AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2150177.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX ,
StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle St. Pölten, vom 23.02.2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.07.2017 zu Recht:
A)
Der Beschwerde des XXXX wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Wesentliche Entscheidungsgründe:
I. Gang des Verfahrens:
Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach seinen Angaben am 23.04.2015 irregulär in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.
In seiner Erstbefragung am 24.04.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug, gab der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei am XXXX in der Stadt bzw. im Distrikt XXXX in der Provinz Baghlan, Afghanistan geboren. Er habe 12 Jahre die Grund- und Mittelschule in Afghanistan bzw. im Iran besucht und habe an der Universität in Kabul sechs Jahre lang Politikwissenschaften studiert. Er sei seit dem Jahr 2008 verheiratet und habe einen Sohn und zwei Töchter, die gemeinsam mit ihrer Mutter in Afghanistan leben würden. Er habe in Afghanistan als Angestellter der NGO XXXX in Kabul gearbeitet. Er sei aufgrund dieser Tätigkeit von den Taliban brieflich mit dem Tod bedroht worden. Sein Leben sei in seiner Heimat nicht mehr sicher gewesen, weswegen er sich zur Ausreise entschlossen habe.
Am 01.07.2016 fand die Einvernahme des BF im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich - Außenstelle St. Pölten (im Folgenden belangte Behörde oder BFA) im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt.
Der BF gab im Rahmen der Einvernahme bekannt, dass er Hazara und schiitischer Moslem sei und dem Stamm der Sadat angehöre. Er habe zuletzt für ca. vier Jahre gemeinsam mit seiner Ehefrau, seinen Kindern, seinen Eltern und seiner Schwester Laila in Kabul in ihrem eigenen Haus gelebt. Die Familie habe dieses Haus mittlerweile verkauft, weil das Haus zwei Mal von den Taliban angegriffen worden sei. Er habe Afghanistan im Juli 2014 verlassen. Befragt zu den Fluchtgründen bestätigte er im Wesentlichen das, was er bei der Erstbefragung bereits ausgesagt hatte.
Die belangte Behörde stellte am 26.08.2016 eine Anfrage an die Staatendokumentation, ob der BF als Mitarbeiter der Organisation XXXX vor Juli 2014 verifizierbar sei, ob Aussagen getroffen werden können, wie gefährdet afghanische Mitarbeiter dieser Organisation durch die Taliban in Kabul seien, ob der vom BF vorgelegte Ausweis verifizierbar sei, und wie sich die Sicherheitslage in Kabul gestalte.
Mit Bericht der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2016 teilte diese mit, dass der BF als "Finance Officer for XXXX Afghanistan" bis 2014 gearbeitet habe; er habe kommentarlos das Büro verlassen. Hinsichtlich der anderen Fragestellungen verwies die Staatendokumentation auf das jeweilige Kapitel im aktuellen Länderinformationsblatt vom 21.01.2016.
Die belangte Behörde führte in weiterer Folge am 14.02.2017 eine weitere Einvernahme des BF durch. Im Zuge dieser Einvernahme gab der BF an, dass er seinen Arbeitgeber nicht über die Bedrohungen durch die Taliban informiert habe, weil er sehr schockiert gewesen sei und zudem befürchtet habe, dass die Taliban einen Informanten in der Organisation haben würden, der sie mit Informationen beliefere. Er habe jedoch die Abteilung Terrorismusbekämpfung informiert. In den fünf Jahren, in denen der BF für die Organisation gearbeitet habe, sei ihm nicht aufgefallen, dass es zu Bedrohungen durch die Taliban gekommen sei. Angesprochen darauf, dass der belangten Behörde aus verlässlicher Quelle bekannt geworden sei, dass er im Verdacht stehe, bei seinem Arbeitgeber $ 32.000,- unterschlagen zu haben, führte der BF aus, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit nie Kontakt mit Bargeld oder Schecks gehabt habe. Seine Tätigkeit habe sich rein auf Korrespondenz bezogen. Wenn er so viel Geld unterschlagen hätte, wäre er nicht alleine geflohen, sondern hätte seine gesamte Familie mitgenommen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23.02.2017 wies diese im Spruchpunkt I den Antrag des BF auf internationalen Schutz ab. Im Spruchpunkt II wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab. Im Spruchpunkt III erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Im Spruchpunkt IV legte die belangte Behörde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF in seinem Herkunftsstaat einer staatlichen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Die gegen ihn gerichteten Bedrohungshandlungen seien durch eine Privatperson erfolgt. Das diesbezügliche Vorbringen ergebe weder einen glaubwürdigen GFK-relevanten Hintergrund, der eine Asylgewährung rechtfertigen würde, noch seien ansatzweise aslyrelevante Aspekte im Verfahren glaubhaft hervorgekommen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF im Falle einer Rückkehr gezielt bedroht oder getötet werden würde. Es könne keine wie immer geartete, sonstige besondere Gefährdung seiner Person bei einer Rückkehr nach Afghanistan festgestellt werden. Die belangte Behörde sehe im Falle der Rückkehr des BF keine Gefahr dafür, dass er in eine aussichtslose Lage geraten könne. Der BF sei maßgeblich in seinem Heimatstaat familiär, tribal und sozial verankert.
Mit Verfahrensanordnung vom 23.02.2017 stellte die belangte Behörde dem BF die juristische Person Verein Menschenrechte Österreich amtswegig zur Seite.
Gegen diesen Bescheid brachte der BF, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, fristgerecht mit Eingabe vom 07.03.2017 das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein und legte eine Vertretungsvollmacht vor.
