BVwG W221 2109554-1

BVwGW221 2109554-17.10.2016

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W221.2109554.1.00

 

Spruch:

W221 2109554-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gerhard MORY, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2015, Zl. 1028781605/14885983, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.08.2016, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

VI. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin reiste illegal nach Österreich ein und stellte am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab sie an, Staatsangehörige von Somalia muslimischen Glaubens zu sein und der Volksgruppe der Sheikhal anzugehören.

Am XXXX fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Im Somalia lebten noch ihre Eltern, ihre zwei Schwestern, ihre sieben Brüder und ihre sechs Kinder. Sie stamme aus Mogadischu und sei aus Somalia im XXXX ausgereist. Auf die Frage, warum die Beschwerdeführerin ihren Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete sie, dass das Leben in Somalia sehr schwer sei und sie die Schule für die Kinder nicht mehr habe bezahlen können. Sie habe ihre Kinder nicht mehr versorgen können. Ihr Mann sei bei einem Anschlag in Mogadischu getötet worden. Danach habe sie sich entschieden zu fliehen. Bei einer Rückkehr befürchte sie, wegen der schlechten Sicherheitslage vergewaltigt und enteignet zu werden.

Am 11.02.2015 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte sie zunächst, dass sie aus persönlichen Gründen eine weibliche Dolmetscherin und eine weibliche Referentin wolle, weshalb die Einvernahme beendet wurde.

Am 26.03.2015 wurde die Beschwerdeführerin abermals vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei eine weibliche Dolmetscherin anwesend war. Dabei erklärte sie eingangs gesund zu sein. Sie habe ihren Mann im XXXX zuletzt gesehen und vermute, dass er bei einer Explosion ums Leben gekommen ist. Ihre Mutter würde sich um ihre sechs Kinder in Mogadischu kümmern und sie habe noch Kontakt zu ihnen. Sie habe in Mogadischu die Schule besucht und am Markt Tee und Getränke verkauft. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Leben nach dem Verschwinden ihres Mannes schwer geworden sei. Im XXXX gegen 20 Uhr seien vier Männer zu ihr ins Geschäft gekommen und hätten Geld verlangt. Sie habe gesagt, dass sie keines hätte und sie hätten sie geschlagen. Sie hätten auch die Teekannen und Tassen zerschlagen. Zwei der Männer hätten sie dann an der Schulter gepackt und in einem kleinen Minibus mitgenommen. Sie hätten sie zu einem Haus gebracht und sie zu viert die ganze Nacht vergewaltigt. Kurz vor Sonnenaufgang hätten sie sie in der Nähe ihres Geschäfts rausgeworfen. Sie sei dann zwei Wochen im Krankenhaus gewesen und habe nicht mehr arbeiten können. Keiner habe ihr finanziell helfen können und sie habe ihre Kinder nicht mehr ernähren können, weshalb sie das Land verlassen habe. Auf Nachfrage gab sie an, dass sie bei der Polizei gewesen sei, diese ihr jedoch nicht geholfen habe. Sie hätten immer nur gesagt, dass sie noch nach den Tätern suchen würden. Ihre Mutter habe noch am Abend der Mitnahme Anzeige erstattet, da viele Leute gesehen hätten, was passiert sei und ihre Mutter informiert hätten.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2015 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführerin wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen festgelegt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Somalia und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin unglaubwürdig sei. Weiters wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr aufgrund ihrer Familie in keine ausweglose Situation geraten würde. Abschließend begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Rückkehrentscheidung.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 15.06.2015 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 24.06.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen der Beweiswürdigung der belangten Behörde entgegengetreten.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 25.06.2015 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Schreiben vom 20.06.2016 wurden die Beschwerdeführerin und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.08.2016 unter gleichzeitiger Übermittlung der aktuellen Länderberichte zur Lage in Somalia geladen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 23.06.2016 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.08.2016 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsanwalts der Beschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom XXXX , der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.08.2016, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Somalia und Angehörige des Clans der Sheikhal. Sie bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Die Beschwerdeführerin reiste aus Somalia im XXXX aus, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Ihre Familie (6 Kinder, Eltern, zwei Schwestern und sieben Brüder) lebt in Mogadischu und sie hat zu ihnen noch Kontakt. Nur ein Kind der Beschwerdeführerin kann in die Schule gehen, weil sonst das Geld nicht reicht.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin kam im XXXX bei einer Explosion ums Leben.

Die Beschwerdeführerin hatte vor ihrer Ausreise aus Somalia ein kleines Geschäft, in dem sie Getränke verkaufte. Im XXXX wurde sie Opfer einer kriminellen Handlung, indem sie in ihrem Geschäft von vier unbekannten Männern überfallen und nach Geld verlangt wurde. Diese Männer brachten sie in weiterer Folge in ein leerstehendes Haus, wo sie die Beschwerdeführerin vergewaltigten. Am nächsten Tag wurde die Beschwerdeführerin vor ihrem Geschäft wieder freigelassen.

Sowohl die Mutter der Beschwerdeführerin als auch die Beschwerdeführerin selbst erstatteten bei der Polizei eine Anzeige, die aufgenommen und der nachgegangen wurde. Die Täter konnten jedoch nicht gefasst werden.

Zum Bezirk der Beschwerdeführerin in Mogadischu, XXXX, wird festgestellt, dass dieser einer jener Bezirke ist, die von terroristischen Aktivitäten massiv betroffen sind.

Festgestellt wird, dass die Versorgungslage in Somalia anhaltend schlecht ist und sich 2015 aufgrund der Nahrungsmittelknappheit zusätzlich verschlechtert hat. Für den Zeitraum Juli bis Dezember 2016 wird wieder eine Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit erwartet.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

"Sicherheitslage

Süd-/Zentralsomalia

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 10.2015). Al Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch (UNSC 8.1.2016). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet (AI 24.2.2016). Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der al Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet (BFA 10.2015). Al Shabaab betreibt auch asymmetrische Kriegsführung (EASO 2.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015), gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe, von welchen Zivilisten überproportional betroffen sind. Daneben führt al Shabaab auch gezielte Attentate (UNHCR 28.10.2015; vgl. UKHO 15.3.2016) und sogenannte hit-and-run-Angriffe aus (DIS 9.2015).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 10.2015). Politische Anstrengungen zur Etablierung von Bundesländern verstärkten die Clankämpfe in einigen Bereichen (ÖB 10.2015; vgl. BS 2016, USDOS 13.4.2016). Dabei kam es auch zu zahlreichen Todesopfern und Vertreibungen, z.B. zwischen Dir und Hawadle im Jänner 2015 (USDOS 13.4.2016).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet und deren Eigentum wird zerstört. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 10.2015). Neben den Kampfhandlungen gegen al Shabaab gibt es aus dem ganzen Land auch Berichte über Inter- und Intra-Clankonflikte um Land und Wasserressourcen (EASO 2.2016).

AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 10.2015). Bei gemeinsamen Offensiven mit der somalischen Armee wurde al Shabaab aus Städten in Hiiraan, Bay, Bakool, Gedo und Lower Shabelle vertrieben (AI 24.2.2016). Bei den beiden jüngeren Offensiven (Operation Indian Ocean, Operation Jubba Corridor) trafen AMISOM und Regierungskräfte aufgrund taktischer Rückzüge der al Shabaab nur auf wenig Widerstand. Eingenommen wurde die letzte Bastion der al Shabaab in der Region Gedo - Baardheere - und Diinsoor in der Region Bay. Der al Shabaab wurde zwar die Kontrolle über diese Städte entzogen, doch ist sie ansonsten nicht relevant geschwächt worden. Dahingegen kann AMISOM aufgrund einer Überdehnung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr in jeder Stadt und in jedem Dorf eine Präsenz aufrecht halten (EASO 2.2016). Auch die Haupttransportrouten werden von al Shabaab kontrolliert (HRW 27.1.2016).

