haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft. Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 12.1.2019). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.2.2019). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).

 

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Basij und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 12.1.2019).

 

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und im Falle von Protesten oder Aufständen. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2018). Der Oberste Führer hat höchste Autorität unter allen Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der Fall des früheren Teheraner Staatsanwaltes dar, der im November 2017 für seine mutmaßliche Verantwortung für Folter und Todesfälle unter Demonstranten im Jahr 2009, zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (US DOS 13.3.2019).

 

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelungen durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 12.2018).

 

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nicht registrierten Gefängnissen. aber auch aus offiziellen Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet. insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis. welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht. Foltervorwürfen von Inhaftierten gehen die Behörden grundsätzlich nicht nach (AA 12.1.2019. vgl. US DOS 13.3.2019). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen. die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen. unter ihnen auch Minderjährige. erhalten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben (AI 22.2.2018. vgl. US DOS 13.3.2019). Sie wurden wegen Diebstahls oder tätlichen Angriffen verurteilt. aber auch wegen Taten. die laut Völkerrecht nicht strafbar sind. wie z. B. außereheliche Beziehungen. Anwesenheit bei Feiern. an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen. Essen in der Öffentlichkeit während des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verhängten Amputationsstrafen. die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Die Behörden vollstrecken auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).

 

Bei Delikten. die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen. können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, unter Umständen ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 12.2018). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018).

 

Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase, um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidiger und jugendlichen Straftätern. Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen. Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019, vgl. HRW)

. Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden.

 

Korruption

 

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Die meisten Beamten betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte „bonyads", leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahe stehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen. Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten, Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister-, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (US DOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019).

 

Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption; nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

 

Transparency International führt Iran in seinem Korruptionsindex von 2018 mit 28 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 138 von 180 untersuchten Ländern. Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 3.2019b).

 

Haftbedingungen

 

Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen. Laut der NGO „United for Iran“, die sich mit Haftbedingungen beschäftigt, ist die Häftlingspopulation dreimal größer als die Kapazität der Gefängnisse (US DOS 13.3.2019). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019).

 

In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 12.2018).

Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Für politische Gefangene sind die Haftbedingungen von Fall zu Fall unterschiedlich und reichen vor allem in der Untersuchungshaft bzw. in irregulärer Haft vor einem Gerichtsverfahren von schlechten hygienischen Bedingungen über unzureichende medizinische Versorgung bis hin zur Verweigerung lebenswichtiger Medikamente (AA 12.1.2019).

 

Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend sind. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in „sichere Häuser" gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, und wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 12.2018). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 12.2018, vgl. FH 4.2.2019).

 

Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern oder anderweitig zu misshandeln, insbesondere während Verhören. Gefangene, die sich im Gewahrsam des Ministeriums für Geheimdienste oder der Revolutionsgarden befinden, müssen routinemäßig lange Zeiträume in Einzelhaft verbringen, was den Tatbestand der Folter erfüllt (AI 22.2.2018).

 

Für nichtpolitische Häftlinge entsprechen die Haftbedingungen nicht durchgängig internationalen Standards. Zwar gibt es einige Haftanstalten, die relativ gute Standards vorweisen, doch insbesondere außerhalb von Teheran und in den Provinzen sind die hygienischen Verhältnisse häufig unzureichend; die Haftanstalten leiden unter chronischer Überbelegung, da die demographische Entwicklung neuen Bauprojekten weit voraus ist. Laut Aussage des ehemaligen Leiters der Gefängnis-Organisation, Gholamhossein Esmaili, ist die Anzahl der Inhaftierten doppelt so hoch wie die eigentliche Kapazität der Gefängnisse. Andere Quellen sprechen sogar von dreifacher Überbelegung. Drogen sind in den Gefängnissen relativ einfach zu beschaffen, Drogenabhängigkeit ist weit verbreitet. Der Behandlung von Drogenabhängigkeit als Krankheit wird in Gefängnissen hoher Stellenwert beigemessen. Einige Gefängnisse bieten sogar Substitutionsprogramme (Methadon) an (AA 9.12.2015).

 

Todesstrafe

 

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Mohareb" („Waffenaufnahme gegen Gott"), Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 12.2018). Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt und auch gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.12019). Der Anteil öffentlich vollstreckter Hinrichtungen, ist 2018 auf knapp 3% gesunken (2017: 5%, 2016: 5%, 2015: 7%, 2014: 10%). Es wird über erfolgte Hinrichtungen nicht offiziell informiert (AA 12.1.2019).

 

Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder 2 Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 12.2018). Nach dieser Änderung sank in Iran die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen (AI 10.4.2019, vgl. HRW 17.1.2019, FH 4.2.2019, HRC 8.2.2019) um circa 50%, von mindestens 507 im Jahr 2017 auf mindestens 253 im Jahr 2018 (AI 10.4.2019). Die Justiz hat die meisten Exekutionen, die wegen Drogenvergehen ausgesprochen worden waren, ausgesetzt, um sie im Einklang mit der Gesetzesänderung zu überprüfen (HRW 17.1.2019). Trotz dieser Rückgänge ist Iran noch immer für mehr als ein Drittel aller weltweit bekannt gewordenen Hinrichtungen verantwortlich. Amnesty International registrierte Umwandlungen von Todesurteilen bzw. Begnadigungen. Trotzdem wurden im Jahr 2018 mindestens 13 Personen in Iran öffentlich hingerichtet und sieben Personen wurden wegen Verbrechen hingerichtet, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen hatten (AI 10.4.2019).

 

Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste“. Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 12.2018). Wie in den Vorjahren erhielt Amnesty International 2018 keine Berichte über gerichtlich angeordnete Hinrichtungen durch Steinigung. Allerdings wurde bekannt, dass in Iran zwei neue Todesurteile gefällt wurden, die durch Steinigung vollstreckt werden sollen (AI 10.4.2019).

 

Weiterhin finden in Iran Hinrichtungen von Straftätern statt, die zum Zeitpunkt ihrer Tat unter 18 Jahre alt waren. Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 12.2018).

 

Religionsfreiheit

 

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

 

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahal, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten) . Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018).

 

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

 

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

 

Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).

 

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott", 23 wegen „Beleidigung des Islam" und 21 wegen „Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

 

Christen

 

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung anerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer- Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

 

Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).

 

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

 

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb" („Waffenaufnahme gegen Gott"), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" („Verdorbenheit auf Erden"), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI).

 

Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

 

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen „Missionsarbeit“ verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

 

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

 

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als

 

Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

 

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

 

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

 

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

 

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

 

 

 

Grundversorgung

 

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 14 Mio. IRR im Monat (ca. 97 Euro). Das durchschnittliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 388 Euro (AA 12.1.2019).

 

Von 2016-2017 konnte sich die iranische Wirtschaft mit Wachstumsraten von 4-4,5% jährlich erholen. Das weitere Wachstum ist angesichts der im August 2018 in Kraft getretenen US- Sanktionen gegen Iran (Edelmetalle, Automobilsektor, Flugzeuge), des dramatischen Währungsverfalls und der importierten Inflation stark gefährdet. Mit den US-Sanktionen u.a. auf Ölexporte seit November 2018 ist mit einer weiteren Verschlechterung der Lage zu rechnen. Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2021 eine anhaltende Rezession, der IWF einen Rückgang des BIP um 1,5% im Jahr 2019 und 3,6% im Jahr 2020. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 12.2018).

 

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain", der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird (ÖB Teheran 12.2018). Ende Dezember 2017 entstanden Proteste aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in einigen Städten (FH 4.2.2019).

 

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin staatlich subventioniert ist, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hob er den Benzinpreis an oder begrenzte die ausgegebenen Rationen, führte das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2019b).

 

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan- e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftungjedoch im (Teil-) Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company (GIZ 3.2019b).

 

Sozialbeihilfen

 

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 12.2018). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von 1.111.269 IRR (ca. 7,70 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3.10 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Angesichts drängender Wirtschaftsnöte wurde im September 2018 zusätzlich die Ausgabe von 10 Millionen elektronischen Lebensmittelkarten beschlossen, ergänzt durch Nahrungsmittelpakete für die am meisten von Armut betroffenen Familien (AA 12.1.2019).

 

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 12.1.2019).

 

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2018).

 

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialsicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und FreiberuflerInnen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2018).

 

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, alten Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme) ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozio- psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2018).

 

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2019b).

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt (GIZ 3.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2019a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 12.2018).

 

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird. Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 12.2018). In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2018).

 

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden (In Städten übernehmen sog. „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser) (ÖB Teheran 12.2018, vgl. IOM 2018). Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 12.2018). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2018).

 

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. IOM 2018). Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden. Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Dadurch stieg die Anzahl an Versicherten in Iran von 40% in 1994 auf 90% in 2010. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisationgeschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 12.2018). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2019c).

 

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personenin bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 12.2018).

 

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI http://www.tamin.ir/ Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern

abgedeckt (IOM 2018).

 

Es gibt einige NGOs, die gezielt in Not geratene Personen unterstützen. Dazu zählt zum Beispiel BEHZISTI, welche beispielsweise Drogensüchtigen, alleinerziehenden Müttern, Personen mit Einschränkungen etc. hilft. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozial-psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Der Zugang ist für alle Bürger gleich, dennoch gibt es zusätzliche Unterstützungen, die von den Communities/Organisationen getragen werden: Z.B. The Imam Khomeini Relief Foundation eine gemeinnützige Organisation, die im März 1979 gegründet wurde und ärmliche Familien unterstützt (IOM 2017).

 

Versicherung durch Arbeit:

 

Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter.

 

Private Versicherung:

 

Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig.

Salamat Versicherung:

 

Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR20.000). Pro Jahr sollten 2,640.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2018).

 

Zugang speziell für Rückkehrer

 

Alle iranischen StaatsbürgerInnen inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über http://www.tamin.ir/ Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung. Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/ sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2018).