In der Beschwerdebegründung führte der BF aus, dass der Bescheid zur Gänze angefochten werde. Die belangte Behörde habe sich nicht einmal ansatzweise mit dem zentralen Vorbringen des BF auseinandergesetzt. Die afghanischen Behörden seien nicht in der Lage, den BF vor den Bedrohungen zu schützen. Er verwies darauf, dass laut UNHCR Richtlinien unter anderem Mitarbeiter von humanitären Hilfs- und Entwicklungseinrichtungen gefährdet seien. Die belangte Behörde sei ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht hinreichend nachgekommen, weswegen der Bescheid rechtswidrig sei.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Aktenvorgang mit Schreiben vom 13.03.2017 dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) zur Entscheidung vor, wo diese am 15.03.2017 einlangte.
Mit Eingabe vom 14.06.2017 teilte der Migrantinnenevrein St. Marx mit, dass die Vollmacht vom BF aufgelöst worden sei, und ersucht werde, etwaige Schriftstücke ihm persönlich zuzustellen.
Am 10.07.2017 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt, zu der der BF persönlich gemeinsam mit seinem anwaltlichen Vertreter erschien. Die belangte Behörde nahm an der mündlichen Verhandlung entschuldigt nicht teil.
Der BF gab auf richterliche Befragung zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen das Gleiche an, was er bereits in seinen bisherigen Einvernahmen ausgesagt hatte. Er erzählte den Vorfall noch detailreicher, als er dies vor der belangten Behörde getan hatte.
Mit Schreiben vom 05.10.2017 übermittelte das BVwG den Parteien des Verfahrens das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017 im Rahmen des Parteiengehörs mit der Möglichkeit, hierzu eine Stellungnahme bis Ende Oktober 2017 abzugeben.
Die belangte Behörde übermittelte dem BVwG im Rahmen des Parteiengehörs keine Stellungnahme. Mit Eingabe ohne Datum (eingelangt beim BVwG am 30.10.2017) gab der BF, vertreten durch seinen anwaltlichen Vertreter, eine umfassende Stellungnahme im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs ab, wobei er aus Länderberichten zur Situation in Afghanistan zitierte. Die NGO, bei welcher der BF tätig gewesen sei, habe ein sehr fortschrittliches Denken für die afghanische Kultur. Die Familie des BF sei nicht mehr in Afghanistan, so dass ihm bei einer etwaigen Rückkehr nicht nur Gefahr von den Taliban drohen würde, sondern auch der familiäre und soziale Halt fehlen würde.
Das BVwG übermittelte diese Stellungnahme am 04.01.2018 an die belangte Behörde im Rahmen des Parteiengehörs. Gleichzeitig übermittelte das BVwG den Parteien des Verfahrens dem Landinfo report Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne vom 23.08.2017 zur allfälligen Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs.
Das BVwG führte am 12.01.2018 eine Abfrage im Strafregister durch, wonach für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.
Laut Speicherauszug aus dem Betreuungssystem, den das BVwG ebenfalls am 12.01.2018 abfragte, befindet sich der BF in der aufrechten Grundversorgung.
Die belangte Behörde gab am 11.01.2018 eine umfassende Stellungnahme ab, wobei diese darauf hinwies, dass diese das Fluchtvorbringen des BF aufgrund der vielen Widersprüche in den Einvernahmen vor der belangten Behörde als unglaubwürdig erachte und verwies auf die ausführliche Begründung im angefochtenen Bescheid ebenso wie auf die in der Stellungnahme zitierten Aussagen des BF. Die belangte Behörde beantragte neuerlich die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.
Der anwaltliche Vertreter des BF gab am 15.01.2018 eine kurze Stellungnahme ab, dass der vom erkennenden Gericht mit Schreiben vom 04.01.2018 übermittelte Länderbericht die Aussagen des BF unterlege, wonach Personen, die gegen die Sahri'a (entsprechend der Auslegung der Taliban) und die Regeln der Taliban verstoßen würden, in deren Visier geraten und keine Chance auf Wiedergutmachung bekommen würden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt A)
1. Feststellungen:
1.1 Zum Beschwerdeführer und den Fluchtgründen
o Zur Person des Beschwerdeführers
Der BF führt den Namen XXXX , geb. XXXX in XXXX in der Provinz Baghlan und ist afghanischer Staatsbürger. Der BF gehört zur Volksgruppe der Hazara, genauer dem Stamm der Sadat, an und ist schiitischer Moslem. Die Muttersprache des BF ist Dari.
Der BF besuchte in seinem Heimatstaat 12 Jahre lang die Schule. Danach studierte er sechs Jahre lang an der Universität Kabul Politikwissenschaften. Für den Masterstudienabschluss fehlt ihm noch das Diplom. Er hat ein Diplom für Finanzwesen der XXXX University, Kabul.
Der Vater des BF, XXXX , ist im Jahr 2016 verstorben. Die Mutter des BF heißt XXXX . Der BF hat sieben Schwestern und zwei Brüder. Vier dieser Schwestern und ein Bruder des BF leben in Afghanistan, zwei Schwestern leben im Iran, ein Bruder des BF lebt in Norwegen, und eine Schwester des BF, XXXX , geb. XXXX , lebt mit ihrem Ehemann und den fünf gemeinsamen Kindern als anerkannter Flüchtling in Österreich. Alle Geschwister des BF sind verheiratet.
Der BF ist seit 2008 mit XXXX verheiratet. Er ist Vater der drei mj. ehelichen Kinder, XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX und XXXX XXXX , geb. XXXX , welche alle bei ihrer Mutter leben.