In der Folge kam es zu schweren Angriffen der al Shabaab auf Janaale (am 1.9.2015) (UNSC 8.1.2016) und Leego (am 26.6.2015) mit insgesamt rund 100 Toten Soldaten der AMISOM und zahlreichen Vermissten (BFA 10.2015; vgl. UNSC 8.1.2016, EASO 2.2016). Als Reaktion auf diese Angriffe begann AMISOM mit einer Umgruppierung, wobei einige Städte und Ortschaften geräumt wurden, darunter Kurtunwarey, Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley (Lower Shabelle); Buq-Aqabla und Xarar-Lugoole in Hiiraan; und Fidow an der Grenze zu Middle Shabelle. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch Qoryooley und Wanla Weyne blieben über Tage ohne permanente Truppen der AMISOM (allerdings mit Besatzungen der somalischen Armee). Insgesamt ist einzelnen, exponierten und schwach besetzten Außenposten ein permanenter Status abzusprechen. Spätestens seit dem Angriff der al Shabaab auf den AMISOM-Stützpunkt in Leego werden einzelne Orte zugunsten einer Konzentration von Truppen in größeren Stützpunkten aufgegeben, teilweise wurde der Schutz an die - nur eingeschränkt widerstandsfähige - somalische Armee übertragen (BFA 10.2015).

Es ist nicht möglich, zu definieren, wie weit der Einfluss oder die Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee von einer Stadt hinausreicht. Der Übergang zum Gebiet der al Shabaab ist fließend und unübersichtlich. Im Umfeld (Vororte, Randbezirke) der meisten Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung in Süd-/Zentralsomalia verfügt al Shabaab über eine verdeckte Präsenz, in den meisten Städten selbst über Schläfer (DIS 9.2015). Manche Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung können als Inseln auf dem Gebiet der al Shabaab umschrieben werden (BFA 10.2015; vgl. DIS 9.2015). Jedenfalls verfügt al Shabaab über ausreichend Kapazitäten, um in Städten unter Kontrolle von AMISOM und Regierung asymmetrische Kriegsführung (hit-and-run-Angriffe, Sprengstoffanschläge, gezielte Attentate) anzuwenden. Es gibt in allen Regionen in Süd-/Zentralsomalia Gebiete, wo al Shabaab Präsenz und Einfluss hat, und wo sie die lokale Bevölkerung zu Steuerzahlungen zwingt. Die Bastion der al Shabaab ist dabei die Region Middle Juba (DIS 9.2015).

Die Sicherheitslage in von der Regierung kontrollierten Städten bleibt also volatil (HRW 27.1.2016). Al Shabaab ist nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 24.2.2016). Bei aller Fragilität der Lage hat aber auch UNHCR festgestellt, dass es Zeichen zunehmender Stabilität gibt (UNHRC 28.10.2015). Seitens der Regierung, AMISOM und der internationalen Gemeinde gibt es Anstrengungen, die neu eroberten Bezirke zu stabilisieren. So wurden etwa nach Diinsoor unmittelbar Verwaltungsbeamte entsendet (UNSC 11.9.2015). Dass al Shabaab unter den gegenwärtigen Umständen Städte zurückerobert, in denen starke Garnisonen ("strongholds") der AMISOM stationiert sind, ist sehr unwahrscheinlich (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015).

Quellen:

Mogadischu

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 24.2.2016). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014, EASO 2.2016). Der Rückzug der formalen Präsenz der al Shabaab aus Mogadischu ist dauerhaft. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Es gibt in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015), auch wenn einzelne Clans angeblich noch in der Lage sein sollen, Angriffe führen zu können (EASO 2.2016).

In Mogadischu gibt es eine Präsenz von AMISOM, somalischer Armee und Polizei, sowie des Geheimdienstes NISA. Die Stadt ist generell sicher, auch wenn sie von al Shabaab bedroht wird (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015). Es besteht keine Angst mehr, dass in Mogadischu wieder Bürgerkrieg herrschen könnte. Seit 2011 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt sehr verbessert. Die größte Gefahr geht heute von terroristischen Aktivitäten der al Shabaab aus. Die Hauptziele dafür sind die Regierung und die internationale Gemeinde (LI 1.4.2016). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014). Die Stadtbewohner sind normalerweise nur dann betroffen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind (LI 1.4.2016). Jeder Stadtbürger kann sein eigenes Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der al Shabaab erkennbar sind (UKUT 3.10.2014). EASO listet als angegriffene Ziel von Sprengstoffanschlägen der al Shabaab vor allem Hotels (YSL Hotel, Central Hotel, Maka al-Mukarama Hotel, Jazeera Palace Hotel, Sahafi Hotel), Restaurants, Regierungseinrichtungen und -Konvois, Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM (EASO 2.2016).

Die Halbjahre 2/2014 und 1/2015 lassen bei sicherheitsrelevanten Zwischenfällen einen Abwärtstrend erkennen, trotzdem gibt es noch wöchentlich Angriffe (BFA 10.2015; vgl. EASO 2.2016).

Der vor einigen Jahren noch gefürchtete Artillerie- und Mörserbeschuss ist drastisch zurückgegangen. In den ersten drei Quartalen 2015 kam es zu vier Feuerüberfällen auf Wardhiigleey, Xamar Weyne, Hodan, Dayniile, und das Küstengebiet von Wadajir. Lediglich letzterer war von mehr als zwei Granaten begleitet. Insgesamt scheint es für AS einerseits sehr schwierig geworden zu sein, Artillerie entsprechend einzusetzen. Andererseits scheint die Strategie von AS derzeit auch das Geringhalten von Kollateralschäden zu beinhalten (BFA 10.2015).

Handgranatenanschläge sind fast gänzlich aus der Strategie der al Shabaab ausgeschieden. Im Zeitraum Q1 2013 - Q1 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an Handgranatenanschlägen pro Quartal noch 86; in den Quartalen Q2 2014 - Q3 2015 ist diese Zahl auf unter 15 eingebrochen. Auch die Zahlen an gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen sind - vor allem im Jahr 2015 - rückläufig. Im Zeitraum Q1 2013 - Q4 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an gezielten Attentaten 52; an Sprengstoffanschlägen 27. Vergleichsweise fallen die Zahlen in den ersten drei Quartalen 2015 geringer aus (46 und 19) - und dies, obwohl der Ramadan schon stattgefunden hat (BFA 10.2015).

Insgesamt sind die Zahlen terroristischer Aktivitäten seit einer Spitze im Q3 2013 nachhaltig eingebrochen und liegen im Jahr 2015 bei nur noch einem Drittel der Zahl. Hingegen scheint die Strategie der al Shabaab zunehmend bewaffnete Zusammenstöße als bevorzugtes Mittel zu umfassen. Betrug die Zahl der Scharmützel in den Quartalen des Jahres 2013 noch durchschnittlich 22, so stieg die Zahl im Jahr 2014 auf 36, im Jahr 2015 sogar weiter auf 44 (BFA 10.2015).

Bei der Zusammenfassung terroristischer Aktivitäten (Artillerie- und Mörserbeschuss; gezielte Attentate; Sprengstoff- und Handgranatenanschläge) im ersten Halbjahr 2015 zeigt sich, dass mehrere Bezirke massiv betroffen sind. Dies gilt für Yaqshiid, Wardhiigleey, Hawl Wadaag, Hodan, Dharkenley und Wadajir. Mäßig betroffen sind Heliwaa, Dayniile, Xamar Jabjab und Waaberi; kaum betroffen sind Karaan, Shibis, Boondheere, Xamar Weyne und die Peripherie. Aus Cabdulcasiis und Shangaani wurden keinerlei Aktivitäten vermerkt (BFA 10.2015).

