AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:I403.2145047.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX, geb. am XXXX, des minderjährigen XXXX, geb. am XXXX und der minderjährigen XXXX, geb. am XXXX, alle nigerianische Staatsbürger, vertreten durch den MigrantInnenverein St.Marx, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2016, Zl. 1082814806/151100880, Zl. 1082815008/151100910 und Zl. 1082815204/151100928, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.03.2017 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX, XXXX und XXXX der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX, XXXX und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 22.03.2018 erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerden wird Spruchpunkt III der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Verfahren der am XXXX geborenen Erstbeschwerdeführerin sowie ihrer zwei Kinder (des am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführers und der am XXXX geborenen Drittbeschwerdeführerin) sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.
Die Beschwerdeführer stellten am 16.08.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte die Erstbeschwerdeführerin, im Mai 2004 Nigeria verlassen zu haben und teils zu Fuß, teils mit dem Boot über den Niger, Algerien, Libyen und die Türkei nach Griechenland gereist zu sein. Sie habe sich elf Jahre in Griechenland aufgehalten und auch ihre zwei Kinder (der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin) seien in Griechenland geboren. Vom Vater, welcher auch Nigerianer sei und noch in Griechenland lebe, habe sie sich aber getrennt. Sie habe Griechenland verlassen, da die wirtschaftliche Lage und das Gesundheitswesen sehr schlecht gewesen seien und ihre Kinder dort nicht zur Schule gehen konnten. Sie sei geflohen, um ihre Kinder zu retten. Befragt zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, dass sie Nigeria verlassen habe, da ihr Vater sie mit einem Freund zwangsverheiraten habe wollen. Dieser Freund sei gleich alt gewesen wie ihr Vater und bereits verheiratet. Sie habe ihn nicht geheiratet, sei aber schwanger geworden. Als ihr Kind ein Jahr alt gewesen sei, sei sie weggelaufen. Ihre Mutter habe ihr kurz darauf per Telefon mitgeteilt, dass ihr Kind verstorben sei. Im Fall einer Rückkehr befürchte sie, dass sie diesen Mann heiraten müsse, da dieser sehr viel Geld für sie bezahlt habe.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) richtete am 24.08.2015 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn. Darin wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführer laut EURODAC-Treffer am 11.08.2015 in Ungarn einen Asylantrag gestellt hätten.
Das Verfahren wurde in weiterer Folge aber am 10.03.2016 zugelassen, und die Erstbeschwerdeführerin wurde am 20.10.2016 niederschriftlich durch die belangte Behörde einvernommen. Sie erklärte, dass sie und ihre Kinder gesund seien und sich der Vater der Kinder noch in Griechenland aufhalte. Sie habe bereits vor 12 Jahren ihr Heimatland verlassen. Ihre Eltern wären zwischenzeitlich schon verstorben, jedoch habe sie noch gelegentlich Kontakt zu ihrer jüngeren Schwester. Sie habe Nigeria verlassen, da sie von ihrem Vater aufgefordert worden sei, einen Voodoo Priester zu heiraten. Sie sei in das Haus dieses Priesters gebracht worden, wo sich auch schon andere Frauen aufgehalten haben würden. Ihr sei auch mehrmals eine Flucht aus diesem Haus gelungen, sie sei jedoch immer wieder zurückgebracht worden. Der Priester habe sie auch vergewaltigt, woraufhin sie schwanger geworden sei. Im Jahr 2003 habe sie einen Sohn geboren und sei mit Unterstützung ihrer Mutter nach Lagos geflohen. Ihr Vater habe sie aber wieder zu diesem Priester zurückgebracht. Auf Nachfrage, welche konkrete Bedrohung nach dem Tod ihres Vaters noch bestehen würde, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass dieser Priester sie noch mit Voodoo belästigen würde. Ihre Mutter habe sich diesem Priester entgegensetzen wollen, er habe sie jedoch mit einem Voodoo-Zauber getötet. Im Fall einer Rückkehr würde sie befürchten, dass dieser Priester sie und ihre Kinder umbringen würde. Weiters brachte sie vor, dass ihre Kinder keine eigenen Fluchtgründe geltend machen würden.
In der Folge wurden die Anträge der Beschwerdeführer mit den im Spruch genannten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II der angefochtenen Bescheide). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III der angefochtenen Bescheide). Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin wurde als nicht glaubhaft angesehen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr nach Nigeria Gefahren drohen würden, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Es würden sich keine Anhaltspunkte ergeben haben, dass die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr ihren Lebensunterhalt nicht durch berufliche Tätigkeiten bestreiten könnte. Ferner habe sie den Großteil ihres Lebens dort verbracht, habe dort Freunde, Bekannte und Familie, welche sie unterstützen könnten. Auch die Unterstützung von NGO’s würde sie in Anspruch nehmen können.
Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde von 16.12.2016 wurde den Beschwerdeführern gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde fristgerecht am 22.12.2016 Beschwerde erhoben sowie eine Vollmacht für die Vertretung durch den MigrantInnenverein St. Marx vorgelegt. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass die Zwangsverheiratung in Nigeria ein verbreitetes Phänomen sei und der nigerianische Staat weder schutzfähig noch schutzwillig sei. Zudem wäre die Erstbeschwerdeführerin als Mutter von zwei Kindern in Nigeria in einer ausweglosen Situation. Es würde in Nigeria keine Einrichtungen für alleinstehende Mütter geben und sie habe auch keine sozialen Anknüpfungspunkte. Auch aus gesundheitlichen Gründen könnten die Zweit- und Drittbeschwerdeführer nicht nach Nigeria reisen, da sie gegen die dort grassierenden Krankheiten wie etwa Malaria, Gelbfieber, Typhus etc. nie Abwehrkräfte entwickeln konnten und sie im Vergleich zur dortigen Bevölkerung ungleich stärker gefährdet wären. Zudem könne die Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr aufgrund ihrer Eigenschaft als Mutter keiner Arbeit nachgehen und somit nicht für die Gesundheitsversorgung ihrer Kinder aufkommen. Bei richtiger und sorgfältiger Verfahrensführung hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr mit asylrelevanter Bedrohung und unzumutbarer unmenschlichen Behandlung konfrontiert wären.