Die Mutter des BF lebt gemeinsam mit der Ehefrau und den drei minderjährigen Kindern des BF seit ca. April 2017 im Iran. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie.
Der BF lebte bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Familie, seinen Eltern und seiner Schwester XXXX in einem Eigentumshaus in der Stadt Kabul, im XXXX , im XXXX . Das Haus hat die Familie mittlerweile verkauft.
Der BF war in der Zeit von 2005 bis 2009 bei XXXX , XXXX einer NGO, die Wahlprozesse überwacht, in Kabul tätig. In dieser Funktion reiste er oft in die Provinzen, war als Wahlbeobachter tätig und klärte die Bevölkerung, insbesondere auch Frauen, über ihre (Wahl-) Rechte auf.
Der BF arbeitete von Juni 2009 bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 bei der NGO XXXX als "Finance Officer". Sein Team bestand aus einem Kassier und drei Buchhaltern. Der BF war für die Businessplanung, für die Budgeterstellung und das Reporting verantwortlich. Der BF trug im Rahmen seiner Tätigkeit auch bei Seminaren in Provinzen zu Finanzierungsmöglichkeiten durch die NGO vor. Er führte die Anwesenheitsliste bei den Seminaren und veranlasste gemeinsam mit einem Kassier, dass den Seminarteilnehmern die Aufenthalts- und Reisekosten bezahlt bzw. ersetzt wurden. Bei dieser Tätigkeit in den Provinzen war er mit einem Dienstwagen unterwegs, der ein Logo der NGO trug.
XXXX ist eine britische NGO, deren Hauptsitz in London liegt. Die NGO betreibt seit 2002 in Afghanistan ein regionales Büro und unterstützt durch Aufklärungsarbeit, Verteilung von diversen Verhütungsmitteln, Geburtsvorbereitung, Geburtsnachbetreuung und der Ermöglichung von Abtreibungen Frauen dabei, gewollt und nicht zufällig Kinder zu bekommen. Die NGO arbeitet eng mit der afghanischen Regierung zusammen.
Der BF war in seinem Herkunftsstaat kein Mitglied einer politischen Partei.
Der BF ist im Juli 2014 aus Afghanistan ausgereist und stellte am 23.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der BF arbeitete ehrenamtlich in Österreich für die Firma SOMA. In der Zeit, als er in einer Flüchtlingsunterkunft in XXXX lebte, arbeitete er in einem Zeitraum von sieben Monaten acht Stunden pro Woche in der Küche. Der BF unterstützt ehrenamtlich das Kulturzentrum für Afghanen in Wien. Er übernahm es, für sechs Projekte die Finanzierung vorzubereiten.
Der BF lebte in der Zeit vom 25.01.2016 bis 01.03.2017 in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Schwester und deren Ehemann, XXXX , und den Kindern der Genannten. Seit 01.03.2017 lebt der BF in einer anderen Unterkunft.
Der BF absolvierte Deutschkurse und legte unter anderem die Prüfungen für das Niveau B1 ab.
Der BF lebt von der Grundversorgung und ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
o Zu den Fluchtgründen des BF
Im Juli 2014, eine Woche bevor der BF das Land verließ, erhielt er einen Anruf mit unterdrückter Nummer von "jihadistischen Brüdern". Der Anrufer teilte dem BF mit, dass seine berufliche Tätigkeit "haram" (verboten) ist, und er mit diesen kooperieren muss, ansonsten werden er und seine Familie vernichtet.
Der BF meldete diesen Vorfall über Anraten seines Vaters am nächsten Tag der Polizei, Abteilung Kampf gegen Terrorismus. Die Polizisten nahmen den Vorfall auf und gaben dem BF eine Notfallstelefonnummer, an die er sich im Falle einer neuerlichen Bedrohung wenden kann. Die Polizisten schlugen dem BF auch vor, die Telefonnummer zu wechseln, was dieser auch tat.
Ca. eine Woche nach dem ersten Anruf, an einem Freitag, erhielt der BF auf seiner neuen Nummer einen weiteren Drohanruf mit unterdrückter Telefonnummer. Der Anrufer stellte sich als "Mujahedinbruder" vor und teilte dem BF mit, dass er in 15 Minuten einen Drohbrief erhalten wird. Nach 15 Minuten fand der BF einen Drohbrief unter der Tür seines Wohnhauses. Seine ganze Familie war verängstigt. Der BF verließ daraufhin gemeinsam mit seiner Familie das Haus über den Hintereingang, um zum Haus einer Tante väterlicherseits des BF zu gelangen. Der BF erwog, in eine der Nordprovinzen zu fliehen, aber dort war er aufgrund seiner Tätigkeit bei XXXX bekannt. Daher beschloss die Familie, dass der BF unverzüglich Kabul verlassen muss. Der BF hatte nicht genug Geld, um seine Familie mitzunehmen. Daher begab er sich alleine mit Hilfe seiner Verwandten nach Nimroz, und in weiterer Folge schlepperunterstützt in den Iran. Vom Iran aus floh er weiter über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und andere Länder, bis er nach Österreich kam.
Die Verwandten und Bekannten des BF sammelten Geld für die Ausreise der Familie des BF. Die Familie des BF reiste 11 Tage nach der Flucht des BF in den Iran. Dort wurde sie von der Polizei aufgegriffen und wieder nach Afghanistan abgeschoben.
Mittlerweile verkaufte die Tante des BF das Haus der Familie. Von dem Erlös des Verkaufes lebt die Familie des BF.