In Mogadischu sind die Zahlen an terroristischen Aktivitäten und auch die Gesamtzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen innerhalb der vergangenen vier Quartale zurückgegangen. Gleichzeitig bleibt aber die Zahl bewaffneter Auseinandersetzungen mit al Shabaab konstant hoch. Während terroristische Aktivitäten relativ flächendeckend über das Stadtgebiet verstreut vorkommen, konzentrieren sich bewaffnete Zusammenstöße in einer kleinen, übersichtlichen Anzahl an Bezirken (BFA 10.2015).

Im Vergleich zu den Zahlen anderer Städte in Süd/Zentralsomalia kann festgestellt werden, dass die Situation in den o.g. mäßig, kaum oder gar nicht betroffenen Bezirken von Mogadischu wesentlich besser ist, als beispielsweise in Afgooye, Merka, Baidoa oder Kismayo. Dahingegen liegen etwa Yaqshiid, Hodan und Hawl Wadaag durchaus an der Spitze der landesweiten Skala terroristischer Gewalt. Werden noch die Zahlen bewaffneter Zusammenstöße hinzugezählt, müssen Yaqshiid, Hodan und Heliwaa vermutlich als gewaltsamste Orte Somalias bezeichnet werden. Insgesamt wird jedenfalls deutlich, dass al Shabaab in der Lage ist, fast im gesamten Stadtgebiet von Mogadischu terroristische Taten zu begehen (BFA 10.2015). Die Zahl der Angriffe ging insgesamt also zurück und diese richten sich vor allem gegen Repräsentanten der somalischen Regierung und ihre Unterstützer (LI 1.4.2016).

Es ist zu erkennen, dass al Shabaab nach wie vor in der Lage ist, über die Peripherie in Randbezirke von Mogadischu einzudringen. In militärischer Hinsicht betrifft dies Dayniile, Heliwaa, sowie Teile von Karaan, Yaqshiid und Dharkenley. Außerdem kann der Einfluss von al Shabaab in der Nacht in den schraffierten Gebieten größer werden. Die restlichen Teile von Mogadischu sind für al Shabaab vor allem auf zwei Arten erreichbar: Erstens in Form verdeckter Akteure; und zweitens in Form von großangelegten Operationen von Spezialeinheiten - sogenannte komplexe Anschläge (welche sowohl Selbstmordattentäter und ferngezündete Sprengsätze als auch eine größere Zahl an nachstoßenden Kämpfern beinhalten). Insgesamt ist jedenfalls feststellbar, dass al Shabaab in den oben blau markierten Teilen der somalischen Hauptstadt mangels permanent anwesender, sichtbarer Kampfeinheiten nur geringer Einfluss zugesprochen werden, wiewohl die Anwesenheit verdeckter Elemente und die Durchführung terroristischer Aktivitäten das Leben der Bewohner beeinflussen (BFA 10.2015).

Quellen:

Rechtsschutz/Justizwesen

In Süd-/Zentralsomalia und in Puntland sind die Grundsätze der Gewaltenteilung in der Verfassung niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere. In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt (AA 1.12.2015; vgl. UKHO 15.3.2016; USDOS 13.4.2016).

Laut Verfassung sollte es ein Verfassungsgericht, Bundesgerichte und Gerichte der Bundesstaaten geben. Alle diese Institutionen müssen erst geschaffen werden (EASO 2.2016). Insgesamt existiert nur ein rudimentärer Justizapparat (BS 2016). Die Justiz bleibt unterfinanziert, ineffektiv (UKHO 15.3.2016) und korrupt (UKHO 15.3.2016; vgl. BS 2016; USDOS 13.4.2016). Es mangelt an Ausbildung und Personal (UKHO 15.3.2016; vgl. EASO 2.2016). Gleichzeitig wird die Justiz durch Drohungen beeinflusst (UKHO 15.3.2016). Frauen, Arme, IDPs und vulnerable Personen sehen sich beim Zugang zur Justiz Hindernissen ausgesetzt. Diese sind z.B. Protektion, politische Einflussnahme und Mangel an Transparenz (UNHRC 6.11.2015).

Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 1.12.2015). Es gibt zwar sowohl in Süd-Zentralsomalia als auch in Puntland einen Instanzenzug, aber in der Praxis werden Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend herbeigebracht (AA 1.12.2015).

Das formelle Justizsystem ist in vielen Teilen Somalias nicht vorhanden. Einige Regionen haben lokale Gerichte eingerichtet, die vom lokal dominanten Clan abhängen (USDOS 13.4.2016).

Es gibt kein einheitliches Justizsystem, vielmehr herrscht eine Mischung aus formellem, traditionellem (xeer) und islamischem (Scharia) Recht (BS 2016; vgl. USDOS 13.4.2016; EASO 2.2016).

Zur Anwendung kommt xeer bei Konflikten und bei Kriminalität (EASO 2.2016). Im traditionellen Recht vermitteln Älteste. Sie verhandeln auch über Friedensabkommen und einigen sich auf Kompensationszahlungen (BS 2016). Die traditionelle Justiz wird oft herangezogen, da sie zu schnellen Entscheidungen gelangt. Allerdings werden in diesem System oft ganze Clans für die Tat Einzelner zur Verantwortung gezogen (USDOS 13.4.2016).

In den nicht von den jeweiligen Regierungen kontrollierten Gebieten werden Urteile häufig nach traditionellem Recht von Clan-Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur den relativ eng begrenzten Bereich eines bestimmten Clans. Bei Sachverhalten, die mehrere Clans betreffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden (Sippenhaft) spielen dabei eine wichtige Rolle (AA 1.12.2015).

Familien- und Standesangelegenheiten (Heirat, Scheidung, Erbschaft) werden im Rahmen der Scharia abgehandelt. Allerdings sind Schariagerichte oftmals von Clans beeinflusst (BS 2016).

Vor Militärgerichten, wo manchmal auch Zivilisten angeklagt werden, wird Angeklagten nur selten das Recht auf eine Rechtsvertretung oder auf Berufung zugestanden. Internationale Standards werden nicht eingehalten (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Begründet wird die Verfolgung von Zivilisten durch das Militärgericht damit, jede Person, welche sich mit Waffengewalt gegen den Staat richtet, dem Militärgesetz unterliegt (UNHRC 28.10.2015).

Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss der staatliche Schutz in Süd-/Zentralsomalia als schwach bis nicht gegeben gesehen werden (ÖB 10.2015). Der Regierung gelingt es nicht, Zivilisten Schutz zukommen zu lassen (HRW 27.1.2016).

In den unter Kontrolle der al Shabaab stehenden Gebieten wird das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der theokratischen Ideologie der al Shabaab nicht anerkannt (AA 1.12.2015). Dort gibt es kein formelles Justizsystem, es gilt die strikte Interpretation der Scharia (EASO 2.2016; vgl. USDOS 13.4.2016; BS 2016). Insgesamt gibt es nur wenige Informationen darüber, wie die Schariagerichte aufgebaut sind und wie sie arbeiten (BS 2016). Angeklagte vor einem Schariagericht haben kein Recht auf Verteidigung, Zeugen oder einen Anwalt (USDOS 13.4.2016; vgl. BS 2016). Gerichte verhängen harte Strafen, wie Steinigung, Enthauptung, Amputation oder Auspeitschung (EASO 2.2016; vgl. BS 2016). Außerdem setzt al Shabaab strikte Moralgesetze durch, welche Kleidervorschriften oder das Verbot von Rauchen und öffentlichem Khat-Konsum umfassen (BS 2016).

Es gilt das Angebot einer Amnestie gegenüber Kämpfern der al Shabaab, die die Waffen ablegen, der Gewalt abschwören und sich zur staatlichen Ordnung bekennen (AA 1.12.2015).

Auch wenn diese in der puntländischen Verfassung festgeschrieben ist, gibt es in Puntland keine Gewaltenteilung. Sowohl die Legislative als auch die Justiz werden von der Exekutive substantiell beeinflusst. Die Unabhängigkeit der Justiz wurde mehrmals unterminiert (BS 2016).