Zudem wurden folgende Beweisanträge gestellt:
* Bezüglich der Zwangsverheiratung in Nigeria: Anfrage an die Staatendokumentation der belangten Behörde, Befragung der Erstbeschwerdeführerin sowie die Befragung eines Experten in einer mündlichen Verhandlung.
* Bezüglich der Situation in Nigeria: Befragung eines Ländersachkundigen, Befragung der Erstbeschwerdeführerin in einer mündlichen Verhandlung, eine Anfrage an die Staatendokumentation der belangten Behörde zur Möglichkeit von Babys bzw. Kleinkindern zur Reise nach Nigerias sowie eine Anfrage an die Magistratsabteilung für Tropenkrankheiten und Reiseversorgung
Das Bundesverwaltungsgericht möge daher nach mündlicher Verhandlung und Durchführung der beantragten Beweise die bekämpfte Entscheidung beheben und
* feststellen, dass die Abweisung des Antrages auf Asyl und subsidiären Schutz nicht zulässig sei,
* ebenso feststellen, dass die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig seien,
* die Sache zur nochmaligen Bearbeitung an das BFA zurückverweisen und die nötigen Erhebungstätigkeiten anordnen,
* jedenfalls eine mündlich Verhandlung anberaumen, zumal es nicht bloß um eine reine Rechtsfrage ginge, sondern konkret die Frage der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie die Richtigkeit der Rückkehrprognose strittig sei,
* Asyl, in eventu subsidiären Schutz oder wenigstens einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen und feststellen, dass die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nicht zulässig sei.
Den Beschwerden war eine Reiseinformation des österreichischen Außenministeriums über Nigeria beigelegt.
Beschwerden und Bezug habende Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 19.01.2017 vorgelegt.
Am 13.03.2017 fand am Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Personen und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Nigerias. Sie sind somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz.
Die Erstbeschwerdeführerin verließ Nigeria 2004 und hielt sich bis 2015 in Griechenland auf, wo im Jahr 2012 und 2014 ihre beiden Kinder geboren wurden. Die drei Beschwerdeführer stellten am 16.08.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstbeschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.
Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin in Nigeria aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird. Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, Opfer einer Zwangsverheiratung geworden zu sein, ist nicht glaubhaft. Selbst bei Wahrunterstellung wäre diesbezüglich aber nicht von weiteren Verfolgungshandlungen auszugehen bzw. wäre die Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit der nigerianischen Behörden gegeben. Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin Opfer von Menschenhandel ist.
Für den Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Die Beschwerdeführer sind gesund.
Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin sind verstorben; Kontakt besteht nur zu einer jüngeren Schwester, welche eine eigene Familie gegründet hat und welche sie zuletzt vor 13 Jahren gesehen hat.
Vor ihrer Ausreise lebte die Erstbeschwerdeführerin in Benin City, wo sie eine Ausbildung zur Schneiderin machte, welche allerdings nicht abgeschlossen wurde. Sie war in Nigeria nicht berufstätig. Es besteht die reale Gefahr, dass es den Beschwerdeführern nicht möglich wäre, eine Unterkunft zu finden. Aufgrund der fehlenden sozialen Einbettung, der langen Abwesenheit von Nigeria und der fehlenden beruflichen Ausbildung sowie dem Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin alleinerziehende Mutter zweier Kleinkinder ist, ist davon auszugehen, dass sie nicht in der Lage wäre, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Es ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes wahrscheinlich, dass es der Erstbeschwerdeführerin nicht möglich wäre, sich und ihren Kindern das Existenzminimum zu sichern und dass sie in eine existentielle Notlage geraten würden.
1.2. Zur Situation in Nigeria:
Zur aktuellen Lage in Nigeria wurden im angefochtenen Bescheid Feststellungen getroffen, welche auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.09.2016 basieren. Zur Situation von Frauen in Nigeria ergeben sich daraus die folgenden Feststellungen:
Frauen
Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 13.4.2016). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 3.12.2015). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 3.12.2015). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).
Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings mehrere Vizegouverneurinnen (AA 3.12.2015). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering – nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 3 .2016a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 13.4.2016).
Am 25. Mai 2015 verabschiedete die Regierung das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP). Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. In dem Gesetz wird festgelegt, dass die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP) die zuständige Behörde ist. Das Gesetz ist nur im FCT gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 13.4.2016).
Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 13.4.2016).
Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 13.4.2016). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).
Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen 12 Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 13.4.2016).
Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 13.4.2016).
Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 13.4.2016). Es gibt Schätzungen, dass 19,9 Millionen nigerianische Frauen Opfer von FGM sind (IBT 26.5.2015). Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 13.4.2016; vgl. AA 3.12.2015).
Im Jahr 2013 wurde eine Prävalenz der FGM von 25 Prozent berichtet (USDOS 25.6.2015; vgl. UNFPA 9.2.2016). Gemäß UNICEF waren im Jahr 2011 27 Prozent der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren Opfer von FGM. Die gleiche Quelle besagt, dass die Verbreitung von FGM bei jugendlichen Mädchen um die Hälfte gesunken sei (UNICEF 7.2013). Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer, auch weil die Hausa/Fulani-Kultur FGM nicht praktiziert.). Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 3.12.2015). Infibulation kommt im Norden fallweise vor, ist im Süden verbreiteter (USDOS 13.4.2016).
Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen. Diese Möglichkeiten sind allerdings begrenzt. Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9. Februar 2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf , Zugriff 7.7.2016
- AA – Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/D3.8.2016 , Zugriff 30.6.2015
- AllAfrica (3.9.2014): Nigeria: Eradicating Female Genital Cutting, Hope for the Nigerian Child,
http://allafrica.com/stories/201409040129.html , Zugriff 4.8.2016
- BS – Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf , Zugriff 3.8.2016
- IBT – International Business Times (26.5.2015): Nigeria Bans Female Genital Mutilation: African Powerhouse Sends ‘Powerful Signal’ About FGM With New Bill, http://www.ibtimes.com/nigeria-bans-female-genital-mutilation-african-powerhouse-sends-powerful-signal-about-1938913 , Zugriff 1.6.2015
- NHW – Nigerian Healthwatch (10.5.2016): Five big issues at the International Conference of Midwives in Abuja, http://nigeriahealthwatch.com/five-big-issues-at-the-international-conference-on-midwives-in-abuja/ , Zugriff 4.8.2016
- UKHO – United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/546640/CIG_-_Nigeria_-_Women_-_v2.0__August_2016_.pd , Zugriff 26.8.2016
- UKHO – United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf , Zugriff 1.6.2015
- UNICEF (7.2013): Female Genital Mutilation/Cutting. A statistical overview and exploration of the dynamics of change, http://www.unicef.org.uk/Documents/Publications/UNICEF_FGM_report_July_2013_Hi_res.pdf , Zugriff 1.6.2015
- UNFPA (9.2.2016): Female Genital Mutilation must end within a generation, says Nigerian First Lady, http://wcaro.unfpa.org/news/female-genital-mutilation-must-end-within-generation-says-nigerian-first-lady , Zugriff 4.8.2016
- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html , Zugriff 8.7.2016
- USDOS – U.S. Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/306263/443535_de.html , Zugriff 8.7.2016
(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel
Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 7.2014).
Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 3.12.2015).
Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 7.2014).
Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.
Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes – und dort vor allem in den Städten – werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 3.12.2015).
Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).
Eine Auswahl spezifischer Organisationen:
• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin
City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:
info@awegng.org , aweg95@yahoo.com , nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).
• The Women’s Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women’s Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).
• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), Ansprechpartner: Frau Funmi Bello, Women’s Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), Plot 792, House No. 6, Off Ademola, Adetokunbo Crescent, [Behind Rockview Hotel], Wuse 11, Abuja, Tel.:
+ 234 9 4131438, 4131676, Email: funmee200@yahoo.com , Email:
info@wrapa.org , Website: www.wrapa.org . Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung 10 landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013).
• Women Aid Collective (WACOL), Ansprechpartner: Kontakt: Frau Joy
Ngozi Ezeilo, Geschäftsführende Direktorin, Email:
jezeilo@wacolnig.com ; Enugu office (Hauptbüro), No, 9 Umuezebi
Street, Upper Chime, New Haven, Enugu, Tel.: +234-0704-761-828, +234-0704-761-845, Fax: +234-42-256831, Email:
wacolenugu@wacolnigeria.org (WACOL o.D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples’ Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf , Zugriff 7.7.2016
- AWEG – African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htm , Zugriff 3.8.2016
- AWEG – African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htm , Zugriff 3.8.2016
- IOM – International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16800759&objAction=browse&viewType=1 , Zugriff 1.6.2015
- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria
- OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html , Zugriff 29.8.2016
- UKHO – United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/546640/CIG_-_Nigeria_-_Women_-_v2.0__August_2016_.pd , Zugriff 26.8.2016
- WACOL – Women Aid Collective (o.D.a): Contact Us, http://wacolnigeria.org/wacol/?page_id=58 , Zugriff 3.8.2016
- WACOL – Women Aid Collective (o.D.b): About Us, http://wacolnigeria.org/wacol/ , Zugriff 3.8.2016
- WOCON – Women’s Consortium of Nigeria (o.D.a): Contact, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/5 , Zugriff 3.8.2016
- WOCON – Women’s Consortium of Nigeria (o.D.b): About us, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/2 , Zugriff 3.8.2016
Grundversorgung/Wirtschaft
Das solide Wirtschaftswachstum der letzten Jahre (6 bis 8 Prozent) war neben den positiven Entwicklungen in den Banken-, Telekommunikations- und Agrarsektoren auch auf die hohen Öleinnahmen zurückzuführen, die seit zwei Jahren stark zurückgegangen sind (AA 5 .2016). Ab 2004 nutzte Nigeria den Ölgewinn, um seine Schulden zu bezahlen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Reformen der Regierung Obasanjo konnte das Land 2005 mit dem Pariser Club, also den internationalen Gläubigern einen Schuldenerlass um 18 Mrd. US-Dollar von insgesamt 30 Mrd. US-Dollar aushandeln. Im Gegenzug zahlte die nigerianische Regierung 12 Mrd. US-Dollar zurück. Damit ist Nigeria das erste afrikanische Land, das gegenüber dem Pariser Club schuldenfrei geworden ist (GIZ 6.2016c).
Seit 2014 gilt Nigeria als die größte Volkswirtschaft Afrikas. Laut einer im April 2014 veröffentlichten Statistik des National Bureau of Statistics (NBS) übertraf Nigeria das Bruttoinlandsprodukt Südafrikas (GIZ 6.2016c; vgl. AA 5 .2016). Die zentralen Treibkräfte der nigerianischen Wirtschaft, die als Grundlage dieser Berechnung dienten, sind – neben der Ölindustrie - die Unterhaltungsindustrie (Nollywood), die Informationstechnologie und der Handel (GIZ 6.2016c). Mit einem Wachstum des BIP von mehr als 6 Prozent im Jahr gehört Nigeria zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften des Kontinents (GIZ 6.2016c; vgl. AA 5 .2016).
Nigeria ist der zehntgrößte Erdölproduzent der Welt und der größte Erdölproduzent Afrikas. Über 70 Prozent der Staatseinnahmen und 90 Prozent der Exporterlöse stammen aus der Erdöl- und Erdgasförderung. Neben den Erdöl- und Erdgasvorkommen verfügt Nigeria über umfangreiche natürliche Ressourcen (z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine und Posphat), die gesamtwirtschaftlich gesehen jedoch von geringer Bedeutung sind (GIZ 6.2016c).
Neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 3.12.2015). Der Reichtum Nigerias ist das Öl, doch über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. In ländlichen Gegenden beträgt der Anteil über 90 Prozent (AA 5 .2016). Der Sektor erwirtschaftete 2013 etwa 35,4 Prozent des BIP. Produziert werden Nahrungsmittel für den Eigenbedarf sowie Kakao, Erdnüsse, Kautschuk, Cassava, Yam für den Export (GIZ 6.2016c). Nigeria ist Afrikas größter Yam- und Augenbohnenproduzent und der weltweit größte Produzent von Maniok (Kassava) (AA 5 .2016).
Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft – mit Größen von einem bis 5 Hektar (AA 5 .2016). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 6.2016c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde – durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 5 .2016). Eine Lebensmittelknappheit war in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent, in vereinzelten Gebieten im äußersten Norden Nigerias (Grenzraum zur Republik Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen aber auch aufgrund der Flüchtlingsbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten nicht mehr aus (ÖBA 7.2014).
Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) macht nur 24,9 Prozent des BIP im Jahr 2014 aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert (GIZ 6.2016c). Haupthindernis für die industrielle Entfaltung ist die unzureichende Infrastrukturversorgung (Energie und Transport) (GIZ 6.2016c; vgl. AA 28.11.2014). Von den landesweit insgesamt 200.000 Straßenkilometer sind ca. 50 Prozent instandsetzungsbedürftig. Die Eisenbahnlinie Lagos-Kano (ca. 1.300 km) wurde 2013 mit chinesischer Hilfe modernisiert (GIZ 6.2016c).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2016). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2016; vgl. 3.12.2015) und vom informellen Handel sowie (Subsistenz-) Landwirtschaft. Die Wirtschaftsreformen der letzten Jahre haben zwar zu einer makroökonomischen Konsolidierung geführt, aber die Lage der breiten Bevölkerung noch nicht verbessert (AA 3.12.2015).
Über 20 Millionen junge Menschen sind arbeitslos. Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, diesbezüglich Programme umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2016). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 6.2016b).
Verschiedene Studien haben ergeben, dass mehr als 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Nigerias arbeitslos sind und dass 60 Prozent der Arbeitslosen Abgänger der Haupt- oder Mittelschule ohne Berufsausbildung sind (IOM 8.2014). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).
Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit (BS 2016). Die überwiegende Mehrheit der Nigerianer ist im informellen Arbeitsmarkt tätig und bekommt somit keine Pension (TE 25.10.2014). Jedoch wurde das Pension Reform Act novelliert, um die Kosten und Nutzen für die Mitarbeiter von öffentlichen und privaten Sektor zu harmonisieren (BS 2016). Bis März 2016 waren es etwa 7,01 Millionen Arbeitnehmer die beim Contributory Pension Scheme registriert sind und dazu beitragen. Dies repräsentiert etwa 7,45 Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und 3,95 Prozent der gesamten Bevölkerung. 26 von 36 Bundesstaaten haben das Contributory Pension Scheme übernommen (TD 2.5.2016).
Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 6.2016c). Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 3.12.2015).
Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014). Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten.
Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist je nach Region um 35-80 Euro zu erhalten. Saison- und regionalmäßig werden auch gebratene Maiskolben zusätzlich angeboten. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "Minifarming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare über Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Schnecken und "grass-cutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖBA 7.2014).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf , Zugriff 7.7.2016
- AA – Auswärtiges Amt (5.2016): Nigeria – Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_3F520728A4894ACD7F861F33D62DF9E8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html , Zugriff 13.7.2016
- BS – Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,
http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf , Zugriff 13.7.2016
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html , Zugriff 13.7.2016
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016c): Nigeria – Wirtschaft und Entwicklung, http://liportal.giz.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung.html , Zugriff 13.7.2016
- IOM – International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16800759&objAction=browse&viewType=1 , Zugriff 13.7.2016
- TD – This Day (2.5.2016): PenCom DG: Monthly Pension Contribution Hits N25 Billion,
http://www.thisdaylive.com/index.php/2016/05/02/pencom-dg-monthly-pension-contribution-hits-n25-billion/ , Zugriff 13.07.2016
- TE – The Economist (25.10.2014): Fewer ghosts, more savings, http://www.economist.com/news/finance-and-economics/21627721-after-unpromising-start-nigeria-beginning-encourage-local-saving-and , Zugriff 12.6.2015
- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria
Medizinische Versorgung
Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Das öffentliche Gesundheitssystem wird von den drei Regierungsebenen geleitet (VN 14.9.2015) und das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium (IOM 8.2014). Die Bundesregierung ist zuständig für die Koordination der Angelegenheiten in den medizinische Zentren des Bundes und Universitätskliniken. Die Landesregierung ist zuständig für allgemeine Spitäler, die Kommunalregierung für die Medikamentenausgabestellen (VN 14.9.2015).
Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2014).
Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die
Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt (IOM 8.2014). Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von 20-50 Naira (0,1-0,25 Euro) ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, so ferne vorhanden (ÖBA 7.2014).
Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2014).
Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 13.7.2016). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2014).
Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 6.2016b). Die aktuelle Sterberate unter 5 beträgt 128 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die mütterliche Sterblichkeit liegt bei 545 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten (ÖBA 7.2014).
Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten (SFH 22.1.2014; vgl. WPA o.D.). In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (AA 3.12.2015; vgl. SFH 22.1.2014). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 25.000 Naira (ca. 115 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 3.12.2015). Die Kosten einer Hospitalisierung in einer psychiatrischen Einrichtung variieren zwischen den verschiedenen Regionen Nigerias. In Lagos betragen sie im Lagos State University
Teaching Hospital: Zulassungsgebühr (admission deposit): 15.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 5.000 Naira; Am Lagos
University Teaching Hospital: Zulassungsgebühr 23.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 20.000 Naira (SFH 22.1.2014).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (AA 3.12.2015). Gemäß einem Bericht von 2013 vom Health Policy Project (HPP) erreicht das nigerianische Krankenversicherungswesen momentan nur gerade fünf Millionen Menschen. Dies entspricht 3 Prozent der gesamten nigerianischen Bevölkerung. Auf der Webseite des NHIS steht, dass die Krankenversicherung bis ins Jahr 2015 30 Prozent der nigerianischen Bevölkerung erreichen soll (SFH 22.1.2014). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 3.12.2015). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 6.2016b).
Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 3.12.2015). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 3.12.2015). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 13.4.2016).
Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 3.12.2015). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 7.2014).
In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 3.12.2015).
Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2014). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 3.12.2015).