Der BF erzählte seinem Arbeitgeber nichts von den Drohanrufen, dem Drohbrief und seiner Flucht. Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der BF bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Geld unterschlagen hat.
Der BF ist mit seiner Tätigkeit für die NGO XXXX in das Blickfeld der Taliban geraten, welche seine Tätigkeit als "haram", dh verboten nach der Shari'a, ansehen. Er läuft dadurch auch aktuell Gefahr, von schweren Vergeltungsmaßnahmen betroffen zu sein. Es ist davon auszugehen, dass dem BF von den Taliban eine diesen gegenüber oppositionelle politische Gesinnung unterstellt wird, und ihm aus diesen Gründen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische Gewalt droht. Die staatlichen Behörden können dem BF im konkreten Fall in seiner Heimatstadt Kabul keinen hinreichenden Schutz vor dieser Bedrohung durch die Taliban bieten. Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht-bzw. Schutzalternative nicht zur Verfügung.
Es liegen keine Gründe vor, nach die BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen sind, oder nach denen ein Ausschluss BF zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der aktuellen Fassung vom 25.09.2017 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
"...
2. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).
Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).
Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).
Sicherheitsrelevante Vorfälle
In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).
...
Zivilist/innen
Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).
Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).
Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)
...
High-profile Angriffe:
Der US-Sonderbeauftragte für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profile Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).
Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:
Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3. - 5. August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).
Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).
"Green Zone" in Kabul
Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).
Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).
Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).
Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).
ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).
Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).
Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen: Taliban
Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh.
Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL- KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).
Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP- Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).
Politische Entwicklungen
Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).
Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).
...
3. Politische Lage
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).
Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9 .2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017).
Parlament und Parlamentswahlen
Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9 .2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).
Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu- Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).
Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9 .2016).
Parteien
Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).
Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9 .2016).
Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015). Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9 .2016).
Friedens- und Versöhnungsprozess:
Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das
"Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9 .2016).
Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)
Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).
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3.1 Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)
Distrikt Kabul
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Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Provinz Kabul
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Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).
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6. Sicherheitsbehörden
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).
Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).
Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).
Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).
Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)
Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).
Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere
30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).
Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).
Afghanische Nationalarmee (ANA)
Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).
Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).
Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).
Resolute Support Mission
Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).
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9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Die afghanische Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle - speziell in den städtischen Regionen - wo tausende Kultur-, Wohlfahrts- und Sportvereinigungen mit wenig Einschränkung durch Behörden operieren (FH 27.1.2016). Registriert sind 4.001 lokale NGOs und 434 internationale NGOs (ICNL 26.10.2016). Drohungen und Gewalt durch Taliban und andere Akteure haben NGO-Aktivitäten gedämpft und die Rekrutierung von ausländischen Entwicklungsmitarbeiter/innen erschwert (FH 27.1.2016).
Eine Vielzahl nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen arbeitet generell ohne Einmischung der Regierung, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse (USDOS 13.4.2016). Eine systematische Politik der Einschränkung der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern oder zivilgesellschaftlichen Akteuren gibt es in Afghanistan nicht (AA 9 .2016). Während Regierungsbeamte einigermaßen kooperativ sind und auf deren Sichtweise eingehen, gibt es dennoch Fälle von Einschüchterung von Menschenrechtsgruppen durch Regierungsbeamte (USDOS 13.4.2016). Gleichwohl sind nationale und internationale Menschenrechtsgruppen regelmäßig Behinderungen bei der Informationsbeschaffung ausgesetzt; ihre Beteiligung an wichtigen Vorhaben (Gesetzesentwürfe, Ratsversammlungen/Jirgas) wird nicht selten nur auf internationalen Druck ermöglicht. Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9 .2016).
Derzeit stehen mehrere die Zivilgesellschaft betreffende Reforminitiativen an:
- Änderungen des NGO-Gesetzes
- Gesetzentwurf bezüglich Stiftungen
- Gesetzentwurf über Freiwilligenarbeit
- Vorschläge zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (ICNL 26.10.2016).
Am 31. Mai 2016 hat das afghanische Wirtschaftsministerium unter Beteiligung von NGOs eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um das NGO-Gesetz zu überarbeiten (AA 9 .2016).
Es gibt keine gesetzlichen Hindernisse für die Aktivitäten von NGOs oder Vereinigungen (ICNL 26.10.2016).
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15. Religionsfreiheit
Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:
CSR 8.11.2016).
Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).
Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).
Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).
Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).
Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht- muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).
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15.1 Schiiten
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 19% geschätzt (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9 .2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).
Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).
Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).
Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9 .2016).
Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein - dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).
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16. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."
(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9 .2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).
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16.1 Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9 .2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9 .2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9 .2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).
Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.
..."
Weiters wird die Arbeitsübersetzung "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 als entscheidungsrelevant festgestellt. Demnach haben "die Taliban eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten":
...
e) Personen, die gegen die Shari'a (entsprechend der Auslegung der Taliban) und die Regeln der Taliban verstoßen;
...
Außer den Personen der oben genannten Kategorien a), d), e) und k) bieten die Taliban allen Personen, die sich fehlverhalten die Chance, Reue und Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Personen der Kategorien a), d), e) und k) haben allein schon durch die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie, Verbrechen begangen, im Gegensatz zu einer Tätigkeit als Auftragnehmer.
...
In der Stadt Kabul sind drei verschiedene Taliban Nachrichtendienste nebeneinander aktiv. ...
Es heißt, dass die verschiedenen Nachrichtendienste in Kabul über
1.500 Spione in allen 17 Stadtteilen haben.
...
Selbst die, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden.
...
Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.
...