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen. Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, FachärztInnen oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es einen privaten Sektor mit variierenden Preisen, für BürgerInnen die Privatkrankenhäuser und Spezialleistungen in Anspruch nehmen wollen. Diese finden sich vor allem in den größeren Städten. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2018).

 

Rückkehr

 

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren (AA 12.1.2019).

 

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 12.2018).

 

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

 

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (AA 12.1.2019). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 12.1.2019).

 

Zurückgeführte unbegleitete Minderjährige werden vom "Amt für soziale Angelegenheiten beim iranischen Außenministerium" betreut und in Waisenheime überführt, wenn eine vorherige Unterrichtung erfolgt (AA 12.1.2019).

 

Dokumente (einschließlich Überprüfung)

 

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 12.2018; vgl. AA 12.1.2019), z.B. ein echtes Stammbuch (Shenasname), in das Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen (AA 12.1.2019). Die vorgelegten Dokumente sind in den meisten Fällen echt, der Inhalt gefälscht oder verfälscht. Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,...) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen in Iran auszustellen (ÖB Teheran 12.2018).

 

Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 2.3.2018).

 

Doppelbestrafung

 

Im Iran können Verbrechen, wie z.B Mord, einer erneuten Strafverfolgung im Iran unterliegen, wenn ein Privatbeteiligter, welcher einen Schaden erlitt, der aus einem von einem Iraner im Ausland begangenen Verbrechen resultiert oder ein Opfer eines Verbrechens ist, eine Beschwerde beim Büro des Staatsanwaltes oder beim Strafgericht einbringt (Bericht des UK Home Office vom Jänner 2018).

 

Artikel 7 des iranischen Strafgesetzbuches regelt die doppelte Strafverfolgung (oder erneute Strafverfolgung). Dieser besagt, dass ein iranischer Staatsangehöriger, der außerhalb des Iran ein Verbrechen begeht und sich im Iran befindet oder in den Iran ausgeliefert wird, nach den Gesetzen der Islamischen Republik Iran zu verfolgen und zu bestrafen ist. Der Artikel 7(b) besagt, dass nach „ta’zir“ zu bestrafende Verbrechen (Verbrechen, für welche keine Bestrafungen festgelegt sind und diese stattdessen dem Ermessen eines Sharia-Richters überlassen sind) ausdrücklich von der erneuten Strafverfolgung ausgeschlossen sind (siehe Artikel 7 des Strafgesetzbuches `doppelte Strafverfolgung´).

 

Angesichts des begrenzten Umfangs von Straftaten, auf welche die doppelte Strafverfolgung zur Anwendung kommen kann, des ausgesprochenen Ausschlusses von jenen, die durch tazir zu bestrafen sind, ist es unklar, ob eine Strafverfolgung gemäß der gleichen Anklage von Verbrechen, die gemäß Hudad oder Quisas (Verbrechen gegen Leib und Leben und die persönliche Leistungsfähigkeit) zu bestrafen sind, von den Behörden eingeleitet werden kann.

Durch den Mangel an Beweisen zu in der Praxis stattfindenden Strafverfolgungen legt die Beweislage nicht nahe, dass es im Allgemeinen ein tatsächliches Risiko von doppelter Strafverfolgung im Iran gibt. Die Beweislage deutet auch nicht darauf hin, dass auch dann, wenn ein Verbrechen in den Rahmen des Art. 7 fällt, eine Strafverfolgung gemäß der gleichen Anklage jemals erfolgreich war.

 

Verbrechen, welche Drogenschmuggel beinhalten, fallen generell unter das Antidrogengesetz und unterliegen nicht einer erneuten Strafverfolgung, es sei denn, sie schließen Angriffe auf iranische Nationalinteressen ein (d.h. Einbrechen in die diplomatischen und konsularischen Geschäftsräume, körperliche Aggression und/oder Angriffe auf iranische diplomatische und konsularische Amtsträger) und umfassen Aktivitäten, welche offen als Feindseligkeit gegen das iranische Regime erachtet werden, d.h. durch öffentliche Reden, Demonstrationen, Kundgebungen etc. (siehe Anwendung von Artikel 7 in der Praxis). (Quelle: Bericht des UK Home Office vom Jänner 2018 zur Thematik Furcht vor Doppelbestrafung, Pkt. 2.4., S 5 f).

Seit langem sind keine Fälle von Doppelbestrafung in der Praxis bekannt geworden (Quelle: Dr. Silvia Tellenbach (2014): Zum Strafgesetzbuch der Islamischen Republik Iran von 2013)

 

Dem Dt. Auswärtigen Amt sind in jüngster Zeit keine Fälle von Doppelbestrafung in der Praxis bekannt geworden sind (Quelle: Dt. AA, 02.03.2018) und ist diese Berichtslage seit vielen Jahren gleichbleibend.

 

Auch den von der Deutschen Botschaft in Teheran befragten Vertretungen Australiens, Belgiens, Dänemarks, Finnlands, Frankreichs und weiteren Ländern sind keine Fälle von Doppelbestrafung bekannt geworden, obwohl einige dieser Staaten in der Vergangenheit bereits in mehr oder weniger großem Umfang Abschiebungen von Straftätern durchgeführt haben. Ebenso sind dem Auswärtige Amt oder anderen westeuropäischen Vertretungen in Teheran seit Jahren kein Fall von Doppelbestrafung bekannt geworden (Auskunft vom 11. September 2008 an das VG Ansbach) und sind nach der Auskunftslage seit vielen Jahren keine Fälle von Doppelbestrafung bekannt geworden sind (VG Düsseldorf, U v 09.06.2009-22K5683/06.A).

 

Für eine drohende Doppelbestrafung müssen im Iran bestehende Beweisanforderungen erfüllt sein. Die erneute Aufarbeitung des Falles und eine (weitere) Verurteilung bei einer außerhalb der Landesgrenzen erfolgten Straftat sind nicht wahrscheinlich, wenn die nach iranischem StGB unabdingbaren Zeugen nicht für ein Verfahren zur Verfügung stehen. Auch im Iran bestehen Beweisanforderungen, die eine erneute Aufarbeitung der Fälle und eine (weitere) Verurteilung sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen. So berichtet das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 11.09.2008 an das VG Ansbach, dass allein die Tatsache einer in Deutschland erfolgten Verurteilung und strafrechtlich relevante Vorwürfe nicht geeignet sind, die sehr hohen Beweisanforderungen des iranischen Strafgesetzbuches zu erfüllen. Das Auswärtige Amt bezieht sich darauf, dass die Straftat außerhalb der Landesgrenzen erfolgt sei und die nach dem iranischen Strafgesetzbuch unabdingbaren Zeugen nicht für ein Verfahren zur Verfügung stünden (VGH HE; Urt. v. 10.08.2011, Az.: - 6 A 95.10.A – ( 5167156 - 439 ).

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des BF resultiert aus dessen glaubwürdigen Angaben; die Identität konnte aufgrund der Vorlage eines iranischen Personalausweises festgestellt werden.

Die festgestellte illegale Ausreise aus dem Iran und illegale Einreise des BF in Österreich resultieren seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben.

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF im Herkunftsstaat sowie zu seinem Privatleben in Österreich ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben des BF. Die Feststellung zu seiner Unbescholtenheit, resultiert aus einer aktuellen Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen zur Auseinandersetzung mit den christlichen Glaubensinhalten, zu seiner Taufe in Österreich und seiner Aktivität in einer kirchlichen Gemeinde, ergeben sich einerseits aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF, andererseits aus dem in das Verfahren eingeflossenen vorgelegten Urkunden und Dokumenten sowie den einvernommenen Zeugen.

Die Aufenthaltsdauer ergibt sich aus dem Zeitpunkt der Einreise (Erstbefragung, Seite 2).

Dass der BF in Österreich mit seinen beiden sich ebenfalls im Asylverfahren befindlichen und volljährigen Kindern familiäre Anknüpfungspunkte hat, folgt aus seinen Angaben im behördlichen und gerichtlichen Verfahren (vgl. Erstbefragung, Seite 3 und Niederschrift, Seite 7).

Die Feststellungen zu den sozialen Beziehungen (Freunde, etc.) sowie zum Verhalten des BF in Österreich ergeben sich aus den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung sowie aus den vorgelegten Referenzschreiben. Aus diesen Schreiben ist – zusammenfassend – zu entnehmen, dass der BF hilfsbereit, freundlich und um seine Mitmenschen besorgt ist.

Hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse ist der BF in der Lage, in einfachen Situationen des Alltagslebens auf elementarer Basis zu kommunizieren. Diese Feststellung beruht auf den im Laufe des Verfahren vorgelegten Teilnahmebestätigungen und Zertifikaten sowie auf den vom Gericht im Zuge der Verhandlung wahrgenommenen Fähigkeiten des BF, auf Deutsch zu kommunizieren (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.02.2020, Seite 7f).

Die Feststellungen zu seiner wirtschaftlichen Integration (Schul- und Berufsausbildungen, Berufserfahrungen, Einstellungszusagen, ehrenamtliche und gemeinnützige Tätigkeiten, etc.) ergeben sich aus den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung sowie aus den vorgelegten Dokumenten. Dahingehende Feststellungen beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Dass der BF Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dessen Angaben und der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem.

Kriterien der Glaubhaftmachung finden sich exemplarisch auch in Art. 4 Abs. 5 der StatusRL (Richtlinie 2004/83/EG ), worin folgende Faktoren angeführt werden:

Dass der Antragsteller sich offensichtlich bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;

Dass alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

Dass festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

Dass der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war.

Dass die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.