In Puntland gibt es zwar funktionierende Gerichte (EASO 2.2016; vgl. USDOS 13.4.2016), doch können diese nicht gewährleisten, dass vor dem Recht alle gleich sind (USDOS 13.4.2016). Außerdem leidet die Justiz an Unterfinanzierung, Kapazitätsproblemen, ausgebildetem Personal, Erfahrung und Reichweite (BS 2016). Trotzdem werden in Puntland Verfahrensrechte besser respektiert als in Süd-/Zentralsomalia (AA 1.12.2015). Es gilt die Unschuldsvermutung, das Recht auf ein öffentliches Verfahren und das Recht auf einen Anwalt (USDOS 13.4.2016).

Das Justizsystem in Puntland ist eine Mischung aus traditionellem Recht (xeer), islamischem Recht (Scharia) und formellem Recht (EASO 2.2016; vgl. BS 2016). Die meisten Fälle werden durch Clanälteste im xeer abgehandelt. Ins formelle Justizsystem gelangen vor allem jene Fälle, wo keine Clan-Repräsentation gegeben ist (USDOS 13.4.2016).

Zu den weder von Regierung noch von al Shabaab, sondern von weiteren Clan- oder anderen Milizen kontrollierten Gebieten liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es ist aber nach Einschätzung von Beobachtern davon auszugehen, dass Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung zumeist in der Hand einer kleinen Gruppe von Notabeln (z. B. "Clanältesten") liegen. Von einer Gewaltenteilung ist nicht auszugehen (AA 1.12.2015).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Die Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) wurde im Jänner 2015 mit Resolutionen der Afrikanischen Union und der UN ins Leben gerufen. Die Mission hat eine militärische, eine polizeiliche und eine zivile Komponente. Truppenstellerstaaten für die militärische Komponente sind gegenwärtig Uganda, Burundi, Dschibuti, Kenia und Äthiopien (EASO 2.2016). Das AMISOM-Mandat wurde am 24.3.2016 vom UN Sicherheitsrat auf März 2017 verlängert (UNNS 24.3.2016). Die AMISOM arbeitet mit der somalischen Armee zusammen, um in Süd-/Zentralsomalia für Ordnung zu sorgen (USDOS 13.4.2016). Die Stärke von AMISOM (Soldaten und Polizisten) beträgt zurzeit mehr als 22.000 (ÖB 10.2015; vgl. BS 2016).

Allerdings ist nur ein Teil der äthiopischen Truppen in Somalia in die AMISOM integriert, Äthiopien verfügt über 2.000-9.000 weitere, nationale Kräfte im Land (EASO 2.2016).

Zusätzlich gibt es noch eine UN Guard Unit (UNGU) mit 530 ugandischen Soldaten, deren einzige Aufgabe der Schutz der UN-Einrichtungen in Mogadischu ist (EASO 2.2016)

Die Polizei untersteht einer Mischung an lokalen und regionalen Verwaltungen und der Bundesregierung. Die nationale Polizei untersteht dem Ministerium für Nationale Sicherheit; außerdem betreiben regionale Behörden eigene Polizeikräfte, die den jeweiligen regionalen Sicherheitsministerien unterstehen. In Mogadischu gibt es zwei getrennte Polizeikräfte: Eine unter der Kontrolle der Bundesregierung, einen andere unter Kontrolle der Regionalverwaltung Benadir. Die Bundespolizei ist in allen 17 Bezirken der Stadt präsent. Oft verdanken Polizisten in Mogadischu ihren Job familiären oder Clan-Kontakten (USDOS 13.4.2016). Von der somalischen Regierung sind zirka 4.000 (EASO 2.2016), nach anderen Angaben 5.200 (UNSC 11.9.2015) oder 6.000 (ÖB 10.2015) oder schließlich 6.748 Polizisten biometrisch erfasst. Der neueste Bericht der UN beziffert die Zahl der Lohnempfangenden somalischen Polizisten mit 12.500 Mann (UNSC 8.1.2016).

Zusätzlich gibt es in Mogadischu noch Polizeieinheiten der AMISOM. Rund 300 AMISOM-Polizisten bilden die somalischen Polizisten in den Bereichen Polizeiarbeit; Menschenrechte; Verbrechensprävention; Gemeindepolizei und Fahndungsmethoden weiter (USDOS 13.4.2016). Im Bereich der Polizeiausbildung bestehen außerdem bilaterale Initiativen, etwa durch Italien und die Türkei (Ausbildung von Polizeikräften in Mogadischu), weiteres durch UNDP, UNODC (v.a. Strafvollzug) sowie durch die IOM (Counter-Trafficking) und in jüngster Zeit auch durch die Vereinigten Arabischen Emirate. Die EU plant zusätzliche 15 Millionen Euro für die Ausbildung der Polizei zur Verfügung zu stellen (ÖB 10.2015).

Die Polizei ist generell nicht effektiv (USDOS 13.4.2016).

Der Bundesregierung ist es nicht gelungen, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen. Vielmehr hängt die Regierung von den Kräften der AMISOM und von alliierten lokalen und regionalen Milizen ab. Die Abhängigkeit von lokalen Milizen verläuft dabei nicht friktionsfrei. Die Loyalität der Milizen liegt - trotz offizieller Allianz mit der Regierung - zuallererst bei den Kommandanten und beim Clan. Die Spannungen zwischen lokalen Milizen und der Armee traten bereits zutage, als die Verwaltungsstrukturen im Sinne der Föderalisierung geändert worden sind (BS 2016).

Das Verhalten der Sicherheitskräfte entspricht nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 1.12.2015). AMISOM und nationale Sicherheitskräfte geben ihr Bestes, um die Gefahr durch al Shabaab in Mogadischu einzudämmen. Auch wenn die Arbeit der Polizei Defizite aufweist, so trägt sie doch ihren Teil bei (UKUT 3.10.2014). In Mogadischu und anderen urbanen Gebieten unter Kontrolle der Regierung und ihrer Alliierten können die Behörden schutzwillig sein; jedoch sind sie meist nicht in der Lage, einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Dies kann der strukturellen Schwäche der Sicherheitskräfte, dem Mangel an Ressourcen, Ausbildung und Ausrüstung, schwachen Kommandostrukturen, der Korruption und der Straflosigkeit für schwerste Verbrechen angelastet werden (UKHO 15.3.2016).

Quellen:

Minderheiten und Clans

Bevölkerungsstruktur und Clanschutz

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 13.4.2016). Die somalische Bevölkerung ist aber nur auf den ersten Blick homogen (EASO 8.2014). In ganz Somalia gibt es eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Sub-Clans und Sub-Sub-Clans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015). Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014).

Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014).

Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem - wie erwähnt - keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen - auch geographische - sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).

Das Clansystem ist dynamisch und komplex. Aufgrund des Bürgerkrieges und damit verbundener Wanderbewegungen aber auch aufgrund des Bevölkerungswachstums waren nach 1991 zunehmende Fluktuationen zu verzeichnen. Aufzeichnungen von Genealogien sind umstritten (EASO 8.2014).

• Die Darod unterteilen sich in die großen Gruppen Ogadeni (Äthiopien und Jubba-Regionen), Marehan (Süd-/Zentralsomalia) und Harti. Letztere sind eine Föderation aus Majerteen (Hauptclan in Puntland), Dulbahante und Warsangeli (Regionen Sool und Sanaag).

• Die Hawiye leben vor allem in Süd-/Zentralsomalia, die wichtigsten Subclans sind Abgaal und Habr Gedir.

• Die Dir finden sich im westlichen Somaliland und in einigen Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Ihre Hauptclans sind Issa und Gadabursi (beide Somaliland) und Biyomaal (Südsomalia).