Im Vergleich zu den anderen westafrikanischen Ländern hat sich Ebola in Nigeria nur begrenzt ausgebreitet. Insgesamt gab es 20 bestätigte Ebola-Fälle, 8 davon verliefen tödlich. Präsident Goodluck Jonathan erklärte in der UN-Vollversammlung vom 25. September 2014, dass Nigeria Ebola-frei sei. Damit hatte Nigeria bewiesen, dass das Ebola-Virus kontrollierbar ist. Am 20. Oktober 2014 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Nigeria offiziell für Ebola-frei. Nigeria gilt somit als Vorbild bei der Bekämpfung der Ausbreitung von Ebola (GIZ 6.2016b).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf , Zugriff 7.7.2016
- AA – Auswärtiges Amt (13.7.2016): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html , Zugriff 13.7.2016
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2015b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html , Zugriff 13.7.2016
- IOM – International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014,_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2 , Zugriff 13.7.2016
- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria
- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (22.1.2014): Nigeria:
Psychiatrische Versorgung,
http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1391265297_document.pdf , Zugriff 13.7.2016
- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html , Zugriff 2.8.2016
- VN – VisitNigeria (14.9.2015): Nigeria Healthcare System – The Good and the Bad,
http://www.visitnigeria.com.ng/nigeria-healthcare-system-the-good-and-the-bad/ , Zugriff 13.7.2016
- WPA – World Psychiatric Association (o.D.): Association of Psychiatrists in Nigeria (APN), http://www.wpanet.org/detail.php?section_id=5content_id=238 , Zugriff 12.6.2015
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführer:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen und unbestritten gebliebenen Feststellungen.
In der Beschwerde wurde die nigerianische Staatsbürgerschaft des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin bestritten. In der vorgelegten griechischen Geburtsurkunde der Drittbeschwerdeführerin wird Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin als Mutter und ihre nigerianische Staatsbürgerschaft genommen, ein Vater ist der Urkunde nicht zu entnehmen. In der Beschwerde wird behauptet, die Staatsbürgerschaft der Kinder sei ungeklärt, da der Besitz der nigerianischen Staatsbürgerschaft an den Vater geknüpft sei. Dies wird in der Beschwerde allerdings nicht näher begründet und entspricht dies aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch nicht der Rechtslage. Laut Artikel 25 (1c) des Kapitels III der Verfassung Nigerias aus dem Jahr 1999, welche noch immer in Kraft ist, ist jede Person durch Geburt nigerianischer Staatsbürger, wenn ein Elternteil die nigerianische Staatsbürgerschaft hat. Aufgrund der nigerianischen Staatsbürgerschaft der Erstbeschwerdeführerin ist daher auch für den Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin von einer solchen auszugehen.
Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Erstbeschwerdeführerin entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer:
Für den Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Die Erstbeschwerdeführerin gab zusammengefasst an, dass sie in Benin City gelebt habe und von ihrem Vater gegen Entgelt an einen älteren Mann, einen Voodoo-Priester, verheiratet worden sei; sie habe diesem ein Kind geboren, das aber verstorben sei. Im Frühjahr 2004 sei ihr die Flucht gelungen.
Die belangte Behörde kam zum Ergebnis, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist. Dazu ist anzumerken, dass ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden war, in dem der Beschwerdeführerin ausreichend Zeit gewährt wurde, um ihr Vorbringen zu schildern.
Die Behörde und in weiterer Folge das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht. Im gegenständlichen Fall ist dem BFA zuzustimmen, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin nicht glaubhaft ist, dies aus den folgenden Erwägungen:
Dem BFA kann nicht entgegen getreten werden, wenn es feststellt, dass das Vorbringen gänzlich vage geschildert und im Laufe der Einvernahme am 20.10.2016 gesteigert worden war. Nachdem die Erstbeschwerdeführerin bereits erklärt hatte, sie habe alle Fluchtgründe vorgebracht, setzte sie am Ende der Einvernahme noch nach und erklärte, dass der Voodoo-Priester ihre Mutter getötet habe. Auch gibt sie einerseits an, dass sie den Priester habe heiraten sollen, dann wieder dass sie zwar anscheinend zumindest ein Jahr bei ihm lebte, eine Heirat aber nicht stattfand. Das BFA wies auch zu Recht darauf hin, dass die Erstbeschwerdeführerin in der Erstbefragung gesagt habe, dass sie von dem Voodoo-Priester weggelaufen sei, als ihr Kind ein Jahr alt gewesen sei; dies lässt sich aber nicht damit vereinbaren, dass sie nach ihren Angaben im Jänner 2013 zu diesem Mann kam und im Frühjahr 2004 Nigeria verließ. Ein weiterer Widerspruch wird offenbar, wenn die Beschwerdeführerin in der Erstbefragung erklärte, der Voodoo-Priester sei reich gewesen und ihre Familie arm, und dann gegenüber dem BFA in der Einvernahme am 20.10.2016 erklärte, ihr Vater sei ein sehr mächtiger Mann gewesen. Es ist auch auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 der Behörde nicht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben – unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind – einzubeziehen (VwGH, Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0090 oder auch Beschluss vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0189).
Insgesamt muss sich daher das Bundesverwaltungsgericht der Schlussfolgerung der belangten Behörde anschließen, dass das Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin nicht glaubhaft ist.
Der Vollständigkeit halber wird zudem darauf hingewiesen, dass das Vorbringen – bei hypothetischer Wahrunterstellung – auch keine Asylrelevanz aufzeigen würde. Bei einer Rückkehr nach Nigeria hätte die Erstbeschwerdeführerin keine Verfolgung durch den Voodoo-Priester zu befürchten. Es ist nicht plausibel, dass die Erstbeschwerdeführerin für diesen nach 13 Jahren noch von besonderem Interesse wäre und wäre es ihm zudem nicht möglich, sie wiederzufinden. Die treibende Kraft hinter dem Vertrag, ihr Vater, ist bereits verstorben. Außerdem würde es sich um eine Verfolgung durch Privatpersonen handeln. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates könnte gegenständlich aber nicht ausgegangen werden. Dies wird in der Beschwerde zwar behauptet, allerdings ohne dies näher auszuführen. Soweit diesbezüglich eine Anfrage an die Staatendokumentation beantragt wurde, wird darauf verwiesen, dass von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes darauf ebenso verzichtet wird wie auf die beantragte Befragung eines Experten in der mündlichen Verhandlung, da das Vorbringen zur Zwangsverheiratung ohnehin als nicht glaubhaft bewertet wird und in der Beschwerde den Feststellungen im angefochtenen Bescheid auch nicht substantiiert entgegengetreten wurde.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.03.2017 wurde darüber hinaus von der Erstbeschwerdeführerin geltend gemacht, dass sie ein Opfer von Menschenhandel sei. Bei ihrer Ausreise aus Nigeria sei ihr versprochen worden, dass sie in Griechenland ihre Ausbildung zur Schneiderin beenden könne, stattdessen habe sie als Prostituierte zu arbeiten begonnen, um die von den Menschenhändlern verlangte Summe von 50.000 Euro zurückzuzahlen. Im Jahr 2010 sei sie in Griechenland wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes inhaftiert worden, nach ihrer Entlassung aus der Haft im Jahr 2011 habe sie den späteren Vater ihrer Kinder kennengelernt und sei zu diesem gezogen. Sie sei aber weiter von den Menschenhändlern bedroht worden, habe sich deswegen von dem Vater ihrer Kinder getrennt und sei dann 2015 nach Österreich weitergereist.