3.3. Der BF wurde in der Verhandlung sowohl zu seinen Ausreisegründen als auch zu den Inhalten des Glaubens, von dem er behauptete, sich diesem zugewandt zu haben und zu diesem konvertiert zu sein sowie zum Praktizieren dieses Glaubens und zu seinem Privat- und Familienleben befragt.

3.3.1. Zu den Ausreisegründen des BF

Hinsichtlich der seitens des BF geltend gemachten Ausreisegründe, wonach er sich bereits im Iran dem christlichen Glauben zugewandt habe und infolgedessen die Geheimpolizei seine Wohnung durchsucht hätte, respektive er ausgereist sei, da er Interesse am christlichen Glauben gehabt habe, ist festzuhalten, dass das diesbezügliche Vorbringen des BF einer Glaubwürdigkeitsprüfung nicht standhält.

In der Erstbefragung führte der BF an, dass er sein Land verlassen habe, weil er am Treffen in geheimen Hauskirchen teilgenommen habe und er am Weg nach Hause informiert worden sei, dass sein Haus von der Geheimpolizei gestürmt worden sei und dabei die Reisepässe seiner Familienmitglieder beschlagnahmt worden seien (vgl. Erstbefragung, Seite 6). Zwar bediente sich der BF im Laufe des Verfahren konsistent auf diese Fluchtgeschichte, die allerdings aufgrund zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten als nicht glaubwürdig eingestuft hat werden können.

So ist das Wissen über die Hauskirche nur rudimentär und es kann aus diesen Besuchen jedenfalls keine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Christentum im Iran erkannt werden. Der BF vermeinte, dass er vor acht oder neun Jahren einen Freund kennengelernt habe, der ihn evangelisiert hätte. (Verhandlungsprotokoll vom 12.02.2020, Seite, 18). In weiterer Folge sei er 16 Mal bei Versammlungen einer Hauskirche gewesen, die sich wöchentlich getroffen hätte. Zuletzt sei der BF zehn Tage vor seiner Ausreise bei einer Veranstaltung gewesen. Hier ist es nicht nachvollziehbar, warum der BF erst im Jahr 2016 erstmals in die Hauskirche gegangen sei und ihn sein Freund erst knapp vor diesem Zeitpunkt evangelisiert hätte, wenn er über diesen Freund schon Jahre zuvor zum Christentum gekommen sei und er angab, sich schon immer zum Christentum hingezogen gefühlt zu haben und er an Weihnachtsfeiern habe teilnehmen wollen. Er habe auch angeführt, dass er Christ werden wolle, weil er den Weg gefunden habe (vgl. Niederschrift, Seite 13), tiefgehend begründen konnte der BF dies aber nicht. Geht man davon auch, dass die Kirche monatliche Veranstaltungen durchgeführt hat und der BF seit Sommer 2016 diese besucht und er in fast drei Jahren bis zu seiner Ausreise aus dem Iran nur 16 Mal deren Veranstaltungen besucht hätte, ist nicht davon auszugehen, dass sein Interesse für diese derart vorhanden war, dass das Christentum in seinem Leben eine bedeutende Rolle spielen würde.

Über die Abläufe der Veranstaltungen in der Hauskirche konnte der BF ebenfalls keine genauen Angaben machen, zumal er nur oberflächlich darlegte, alle Veranstaltungen, die um 20.00 Uhr begonnen und eine Stunde lang gedauert hätten, nach demselben Muster abgelaufen seien, wobei zu Beginn um am Ende gemeinsam gebetet worden sei. Selbst bei diesen oberflächlichen Angaben widersprach sich der BF, indem er auch einmal anführte, dass nur am Ende einmal gebetet worden sei (vgl. Niederschrift, Seite16).

Gegen eine Auseinandersetzung mit dem Christentum spricht nicht nur, dass der BF nur oberflächlich Angaben über die Zusammenkünfte in den Hauskirchen hat machen können und der BF keine tiefergehenden Beweggründe oder ein Schlüsselerlebnis über die Hinwendung zum Christentum hat darlegen können, sondern auch die Tatsache, dass der BF nach einem einmaligen Anruf bei seinem Freund nach der Hausdurchsuchung jedweden Kontakt zu diesem und seiner Kirche abgebrochen habe (vgl. Niederschrift, Seite 16). Sollte dem BF tatschlich etwas an der Hauskirche und seinem Freund gelegen sein, dann hätte er sich auch nach dessen Ausreise nach dem Schicksal der Kirche und seiner Teilnehmer erkundigt. Ebenso sei durch die bei ihm stattgefundene Hausdurchsuchung, die gesamte Hauskirche in Gefahr gewesen, aufgedeckt zu werden. Dass sein Freund ihm verboten hätte, dass er weder ihn noch andere Mitglieder der Hauskirche zu kontaktieren habe, sei auch aus der Sicht des Freundes nicht nachvollziehbar, zumal Informationen über den Verbleib des BF auch im Interesse der Hauskirche gewesen wäre, um weiterhin von den Behörden unentdeckt zu bleiben.

Daher sind die vagen Angaben des BF, dass er diesen Freund nicht mehr anrufen solle und er sich nicht über das Schicksal der Hauskirchenbesucher habe erkundigen können, weil er von diesen keine Nummer gehabt habe, jedenfalls nicht nachvollziehbar und verstärken den Eindruck, dass sich der BF einer konstruierten Fluchtgeschichte bedient und er aus verfahrenstaktischen Gründen diese Antworten gab, um zu diesem wichtigen Themenkomplex keine näheren Angaben machen zu müssen.

Gegen eine Glaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte spricht auch, dass der BF im Laufe des Verfahrens widersprüchliche Angaben in wesentlichen Punkten dieser getätigt hat. Auffallend war insbesondere, dass er im Verfahren vor dem BFA anführte, dass er im Iran keine vollständige Bibel hatte, sondern er nur auf das Alte Testament zurückgreifen habe können vgl. Niederschrift, Seite 17). Hingegen gab der BF vor dem BVwG an, dass ihm in seinem Heimatland nur der Bibelteil des Neuen Testaments zur Verfügung gestanden sei (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 27.05.2020, Seite 27). Hätte der BF tatsächlich im Iran einen Bibelteil gehabt und hätte er sich mit dem Christentum im Iran schon auseinandergesetzt gehabt, dann wäre es ausgeschlossen, dass der BF diese beiden Teile miteinander verwechseln würde.

Dass ihn seine Frau bei der Geheimpolizei verraten habe sollen, hat der BF auch in keiner Weise überzeugend darlegen können. Er vermeinte zwar konsistent, dass er seine Frau habe evangelisieren wollen und er sich mit dieser diesbezüglich über Religionen zu unterhalten begonnen habe, jedoch verstrickte er sich auch hier in einen wesentlichen Widerspruch. So führte er im Verfahren vor dem BFA an, dass ihn seine Frau direkt gefragt hätte, ob er Christ geworden wäre, weil er sich verändert hätte (vgl. Niederschrift, Seite 12). Hingegen führte der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG aus, dass er seiner Frau gesagt hätte, dass er Christ geworden sei und diese dies kommentarlos hingenommen hätte, wobei sie auch keine Reaktion gezeigt hätte. Selbst mit diesem Widerspruch konfrontiert, konnte der BF keine überzeugenden Angaben machen, warum er dies dermaßen unterschiedlich dargestellt hat (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.02.2020, Seite 23). Ebenso wenig überzeugend konnte der BF darlegen, dass ihn seine Frau diesbezüglich bei der Geheimpolizei hätte anzeigen sollen. Abgesehen von der nicht näher konkretisierten Angabe, dass sie eine traditionell muslimische Frau gewesen sei, finden sich im Vorbringen keine Anhaltspunkte, dass die eigene Ehefrau ihren Mann verraten hätte sollen, um so die Ehe und das gemeinsame Familienleben zu zerstören. Wäre die Frau des BF tatsächlich so eine traditionalistische Muslima gewesen, dass sie ihren eigenen Ehemann ohne dessen Wissen verraten hätte, dann hätte der BF detailliert Angaben über deren religiösen Überzeugungen im Alltagsleben Preis geben können, insbesondere nach neunjährigem Eheleben. Dass in einer Lebensgemeinschaft solche Dinge nicht intern besprochen werden, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar gewesen. Wäre die angebliche Konversion tatsächlich ein Druckmittel für die Ehefrau des BF gewesen, um die Kinder des BF außer Haus bringen zu können, dann hätte sie dies gegenüber dem BF auch so eingesetzt und hätte ihm persönlichen Druck gemacht, damit dieser sich ihrem Willen füge. Eine Anzeige bei der Polizei wäre diesbezüglich widersinnig, weil sie dadurch jedenfalls ihren Mann verlieren würde. Dieser sei aber nicht das Hauptproblem in dem angeführten Streit gewesen, sondern seine Kinder aus erster Ehe. Ebenfalls ist es nicht plausibel, dass der BF einen Freund zu seiner Frau schickt und diese dann dem BF geschickten Freund mitteilen würde, dass sie sich wünschen würde, dass der BF hingerichtet werde, weil er ein Ketzer sei. Einerseits ist dieses Verhalten nicht nachvollziehbar, weil sich der BF auch nicht tiefergehend mit seiner Frau über das Christentum unterhalten habe und andererseits die Frau auch keinen Mehrwert haben würde, dass sie diesem Freund derartige Angaben tätigen würde. Wäre die Frau des BF tatsächlich so hinterlistig, wie er dies dargelegt hat, dann würde diese mit Sicherheit wissen, in welchen Zusammenhang dieser Freund des BF gekommen wäre und hätte sicher nicht solche sie entlarvenden Angaben getätigt.