• Die Isaaq sind der Hauptclan Somalilands.

• Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben in den fruchtbaren Tälern von Shabelle und Jubba und im Gebiet zwischen beiden Flüssen (v.a. Bay und Bakool) (EASO 8.2014).

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014). Minderheitengruppen sind u.a. die Bantu (größte Gruppe), Benadiri, Reer Xamar, Bravanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub und Gabooye (USDOS 13.4.2016). Minderheitenclans oder Berufskasten können mit großen Clans in eine Abhängigkeitsbeziehung (shegaat) treten und werden danach - in externen Belangen - als Teil des großen Clans erachtet. Langfristige Allianzen zwischen kleineren und größeren Clans werden gemäß dem traditionellen Recht (xeer) geschlossen. Beide Konstruktionen beinhalten auch den Schutz des kleineren Partners durch den größeren (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014).

Inwiefern Clanschutz heute noch funktioniert ist umstritten. Faktoren wie AMISOM, die Restauration staatlicher Sicherheitsbehörden oder al Shabaab haben den Schutz erodiert. Andererseits hat der Rückzug von al Shabaab sowie der Mangel an staatlicher Verwaltung in den ländlichen Gebieten den Clanschutz verstärkt. Das Ausmaß an Clanschutz variiert also regional und ist im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen. In Somaliland und Puntland, wo relative Stabilität herrscht, ist der Clanschutz weniger relevant als in Süd-/Zentralsomalia. In Mogadischu hingegen sind Älteste zwar noch bei der Konfliktvermittlung involviert, jedoch gibt es kein Risiko mehr, aufgrund der Clanzugehörigkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Nicht mehr die Clans, sondern AMISOM, Armee und Polizei sind für die Sicherheit verantwortlich. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Teile von Armee und Polizei nach wie vor großen Bezug zu ihren Herkunftsclans haben (EASO 8.2014).

Quellen:

Frauen

Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe, insbesondere in den Lagern der Binnenvertriebenen, ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.12.2015).

Die somalische Regierung hat mit Unterstützung der EU-Delegation für Somalia einen Aktionsplan zur Bekämpfung der sexuellen Übergriffe verabschiedet, die Implementierung geschieht jedoch sehr langsam (ÖB 10.2015).

Auch wenn Gewalt gegen Frauen in der Verfassung verboten ist (USDOS 13.4.2016), bleibt häusliche Gewalt gegen Frauen ein großes Problem (USDOS 13.4.2016; vgl. AA 1.12.2015).

Gewalt gegen Frauen - insbesondere sexuelle Gewalt - ist laut Berichten der UNO und internationaler NGOs in der gesamten Region weit verbreitet (ÖB 10.2015; vgl. UNHRC 28.10.2015). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern, insbesondere in Mogadischu (ÖB 10.2015; vgl. UNHRC 28.10.2015; USDOS 13.4.2016). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (UNHRC 28.10.2015; vgl. UKHO 3.2.2015; USDOS 13.4.2016). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten, Milizionäre (HRW 27.1.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015; USDOS 13.4.2016), Polizisten und Mitglieder der al Shabaab (UNHRC 28.10.2015).

Es gibt Berichte, die nahelegen, dass sexualisierte Gewalt von der al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 1.12.2015).

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 13.4.2016). Hinsichtlich geschlechtsspezifischer Gewalt herrscht aber weitgehend Straflosigkeit. Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia rar (UKHO 3.2.2015; vgl. AA 1.12.2015; ÖB 10.2015; USDOS 13.4.2016). Bei der Strafjustiz herrscht Unfähigkeit (UNHRC 28.10.2015). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen selbst zu tätigen (Suche nach Zeugen, Lokalisierung von Schuldigen) (USDOS 13.4.2016; vgl. UKHO 3.2.2015).

Andererseits hat die Militärjustiz bereits einige Soldaten der Armee wegen Vergewaltigungen zu langen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt (UNHRC 28.10.2015). Meist werden Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe aber vor traditionellen Gerichten abgehandelt, welche entweder eine Kompensationszahlung vereinbaren oder aber eine Ehe zwischen Opfer und Täter erzwingen (UNHRC 28.10.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Von staatlichem Schutz kann nicht ausgegangen werden (ÖB 10.2015; vgl. UKHO 3.2.2015), für die am meisten vulnerablen Fälle ist er nicht existent (HRW 27.1.2016).

In Puntland wird an einem Gesetz über sexuelle Vergehen gearbeitet. Das Frauenministerium unterstützt Opfer von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt - auch durch das Vorantreiben einer Strafverfolgung der Täter (UNHRC 28.10.2015). In Puntland gehen die Behörden gegen der Vergewaltigung Beschuldigte vor (UKHO 3.2.2015).

Grundlage für eine Eheschließung ist die Scharia, Polygamie und Ehescheidung sind somit erlaubt (ÖB 10.2015). Die Übergangsverfassung legt kein Mindestalter für eine Eheschließung fest. Die Kinderehe ist verbreitet. In ländlichen Gebieten verheiraten Eltern ihre Töchter manchmal schon im Alter von zwölf Jahren. Insgesamt wurden 45 Prozent der Frauen im Alter von 20-24 Jahren bereits mit 18 Jahren, 8 Prozent bereits im Alter von 15 Jahren verheiratet. In ländlichen Gebieten werden auch 12jährige Mädchen verheiratet (USDOS 13.4.2016).

Zwangsehen sind weit verbreitet (ÖB 10.2015). Zwangsehen durch al Shabaab kommen in der Regel nur dort vor, wo die Gruppe die Kontrolle hat (C 18.6.2014; vgl. USDOS 13.4.2016; UKHO 3.2.2015; DIS 9.2015). Dort sind Frauen und Mädchen einem ernsten Risiko ausgesetzt, von al Shabaab entführt, vergewaltigt und zu einer Ehe gezwungen zu werden (UKHO 3.2.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Eine Verweigerung kann für das Mädchen oder ihre Familie den Tod bedeuten (DIS 9.2015; vgl. NOAS 4.2014). Aus Städten unter Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee gibt es keine Berichte hinsichtlich Zwangsehen mit Kämpfern der al Shabaab; wohl aber gibt es Berichte über diesbezügliche Drohungen via SMS (DIS 9.2015). Hingegen zwingen auch Angehörige bewaffneter Milizen und Clanmilizen Mädchen zur Eheschließung (UNHRC 28.10.2015).

Manchmal müssen entführte Frauen und Mädchen für al Shabaab auch als Putzkräfte, Köchinnen oder Trägerinnen arbeiten. In einigen Fällen wurden Mädchen als Selbstmordattentäterinnen verwendet (UKHO 3.2.2015).

Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden (USDOS 13.4.2016). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivilrechts und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen bzw. einem (übersteigerten) paternalistischen Ansatz folgen. Für Frauen gelten entsprechend andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer. So erhalten beispielsweise Frauen nur 50% der männlichen Erbquote (AA 1.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Bei der Tötung einer Frau ist im Vergleich zur Tötung eines Mannes nur die Hälfte des an die Familie des Opfers zu zahlenden "Blutgeldes" vorgesehen. Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 1.12.2015). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts gelten auch in Puntland und Somaliland. Gleichwohl gibt es politische Ansätze, die mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau anstreben. In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt - mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.12.2015).

In den kleiner werdenden Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, herrscht eine strenge und harte Interpretation der Scharia. Viele Regeln betreffen Frauen: Vollverschleierung; Arbeitsverbot; Verbot der Reise mit nicht-verwandten Männern etc. Bei Nicht-Einhaltung der Regeln drohen schwere Bestrafungen (UKHO 3.2.2015).

