BVwG W163 2137550-2

BVwGW163 2137550-227.10.2016

AsylG 2005 §12a Abs1
AsylG 2005 §12a Abs2
AVG 1950 §68
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §12a Abs1
AsylG 2005 §12a Abs2
AVG 1950 §68
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W163.2137550.2.00

 

Spruch:

W163 2137550-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich

verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2016, Zl. 422972809-161374359, erfolgte Aufhebung des Abschiebeschutzes betreffend Herrn XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 in der Fassung BGBl. I 10/2016, nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2016, Zl. 422972809-161374359, wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Erstverfahren

1. Der im Spruch angeführte Asylwerber (in der Folge: AW), ein indischer Staatsangehöriger, reiste unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein und brachte am 13.08.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

2. Das Bundesasylamt, Außenstelle Wien (in der Folge: BAW), wies mit Bescheid vom 11.06.2008, Zl. 07 07.287-BAW, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.); weiters wurde dem AW der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der AW § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das BAW zusammengefasst aus, dass die Angaben des Antragstellers, er sei ihm Rahmen einer Protestkundgebung gegen den als Heiligen auftretenden XXXX festgenommen und geschlagen worden und es drohe ihm Verfolgung im Falle der Rückkehr, grundsätzlich nicht als glaubwürdig zu erachten waren. In Hinblick auf die Länderfeststellungen könnten auch von Amts wegen keine stichhaltigen, dem Refoulement des AW nach Indien entgegenstehende Gründe erkannt werden. Weiters wurde festgestellt, dass die Familie des AW nach wie vor in Indien lebe und die Ausweisung keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

Eine Berufung gegen den Bescheid des BAW wurde nicht eingebracht, die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

I.2. Zweites Verfahren

1. Am 25.07.2011 brachte der AW einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein. Der AW brachte im Verfahren zusammengefasst vor, er sei nach Indien zurückkehrt und die im ersten Asylverfahren angegebenen Probleme hätten sich durch einen Wohnsitzwechsel seiner Eltern gelöst, er hätte jetzt aber andere Probleme in seiner Heimat. Er sei mit einem Homosexuellen in Kontakt gekommen und es hätte sich eine Beziehung entwickelt. Die Familie des Freundes hätte die beiden "im Bett erwischt" und den AW verprügelt. Einmal sei der AW mit seiner Mutter unterwegs gewesen und die Brüder des Freundes hätten sie mit einem Säbel attackiert und die Mutter erstochen. Im Zuge der Abwehr des Angriffes sei ein Angreifer zu Sturz gekommen und das Startpedal seines Mopeds hätte sich ins Auge des Angreifers gebohrt. Sowohl seine Mutter als auch der Angreifer seien ums Leben gekommen.

2. Das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost (im Folgenden: BAA), hat mit Bescheid vom 13.01.2012, Zl. 11 07.814-EAST Ost, den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und den AW gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt II.)

3. Die gegen den unter Punkt 2. genannten Bescheid erhobene Beschwerde hat der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 09.02.2012. Zl. C8 423993-1/2012/4E, gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte der Asylgerichtshof zusammengefasst aus, dass dem Vorbringen kein glaubhafter Kern entnommen werden könne. Der neu ins Treffen geführte Fluchtgrund erweise sich als vage und unplausibel. Zudem hätte die durch eine Vertrauensperson des landeskundlichen Sachverständigen für Indien durchgeführte Recherche eindeutig ergeben, dass die nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe nicht den Tatsachen entsprechen. Der Vater der BF habe sowohl die Rückkehr seines Sohnes nach Indien sowie den Tod des vom BF genannten Mannes im Ort verneint. Es haben sich auch keine Hinweise darauf ergeben, die dafür sprechen würden, dass dem AW bei einer Rückführung nach Indien wegen seiner Ausreise Probleme im Sinne eines realen Risikos einer unmenschlichen Behandlung drohen würden.