Grundsätzlich kann es durchaus Fälle geben, wo eine Asylrelevanz wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe von systematisch organisiertem Frauenhandel gegeben ist (vgl. dazu VwGH, 23.02.2011, 2011/23/0064 und AsylGH 14.05.2009, C 15 263.728-0/2008 bzw. BVwG vom 11.04.2016, GZ. W211 1425426-1 sowie BVwG vom 06.02.2017, I403 2144996-1/3E und oder auch die Definition der "geschlechtsspezifischen Verfolgung" auf www.unhcr.at , wo explizit auch Frauenhandel genannt ist).
Unter "Menschenhandel" ist im Sinne des Art. 2 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 2011/36/EU (Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels; Umsetzungsfrist: April 2013) "die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen, einschließlich der Übergabe oder Übernahme der Kontrolle über diese Personen, durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderer Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Schutzbedürftigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die die Kontrolle über die andere Person hat, zum Zwecke der Ausbeutung" zu verstehen.
Ausbeutung im Sinne der genannten Richtlinie umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung sowie Zwangsarbeit oder erzwungene Dienstleistungen (einschließlich Betteltätigkeiten, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Ausnutzung strafbarer Handlungen oder die Organentnahme). Ausbeutung liegt vor, sobald eine Person genötigt wird (unter Androhung oder Anwendung von Gewalt, Entführung, Betrug, Täuschung usw.), wobei es keine Rolle spielt, dass das Opfer seine Zustimmung gegeben hat.
Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Griechenland verbracht und dort zur Prostitution gezwungen worden zu sein, würde der Definition von Menschenhandel, der seinen Ausgang im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin, in Nigeria, genommen hat, entsprechen. Nigeria ist eine Drehscheibe des internationalen Frauen- und Menschenhandels. Opfer von Menschenhandel können Flüchtlinge im Sinne von Art 1 A (2) der GFK sein, wenn sie alle der dort genannten Voraussetzungen für das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft erfüllen (UNHCR-Richtlinien zum Schutz von Opfern von Menschenhandel; vgl. auch EGMR, Statement of Facts – 49113/09, L.R. gegen Vereinigtes Königreich).
Das entsprechende Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin ist aber ebenfalls nicht glaubhaft. Insbesondere fand es erst in der mündlichen Verhandlung Erwähnung. Nun wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht verkannt, dass es Opfern von Menschenhandel besonders schwer fallen mag sich zu öffnen und den Behörden zu vertrauen (vgl. dazu den Ergebnisbericht des gemeinsamen Projektes von IOM, UNHCR und BAMF zu "Identifizierung und Schutz von Opfern des Menschenhandels im Asylsystem" vom Mai 2012, S. 76), was dazu führt, dass unwahre Angaben in früheren Verfahren nicht automatisch zur Annahme einer Unglaubhaftigkeit des nachträglichen Menschenhandelsvorbringen führen dürfen. Im gegenständlichen Fall ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Erstbeschwerdeführerin selbst angibt, dass sie zuletzt 2010 als Prostituierte tätig gewesen sei, wodurch eine gewisse zeitliche Distanz zu den Vorfällen jedenfalls gegeben ist, was es wenig realistisch erscheinen lässt, dass die Erstbeschwerdeführerin Menschenhandel weder in einer der drei Befragungen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens noch in ihrer Beschwerde erwähnt. Unabhängig von der Frage des Neuerungsverbotes spricht der Umstand des sehr späten Vorbringens in diesem konkreten Fall gegen die Glaubwürdigkeit, insbesondere da die Erstbeschwerdeführerin selbst gegenüber der Richterin erklärte, dass die Organisation sie in Österreich nicht erreichen könnte. Die Erstbeschwerdeführerin verblieb in ihren Schilderungen der Zeit, welche sie in Abhängigkeit vom Menschenhändlerring verbracht haben will, auch in einer sehr vagen und unkonkreten Darstellung. So konnte sie etwa nicht plausibel darlegen, warum die Organisation sie in Thessaloniki, wohin sie mit dem Vater ihrer Kinder gezogen war, gefunden haben sollte. Es wäre ihr auch offen gestanden, sich in Griechenland an die Polizei zu wenden, wenn sie tatsächlich von der Organisation auch nach der Geburt ihrer Kinder verfolgt worden wäre. In der mündlichen Verhandlung legte die Erstbeschwerdeführerin einen handgeschriebenen Zettel vor, auf dem neben Daten aus den Jahren 2004 bis 2006 verschiedene Geldsummen verzeichnet sind; ihren Angaben nach handelt es sich dabei um das Geld, das sie bei der Prostitution verdient und dann abgegeben habe. Abgesehen davon, dass sich aus dem Zettel nicht ergibt, wann er geschrieben wurde, sind auch die Summen nicht wirklich nachvollziehbar; wenn die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich als Zwangsprostituierte gearbeitet hätte, sind Zahlungen von 400 bis 500 Euro in einem Monat, wie sie dem Zettel teilweise zu entnehmen sind, wohl als gering anzusehen. Insgesamt wurden dabei laut diesen Aufzeichnungen in weniger als 2 Jahren 10.000 Euro bezahlt. Dies lässt wiederum an der Aussage der Erstbeschwerdeführerin zweifeln, dass sie insgesamt 20.000 Euro an die Organisation bezahlt habe, war sie danach doch noch vier Jahre für die Organisation tätig und hatte sie in zwei Jahren doch angeblich bereits mehr als 10.000 Euro bezahlt. Dieser Zettel kann das Vorbringen der Beschwerdeführerin, Opfer von Menschenhandel zu sein, nicht belegen und kann dem von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes auch kein Glauben geschenkt werden.