Dass die Hausdurchsuchung überhaupt stattgefunden hat, hat der BF in keiner Weise durch Beweismittel, wie etwa einen Durchsuchungs- oder Haftbefehl darlegen können. Er beruft sich im Laufe des Verfahrens nur darauf, dass der Freund seines Sohnes Autos vor dem Haus des BF gesehen hätte und beruft sich darauf, dass es die Geheipolizei gewesen sein habe müssen, weil es sonst keine Gründe geben würde, außer den Hauskirchenbesuchen, dass man diese Durchsuchung machen hätte sollen. Persönliche Bedrohungen habe es im Iran ebenfalls nicht gegeben. Bezüglich der Durchsuchung steigert der BF das Vorbringen dahingehend, dass zuerst nur die Reisepässe beschlagnahmt worden wären (vgl. Erstbefragung, Seite 6), während der BF vor dem BVwG angeführt hat, dass neben den Reisepässen auch noch der Computer, der USB-Stick und das Heilige Buch beschlagnahmt worden seien (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.02.2020, Seite 17). Da der BF sich widersprochen hat, welchen Teil der Bibel er überhaupt besessen habe, ist wohl nicht den Tatsachen entsprechend, dass überhaupt eine Bibel beschlagnahmt hat werden können. Falls jedoch der Computer und der USB-Stick tatschlich beschlagnahmt worden wären, dann wäre dies der Zeitpunkt gewesen, zu dem der BF wieder Kontakt zu seiner Hauskirche aufnehmen hätte müssen, um deren Mitglieder zu warnen, dass die Geheimpolizei im Besitz dieser Daten über die Mitglieder bzw. der Aktivitäten der Hauskirche wäre.

Gegen das Vorliegen dieses Fluchtgrundes spricht auch, dass der BF vermeinte, dass er im Zuge seines fast 50-tägigen Aufenthaltes in der Türkei, somit im ersten sicheren Staat nach seiner Ausreise, keinen Asylantrag gestellt hat, weil dieses Land nicht sicher sei und es bereits ausgemacht war, dass er nach Europa gebracht werde. Auch diese Aussage und die Angabe, dass der BF nach Deutschland habe wollen, seine Kinder jedoch zu ihrer Mutter nach Österreich hätten gebracht werden wollen, sprechen dafür, dass der BF aus asylfremden Gründen und von langer Hand geplant sein Heimatland verlassen hat. Diesen Eindruck bestätigte der BF in der Einvernahme vor dem BFA, wo er nur rudimentäres Wissen über die christliche Religion, die Gebete und deren Feiertage gehabt hat, was dafürspricht, dass der BF im Iran in keiner Weise in einer Hauskirche gewesen ist und er sich erst mit seiner Ankunft in Österreich erstmals tiefergehend mit dem Christentum beschäftigt hat.

Aufgrund der aufgezeigten Widersprüche und der Unplausibilitäten des Vorbringens hinsichtlich seines Ausreisegrundes aus seinem Herkunftsstaat stellen die Ausführungen des BF zu seinem bereits im Iran bestandenen Interesse am Christentum ein reines Konstrukt dar, welches keine reale Grundlage hat und lediglich darauf abzielt, die Position im Asylverfahren zu verbessern.

Hinzu kommt, dass bei Detailfragen zu diesen vagen und allgemein gehaltenen Aussagen erst auf mehrmalige Nachfrage und nach dem Stellen von Gegenfragen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung Antworten gegeben wurden, sodass sich das erkennende Gericht nicht des Eindrucks zu erwehren vermag, dass diese Bedrohungsrisiken, die der BF im Falle seiner Rückkehr befürchtet, lediglich darauf gerichtet waren eine besondere in seiner Person gelegene Verfolgungsdichte zu begründen.

Eine Erklärung für das Aussageverhalten des BF war nicht erkennbar und legte der BF keine Gründe dar, die es ihm verunmöglicht hätten, das Vorbringen detailreicher zu erstatten. Dieses allgemeingehaltene und oberflächliche Vorbringen kann vor dem Hintergrund, dass der BF bei all seinen Einvernahmen ausreichend Gelegenheit dazu hatte diese Ereignisse darzulegen, lediglich dahingehend gewertet werden, dass er versuchte seinem Vorbringen zusätzliche Aspekte hinzuzufügen.

Daher sind sowohl die Angaben des BF vor dem BFA als auch jene vor dem erkennenden Gericht als äußerst vage und unsubstantiiert zu qualifizieren, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die seitens des BF geschilderten Ausreisegründe tatsächlich existent waren.

Bereits aus diesen dargelegten Gründen ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass ein Vorgehen der iranischen Behörden gegen den BF plausibel ist, weshalb dem diesbezüglichen Vorbringen des BF die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen ist.

3.3.2. In weiterer Folge waren als Ausreisegrund lediglich die behauptete Hinwendung des BF zum Christentum samt etwaiger Konversion – auch als Nachfluchtgrund während seines Aufenthaltes in Österreich – zu prüfen. Untrennbar in Zusammenhang mit den seitens des BF geltend gemachten Gründen für seine Ausreise, nämlich dem behaupteten Interesse für das Christentum, steht die seitens des BF angegebene Konversion zum christlichen Glauben. Bereits aufgrund der Tatsache der Untrennbarkeit des ausreisekausalen Vorbringens und jenem der Konversion, stellt die festgestellte Unglaubwürdigkeit der Ausreisegründe ein starkes Indiz für Unglaubwürdigkeit der behaupteten Konversion dar und lässt umgekehrt die aus nachfolgenden Gründen festgestellte Scheinkonversion Rückschlüsse auf die Unglaubwürdigkeit der ausreisekausalen Angaben des BF zu.

Auch die nachfolgenden Ausführungen zur mangelnden Glaubwürdigkeit der Konversion per se indizieren, dass die seitens des BF geltend gemachten Ausreisegründe nicht glaubwürdig sind, zumal ein unmittelbarer diesbezüglicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Ausreisegründen und der behaupteten Konversion existent ist.

Bei einem Religionswechsel im Erwachsenenalter, der auf einer bewussten Entscheidung beruht, werden im Vorfeld entsprechende Informationen im Sinne einer vergleichenden und vertiefenden Auseinandersetzung über die neue Religion eingeholt, weshalb an einen Konvertiten im Erwachsenenalter, welcher mit dem moslemischen Glauben sozialisiert wurde, ein strengerer Maßstab anzulegen sei, als bei einem ‚gebürtigen Christen‘.

Vorab sei zu erwähnen, dass sich der BF im Zuge seines Aufenthalts in Österreich mit dem Christentum auseinandergesetzt. Sein diesbezüglich getätigtes Vorbringen über die aktive Teilnahme am Leben einer Kirchengemeinde samt Besuchen von Gottesdiensten und seiner Taufe, konnte der BF durch das Vorlegen der diesbezüglichen Schreiben und Urkunden belegen. Dass der BF aktiv am Leben einer Kirchengemeinde teilnimmt, ist den vorgelegten Bestätigungen und Empfehlungsschreiben zu entnehmen. Dass der BF getauft ist, belegen vorgelegte Bilder der Taufe, die ins Verfahren eingebrachten Schreiben der Kirchengemeinde und durch den am 12.02.2020 einvernommenen Zeugen. Es ist daher festzuhalten, dass der BF objektiv den Anschein erwecken konnte, zum christlichen Glauben konvertiert zu sein. Offen bleibt in Zusammenhang noch, ob die gegenständlichen objektiven Gesichtspunkte einer Konversion zum Christentum auch beim BF zu einer inneren Verfestigung seines neuen Glaubens geführt haben.

In der Einvernahme vor dem BFA machte der BF jedenfalls nur unsubstantiierte und vage Angaben über die Vertiefung seines christlichen Glaubens. So vermeinte er, dass er Interesse am Christentum gefunden habe, weil Gott sein Herz berührt hätte oder er Christ geworden sei, weil er den Weg gefunden hätte (vgl. Niederschrift, Seite 13f). Ein Schlusserlebnis, wie der BF zum Christentum gekommen sei, hat der BF nicht darlegen können. Sein Wissen über das Christentum war zu diesem Zeitpunkt äußert rudimentär. So konnte er den Unterschied zwischen dem Christentum und dem Islam nur mit der Verbindung zu Gott darlegen und auf Nachfrage des Inhalts der Bibelstellen, die er gelesen habe, kam als Antwort, dass er sich daran nicht erinnern könne. Auch über die Feste in seiner Kirchengemeinschaft und deren Bedeutung, kamen seitens des BF nur oberflächliche und vage Angaben (vgl. Niederschrift, Seite 18f).

Im Verfahren vor dem BVwG, wo die beiden Verhandlungstermine bereits nach seiner Taufe stattgefunden haben, hat der BF nach wie vor vermeint, dass er durch das Christentum zu einer inneren Ruhe gefunden habe und ihm Gott und die Religion ein positives Gefühl vermitteln würden. Auch bezüglich des Unterschiedes des Islams und des Christentums vermeinte der BF nur lapidar, dass er statt Zwang und Gewalt nun in der Liebe von Jesus Christus lebe, wobei er bei dieser Aussage einen kontrollierten und emotional unbewegten Eindruck hinterließ (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.02.2020, Seite 9).

Im darauffolgenden Fragenkomplex, ob der BF als Mediziner mit religiösen Lehren Probleme haben würde, wich der BF zweimal der ihm gestellten Frage aus und beantwortete erst nach dem Stellen einer Gegenfrage, die Frage dahingehend, dass der Mensch medizinisch tot sei, jedoch er im Christentum auferstehen würde und dann vor Gott anwesend sei. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Thema konnte der BF nicht darlegen.