Die Taliban behaupten jedoch, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, regelmäßig Berichte darüber zu erhalten, wer neu ins Land einreist.
...
5. Die Regeln der Taliban
Genauso wie Selbstmordattentate und Minen waren auch die gezielten Morde an Zivilisten bei den Taliban umstritten, denn einige waren dagegen, gegen Lehrer, Ärzte, Ingenieure etc. vorzugehen. Obwohl ehemalige Taliban oft wehmütig der mythischen ersten Jahre des Aufstandes gedenken, einer Zeit in der Zurückhaltung und Rechtsstaatlichkeit bei den Taliban herrschte und die endete als die alten Führer einer nach dem anderen getötet oder verhaftet wurden, waren die gezielten Tötungen 2005-2010 im Süden Afghanistans am intensivsten, obwohl die Taliban damals eine wesentlich kleinere Gruppe waren. Die gezielten Tötungen waren in Kandahar besonders schlimm als Hunderte von Ältesten umgebracht wurden. Nach einer ersten Welle der Gewalt, kam es nur noch relativ selten zu willkürlichen Tötungen von Spionageverdächtigen und Regierungskollaborateuren, da sich nur wenige Dorfbewohner trauten, den Taliban entgegenzutreten. Viele Älteste hatten Schwierigkeiten, sich an spezielle Gewaltakte ab 2014-16 zu erinnern.
In dem Maße, in dem das System der Taliban Gestalt annahm und ihre Verhaltenskodizes ausgefeilter wurden, wurden auch Regeln eingeführt, die vorschrieben, dass die Taliban Kollaborateure mindestens zweimal warnen mussten, bevor sie gegen sie vorgingen. Dieses Verfahren galt wohl ab 2009 oder 2010. Von der Regel ausgenommen sind lediglich "schlimme Kriminelle", wie führende Persönlichkeiten in der Regierung. Daher gilt folgendes Verfahren für das Vorgehen gegen einen bestimmten Kollaborateur:
1. Person identifizieren;
2. Kontaktdaten herausfinden (Adresse oder Telefonnummer);
3. Person mindestens zweimal warnen;
4. verhören und vor Taliban-Gerichte stellen;
5. Person auf die schwarze Liste setzen, wenn sie sich weigert, den Anordnungen der Taliban Folge zu leisten;
6. Günstige Gelegenheit abwarten, um zuzuschlagen.
Teil 4 wird ausgesetzt, wenn die Umstände Verhöre oder Inhaftierung nicht zulassen. So können die Taliban zum Beispiel in der Stadt Kabul normalerweise keine Verdächtigen oder Täter festnehmen, daher gibt es die beiden Alternativen, die Verdächtigen zu überwachen, bis sie Kabul verlassen und sie dann festzunehmen (die Taliban behaupten, 2015/16 350 solcher Festnahmen durchgeführt zu haben) oder die Mordkommandos zum Einsatz zu bringen, ohne den Umweg über ein Gerichtsverfahren.
Die praktische Durchführung von Abschnitt 6 (s.o.) hängt normalerweise von den Fähigkeiten des lokalen Verfolgungsteams ab, dessen Arbeitsauslastung und dem mit der Vollstreckung des 'Urteils' verbundenen Risiko. Eine geschützte Zielperson bzw. eine in einem Gebiet, das von den Behörden stark bewacht wird, könnte zwar für die Taliban wichtig sein, bei ihrer Liquidierung bestünde aber andererseits auch ein hohes Risiko, dass das Mordkommando die Operation nicht überlebt. Eine weniger wichtige Zielperson, die in einem leicht zugänglichen Gebiet mit guten Fluchtmöglichkeiten wohnt, könnte von den Taliban eher liquidiert werden, als eine bedeutendere, die besser geschützt ist. Die Nachrichtendienste der Taliban geben ihre Listen der Verdächtigen an die Militär-Kommission (im Falle der Quetta Shura, an den Schattengouverneur; im Falle der Miran Shah Shura an den Provinzverteter des Haqqani-Netzes) weiter, die dann darüber entscheidet, welche von diesen Personen auf die schwarze Liste gesetzt werden. Jeder nachrichtendienstlichen Abteilung in den Provinzen ist ein Team (Istakhbarati Karwan) zugeordnet, das in Absprache mit der Militär-Kommission Kollaborateure verfolgt. In den meisten Provinzen besteht das Team aus 20 Mitgliedern, ist aber an Orten wie Kabul größer. Die meisten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verfolgung einer Zielperson werden von den Karwan ausgeführt, weitere Gefahr droht ihnen jedoch durch die Kontrollstellen der Taliban und deren Patrouillen in den Dörfern, die jeweils über Auszüge der Liste der Zielpersonen verfügen.
Obwohl die politische Führung der Taliban anscheinend großen Wert auf die von ihr eingeführten Regeln legt und will, dass sie eingehalten werden, geben die meisten Taliban zu, dass es immer noch willkürliche Hinrichtungen gibt. Gelegentlich nehmen die Taliban Hinrichtungen aus Wut wegen Luft- und Nachtangriffen auf sie vor. Da er nichts dagegen unternehmen kann, könnte ein Taliban-Kommandant einige der Dorfbewohner zu Sündenböcken machen, insbesondere, wenn man sie sowieso schon in Verdacht hatte, den Taliban gegenüber nicht loyal zu sein. Außerdem leidet die Informationsbeschaffung der Taliban, genau wie die ihrer Gegner - der afghanischen Regierung und der ISAF - unter Falschinformationen, die durch Fehden oder Vendetten motiviert sind.