In politische Entscheidungsprozesse sind Frauen nicht adäquat eingebunden (UNHRC 28.10.2015). Eigentlich wären für das Parlament 30% Sitze für Frauen vorgesehen. Diese stellen aber nur 14 von 275 Abgeordneten. In der 26köpfigen Regierung finden sich drei Frauen (USDOS 13.4.2016). In der Regionalversammlung der Galmudug Interim Administration (GIA) sind 8 von 64 Abgeordneten Frauen (UNSC 11.9.2015). Im Ältestenrat von Puntland war noch nie eine Frau vertreten, im 66sitzigen Repräsentantenhaus sind es zwei, es gibt auch zwei Ministerinnen (USDOS 13.4.2016).

Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch nachrangig behandelt (USDOS 13.4.2016). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in vielen Bereichen, vor allem; Gesundheit, Beschäftigung und Arbeitsmarktbeteiligung (ÖB 10.2015), Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung (USDOS 13.4.2016). Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

Grundversorgung/Wirtschaft

Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia seit Jahrzehnten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe (AA 1.12.2015).

Die humanitäre Lage in Somalia bleibt prekär. Etwa 38 Prozent der Bevölkerung sind auf Unterstützung angewiesen, eine Million Menschen können ihren grundlegenden Nahrungsbedarf nicht decken. 305.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. Zwischen Jänner und Juni wurden ca. 490.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt, 125.000 Kinder konnten wegen akuter Unterernährung behandelt werden (UNSC 6.9.2016). UNOCHA stellt hinsichtlich Nahrungsmittelsicherheit nebenstehende aktuelle Karte zur Verfügung (UNOCHA 9.9.2016). [Karte nicht abbildbar]

Das Klimaphänomen El Niño führte in Somaliland und in Puntland zu Dürre. Dort sind 385.000 Menschen akut von Nahrungsmittelunsicherheit bedroht, weitere 1,3 Millionen Menschen sind dem Risiko ausgesetzt, ohne Unterstützung in eine akute Bedrohung abzugleiten (UNSC 6.9.2016; vgl. UNOCHA 1.9.2016). In Süd-/Zentralsomalia brachte El Niño hingegen schwere Regenfälle und teilweise Überschwemmungen (UNOCHA 1.9.2016).

Die Regenzeit Gu (März-Juni) brachte für Puntland und Somaliland zwar eine teilweise Entlastung; doch wird für den Zeitraum Juli-Dezember 2016 wieder eine Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit erwartet (UNSC 6.9.2016). Für eine nachhaltige Besserung bedarf es mehr als nur einer guten Regenzeit. Prognosen zufolge könnte sich die Situation durch das nachfolgende Wetterphänomen La Niña weiter verschärfen. So bietet auch die Nahrungsmittelsicherheit in Süd-/Zentralsomalia zunehmend Grund zur Sorge. Derzeit sind also - v.a. im Norden - noch die Auswirkungen von El Niño zu spüren, während aufgrund von La Niña eine schlechte Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) erwartet wird. Die schwere Hungersnot der Jahre 2011/2012 war durch La Niña verursacht worden (UNOCHA 1.9.2016).

Im Dezember 2015 galten eine Million Menschen in Somalia als im humanitären Notstand befindlich; 3,9 Millionen befanden sich in "food security stress" (EASO 2.2016). Im Februar 2016 waren rund 305.000 Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt, davon mehr als 58.000 schwer (UNOCHA 19.2.2016). Im Zeitraum Jänner bis Oktober 2015 wurden fast 22.000 akut unterernährte Kinder unter fünf Jahren mit lebensrettender Ernährung versorgt (UNSC 8.1.2016). Die Situation hatte sich durch saisonale Überschwemmungen in Hiiraan, Lower und Middle Juba und Middle Shabelle verschärft. Außerdem können manche Städte nicht ordentlich versorgt werden, weil al Shabaab die Warenzufuhr blockiert - z.B. Diinsoor (Bay) (EASO 2.2016), Buulo Barde (Hiiraan), Xudur und Waajid (Bakool) (UNOCHA 19.2.2016). Al Shabaab verbietet auch weiterhin den meisten humanitären Organisationen, auf eigenem Gebiet aktiv zu werden; vulnerable Bevölkerungsgruppen können dort nicht erreicht werden (UNHRC 28.10.2015).

Gleichzeitig befinden sich viele der in Notstand befindlichen Personen, die auf Nahrungsmittel und Ernährungshilfe angewiesen sind, in den Regionen Awdal und Sanaag (Somaliland), Bari (Puntland) und Benadir. Auch die armen und vulnerablen städtischen Populationen sind betroffen, vor allem in den vom Handel abgeschnittenen Städten (UNOCHA 19.2.2016).

Die Behörden in Somaliland und Puntland haben den Katastrophenzustand (Dürre) ausgerufen. In Somaliland sind fast 75.000 Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt, in Puntland sind es 23.000. Am meisten betroffen sind Bari und Nugaal in Puntland sowie Awdal, Togdheer, Sool, Sanaag und Woqooyi Galbeed in Somaliland (UNOCHA 19.2.2016).

Im Zeitraum Jänner bis Oktober 2015 erhielten 1,5 Millionen Menschen grundlegende medizinische Leistungen. Schutzleistungen erreichten 303.000 Personen, Haushalts- und Unterkunftsunterstützung 145.000 Personen. Rund 100.000 Personen erhielten Geldmittel als Unterstützung. Im Oktober 2015 erhielten 406.000 Personen Nahrungsmittelhilfe, 393.000 Personen Unterstützung für den Lebensunterhalt und weitere 621.000 saisonale Unterstützung für den Lebensunterhalt (UNSC 8.1.2016). Trotzdem erreichen Hilfsprojekte von UN oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen in der Regel nicht die gesamte Bevölkerung. Dies gilt im Großen und Ganzen auch für Puntland, allerdings erreichen dort Hilfsorganisationen im Falle einer Dürrekatastrophe aufgrund der besseren Sicherheitslage mehr Menschen (AA 1.12.2015).

Es gibt unterschiedliche Zahlen darüber, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Somalia ist. UNDP gab die Zahl im Jahr 2012 mit 67% an (IOM 2.2016; vgl. ÖB 10.2015). Bei der aktuellen Studie aus dem Jahr 2016 gaben aber nur 14,3% der befragten Jugendlichen in Mogadischu (6%), Kismayo (13%) und Baidoa (24%) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist, als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat;

c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von "arbeitslos" unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016). All dies bedeutet jedenfalls, dass man die Arbeitslosigkeit in Somalia und in Mogadischu nicht beziffern kann (LI 1.4.2016). Insgesamt sind zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren, u.a. aufgrund der Tatsache, dass die Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor aus Nomaden besteht (ÖB 10.2015). Außerdem haben sich bisherige Studien darüber, wie Menschen in Mogadischu ihren Lebensunterhalt bestreiten, auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel - v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LI 1.4.2016).

Hinsichtlich jugendlicher Arbeitsloser in Mogadischu gibt es außerdem die Vermutung, dass viele von ihnen gar nicht nach Arbeit suchen, u.a. deswegen, weil sie auf Rimessen aus dem Ausland, auf Nahrungs- und andere Hilfe und manchmal auch auf Pachterträge zurückgreifen können (UKUT 5.11.2015). Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose jedenfalls keinerlei Unterstützung (LI 1.4.2016). In einer Studie von IOM gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60%) und von Verwandten im Ausland (27%) versorgt zu werden (IOM 2.2016).

Dabei kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung (LI 1.4.2016). Neben den Bauaktivitäten gibt es auch vermehrt Taxiunternehmen, Busunternehmen, Reinigungen, Elektronikhändler etc. und die damit verbundenen Arbeitsmöglichkeiten (z.B. Bauarbeiter, Kellner, Fahrer, Verkäufer) (UKUT 3.10.2014; vgl. UKUT 5.11.2015).