Ebenso spricht es dafür, dass der BF nur zum Schein zum Christentum konvertiert ist, weil dieser versucht hat, Antworten auch dadurch hinauszuzögern, in dem er die gestellten Fragen mit einer Gegenfrage beantwortete. In diesem Zusammenhang gilt es auch noch zu erwähnen, dass der BF in der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2020 erneut zu seinem fluchtauslösenden Vorfall befragt wurde, wobei der BF auf die konkret gestellte Frage, wann er seinen Entschluss zur Flucht gefasst habe, zuerst ausweichend und erst auf Nachfrage beantwortet hat (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 27.05.2020, Seite 25f). Da der BF hierbei der Frage auswich und sein Vorbringen bloß oberflächlich wiederholte, vermittelte er den Eindruck der Wiedergabe einer einstudierten Fluchtgeschichte, wobei er sich wenig flexibel in einer zeitlichen und thematischen Variierung dieser zeigte.

Die evidente Bedeutung des persönlichen Eindrucks hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen betont (siehe z. B. VwGH 24.06.1999, Zl. 98/20/0435 bzw. VwGH 20.05.1999, Zl. 98/20/0505).

Zwar vermittelt der BF im Zuge der mündlichen Verhandlung den Eindruck, dass er sich mittlerweile vermehrt mit Bibelstellen auseinandergesetzt hat, wobei sich nichts an der Einstellung zum Christentum geändert hat, dass er nach wie vor dann bete, wenn er Ruhe brauche. Er könne zwar einwandfrei darlegen, welche Kurse er in der Kirchengemeinschaft besuche und wann er den Gottesdienst besuche, jedoch konnte er nur in allgemeinen Stehsätzen darlegen, dass es für ihn im Christentum wichtig sei, dass er in Gott und Gott in ihm lebe, er Jesus in seinem Herzen trage sowie ihm die Zuneigung zu den Mitmenschen wichtig sei. Dies sind zwar keineswegs zu verachtenden Grundwerte der christlichen Religion, jedoch lassen diese noch nicht den Rückschluss zu, dass sich eine Person tiefgründig mit dem Christentum und den christlichen Lehren auseinandergesetzt hat bzw. den christlichen Glauben verinnerlicht hat.

Dass sich der BF noch nicht tiefgründig mit dem Christentum auseinandergesetzt hat, wird deutlich als der Zeuge darlegen sollte, dass er mit BF über Glaubensfragen gesprochen habe und er ihm diesbezüglich unterstützend beigestanden sei. Erst nach Beziehung des Sohnes, der ihm die Glaubensfragen in seiner Muttersprache übersetzt, gibt der BF auch Antworten, die in einem Konnex mit der ihm gestellten Frage gestanden sind. Er vermeint noch, dass das wichtigste der zehn Gebote die Nächstenliebe sei und ihn dieser Themenkomplex, zusammen mit der Vergebung der Sünden am meisten interessiere. Dahingehend gefragt, ob er noch bei anderen Glaubensthemen im Zweifel sei, fiel dem BF nichts ein. Der Zeuge begründete diese emotionale Verflachung dahingehend, dass er unter Depressionen leide. Ob der Zeuge an anderen Beispielen darlegen könne, dass der BF den christlichen Glauben verinnerlicht habe, führte er lediglich an, dass der BF die Bereitschaft habe, christliche Lehren aufzunehmen und es länger dauere, bis er die Gewohnheiten des Aufwachsens in einer nicht christlichen Umgebung ablegen könne. Der Zeuge legte dar, dass sich der BF zwar in der Kirchengemeinschaft engagieren würde, eine tiefergehende Verinnerlichung der christlichen Werte beim BF konnte der Zeuge jedoch nicht aufzeigen. Vielmehr vermittelte der BF den Eindruck, dass er für die Verhandlung einige Bibelstellen auswendig wiedergeben kann, jedoch er abseits dieser gelernten Stellen nur rudimentäres Wissen bzw. überhaupt kein Wissen über das Christentum und die Bibel hat. Innere Beweggründe sich dem Christentum hinzuwenden konnte der BF nicht darlegen.

Diesen in der mündlichen Verhandlung vom BF gewonnen Eindruck bestätigte auch eine weitere Zeugin, die darlegte, dass der BF engagiert in der Kirche aktiv sei. Es war ihr aber ebenfalls nicht möglich, eine tiefergehende Verinnerlichung des Christentums beim BF darzulegen.

Auch bloß aufgrund eines Instagramprofiles ist eine Verfolgung des BF in seinem Herkunftsstaat ausgeschlossen. Zwar werden auf diesem Profil christliche Inhalte veröffentlicht, jedoch betreibt der BF dieses Profil zusammen mit seinen Kindern nicht unter einem Realnamen, sodass hierbei keine Rückschlüsse auf den BF zu ziehen sind. Auf dem kleinen Profilbild, das den BF mit seinen beiden Kindern zeigt, ist der BF einerseits kaum zu erkennen, andererseits ist an mit Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass der BF über dieses kleine Bild, ohne namentlichen Hinweis ausgeforscht werden könnte.

Aus dem vorgelegten Arztbrief, dass der BF an Depressionen leidet und er diesbezüglich medikamentös behandelt wird, ist jedenfalls keine Beeinträchtigung von einer Schwere abzuleiten, die es dem BF unmöglich gemacht hätte, dass er die christlichen Lehren verinnerlichen hätte können. Im Übrigen erreicht diese Krankheit, die im Herkunftsstaat des BF behandelbar ist, auch nicht die hohe Schwelle eines in Art. 3 EMRK geforderten Krankheitsverlaufs.

Durch die Antworten des BF zum Fragenkomplex der Verinnerlichung des Christentums vermittelt der BF lediglich den Eindruck, dass er sich mit dem Christentum zwar etwas auseinandergesetzt hat und ein wenig Grundwissen über diese Religion besitzt, jedoch vermittelt er auch den Eindruck, dass er sich nicht tiefgründig mit diesen Lehren auseinandergesetzt und deren Inhalt wirklich verstanden hat. Sohingehend ist davon auszugehen, dass es sich bei der Konversion des BF lediglich um eine Scheinkonversion gehandelt hat. Damit hat der BF über das Asylrecht missbräuchlich versucht, einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erlangen.

Nochmals sei an dieser Stelle auf den obzitierten strengeren Maßstab, der im Falle einer Konversion im Erwachsenenalter anzulegen ist, verwiesen und hervorzuheben, dass der BF die diesbezüglichen Anforderungen mit seinen vagen und phrasenhaften Angaben nicht zu erfüllen vermochte und diese nicht geeignet sind, die Hinwendung zu einem neuen Glauben nachvollziehbar zu erklären.

Derartige unsubstantiierte und vage Angaben, welche ohne jeglichen inhaltlichen Aussagewert sind, und das Ausweichen auf wiederholt gestellten Frage, lassen keine nachvollziehbaren Rückschlüsse auf eine tatsächliche Motivation zur Hinwendung des BF zum christlichen Glauben zu. Gerade bei einer Person, welche sich einem neuen Glauben zugewendet hat und welche die im Herkunftsland verbotene und daher risikobehaftete Möglichkeit wahrnimmt, sich mit christlichen Glaubensfragen auseinanderzusetzen und den daraus resultierenden Wunsch nach einer Konversion hegt, müssen die Motive und entsprechenden spirituellen Vorgänge jedoch mit zahlreichen Emotionen verknüpft und von großer Einprägsamkeit sein, sodass diese fundiert und umfassend darüber berichten kann. Ebenfalls sollte diesbezüglich auch davon auszugehen sein, dass der BF einen erkennbaren Willen zeigt, dass er in Österreich seinen Glauben ausüben und vertiefen möchte. Dies ließ der BF jedoch fast völlig vermissen.

Da der BF aber lediglich oberflächliche und ausweichende Antworten von sich gab, kann nicht von einer nachvollziehbaren und somit glaubwürdigen Hinwendung des BF zum Christentum weder während seiner Zeit im Iran noch während seines Aufenthaltes in Österreich ausgegangen werden.

Im Lichte der bisherigen Ausführungen wären seitens des BF, der mit dem islamischen Glauben sozialisiert wurde und sich als Erwachsener bewusst einer neuen Religion zugewendet haben will, jedoch fundierte, nachvollziehbare und substantiierte Ausführungen hinsichtlich seines bereits im Iran bestehenden Wunsches nach einem Glaubenswechsel zum Christentum zu erwarten gewesen, was dem BF mit den obzitierten Angaben jedoch nicht gelungen ist. Einen inneren Leitungsprozess zu Glaubsenfragen konnte der BF nicht darlegen.

Der BF musste auf seiner Reise nach Österreich auch durch einen als sicher geltende Staat reisen und wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen, schon dort um Schutz anzusuchen. Durch das Unterlassen kann geschlossen werden, dass er andere Motive als jene der Schutzsuche hat.

Es ist aus der Aktenlage nachvollziehbar, dass der BF nunmehr Präferenzen hat, in Österreich zu leben. Zur Erreichung dieses Zieles scheut der BF offensichtlich nicht davor zurück im Asylverfahren - trotz ergangener Belehrung und Aufforderung die Wahrheit zu sagen und Hinweis auf nachteilige Folgen im Falle wahrheitswidriger Angaben - über persönliche und für das Verfahren maßgebliche Umstände zu täuschen. Die generelle persönliche Glaubwürdigkeit des BF ist daher im Verfahren auch aus diesem Grund zu verneinen. Warum er angesichts der von ihm skizzierten Bedrohungslage im Herkunftsland nicht zumindest versucht hat, möglichst zeitnah zur Einreise ein Schutzansuchen in einem sicheren Staat zu stellen, erweist sich als nicht plausibel erklärbar. Würde man doch bei begründeter Furcht vor Verfolgung dieses Ausmaßes annehmen können, dass von Asylwerbern die nächste Gelegenheit genützt wird, um Schutz zu ersuchen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen aus den dargelegten Gründen einer Glaubwürdigkeitsprüfung nicht standhalten konnten und sind diese sohin insgesamt als unglaubwürdig zu qualifizieren.