Gelegentlich werden auch Familienangehörige zu Zielpersonen; es scheint, dass die Taliban diese Aktionen eingeschränkt haben, nachdem die Polizei und die Miliz als Vergeltungsmaßnahme die Familienangehörigen der Taliban verfolgten.
Zumindest teilweise hat das Justizsystem der Taliban den Zweck, deutlich zu machen, dass ihre Bewegung einen Schattenstaat darstellt. Es liegt den Taliban daher viel daran, die Kontinuität zwischen der aktuellen Bewegung von Aufständischen und dem Taliban-Emirat von 1996-2001 zu betonen; tatsächlich bezeichnen sich die Taliban selbst immer noch als das Islamische Emirat Afghanistan. Daher gelten alle Urteile, die die Taliban für jegliches Verbrechen einmal gesprochen haben, immer noch weiter, einschließlich derer, die vor dem Fall des Emirates ergingen. Tatsächlich befinden sich, laut den Taliban-Quellen, auf der 15.000 Personen um fassenden schwarzen Liste, immer noch 3.000, die zu Zeiten des Emirats verurteilt wurden (die Gerichtsunterlagen wurden nach Pakistan geschafft, als das Emirat fiel). Es ist naheliegend, dass diejenigen, die den Urteilen der Taliban damals entgingen, sich im Ausland aufhielten, daher wurden recht viele dieser Personen (ca. 200) von den Taliban erst 2002-2016 gefasst.
Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.
..."
Schließlich wird der Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, Kapitel "Interne Schutzalternative" als entscheidungswesentlich wir folgt festgestellt:
"Interne Schutzalternative
Die Prüfung, ob eine interne Schutzalternative gegeben ist, erfordert eine Prüfung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative. Eine interne Schutzalternative ist nur dann relevant, wenn das für diesen Zweck vorgeschlagene Gebiet praktisch, sicher und legal erreichbar ist, und wenn die betreffende Person in diesem Gebiet nicht einem weiteren Risiko von Verfolgung oder ernsthaftem Schaden ausgesetzt ist. Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:
(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und
(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.
Wenn Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung haben, die vom Staat oder seinen Akteuren ausgeht, so gilt die Vermutung, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative für Gebiete unter staatlicher Kontrolle nicht relevant ist. Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen.
UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.
Wenn der Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung durch einen nichtstaatlichen Akteur hat, müssen die Möglichkeit des Akteurs, den Antragsteller auf dem vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet zu verfolgen, und die Fähigkeit des Staates, Schutz in diesem Gebiet zu bieten, geprüft werden. Wenn die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften ausgeht, müssen Nachweise hinsichtlich der Fähigkeit dieses Akteurs, Angriffe in Gebieten außerhalb des von ihm kontrollierten Gebiets durchzuführen, berücksichtigt werden.
..."
2. Beweiswürdigung
2.1 Zum Beschwerdeführer und den Fluchtgründen
o Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Angaben der persönlichen Verhältnisse des BF ergeben sich aus dem Akt, insbesondere auch aus der persönlichen Einvernahme des BF vor dem BVwG am 10.07.2017. Das erkennende Gericht erachtet diese Angaben des BF als glaubhaft.
Der BF hat in der Buchhaltung der NGO gearbeitet, wobei er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 10.07.2017 (vgl. Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 10.07.2017, S 17) sehr ausführlich darstellt, dass er im Rahmen dieser Tätigkeit auch bei Seminaren in den Provinzen anwesend war. Dabei verwendete er ein Dienstauto mit dem Logo der NGO. Somit war er - entgegen den Annahmen der belangten Behörde - nicht nur ein Buchhalter im Innendienst, sondern war auch nach außen als Mitarbeiter der genannten NGO für jedermann erkennbar.
Die Feststellungen zur NGO, bei welcher der BF zuletzt arbeitete, ergeben sich aus seinem glaubhaften Vorbringen einerseits, andererseits aus der von der belangten Behörde eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.12.2016 (vgl. As 193 ff), und zur Plausibilisierung in eine Einsicht in öffentlich im Internet über diese Organisation zugängliche Informationen.
Die Feststellung, dass der BF nie politisch tätig war, ergibt sich aus seinen glaubhaften und im gesamten Verfahren gleich lautenden Angaben.
Die Feststellungen zur Ausreise des BF aus Afghanistan und zum Zeitpunkt seiner Antragstellung ergeben sich aus dem Akt.
Die Feststellungen zu seinen Tätigkeiten, Aufenthaltsorten in Österreich und seinen Deutschkursen ergeben sich aus seinen Angaben anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 10.07.2017. Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus der vom erkennenden Gericht eingeholten Strafregisterauskunft vom 12.01.2018.
o Zu den Feststellungen zur Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Das Vorbringen des BF hinsichtlich konkreten Anlasses des Verlassens des Herkunftslandes ist, wird vom erkennenden Gericht - entgegen den Ausführungen im Bescheid der belangten Behörde in deren Stellungnahme vom 11.01.2018 - als in sich schlüssig, nachvollziehbar und in Summe als glaubhaft angesehen. Der BF zeigte sich in den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG offen und bemüht, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken und vermittelte insgesamt einen glaubwürdigen Eindruck. Das diesbezügliche Vorbringen des BF im Verlauf des Verfahrens ist schlüssig, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturen in Afghanistan plausibel, hinreichend substantiiert, angereichert mit lebensnahen Details sowie im Einklang mit den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten. Der BF zeichnete insbesondere in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG in seinen Aussagen und seinem Antwortverhalten, das auch authentisch wirkende Emotionen zeigte, ein glaubhaftes Bild der geschilderten Vorfälle und vermittelte den Eindruck, die dargestellten Ereignisse tatsächlich erlebt zu haben.