I.3. Drittes (gegenständliches) Verfahren

1. Am 04.10.2016 brachte der AW im Stande der Schubhaft den nunmehr verfahrensgegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz ein. Im Zuge der Erstbefragung durch ein Organ der Bundespolizei gab der AW zur Frage, was sich seit rechtskräftigem Abschluss seiner Asylverfahren geändert hätte, an, es hätte sich nichts geändert, er sei homosexuell und dies sein "in seiner Religion verboten". Im Falle der Rückkehr befürchte er, von Parteiangehörigen der XXXX umgebracht zu werden. Diese Partei sei derzeit an der Macht und der jetzige Präsident von Indien stamme aus dieser Partei. Sie würden nicht zögern, jemanden umzubringen. Im Internet könne man sehen, wieviele unschuldige Personen umgebracht worden seien. In der Nähe von XXXX hätten sie bereits drei Homosexuelle umgebracht.

2. Am 06.10.2016 wurde dem AW die "Information über die bevorstehende Abschiebung gemäß § 58 Abs. 2 FPG vom 05.10.2016" persönlich ausgefolgt. Dem AW wurde mit dieser Mitteilung mitgeteilt, dass er am 14.10.2016 um 22.45 Uhr nach Indien/Dehli abgeschoben werde.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 10.10.2016 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) dem AW gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mit, dass beabsichtigt sei, den Antrag wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen.

4. Am 18.02.2010 wurde der AW im Beisein eines Rechtsberaters vor der BFA im Polizeianhaltezentrum XXXX, EAST-Ost, niederschriftlich im Asylverfahren einvernommen. Der AW gab auf konkrete Fragen an, er habe im Jahr 2011 Österreich verlassen und sei in Indien gewesen. In Österreich habe er als Zeitungszusteller Geld verdient. Der AW gab auf konkrete Fragen an, dass seine Fluchtgründe immer noch bestehen würden, er habe auch neue Fluchtgründe. Er sei homosexuell und es gebe jetzt ein Gesetz, dass Homosexualität in Indien verboten sei. Sein Leben sei in Indien in Gefahr. Die Organisation XXXX nehme Homosexuelle fest und quäle sie. Diese Organisation hätte es immer schon gegeben und die jetzige Regierung sei auf Seiten der Organisation, weshalb diese sehr aktiv geworden seien. Anschließend wurden dem AW Länderfeststellungen zur Kenntnis gebracht und dem AW die Möglichkeit gegeben, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Der AW gab an, er wisse, wie die Lage in Indien sei.

Abschließend zur Einvernahme wurde folgendes protokolliert:

"Der Vertreter gibt, an, dass er nicht verstanden habe, was dem AW an Länderfeststellungen übersetzt wurde, insbesondere interessiert mich, was zum neuen Gesetz gegen Homosexuelle vorgehalten wurde. Weiters ersuche ich um schriftliche Ausfertigung des Ergebnisses der heutigen ärztlichen Untersuchung. Schließlich möchte ich noch um Bekanntgabe bzw. Akteneinsicht bezüglich der Angabe des BFA, dass es ein Heimreisezertifikat gegeben hätte und eine Abschiebung für den 14.10.2016 gebucht gewesen sei. Schließlich hat der AW einen Antrag gemäß § 55 AsylG gestellt. Da er sehr gut integriert ist und zwingende Versagensgründe nicht vorliegen. Der Sachverhalt der entschiedenen Sache ist sohin nicht verwirklicht."

5. Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 18.10.2016, Zl. 422972809-161374359, erfolgte die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG.

Die von Amts wegen übermittelten Verwaltungsakten langten am 24. 10.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurden in Anwendung der Geschäftsverteilung der Geschäftsabteilung W163 zugewiesen. Mit Mitteilung vom selben Tag wurde das BFA vom Einlangen verständigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweiswürdigung

Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt.

Zu Spruchpunkt A)

1. Rechtlicher Rahmen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl I 33/2013 idF 85/2015, geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht waren, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles (sowie auf hier nicht maßgebliche andere Verfahren die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984,) und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl 51/1991 idF BGBl I 33/2013, sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF 10/2016, lautet auszugsweise:

"Faktischer Abschiebeschutz

§ 12. (1) Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt.

[...]

Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

[...]

§ 22 (10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

[...]"

§ 22 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF 68/2013, lautet:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Der AW hat den gegenständlichen Folgeantrag am 04.10.2016 gestellt. Die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 ist den Fällen des Abs. 1 leg cit subsidiär, in welchen Fremden dieser Schutz schon ex lege nicht zukommt. Hier liegt schon deswegen kein Fall des Abs. 1 leg cit vor, weil der davor gestellt Asylantrag des Beschwerdeführers letztlich durch das abweisende Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.02.2012 erledigt wurde. Zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen.