Der BF konnte hinsichtlich seiner behaupteten Konversion keine überzeugende Hinwendung zum christlichen Glauben darlegen. Weder vermittelte er den Eindruck, dass er seinen Glauben tiefgründig praktiziere noch er ernsthaft missioniere. Er konnte zwar Bescheinigungsmittel vorlegen, die bezeugen, dass er sich mit dem christlichen Glauben beschäftigen würde bzw. er in einer kirchlichen Gemeinde aktiv ist, jedoch nicht überzeugend darlegen, dass er das Christentum verinnerlicht hat, oder nach außen tragen will.

Der BF setzte durch seine Taufe und seine Teilnahme am Leben einer christlichen Gemeinde zwar nach außen hin sichtbare Aktivitäten, jedoch konnte er nicht darlegen, dass seine Konversion aus innerer Überzeugung erfolgte und er nach der Konversion diese Überzeugung vertieft hätte. Auch aus diesen Erwägungen ist nicht auf die Glaubwürdigkeit der Konversion des BF zu schließen.

Aufgrund der dargelegten ausweichenden Erklärungen des BF auf ihm in der Verhandlung konkret gestellte Fragen, kann von keiner tiefgründigen inhaltlichen Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten und tiefergehenden Bibelwissen ausgegangen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der BF im Zusammenhang mit dem Praktizieren seines Glaubens, diesen Glaubenswechsel nicht aus innerer Überzeugung vollzogen hat. Eine tatsächliche Auseinandersetzung mit Inhalten des christlichen Glaubens und der Bibel im Sinne einer nachhaltigen, persönlichen und spirituellen Hinwendung und eine christliche Lebensführung lässt er ebenfalls vermissen, sodass in weiterer Folge auch nicht von der Weitergabe von Glaubensinhalten und dem Verbreiten der Glaubenslehre durch den BF ausgegangen werden kann.

Die soeben dargelegten Vorgehensweisen und die Antworten des BF vermitteln deutlich ein Gesamtbild, wonach eine tatsächliche, ernsthafte und inhaltliche Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten und Inhalten der Bibel nicht gegeben ist, sodass nicht von einer Konversion im Sinne einer inneren, tatsächlichen Hinwendung zum Christentum ausgegangen werden kann, sondern von einer Konversion, welche lediglich zum Schein erfolgte.

Auch einen auslösenden Faktor für seine behauptete Hinwendung zum Glauben vermochte der BF nicht glaubwürdig zu benennen. So erklärte er dazu im Laufe des Verfahrens, dass ihn ein Freund zum Christentum gebracht hätte. Ein auslösendes Ereignis bzw. ein Schlüsselerlebnis für seine Glaubensänderung konnte der BF nicht darlegen. Seit den sporadischen Besuchen in der Hauskirche, die drei Jahre vor seiner Ausreise begonnen hätten, würde er sich als Christ fühlen. Die Zuwendung zum Christentum im Iran und der dortige Besuch einer Hauskirche waren – wie bereits oben erwähnt – nicht glaubwürdig und daher als ein gedankliches Konstrukt zu werten.

Zusammenfassend ist im Lichte der obigen Ausführungen und dargelegten vielfältigen Faktoren sohin nicht davon auszugehen, dass der BF sich aus ernsthafter innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewendet hat, sondern ist vielmehr von einer behaupteten Konversion aus asyltaktischen Gründen auszugehen. Auch, wenn der erkennende Richter festhält, dass der BF in der Lage war, einige Wissensfragen zum Christentum zu beantworten, wobei jedoch auch gleichzeitig die aufgezeigten doch gravierenden Wissenslücken existent waren. Dies spricht zwar dafür, dass der BF sich teilweise grundsätzliches und rudimentäres Wissen über den christlichen Glauben aneignete, was auch aufgrund seines Bildungsstandes und der mittlerweile nicht kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich, für den BF nicht mit großen Schwierigkeiten verbunden ist.

Doch auch die Aneignung von Wissen allein ist jedoch für eine tatsächliche glaubwürdige Konversion nicht ausreichend, sondern ist dafür eine Gesamtbetrachtung notwendig, aus der sich jedoch aus den dargelegten Gründen klar die Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF ergibt.

Vielmehr spricht der in der mündlichen Verhandlung hervorgekommenen Eindruck des BF für keine substantiierte spirituelle Haltung, welche von einer Person, die sich aus freien Stücken einem neuen Glauben, welcher aufgrund der in Österreich herrschenden Religionsfreiheit auch frei gelebt werden kann, zugewendet hat.

Von einer Glaubensausübung des BF im Rückkehrfall, wie sie in der Beschwerde gegen den behördlichen Bescheid thematisiert wird, oder einer missionarischen Tätigkeit des BF, welche die Weitergabe von Glaubenslehre, die Verkündung des Glaubens und die Bekehrung zu dem betreffenden Glauben beinhaltet, kann beim BF nicht ausgegangen werden.

Der erkennende Richter konnte sich vom Wissensstand des BF hinsichtlich der Inhalte des christlichen Glaubens, dem Praktizieren dieses Glaubens und von diesem selbst sowie seiner Einstellung in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck verschaffen und kam zu dem Schluss, dass dieser für die Annahme einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion im Sinne der oben genannten Definition nicht ausreichend ist; die Ausführungen des BF zeigten, wie sich das Verhältnis des BF zum christlichen Glauben darstellt. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF sich intensiv mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt und sich in weiterer Folge ernsthaft und nachhaltig dem Christentum zugewandt hat bzw. im Falle einer Rückkehr im Iran diesen Glauben praktizieren wird und deshalb in das Blickfeld der Behörden geraten oder missionierend bzw. in einer herausgehobenen Position tätig sein wird.

Dass die vorgebliche Konversion des BF und seine Teilnahme an sporadischen Gottesdienstenden einer Hauskirche iranischen Staatsorganen bereits bekannt geworden ist, ist nicht anzunehmen. Aus dem ausreisekausalen Vorbringen des BF ergibt sich nicht, dass dieser in politischer oder religiöser Hinsicht in irgendeiner Form auffällig geworden und in das Visier der iranischen Behörden geraten ist.

Überdies kann nicht davon ausgegangen werden, dass der iranische Staat sämtliche Aktivitäten iranischer Staatsbürger überwacht und dazu auch nicht die faktischen Möglichkeiten hat. Der BF hat den Herkunftsstaat nicht vorverfolgt verlassen, hat sich gegenüber dem iranischen Regime nicht exponiert und kann aufgrund des bisherigen Vorbringens des BF nicht davon ausgegangen werden, dass er im Rückkehrfall in den Fokus der iranischen Behörden geraten oder für diese von Interesse sein könnte.

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die länderkundlichen Feststellungen zur Thematik exilpolitische Feststellungen und Apostasie/Konversion, welche insgesamt davon ausgehen, dass vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das System empfunden werden oder die islamischen Grundsätze in Frage stellen, im Fokus stehen; auch wird darin festgehalten, dass es einige Geistliche waren, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, und zuvor im Ausland zum Christentum konvertiert waren. Bei der Person des BF handelt es sich jedoch nicht um einen Geistlichen.

Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der BF derart in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten wäre, sodass er unter Beobachtung steht und seine Betätigung im christlichen Umfeld insofern registrieren möchte, um ihn - im Falle der Rückkehr - wegen Abfalls vom Glauben ("Apostasie") zu belangen, was auch deren faktische Möglichkeiten bei weitem übersteigen würde.

Konversion bedeutet die Übernahme von neuen Glaubensgrundsätzen, religiösen Traditionen und Bräuchen sowie möglicherweise auch anderen Teilen der mit der fremden Religion verbundenen Kultur durch eine konvertierende Person. Die Angaben des BF zu seiner Konversion zum Christentum sind aus den dargelegten Erwägungen nicht als glaubwürdig zu qualifizieren und ist daher davon auszugehen, dass die Konversion des BF zum Christentum nur dargelegt wurde, um Vorteile im Asylverfahren zu erwirken.

Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, dass sowohl die Gründe für die Ausreise als auch die geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe des BF, als unglaubwürdig zu qualifizieren waren.

3.4. Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den aktuellen angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen.

Die allgemeinen länderkundlichen Feststellungen resultieren aus den zitierten Länderdokumenten, welche auf verschiedenartigen, objektiven Quellen, die inhaltlich miteinander in Einklang stehen, basieren.

Der BF trat diesen in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, sondern gab der BF im Zuge der mündlichen Verhandlung an, diese zu kennen und berief sich auf die von der rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Stellungnahme, die nicht von den in das Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen zur Lage im Iran und zur Situation von Christen und Konvertiten abweicht. Es ist im Lichte der Länderfeststellungen nochmals festzuhalten, dass die Angaben des BF zu einer tatsächlichen Konversion nicht glaubwürdig sind, er bislang nicht in das Blickfeld der iranischen Behörden geriet, weshalb ihm aus den dargelegten Gründen die Scheinkonversion in Österreich auch nicht zum Nachteil gereicht; die seitens des BF angegebenen Aktivitäten (v.a. Gottesdienstbesuche, Bibelkurse) können sohin auch nicht als identitätsstiftend für den BF erachtet werden. Überdies kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF aufgrund der dargelegten Gründe zu einer Missionstätigkeit im Iran in der Lage ist oder ein Interesse an derartigen Aktivitäten hat.

Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.

Zur Auswahl der Quellen wird angeführt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges bediente, um sich so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat des BF machen zu können. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann.

Jedenfalls handelt es sich bei den dem Verfahren zugrundegelegten Quellen um Berichte staatlicher oder staatsnaher Institutionen, denen aufgrund ihrer Verpflichtung zu Objektivität und Unparteilichkeit keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann.