Für den Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
2.4. Zur Situation im Fall einer Rückkehr nach Nigeria:
Die Feststellung zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergibt sich aus dem Umstand, dass keinerlei gesundheitliche Beschwerden, abgesehen von Magenschmerzen der Erstbeschwerdeführerin, geltend gemacht wurden, und sich Hinweise darauf auch nicht aus der Aktenlage ergeben. Generell wäre daher von einer Arbeitsfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin auszugehen. Allerdings verfügt die Erstbeschwerdeführerin weder über eine abgeschlossene Schulbildung noch hat sie eine Berufsausbildung abgeschlossen. Nach ihren eigenen Aussagen war sie, abgesehen von der Prostitution, nie berufstätig. Die Kinder der Erstbeschwerdeführerin sind zum Entscheidungszeitpunkt knapp über zwei bzw. vier Jahre alt, und es besteht ein hoher Betreuungsaufwand, von dem sich die erkennende Richterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung persönlich überzeugen konnte.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria abgesehen von ihrer jüngeren Schwester keinen familiären Anschluss und kein soziales Netzwerk hat, ergibt sich aus ihren diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben in den verschiedenen Befragungen des gegenständlichen Verfahrens bzw. aus dem Umstand, dass nach einer Abwesenheit von 13 Jahren der Verlust von Bindungen und Kontakten plausibel erscheint.
Die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage ist für die Mehrheit der Bevölkerung in Nigeria problematisch. Ein staatlich organisiertes Hilfsnetz für Mittellose existiert nicht. Von dieser Situation ist im besonderen Maße die Gruppe der alleinstehenden Frauen betroffen, welche darüber hinaus vielen Arten von Diskriminierung ausgesetzt sind. Sie finden meist nur schwer eine Unterkunft und eine berufliche Tätigkeit in Nigeria, dies umso weniger, je geringer die Schul- bzw. Berufsausbildung ist. Da es in Nigeria keinerlei staatliche finanzielle oder soziale Unterstützung gibt, sind alleinstehende Frauen meist von finanziellen Zuwendungen durch die Familien, Nachbarn oder Freunde abhängig. Zwar ist es auch für den Personenkreis der alleinstehenden Frauen nicht gänzlich unmöglich bzw. ausgeschlossen, sich eine wirtschaftliche Grundexistenz zu schaffen, so etwa im Südwesten des Landes und in den Städten, in denen alleinstehende Frauen eher akzeptiert werden. Mancherorts existieren auch Hilfseinrichtungen bei verschiedenen Kirchengemeinden oder Nicht-Regierungs-Organisationen, die verschiedene Hilfestellungen anbieten, deren Inanspruchnahme jedoch von dem persönlichen Wissen und Engagement der betroffenen Frau bzw. ihrer Zugehörigkeit zur dortigen Gemeinschaft abhängig ist. Darüber hinaus sind alleinstehende Frauen an fremden Orten von Prostitution und Menschenhandel bedroht (vgl. dazu Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Aachen vom 24.08.2015, GZ 2 K 1785/14.A unter Angabe verschiedener Quellen).
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes lässt sich im konkreten Fall die Frage einer etwaigen Rückkehrgefährdung für die Beschwerdeführer nicht einfach beantworten. Es wird keineswegs verkannt, dass für Frauen, auch wenn diese alleinstehend sind, eine Rückkehr nach Nigeria nicht automatisch dazu führt, dass sie in eine unmenschliche Lage bzw. eine Notlage geraten und ihre in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verletzt werden. Die Beschwerdeführer sind auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht und entsteht für sie auch keine Gefährdung durch die Auseinandersetzungen und Anschläge von Boko Haram im Norden des Landes.
Allerdings bestehen bei der Erstbeschwerdeführerin besondere Verletzlichkeiten, welche im angefochtenen Bescheid bei der Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz nur unzureichend beachtet wurden. Die besondere Vulnerabilität der Erstbeschwerdeführerin entsteht durch ihren fehlenden sozialen Rückhalt, einer langjährigen Abwesenheit von Nigeria, einer fehlenden beruflichen Erfahrung und insbesondere dem Umstand, dass sie Mutter von zwei Kleinkindern ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht nicht davon aus, das grundsätzlich bei alleinstehenden Frauen mit einem Kleinkind eine Extremgefahr zu prognostizieren ist, denn generell ist es in Nigeria Frauen möglich, ökonomisch eigenständig zu leben. Das Gericht hat jedoch in diesem besonderen Fall die Überzeugung gewonnen, dass konkret für die Erstbeschwerdeführerin als alleinstehende Frau aufgrund ihrer individuellen Voraussetzungen und konkreten Lebenssituation mit zwei Kleinkindern bei einer Rückkehr nach Nigeria mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage besteht, da in ihrem Fall besondere Risikofaktoren zutreffen und sich die Situation hinsichtlich der Existenzbedingungen in Nigeria zuspitzen würde. Im vorliegenden Fall wäre die Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr als alleinstehende Frau und Mutter zweier Kleinkinder ohne stabile familiäre Unterstützung gezwungen, für sich und ihre Kinder eigenständig eine wirtschaftliche Existenz in Nigeria aufzubauen. Die Erstbeschwerdeführerin gibt an, dass sie in Kontakt mit ihrer jüngeren Schwester steht. In der mündlichen Verhandlung meinte sie dazu, dass ihre Schwester "noch sehr klein" sei. Auf Nachfrage gab sie an, dass diese 1992 geboren sei. Verständlich wird die Aussage der Erstbeschwerdeführerin, wenn man sich vor Augen führt, dass ihre Schwester 12 Jahre alt war, als die Erstbeschwerdeführerin Nigeria verlassen hatte. Generell wird davon auszugehen sein, dass Frauen, welche in Nigeria über Familie verfügen, eine Rückkehr zumutbar ist. Gegenständlich besteht aber die reale Gefahr, dass die Erstbeschwerdeführerin aufgrund ihrer Abwesenheit von 13 Jahren und dem Umstand, dass sie etwa den Mann ihrer Schwester gar nicht kennt, keinerlei Unterstützung durch ihre Familie erfahren würde, zumal sie als unverheiratete Frau mit zwei Kindern Ablehnung erfahren könnte. Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin sind verstorben. Ein sonstiges Netzwerk kann nach einer derart langen Abwesenheit nicht angenommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die Erstbeschwerdeführerin zum Aufbau einer Existenz nicht auf eine vorhandene Familienstruktur zurückgreifen könnte.