2.2. Aus folgenden Erwägungen kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass der Antrag des AW voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhalts eingetreten ist:

2.2.1. Eine der Voraussetzungen für die Aberkennung faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird.

"Siehe dazu die Erl zur RV 330 BlgNR XXIV. GP 11 ff des FrÄG 2009, auf das § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im Kern zurückgeht: "Abs. 2 regelt die Vorgangsweise bei Folgeanträgen nach [...] zurück- oder abweisenden Entscheidungen (§§ 3, 4, 8 und diesen Entscheidungen folgende Entscheidungen gemäß § 68 Abs. 1 AVG) und bestimmt, dass der faktische Abschiebeschutz eines Fremden in diesen Fällen während des laufenden Verfahrens zur Entscheidung über den Folgeantrag unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden kann. [...] Die Änderung des Sachverhalts hat sich in zeitlicher Hinsicht auf den zum Entscheidungszeitpunkt des vorigen Verfahrens festgestellten Sachverhalt zu beziehen. Die Z 2 stellt eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags dar. [...] Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 1 AVG hat es sich um eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes zu handeln, was nur dann anzunehmen sein wird, wenn sich daraus voraussichtlich eine in den Hauptinhalten anders lautende Entscheidung ergeben würde. Naturgemäß bleibt der amtswegige Ermittlungsgrundsatz (in Zusammenschau mit den Mitwirkungspflichten des Asylwerbers gemäß § 15) aufrecht. Die Behörde hat ihre Entscheidung über die Aufhebung demgemäß auf die Ergebnisse des durch den Folgeantrag ausgelösten Ermittlungsverfahrens zu gründen."

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes kann freilich dazu führen, dass der Asylwerber trotzdem - vor der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag - außer Landes gebracht wird und dass dies unter Umständen mit Folgen verbunden ist, vor denen das Asylrecht gerade schützen will. An eine solche Prognose sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als in vergleichbaren Fällen (etwa der Beschleunigung eines Verfahrens gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 auf Grund der irrigen Prognose, der Asylantrag werde abzuweisen sein) (vgl. AsylGH 15.02.2011, D6 413116-2/2011).

2.2.2. Für die Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG gilt Folgendes:

Eine Entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund des selben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn das selbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431).

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs. 1 AsylG 2005 - kann die Behörde nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391 mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG 2005, nämlich § 28 AsylG 1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 99/20/0193; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480; 4.11.2004, 2002/20/0391; 29.9.2005, 2005/20/0365; 25.4.2007, 2004/20/0100). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen - gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung - zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391; 21.9.2006, 2006/19/0200; 25.4.2007, 2005/20/0300).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (hier: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.5.1995, 94/04/0081; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesasylamt (hier: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400).

2.2.3. Zum Vorbringen des AW, es sei eine für ihn als homosexueller Mann entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes insofern eintreten, als Homosexualität in Indien nun strafbar sei und durch einen Regierungswechsel in ihrer Bedeutung erstarkte Gruppierungen gezielt Homosexuelle festnehmen und quälen, wird das BFA im Verfahren zu bewerten haben, ob damit eine mit einem glaubwürdigen Kern versehene Tatsache vorgebracht wurde, der Asylrelevanz zukommt. Aus dem vorgelegten Akt ist nicht ersichtlich, dass diese Bewertung nachvollziehbar stattgefunden hätte, vielmehr wird auf das konkrete Vorbringen, der geänderten Gesetzes- und Gefährdungslage nicht eingegangen und es wurden auch keine Länderfeststellungen dazu getroffen. Aus den offen zugänglichen Quellen ergeben sich Hinweise darauf, dass nach der abweisenden Entscheidung über den zuvor gestellten Asylantrag des AW durch den Asylgerichtshof am 09.02.2012, der Supreme Court in Indien im Jahr 2013 eine untergerichtliche Entscheidung aus dem Jahr 2009 aufhoben hat und jene Bestimmung, die die Bestrafung von Homosexualität vorsieht, als verfassungskonform erkannte.

Deswegen kann derzeit nicht hinreichend zuverlässig davon ausgegangen werden, dass der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Mit Aufhebung des vorliegenden Bescheides kommt dem AW faktischer Abschiebeschutz iSd § 12 Abs. 1 AsylG 2005 zu.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Erkenntnis folgt der unter Punkt 3. zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die nicht uneinheitlich erscheint.

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