Die in das Verfahren integrierten Länderinformationen wurden schließlich von der Staatendokumentation des BFA, zusammengestellt, deren Qualität ob der gesetzlichen Verpflichtung zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der gesammelten Tatsachen nach objektiven Kriterien (§ 5 Abs. 2 BFA-G) nicht in Zweifel gezogen wird.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage und zur speziellen Situation des BF im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

Wenn die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wird, ist darauf zu verweisen, dass eine solche am 12.02.2020 und am 27.05.2020 durchgeführt wurde. Die in Beschwerde genannten Zeugen wurden ebenfalls einvernommen. Sie konnten einerseits die Taufe und die Auseinandersetzung mit den christlichen Glaubensinhalten des BF belegen, jedoch konnten sie auch nicht vermitteln, dass der BF sich tiefergehend mit den christlichen Lehren auseinandergesetzt hat und dieser Glaube für ihn nun identitätsstiftend geworden wäre. Zur Frage der inneren Überzeugung und Verfestigung der Konversion war der persönliche Eindruck des BF auschlaggebend, wobei es selbst den Zeugen nicht möglich war, dem erkennenden Richter darzulegen, dass sich der BF tiefergehend mit dem Christentum auseinandergesetzt hätte.

4. Rechtliche Beurteilung (Zu Spruchteil A):

 

4.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

 

4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

4.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

Nach Ansicht des erkennenden Richters sind im Falle des BF die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der in der GFK genannten Gründen nicht gegeben.

Das ausreisekausale Vorbringen des BF und der von ihm geltend gemachte Nachfluchtgrund der Konversion war in seiner Gesamtheit – wie in der Beweiswürdigung detailliert ausgeführt - nicht als glaubwürdig zu qualifizieren, weshalb es auch nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Z1. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.

Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83 /eg, kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte „forum internum" zu beschränken.

Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83 /eg geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung (forum externum) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein.

Um von einer Asylrelevanz überhaupt ausgehen zu können, kommt es auf die Art der Ausübung des christlichen Glaubens im Iran an, sowie darauf, ob der Asylwerber bei der Ausübung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanter Gefährdung zu rechnen hat.

Es bedarf hinsichtlich einer etwaigen Gefährdung im Heimatland grundsätzlich der vollen richterlichen Überzeugung, dass jemand während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet aus ernsthafter, fester innerer Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten ist und für ihn dessen Ausübung auch bei angenommener Rückkehr eine besondere, identitätsprägende und unverzichtbare Bedeutung hat. Dazu genügt regelmäßig nicht, dass „ein Kläger in der mündlichen Verhandlung fragen zum Christentum fehlerfrei beantwortet, weshalb für eine Überzeugungsbildung prinzipiell alle Aspekte eines Falles in den Blick zu nehmen sind. Dazu können beispielsweise die Persönlichkeit und intellektuelle Disposition eines Ausländers, die Glaubhaftigkeit seines Vorfluchtvorbringens sowie der Zeitpunkt der Kontaktaufnahme zu einer christlichen Gemeinde in Relation zur Einreise in die Bundesrepublik und zum Datum der Asylantragsentscheidung zählen. Ebenfalls für die richterliche Überzeugungsbildung prinzipiell erkenntnisgeeignet sind das Selbstverständnis der christlichen Gemeinde bzw. die näheren Umstände ihrer Arbeit. So ist gerichtsbekannt, dass die Freie evangelische Gemeinde Nürnberg ein Treffpunkt iranischer Asylwerber ist, der durch Mund-zu Mund-Propaganda mitgeteilt wird“ (VG Ansbach, U vom 05.12.2014 –AN 1 K 14.30550 5565537 zu Iran; vergleichbar VG Gießen, U.v.11.12.2014 – 3K 1598/14.GLA 5737602 zu Iran; VG Frankfurt/M., U.v.24.09.2014 – 1 K3593/13.F.A. 5481537 zu Iran; VG Wiesbaden, U.v. 20.08.2014 – 2 K 1111/12. WI.A 5465041 zu Pakistan).

Bei der Prüfung, ob tatsächlich Verfolgungsgefahr gegeben ist, sind sowohl objektive als auch subjektive Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Es kommt nicht ausschließlich auf den erfolgten Glaubensübertritt an, da dieser allein in der Regel noch nicht zu einer begründeten Verfolgungsfurcht führt. Bei Antragstellern, die unverfolgt aus dem Herkunftsstaat ausreisen, wird daher eine doppelte Prognose unter Würdigung der Gesamtumstände vorgenommen. Zu berücksichtigen ist das zu erwartende Verhalten des Antragstellers in seinem Herkunftsstaat und die voraussichtliche Reaktion der Behörden oder anderer Akteure. Maßgeblich für diese doppelte Prognose sind jedoch nicht detaillierte Kenntnisse über die Konversionsreligion und spielen diese bei der Entscheidung eine untergeordnete Rolle.

Basis der doppelten Prognose ist die Ernsthaftigkeit des religiösen Engagements, das sich durch ein Verhalten ausdrückt. Bescheinigungen über die Art, den Umfang und die Dauerhaftigkeit der Beteiligung des Antragstellers an den Aktivitäten der jeweiligen Kirchengemeinde geben darüber Aufschluss und sind zu berücksichtigen. Für die Überzeugung werden stets alle Aspekte des jeweiligen Falles - sowohl subjektive als auch objektive- in den Blick genommen (Sarah Bega, 410/Ursula Gräfin Praschma, AL 4, Entscheiderbrief des BMF 5/2015).

Im Lichte der in das Verfahren integrierten Länderinformationen und auch der zitierten aktuellen Judikatur ist der Schluss zu ziehen, dass aus der lediglich formalen, bzw. zum Schein erfolgten Konversion zum christlichen Glauben - wie sie in casu vorliegt - ohne des Vorliegens einer exponierten Tätigkeit wie etwa missionarischer Aktivitäten, keine asylrechtlich relevante Gefährdung resultiert.

Dass der BF, wie viele andere iranische Konvertiten die Kirche besucht und ihm dies im Rückkehrfall in asylrelevanter Weise zum Nachteil gereicht, kann aufgrund der in der Beweiswürdigung getroffenen Ausführungen, wonach nicht davon auszugehen ist, dass die Person des BF für die iranischen Behörden in irgendeiner Weise von Interesse ist und unter Beobachtung steht und es somit keinen ersichtlichen Grund gibt, wie die Aktivitäten des BF den iranischen Behörden oder Privatpersonen bekannt werden sollte, nicht festgestellt werden. Auch die in Österreich durchgeführte Taufe würde ein etwaiges Interesse des iranischen Staates an seiner Person nicht entscheidend verstärken.

Auch betreffen den in das Verfahren aufgenommenen Länderfeststellungen zufolge betreffen Repressionen jedoch vor allem missionierende Christen und sehen sich christliche Konvertiten aufgrund der Ausübung ihres Glaubens willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen ausgesetzt. Dass der BF, welcher zum Schein konvertiert ist, den christlichen Glauben nur oberflächlich ausübt und dieser für ihn auch nicht identitätsstiftend ist, unter diese Gruppe fällt, ist naturgemäß auszuschließen und kann auch umso weniger davon ausgegangen werden, dass es dem BF ein Anliegen ist, missionierend tätig zu sein bzw. ist zu verneinen, dass der BF aufgrund seines rudimentär und oberflächlich vorhandenen Wissens hinsichtlich christlicher Glaubensinhalte dazu in der Lage wäre.

Auch ist den Feststellungen zu entnehmen, dass Geistliche, welche im Iran in der Vergangenheit verfolgt oder ermordet wurden, im Ausland zum Christentum konvertiert waren. Beim BF handelt es sich jedoch um keinen Geistlichen, sondern um eine Person, welche lediglich zum Schein konvertiert ist, sodass daraus keine asylrelevante Gefährdung des BF abzuleiten ist.

Aus den Länderfeststellungen ist letztlich zu schließen, dass nur iranische Staatsangehörige, die sich als Folge ihrer missionarischen Betätigung für das Regime deutlich von der breiten Masse abheben (Kirchenführer, in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen), Gefahr laufen, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen.

Im Hinblick darauf, dass der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsbürger und eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten.

Das Verhalten des BF, erweist sich aber nicht als derart markant, dass es geeignet erscheint, einen erhöhten Ermittlungsaufwand bei den iranischen Behörden auszulösen. Ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko ist nach Ansicht des erkennenden Richters daher nicht gegeben.

Letztlich sei hervorgehoben, dass lt. den in das Verfahren integrierten aktuellen länderkundlichen Feststellungen konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, für die iranischen Behörden nicht von Interesse sein werden (vgl. dazu auch EGMR, 19.12.2017, 60342/16 A. gg. die Schweiz – eine Konversion führt nur bei Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit zur Verfolgung im Iran: „...dass Konvertiten im Iran nur dann dem Risiko einer Misshandlung ausgesetzt sind, wenn sie durch die öffentliche Ausübung ihres Glaubens die Aufmerksamkeit der iranischen Behörden erregen.“).

4.1.3. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall aufgrund der dargelegten Erwägungen zu verneinen.

Nach den getroffenen Feststellungen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass iranische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

4.1.4. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.

4.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

4.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

4.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind.

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Eine Gefährdung durch staatliche Behörden bloß aufgrund des Faktums der Rückkehr ist nicht ersichtlich (vgl. dazu die einschlägigen Länderfeststellungen), auch keine sonstige allgemeine Gefährdungslage durch Dritte.

Der BF ist in Österreich aber auch im Iran in keiner Weise öffentlich regimefeindlich aufgefallen und ist mangels Exponiertheit des BF auch nicht davon auszugehen, dass dieser seitens der iranischen Behörden in Österreich überwacht wird.