In der Stadt gibt es eine steigende Nachfrage an Hilfsarbeitern. Früher hatten die nicht-Ausgebildeten größere Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt aber auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit. Mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu sind auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen (IOM 2.2016; vgl. LI 1.4.2016). Dementsprechend sind unqualifizierte Arbeitskräfte, bei denen es nur um physische Kraft geht (Bauwirtschaft, Hafenarbeiter etc.) in Mogadischu zahlreich verfügbar. Junge Kandidaten werden bevorzugt (IOM 2.2016).

Einen großen Bedarf gibt es an folgenden ausgebildeten Kräften und Fähigkeiten - bzw. womöglich auch an Ausbildungswilligen: Handwerker (Tischler, Maurer, Schweißer etc.); im Gastgewerbe (Köche, Kellner etc.); Schneider; Ingenieure; medizinisches Personal;

fortgeschrittene IT- und Computerkenntnisse; Agrarfachwissen;

Lehrkräfte auf allen Ebenen. Einen Bedarf gibt es auch an folgenden Arbeitskräften und Fähigkeiten: Mechaniker, Elektriker, Installateure, Fahrer von Spezialfahrzeugen; Betriebswirte und Buchhalter; Verkauf und Marketing; Englisch-Sprechern; IT- und Computerkenntnisse (IOM 2.2016). Der Mangel an Fachkräften ist so groß, dass in manchen Bereichen auf Gastarbeiter zurückgegriffen wird (z.B. im Gastgewerbe auf Kenianer und Somaliländer; oder im Baugewerbe auf Handwerker aus Bangladesch) (LI 1.4.2016; vgl. IOM 2.2016).

Fast alle in der Studie von IOM befragten Arbeitgeber haben angegeben, dass sie mittelfristig mehr Personal einstellen wollen (IOM 2.2016). Weil freie Arbeitsplätze oft nicht breit beworben werden und die Arbeitgeber den Clan und die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne richtige Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen (IOM 2.2016; vgl. DIS 9.2015), Witwen und Migranten ohne Familien schlechtere Chancen (DIS 9.2015). Arbeitssuchende greifen also auf ihre privaten Netzwerke zurück. Größere Firmen platzieren Jobangebote auch an Hauswänden oder in lokalen Medien. Öffentliche Stellen greifen auch auf Onlinemedien zurück (z.B. baidoanews.net oder somalijobs.net). Männliche Hilfsarbeiter stellen ihre Arbeitskraft frühmorgens an bestimmten Plätzen zur Verfügung (Mogadischu: Bakara; Baidoa: Kilo 7; Kismayo: Golol Place) (IOM 2.2016).

Der militärische Erfolg gegen al Shabaab in Mogadischu hat dazu geführt, dass viele Somali aus der Diaspora zurückgekehrt sind (BS 2016; vgl. LI 1.4.2016). Die Rückkehrer haben investiert und gleichzeitig eine wachsende Nachfrage geschaffen (LI 1.4.2016). Außerdem traten neue Investoren in den Vordergrund, z.B. die Türkei (BS 2016; vgl. LI 1.4.2016), China und die Golf-Staaten (LI 1.4.2016). Die Wirtschaft von Mogadischu hat begonnen zu wachsen. Dies wird angesichts des Baubooms am offensichtlichsten (BS 2016). Heute ist Mogadischu vom Wiederaufbau, ökonomischer Wiedererholung und Optimismus gekennzeichnet (LI 1.4.2016). Supermärkte, Restaurants und Hotels wurden neu geöffnet (BS 2016). Auch in anderen, der al Shabaab abgerungenen Städten steigt die Zahl wirtschaftlicher Aktivitäten (BS 2016).

Viele UN-Agenturen (bspw. UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen (ÖB 10.2015). So haben z.B. UN für Somalia ein Programm entworfen, das auf die Beschäftigung Jugendlicher abzielt. Mit dem Programm soll das Wachstum arbeitsintensiver Wirtschaftssektoren angekurbelt werden. Jugendliche sollen jene Fähigkeiten erhalten, die auf wachsenden Märkten am meisten gebraucht werden. Außerdem sind Initiativen der Weltbank auf den Weg gebracht, welche auf die Stromversorgung und auf den Finanzsektor abzielen. Privates Investment und die Schaffung von Arbeitsplätzen sollen gefördert werden. Die FAO unterstützt die Vieh-, Land- und Fischereiwirtschaft. Außerdem hat sie mehr als 30.000 Haushalte über cash-for-work-Programme finanziell beim Wiederaufbau von Infrastruktur unterstützt. Die ILO hat für 11.000 Haushalte (Rückkehrer aus Kenia, IDPs und Gastgemeinden) Arbeitsmöglichkeiten geschaffen (UNSC 11.9.2015).

Das meiste Einkommen lukriert Somalia mit Viehexport, Häuten, Fisch, Holzkohle und Bananen. Ein Schlüsselelement der Wirtschaft ist der Telekommunikationsbereich. Außerdem sind seit dem Rückzug der al Shabaab aus Mogadischu einige Bereiche stark gewachsen: Die öffentliche Verwaltung; internationale Organisationen; Botschaften; der Bausektor; und der Dienstleistungsbereich (Hotels, Restaurants, Transportsektor, Schulen, Spitäler etc.) (LI 1.4.2016). Viele Bereiche liegen in den Händen privater Anbieter (LI 1.4.2016; vgl. BS 2016). Neben Schulen und Spitälern wird beispielsweise auch die Steuer von einer Privatfirma eingehoben. Berechnungen zufolge ist die somalische Wirtschaft ständig gewachsen; für 2014 schätzt der IWF das Wachstum auf 3,7% (LI 1.4.2016).

Aufgrund der Tatsache, dass bereits eine Anzahl von somalischen Flüchtlingen bereit sind, freiwillig zurückzukehren bzw. viele schon zurückgekehrt sind, besteht eine berechtigte Hoffnung, in absehbarer Zeit das Land als zunehmend sicherer und bewohnbarer zu qualifizieren (ÖB 10.2015).

Quellen:

Rückkehrspezifische Grundversorgung

Als allgemeine Regel gilt, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Allerdings wurde das Konzept der Clan-Solidarität in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen (DIS 9.2015).

Beide - Familie (auch die erweiterten und entfernt verwandten Teile) und Clan - bleiben einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung) geht. Eine Person, die an einen neuen Wohnort zieht, erwartet sich die Akzeptanz des Clans in der lokalen Gemeinschaft. Diese Akzeptanz bedeutet, dass die Menschen über den Neuankömmling und seine Verbindungen Bescheid wissen; damit steht auch der Schutz in Verbindung, den diese Person vom Clan erlangen kann. Dies gilt auch für Rückkehrer, doch können diese ja nach Fähigkeiten und Kapazitäten auch autark leben, ohne einer Clan-Belästigung ausgesetzt zu sein. Auf der anderen Seite ist eine schwache Person mit wenigen Ressourcen auf die Unterstützung von Angehörigen, Verwandten oder einem engen Netzwerk angewiesen, um Unterkunft und Einkünfte zu erlangen. Grundsätzlich wird dabei nicht zuerst der Clan um Unterstützung angefragt (DIS 9.2015). Hier wendet man sich zuerst an die Familienebene. Wenn aber eine Person in einem Gebiet weder über Kernfamilie noch über Verwandte verfügt, dann kann der Clan Ressourcen zur Verfügung stellen (DIS 9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014), wobei dies im Falle von Mogadischu eher bei großen Clans Erfolg haben wird (UKUT 3.10.2014). Eine übersiedelnde Person, wird sich in einem IDP-Lager wiederfinden und sich keinen Lebensunterhalt sichern können, wenn sie in einer Stadt weder über Kern- oder erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügt (DIS 9.2015; vgl. UKUT 5.11.2015) noch auf Rimessen zurückgreifen kann. Diese Person ist auf humanitären Schutz angewiesen (UKUT 5.11.2015). Auch für alleinstehende Frauen oder Alleinerzieherinnen hängt der zu erwartende Lebensunterhalt vom Status und von den Ressourcen der Familienangehörigen im Aufnahmegebiet ab (DIS 9.2015).