Bedingt dadurch, dass der BF nachweislich für eine NGO, die sich für die Rechte von Frauen, insbesondere für Selbstbestimmung um das Thema Kinder und Verhütung einsetzt, geht das erkennende Gericht davon aus, dass diese Tätigkeit aus Sicht der Taliban "haram" ist, dh gegen die Regeln der Shari'a nach Auslegung der Taliban verstößt, wie dies in den im Verfahren von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 angeführt ist. Der BF hat im gesamten Verfahren auch mehrfach angegeben, dass ihm das von den Taliban vorgeworfen wird (vgl. AS 133, S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 10.07.2017) Dadurch, dass er durch diese Tätigkeit bei der NGO aus Sicht der Taliban gegen die Shari'a und die Regeln der Taliban verstoßen hat, hat er zudem nach dem bereits mehrfach zitierten Länderbericht aus Sicht der Taliban Verbrechen begangen, die ihm keine Chance auf Reue und den Willen der Wiedergutmachung geben.
Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und in deren Stellungnahme vom 11.01.2018 erachtet das erkennende Gericht die vom BF daraus folgende und geschilderte Bedrohung seiner Person durch die Taliban in Gesamtschau aus seinen Angaben mit den im Verfahren eingebrachten Länderberichten als glaubhaft. Er wurde nach seinen Angaben zweimal telefonisch bedroht, wobei der zweiten telefonischen Bedrohung ein Drohbrief folgte, der ihm unter die Haustüre seines Hauses in Kabul geschoben wurde. Diese Schilderungen decken sich mit dem im zitierten Landinfobericht Afghanistan geschilderten Vorgehen laut den Regeln der Taliban. Der nächste Schritt wäre nach diesen Länderinformationen gewesen, dass die Taliban den BF verhört und vor ein Taliban-Gericht gestellt hätten. Dadurch, dass sich der BF diesem nächsten Schritt durch seine Flucht entzog, ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF mittlerweile auf der schwarzen Liste der Taliban steht, und somit einer Bestrafung durch die Taliban ausgesetzt ist.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde spricht die Bezeichnung "Islamische Emirate Afghanistan" im Kopf des Drohbriefes (vgl. AS 183 und 185) und der offizielle Charakter, der mit diesem Drohbrief vermittelt werden soll, dafür, dass es sich um keine Fälschung handelt. So ist aus den in diesem Erkenntnis zitierten Länderinformationen (siehe Auszug aus Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017, 5. Regeln der Taliban) zu entnehmen, dass "den Taliban daher viel daran liegt, die Kontinuität zwischen der aktuellen Bewegung von Aufständischen und dem Taliban-Emirat von 1996-2001 zu betonen; tatsächlich bezeichnen sich die Taliban selbst immer noch als das Islamische Emirat Afghanistan."
Für die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des BF spricht auch, dass er unmittelbar nach erfolgter Bedrohung durch die Taliban seinen Heimatstaat verließ, und seine Familie (vorerst) zurückließ. Ein Versuch, die Familie nachkommen zu lassen, schlug fehl, weil diese im Iran aufgegriffen und wieder zurück nach Afghanistan abgeschoben wurde. Wenn die belangte Behörde zu diesem Punkt davon ausgeht, dass der Umstand, dass die Familie vorerst noch in Afghanistan blieb, die Furcht des BF vor Verfolgung relativieren würde, so kann dem nicht gefolgt werden. Es spricht vielmehr dafür, dass er als Person möglichst rasch das Land verlassen musste, gerade aus Furcht vor den Taliban.
Zudem reist der BF bereits im Juli 2014, dh. ca. ein Jahr vor der großen Flüchtlingswelle, aus Afghanistan aus, was auch dafür spricht, dass er tatsächlich von den Taliban bedroht wurde.
Der BF und seine Familie hatten vor dieser Bedrohung durch die Taliban ein angenehmes Leben. Der BF verdiente für afghanische Verhältnisse gut, er absolvierte ein Studium, lebte in einem Eigentumshaus in Kabul und hatte eine Familie mit damals zwei Kindern, und seine Frau war wieder schwanger. Nach seinen eigenen Angaben (vgl. S 14 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 10.07.2017), denen das erkennende Gericht Glauben schenkt, hätte er Afghanistan nie verlassen, wäre er nicht bedroht worden. Hinzu kommt, dass sich der BF als gebildeter Mann ganz bewusst für Frauen in Afghanistan einsetzen wollte, um sein Heimatland damit zu unterstützen. Die Bedrohungen durch die Taliban haben den BF praktisch aus seinem Leben geworfen.
Die Feststellung, dass seine Tante mittlerweile das Haus der Familie verkauft hat, und die Familie des BF vom Erlös des Verkaufs lebt, gründet sich auf seine glaubhaften Angaben anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 10.07.2017 (vgl. S 14 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 10.07.2017)
Es ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan Gewalt von Seiten der Taliban droht. Trotzdem die Taliban mittlerweile sehr zersplittert sind, gibt es nach diesen Länderinformationen ein Netzwerk von Spionen und Unterstützern der Taliban, so dass das erkennende Gericht davon ausgehen muss, dass es den Taliban gelingen wird, den BF im Falle einer Rückkehr in Afghanistan zu finden. Demnach kann der BF nicht nach Kabul zurückkehren. Dem BF steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, weil er, wie er selbst richtig anführt, auch in den Provinzen als Person bekannt ist, die für diese NGO arbeitete, und sich im Falle einer Neuansiedelung dort schnell - auch dank des Spitzelnetzwerkes der Taliban - herumsprechen würde, dass er von seiner Flucht zurückgekehrt ist.