Der Verfassungsgerichtshof entschied mit Erkenntnis vom 20. September 2010, U 1863/09-12, unter Hinweis auf das im Vorabsatz erwähnte Urteil des EGMR, dass bei einer Rückkehr in den Iran bezüglich der Prüfung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung neben der zuvor erwähnten Berücksichtigung der angespannten Situation auch die speziellen Risiken bedacht werden müssen, denen Iraner ausgesetzt sind, wenn sie, ohne über Beweismittel für ihre legale Ausreise zu verfügen, in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssen. Auf Grund aktueller Länderberichte stehe fest, dass diese besonders leicht einer genauen Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Ausreise aus dem Iran unterzogen werden. Diesfalls wäre es wahrscheinlich, dass ein Iraner ohne gültige Ausreisepapiere die Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitsbehörden auf sich ziehen und seine Vergangenheit dabei offengelegt würde. Diese beiden Gesichtspunkte zusammen können dazu führen, dass die Ausweisung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat angesichts der gegenwärtigen Umstände eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung darstellt. Da der BF zur genannten VfGH-Judikatur ein unglaubwürdiges Vorbringen erstattet hat, ist er daher zu keinem Zeitpunkt ins Blickfeld des iranischen Staates geraten. Ebenfalls hat er den Iran nicht vorverfolgt verlassen und weil sein gesamtes Vorbringen als unglaubwürdig zu werten ist, liegt letztlich keine Gefährdung vor.

Bei Gesamtschau des im gegenständlichen Verfahren festgestellten Sachverhaltes lässt sich keine Rückkehrgefährdung des BF erkennen, welche über die bloße Möglichkeit hinausgeht.

Nach den getroffenen Länderfeststellungen herrscht im Iran ferner nicht eine generell unsichere, von bewaffneten Unruhen geprägte Lage, aufgrund derer der BF bei einer Rückkehr einer konkreten Gefährdung ausgesetzt werden würde.

Ferner ist die Grundversorgung sowie die medizinische Versorgung grundsätzlich gewährleistet und besteht den länderkundlichen Feststellungen zufolge auch die Möglichkeit der Beziehung von Sozialbeihilfen.

Eine allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen ebenso wenig folgern.

Die aktuelle Lage im Iran stellt sich derzeit nicht so dar, dass nun bereits ein generelles Abschiebehindernis bzw. eine generelle Gefährdung aus Sicht der EMRK (Art. 3) gegeben ist. Vielmehr hat sich die innenpolitische Lage nach den Turbulenzen im Jahr 2009 wieder - zumindest oberflächlich - beruhigt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom 09.03.2010, Fall R.C., Appl. 41.827/07 zu verweisen, wonach zwar die im Iran herrschende, sehr angespannte Situation nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher der Respekt für die grundlegenden Menschenrechte seit den Wahlen 2009 erheblich abgenommen habe, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen allein die Rückführung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat aber noch nicht als unzulässig iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen.

Bei dem BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann und verfügt er im Herkunftsstaat auch über Angehörige (Ehefrau und Geschwister). Ebenso würden sich weitere weitschichtige Verwandte im Iran aufhalten. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum er als Erwachsener im Iran keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte bzw. im Falle von Anfangsschwierigkeiten keine Unterstützung durch seine Verwandten und Freunde finden würden, die ihn schon bei seiner Ausreise im Jahr 2019 unterstützt hätten.

Er ist im Iran aufgewachsen, hat dort zwölf Jahre die Schule besucht, hat sieben Jahre lang studiert und danach als Arzt in einer Ordination gearbeitet und aus dieser Tätigkeit seinen Unterhalt bestritten. Er wurde im Iran sozialisiert und es ist einem Mann im Alter von 54 Jahren auch durchaus zuzumuten, sich in einer neuen Umgebung innerhalb des Iran niederzulassen und sich dort eine Existenz aufzubauen. Der BF ist, abgesehen von seinen psychischen Beeinträchtigungen, die medikamentös behandelt werden würden, gesund und arbeitsfähig.

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.

Letztlich war zu berücksichtigen, dass der BF in der Beschwerde den vom BFA zugrunde gelegten Länderberichten und ebenso wenig den in das Verfahren aufgenommenen Länderberichten zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Iran nicht substantiiert entgegengetreten ist, nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit der BF durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

In diesem Zusammenhang verweist das Bundesverwaltungsgericht auch auf das Erkenntnis des VwGH vom 06.11.2009, 2008/19/0174, in dem die Schwelle einer Verletzung von Art 3 EMRK in einem Fall einer alleinstehenden Mutter eines Kleinkindes (ohne Berufserfahrung) trotz Erwartung einer tristen finanziellen Situation ohne familiäre Unterstützung im Heimatland mangels realer Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse verneint und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt wurde.

Es ist daher nicht ersichtlich, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr in den Iran dort die notdürftigste Lebensgrundlage fehlt. Gemäß den getroffenen Länderfeststellungen ist die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet; Gegenteiliges wurde vom BF auch nicht dargetan. Er spricht jedenfalls die Sprache der Majoritätsbevölkerung Persisch. Der BF war vor seiner Ausreise Arzt in einer Ordination und hat davon seinen Lebensunterhalt bestritten und ist aus der Reise des BF nach Österreich ersichtlich, dass er mobil und in der Lage ist, auch in einer für ihn fremden Umgebung sein Leben zu organisieren.

Wendet man die einschlägige Judikatur des EGMR auf den gegenständlichen Fall an, so kann das Bundesverwaltungsgericht in den gesundheitlichen Problemen des BF somit keinen Grund für ein Abschiebungshindernis erkennen.

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 52a BFA-VG zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in den Iran gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen (http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/ ).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Situation im Herkunftsstaat des BF schlechter ist als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt ist, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den BF im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Demnach war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

4.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung - § 57 AsylG sowie § 52 FPG):

4.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

4.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der BF befindet sich seit Mai 2019 im Bundesgebiet, wobei sein Aufenthalt nicht in obigem Sinne geduldet ist. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

4.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist als Staatsangehöriger der Republik Iran kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen und ebenso wenig nach dem AsylG zu.

4.3.4. Gemäß § 55 Abs.1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

4.3.4.1. Insoweit der BF glaubwürdig angab, dass er in Österreich, abgesehen von seine beiden mitgereisten volljährigen Kinder, die asylrechtlich dasselbe Schicksal teilen, wie der BF, keine Familienangehörigen habe oder eine familienähnliche Beziehung zu führen, war nicht auf ein bestehendes Familienleben in Österreich näher einzugehen.

Gegenteiliges wurde dem Bundesverwaltungsgericht weder in der mündlichen Verhandlung noch bis zur Ausfertigung des gegenständlichen Erkenntnisses mitgeteilt. Gerade wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand wie etwa ihre familiären Verhältnisse handelt, besteht aber eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 14.02.2002, 99/18/0199; VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Ein entscheidungsrelevantes Familienleben des BF ist daher zu verneinen.

4.3.4.2. Zum Privatleben des BF in Österreich ist folgendes festzuhalten:

Die Dauer des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet seit seiner illegalen Einreise im Mai 2019 ist als relativ kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass dieser vorerst bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein.

Die Interessen des BF werden ferner auch dadurch erheblich gemindert, dass sein Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag und - wie sich im Verfahren zeigte – auf einen ebenso unberechtigten Asylfolgeantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers nämlich wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

Zu verweisen ist im Zusammenhang mit dem bislang knapp über einem Jahr dauernden Aufenthalt des BF in Österreich zentral auf VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet sowie auch auf das jüngste Urteil des EGMR vom 8. April 2008, Nr. 21878/06 (NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich), in welchem der EGMR im Rahmen der Interessensabwägung zum Ergebnis gelangt, dass grundsätzlich das öffentliche Interesse an einer effektiven Zuwanderungskontrolle bei erfolglosen Asylanträgen höher wiegen muss als ein während des Asylverfahrens begründetes Privatleben.

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

Der BF übte bislang in Österreich keine ständige und erlaubte Beschäftigung aus, ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er lebt von der staatlichen Grundversorgung und konnte keine eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt des BF liegt im Iran, wo seine Ehefrau und seine Geschwister leben. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar. Dies ergibt sich vorrangig aus der zum gegebenen Zeitpunkt noch relativ kurzen Aufenthaltsdauer von etwas mehr als einem Jahr. Der BF spricht die deutsche Sprache lediglich auf dem Niveau A1 und ist lediglich ein wenig gemeinnützig tätig geworden. Auch wenn er einige Integrationskurse besucht hat, überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung bei Weitem. Daher ist der Eingriff in das Privatleben des BF jedenfalls notwendig und verhältnismäßig. Eine Integrationswilligkeit des BF reicht bei der gegebenen Sachlage nicht für ein Überwiegen der privaten Interessen aus.

Der BF hat bezüglich seiner sprachlichen Integration dargelegt, dass sein A2-Kurs wegen der Corona-Krise verschoben wurde, jedoch hat er im Laufe des Verfahrens keine weiteren Bescheinigungsmittel vorgelegt, aus denen hervorgeht, wodurch im konkreten Fall eine besondere Integration des BF gegeben sein soll. Daher sind besondere Tatsachen, die ein überdurchschnittliches Engagement zur Integration in Österreich gezeigt hätten, nicht hervorgekommen.

Es ist davon auszugehen, dass im Falle des BF schon aufgrund der zeitlichen Komponente und der dargelegten weiteren Faktoren naturgemäß ein nur geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf seinen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort Familienangehörigen und Freunde leben und der BF auch eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache beherrscht. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden hat und somit nach wie vor Bindungen des BF zum Iran bestehen. Weitere ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der BF im Verfahren nicht dargetan.

Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen des BF am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.09.2007, B 1150/07).

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

4.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

4.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

4.4. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

 

Zur (Un-)Zulässigkeit der Revision (Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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