Rückkehrer haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014; vgl. UKUT 5.11.2015).

Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Rimessen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann (UKUT 3.10.2014; vgl. UKUT 5.11.2015).

Quellen:

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, welche den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgehalten und denen im Zuge dessen nicht entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin, ihrer Herkunft, ihrer Religion und Clanzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin. Ihre Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden; der im Spruch angeführte Name dient lediglich zur Identifizierung der Beschwerdeführerin als Verfahrenspartei.

Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Im vorliegenden Verfahren hat die Beschwerdeführerin nach ihrer Erstbefragung in einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht die Gelegenheit gehabt, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31).

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.08.2016, welche nicht zuletzt auch deshalb durchgeführt wurde, um sich einen persönlichen Eindruck von der Beschwerdeführerin zu verschaffen, einen überaus glaubwürdigen Eindruck vermittelte und sie keineswegs den Eindruck erweckte, gleichsam nur erfundene und auswendig gelernte Umstände anzugeben. So war auch der überaus überzeugende Gesamteindruck, den die Beschwerdeführerin im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hinterließ, im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung des Vorbringens entscheidend für die Bewertung, dass den Angaben der Beschwerdeführerin Glaubwürdigkeit zukommt.

Die Feststellungen zu den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Fluchtgründen (Überfall und Vergewaltigung) beruhen daher auf den glaubwürdigen, detaillierten und widerspruchsfreien Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren und auch anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, im Rahmen welcher die Beschwerdeführerin bei eingehender Befragung zu ihren Fluchtgründen einen persönlich glaubwürdigen und überzeugenden Eindruck hinterließ.

Das Bundesverwaltungsgericht vermag daher die Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die Angaben der Beschwerdeführerin seien nicht glaubhaft, nicht zu teilen. Insbesondere stützt sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darauf, dass die Beschwerdeführerin die Vergewaltigung bei der Erstbefragung nicht erwähnt hat. Dies konnte die Beschwerdeführerin jedoch in der mündlichen Verhandlung aufklären, indem sie angab, dass sie im PAZ XXXX gleichzeitig mit acht anderen Somalis befragt worden sei, die alles mithören hätten können und eine Vergewaltigung in Somalia als Schande gelte. Die bei der Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht anwesende Dolmetscherin, die auch bei der Erstbefragung der Beschwerdeführerin anwesend war, bestätigte auf Nachfrage des Gerichts die Situation im PAZ XXXX und dass man sich bei den Einvernahmen gegenseitig zuhören könnte.

Es kam beim Vorbringen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung jedoch auch klar hervor, dass es sich bei den Geschehnissen um einen kriminellen Überfall durch vier Männer handelte, die auf Geld aus waren und in weiterer Folge die Beschwerdeführerin auch noch vergewaltigten. Die Beschwerdeführerin hat nach dem Überfall diesen bei der Polizei angezeigt. Davor hat bereits ihre Mutter Anzeige erstattet, da sie von den Nachbarn vom Überfall erfahren hat. Beide Anzeigen wurden aufgenommen. Dass die Täter nicht gefunden werden konnten, liegt nach den Schilderungen der Beschwerdeführerin nicht daran, dass die Polizei an einer Verfolgung kein Interesse gehabt hat, sondern wohl daran, dass die Beschwerdeführerin zu den Tätern kaum Angaben hat machen können. So gab sie in der mündlichen Verhandlung an, dass sie die Männer nicht gekannt habe. Sie seien schwarz gewesen und einer habe ein volles Gesicht und eine Zahnlücke gehabt. Auf Nachfrage bestätigte sie, dass sie die Männer auch bei der Polizei so beschrieben habe. Somit lässt sich nicht ableiten, dass die Polizei in Mogadischu hinsichtlich des Falles der Beschwerdeführerin nicht schutzwillig oder -fähig wäre.

2.4. Zur Rückkehrsituation der Beschwerdeführerin:

Die Sicherheitslage in Mogadischu hat sich seit 2012 bedeutend gebessert, dennoch ist die Lage in manchen Bezirken vor allem in der Nacht schlecht, und verlegte sich Al Shabaab auf Guerillakampfhandlungen. Es gibt in Mogadischu keine Gebiete, die als absolut sicher eingestuft werden können. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass insbesondere auch der Bezirk der Beschwerdeführerin ( XXXX ) von terroristischen Aktivitäten massiv betroffen ist.

Zusätzlich ist die Beschwerdeführerin als besonders vulnerabel anzusehen, weil sie bereits Opfer eines kriminellen Übergriffs (Überfall und Vergewaltigung) war, sodass es ihr vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, wonach sexuelle Gewalt gegen Frauen in Somalia weit verbreitet ist, nicht mehr zuzumuten ist, allein ein Geschäft am Markt zu betreiben.

Darüber hinaus hat sich die schlechte Versorgungslage in Somalia aufgrund einer Dürrekatastrophe im Norden des Landes und Überschwemmungen im Süden des Landes dermaßen verschlechtert, dass mit einer Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit zu rechnen ist. 38% der Bevölkerung ist auf Unterstützung angewiesen, eine Million Menschen können ihren grundlegenden Nahrungsbedarf nicht decken.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. etwa VwGH 21.04.2011, 2011/01/0100 mwN). Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 13.11.2011, 2000/01/0098; im gleichen Sinne auch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU - Statusrichtlinie; VwGH 28.01.2015, Ra 2014/181/0112).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung unter 2.3. dargestellt wurde, handelt es sich bei der von der Beschwerdeführerin geschilderten Verfolgung durch vier Männer nicht um eine Verfolgung aus einem in der GFK aufgezählten asylrelevanten Gründen, sondern um eine kriminelle Handlung (Überfall des Geschäfts und anschließende Vergewaltigung). Dass die somalische Polizei aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren, ist im vorliegenden Fall auch nicht hervorgekommen.

Dabei wird nicht verkannt, dass sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass Frauen beim Zugang zur Justiz Hindernissen ausgesetzt sind, die Sicherheitskräfte sowie die Justiz als schwach anzusehen ist und bei geschlechtsspezifischer Gewalt weitgehend Straflosigkeit herrscht, jedoch zeigt der Fall der Beschwerdeführerin, dass es ihr möglich war, Anzeige zu erstatten und dieser auch nachgegangen wurde, jedoch die Täter nicht gefasst werden konnten, was zu einem Teil wohl auch an der Täterbeschreibung durch die Beschwerdeführerin liegt.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I 75/1997 idF BGBl. I 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte..

Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028).

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH jeweils vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095).

Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiärem Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07 , Slg. 2009, I-0000, Rn 45).

Wie bereits unter 2.4. ausgeführt, kommen bei der Beschwerdeführerin mehrere Faktoren zusammen, die in ihrer Zusammenschau ihre individuelle Rückkehrsituation als besonders prekär auszeichnen.

Es kann demnach nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Somalia dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, sodass eine Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht der Beschwerdeführerin nicht offen, zumal in ihrem Fall eine allfällige Rückkehr bereits nach Mogadischu geprüft wurde. Eine Ansiedlung in Somaliland oder Puntland käme mangels dortiger familiärer oder sozialer Verwurzelung ebenfalls nicht in Frage (siehe EGMR, 05.09.2013, K.A.B./Schweden, Nr. 886/11, Abs. 82ff).

Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (Z 1 und Z 2) und die Beschwerdeführerin andererseits unbescholten ist (Z 3).

Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattzugeben.

Zu Spruchpunkt III:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerdeführerin mit gegenständlichem Erkenntnis den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr, beginnend mit der rechtskräftigen Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses, zu erteilen ist.

Zu Spruchpunkt IV:

Aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung) ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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