Wenn im Verfahren hervorgekommen ist, dass der BF bei seiner Firma einen größeren Geldbetrag unterschlagen haben soll, so ist dem entgegen zu halten, dass es dazu außer einem bloßen Verdacht, keine näheren Angaben gibt. Wie der BF richtig anführt, hätte er, für den Fall, dass er diesen hohen Geldbetrag unterschlagen hätte, wohl seine Familie von Beginn an mit auf die Flucht genommen. Genau dies war jedoch nicht möglich, weil er zu diesem Zeitpunkt zu wenig Geld zur Verfügung hatte, um den Schlepper für die ganze Familie zu bezahlen. Ein bloßer Verdacht alleine reicht auch nicht aus, um den BF auch für das Verschwinden des Geldbetrages verantwortlich zu machen. Daher wurde die entsprechende Feststellung getroffen.
In einer Gesamtschau der Angaben des BF im Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des BF zu seiner Furcht vor den Taliban in Afghanistan insgesamt glaubhaft.
Im gesamten Verfahren sind keine Gründe zu Tage getreten, welche die BF von der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ausschließen.
2.2. Zur Situation im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan beruhen auf den angeführten Quellen und wurden den Parteien des Verfahrens zur Kenntnis gebracht, es wurde allen Parteien mehrfach die Gelegenheit geboten, hierzu Stellung zu nehmen. Bei den genannten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (Aktualisierungen des Länderinformationsblatts September 2017) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Von einer (weiteren) Aktualisierung der Länderfeststellungen konnte daher abgesehen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Der BF hat glaubhaft dargelegt, dass er auf Grund dessen, dass für eine NGO tätig war, die sich für die Rechte der Frauen im Zusammenhang mit Kindern, Verhütung und Abtreibungen einsetzt, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in das Visier der Taliban geraten ist. Er hat damit gegen die Shari'a (entsprechend der Auslegung der Taliban) und gegen die Regeln der Taliban verstoßen. Nach dem in das Verfahren eingebrachten Landinfo Report Afghanistan zum Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne vom 23.08.2017 haben Personen, die sich nach Ansicht der Taliban in dieser Form fehlverhalten, keine Chance Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen, diese Personen haben für die Taliban per se schon Verbrechen begangen, die es zu bestrafen gilt. Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan ist davon auszugehen, dass die Taliban den BF finden würden, und er wäre mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt.
Zwar handelt es sich bei den Taliban um nicht staatliche Akteure, doch kann angesichts der angeführten Berichtslage nicht davon ausgegangen werden, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden ausreichend schutzfähig wären, um die den BF von seinen Verfolgern ausgehende Verfolgungsgefahr genügend zu unterbinden. Aus den Länderberichten lässt sich ableiten, dass in Afghanistan derzeit - insbesondere außerhalb der Städte - kein funktionierender Sicherheits- oder Justizapparat besteht; dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als der BF, von den Polizisten, als er diesen von den Bedrohungen durch die Taliban berichtete, lediglich darauf hingewiesen wurde, dass er seine Telefonnummer ändern solle. Fallbezogen ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage und auch nicht gewillt wären, den BF angesichts des ihn treffenden Verfolgungsrisikos in ausreichendem Maß zu schützen.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH kommt einer von privaten Personen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einen Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat den Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra2014/18/0112, VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0233)
Der BF kann nicht nach Kabul zurückkehren, ohne der Gefahr von Verfolgungs- und Bedrohungshandlungen durch die Taliban ausgesetzt zu sein. Es ist auch nicht anzunehmen, dass dem BF in Afghanistan eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offensteht. Der BF verfügt zwar in seinem Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte, wie einen Bruder, der noch dort lebt, jedoch ist davon auszugehen, dass es den Taliban auf Grund des bestehenden internen Netzwerkes, insbesondere auch wegen deren Spionen bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und in den Provinzen, leicht möglich wäre, den BF aufzuspüren, sodass er in ganz Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre.
Zwar stellen diese Umstände bzw. diese zu erwartenden Diskriminierungen nicht notwendiger Weise Eingriffe von staatlicher und damit von "offizieller" Seite dar, zumal sie von der gegenwärtigen afghanischen Regierung nicht angeordnet sind. Da das Asylrecht als Ausgleich für fehlenden staatlichen Schutz konzipiert ist (VwGH 13.11.2001, Zl. 2000/01/0098), kommt es aber nicht darauf an, ob die Verfolgungsgefahr vom Staat bzw. von Trägern der Staatsgewalt oder von Privatpersonen (zB von Teilen der lokalen Bevölkerung) ausgeht, sondern vielmehr darauf, ob im Hinblick auf eine bestehende Verfolgungsgefahr ausreichender Schutz besteht (vgl. dazu VwGH 16.04.2002, Zl. 99/20/0483; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Feststellung, ob ein solcher ausreichender Schutz vorliegt - wie ganz allgemein bei der Prüfung des Vorliegens von wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung - ein "Wahrscheinlichkeitskalkül" heranzuziehen (zB VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Mit dem glaubhaften Vorbringen des BF, von den Taliban verfolgt zu sein und im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan von diesen als Person, der gegen die Shari'a (nach der Auslegung der Taliban) verstoßen zu habe, bestraft zu werden, macht der BF einen asylrelevanten Fluchtgrund geltend.
Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des BF stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass der Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu Spruchpunkt B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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