Darüber hinaus hat die Erstbeschwerdeführerin ihre Ausbildung zur Schneiderin nicht abgeschlossen und war in Nigeria nie erwerbstätig. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Nigeria an irgendeine eigenständige berufliche Tätigkeit zur Erreichung einer existenzsicheren Arbeit anknüpfen könnte. Die bei der Anhörung in der mündlichen Verhandlung spürbare existenzielle Verzweiflung der Erstbeschwerdeführerin, im Falle einer Rückkehrentscheidung nicht zu wissen, wo sie hingehen könne und wie sie sich und ihre Kinder ernähren könne, ist glaubhaft. Sie wäre im Falle ihrer Rückkehr mit ihren Kindern auf sich selbst gestellt. Die Erstbeschwerdeführerin ist auch in Österreich kaum in der Lage, neben der Kinderbetreuung sonstige Aktivitäten wie den Besuch von Deutschkursen vorzunehmen. Ihre Kinder sind in einem Alter, das einen hohen Betreuungsaufwand mit sich bringt. Es erscheint unwahrscheinlich, dass es der Erstbeschwerdeführerin möglich sein sollte, alleine für ihre Kinder zu sorgen und zeitgleich eine existenzsichernde Arbeit zu finden. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin mit einer Unterstützung in Nigeria durch den in Griechenland lebenden Kindesvater, der die Vaterschaft im Übrigen auch nicht anerkannt hat, rechnen könnte. Nach der oben dargestellten Sachlage und den persönlichen Voraussetzungen der Erstbeschwerdeführerin ist bei einer Rückkehr nach Nigeria mit einer existenziellen lebensbedrohenden Notlage der Familie in absehbarer Zeit zu rechnen.
Diese Umstände fügen sich zu einem Bild zusammen, dass die Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Nigeria kaum in der Lage wäre, für sich und ihre Kinder zu sorgen und sich eine unabhängige Existenz zu sichern. Vielmehr besteht die reale Gefahr, dass die Erstbeschwerdeführerin sich keine Existenz sichern könnte oder sich dem (den Länderfeststellungen zu entnehmenden) in Nigeria weit verbreiteten Missbrauch an Frauen aussetzen müsste bzw. zur Prostitution gezwungen werden würde. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die Familie im Falle einer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung zu erwarten hat, welche unter den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fällt. Die Rückkehrgefährdung betrifft alle drei Beschwerdeführer gleichermaßen, da jeder in seiner Existenz bedroht wäre.
Soweit in der Beschwerde darauf verwiesen wird, dass Zweitbeschwerdeführer und Drittbeschwerdeführerin nicht in Nigeria geboren seien und daher besonders anfällig für dort vorkommende Krankheiten seien, muss dem entgegengehalten werden, dass damit keine reale Gefahr einer tatsächlichen Bedrohung für die Kinder aufgezeigt wird. Der vage Hinweis auf Tropenkrankheiten vermag keine reale Gefahr aufzuzeigen, so dass dem Antrag, eine Anfrage an die Magistratsabteilung für Tropenkrankheiten und Reisevorsorge bzw. an das Gesundheitsamt zu stellen, nicht nachgekommen wird. Zudem ist den Länderfeststellungen, denen auch nicht entgegengetreten wurde, zu entnehmen, dass eine grundsätzliche medizinische Versorgung in Nigeria gegeben ist.
2.5. Zu den Länderfeststellungen
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatliche Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).
Den Länderfeststellungen wurde auch im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Die Erstbeschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, dass ihr aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention Verfolgung droht; ihr Vorbringen war nicht glaubhaft und wäre in Bezug auf die vorgebrachte Zwangsverheiratung selbst bei theoretischer Wahrunterstellung nicht asylrelevant, da von keinen weiteren Verfolgungshandlungen auszugehen wäre bzw. von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates nicht ausgegangen werden dürfte.
Für den Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsstaat Nigeria keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchteil I der angefochtenen Bescheide zu bestätigen ist.
3.2. Zum Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II der angefochtenen Bescheide):
Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Die belangte Behörde hatte die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass es der Erstbeschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr in Nigeria möglich sein sollte, sich am Arbeitsmarkt zu integrieren. Damit negiert das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aber insbesondere den Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin Mutter von zwei Kleinkindern ist und seit 13 Jahren nicht mehr in Nigeria war. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443). Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass grundsätzlich für alleinstehende Frauen bei einer Rückkehr nach Nigeria die Möglichkeit besteht, Unterkunft und Arbeit zu erlangen und es sohin real möglich ist, eine Existenz zu begründen und die eigenen Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Gegenständlich sind aber derart exzeptionelle Umstände gegeben, dass im Falle einer Rückkehr der Beschwerdeführer nach Nigeria (wobei im Falle des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin gar nicht von einer Rückkehr gesprochen werden könnte) die reale Gefahr besteht, dass es der Familie nicht möglich ist, sich eine Lebensgrundlage zu schaffen. Die Erstbeschwerdeführerin ist Mutter zweier Kleinkinder, so dass ihre Erwerbsaufnahme im Falle einer Rückkehr nach Nigeria massiv erschwert wäre. Es erscheint kaum realistisch, dass sie es sich leisten können sollte, die Kinder in einer Betreuungseinrichtung unterzubringen; ein sozialer oder familiärer Rückhalt ist aufgrund der Abwesenheit von 13 Jahren und des Umstandes, dass die Eltern der Erstbeschwerdeführerin verstorben sind, nicht zu erwarten. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, wie die Erstbeschwerdeführerin sich und ihren Kindern eine, wenn auch bescheidene, Existenz sichern können sollte.
Die Gewährung eines Status nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 setzt voraus, dass die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK aufgezeigt wird (vgl. zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19/0036-5). Eine solche reale Gefahr besteht im Falle einer Rückkehr nach Nigeria für jeden der Beschwerdeführer.
Ausschlussgründe im Sinne des § 9 AsylG 2005 liegen nicht vor. Den Beschwerdeführern ist daher der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zu erteilen.
3.3. Zur Aufhebung der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III der angefochtenen Bescheide)
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.
Da im gegenständlichen Fall den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung nicht (mehr) vor.
Daher waren die von der belangten Behörde in Spruchpunkt III der angefochtenen Bescheide angeordneten Rückkehrentscheidungen und die Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG ersatzlos aufzuheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
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