BVwG W221 1423733-1

BVwGW221 1423733-11.2.2016

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W221.1423733.1.00

 

Spruch:

W221 1423733-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , StA. Kamerun, vertreten durch RA Mag. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.12.2011, Zl. 11 04.675-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.11.2015, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin reiste auf dem Luftweg in Österreich ein und stellte am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab sie an, Staatsangehörige Kameruns und christlichen Glaubens zu sein sowie der Volksgruppe der XXXX anzugehören.

Am 13.05.2011 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Am XXXX habe sie Kamerun schlepperunterstützt mit dem Flugzeug verlassen und sei über ein unbekanntes Land nach Österreich gereist. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete die Beschwerdeführerin, dass sie Mitglied des Southern Cameroon National Council (SCNC) gewesen sei. Vor zwei Jahren sei sie festgenommen und inhaftiert worden. Am XXXX sei ihr die Flucht aus dem Gefängnis gelungen, da der Wachmann betrunken gewesen sei. Bis zu ihrer Ausreise habe sie sich versteckt gehalten. Im Falle einer Rückkehr befürchte sie lebenslang inhaftiert zu werden.

Am 19.08.2011 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt im Beisein einer Dolmetscherin für die englische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte sie zunächst, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprächen. Allerdings sei sie drei Jahre inhaftiert gewesen und nicht nur zwei, wie bei der Erstbefragung fälschlicherweise protokolliert worden sei. Zu ihrem Gesundheitszustand führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie bereits vor ihrer Ausreise aufgrund von starken Kopfschmerzen begonnen habe doppelt zu sehen. Der Zustand habe sich mittlerweile gebessert und sie habe nur mehr gelegentlich Kopfschmerzen. Diesbezüglich legte die Beschwerdeführerin einen ambulanten Befundbericht einer neurologischen Abteilung vom 16.05.2011 mit der Diagnose Cephalea (Spannungskopfschmerz) und Stauungspapillen beidseitig vor. Zum Nachweis ihrer Identität legte die Beschwerdeführerin ihren Schülerausweis vor.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen führte die Beschwerdeführerin aus, in XXXX aufgewachsen zu sein und dort auch die Schule besucht, jedoch nicht abgeschlossen zu haben. Danach habe sie einige Monate als Friseurin gearbeitet, bevor sie begonnen habe sich politisch für den SCNC zu betätigen. Zuletzt habe sie bei ihrem Bruder gewohnt. Nach ihrer Flucht aus dem Gefängnis habe sie sich bis zur Ausreise in XXXX und in XXXX aufgehalten. Im Herkunftsstaat lebten noch ihre Mutter, ein Bruder sowie Tanten und Onkeln, wobei sie im gelegentlichen Kontakt mit ihrem Bruder stehe. Ihr Vater und ihre zwei Schwestern seien bereits verstorben. In Österreich habe sie keine Verwandten. Sie lebe von den Leistungen im Rahmen der Grundversorgung und gehe keiner Beschäftigung nach. Sie besuche einen Deutschkurs.

Zu ihren Ausreisegründen befragt, gab die Beschwerdeführerin Folgendes an:

"Es begann damit, dass ich an einem Jugendcamp des SCNC in der North West Province in XXXX teilgenommen habe. XXXX ist ein Stadteil von XXXX . Dieses Camp hat vom XXXX bis zum XXXX stattgefunden. Der Vizepräsident des SCNC, XXXX hat dort Reden gehalten. Am XXXX , auf meiner Rückreise vom Camp, das war zwei Tage nach Beendigung des Camps, gab es zunächst keine besonderen Vorkommnisse, bis auf die normale Anwesenheit von Polizisten und Gendarmen und Checkpoints. Unser Bus war auf der Heimreise zurück von XXXX in XXXX zurück nach XXXX gefahren. Auf dem Weg passierten wir einen Ort namens XXXX . Dort haben die Leute Demonstrationen abgehalten. Es ging um die Verfassung und um Preissteigerungen. Polizei und Gendarmen waren dort und haben versucht, die Demonstrationen zu begrenzen. Es ist nicht zu einem Kampf zwischen den Demonstranten und der Polizei gekommen. Unser Bus durfte passieren. Einige Zeit nach XXXX stieg ich in XXXX aus, wo es eine Fähre gibt, die einen Fluss überquert. Danach nahm ich ein Motorradtaxi das mich nach XXXX bringen sollte. Auf den Weg dorthin gibt es eine kleine Stadt namens XXXX . Dort sahen wir viele Polizisten und Gendarmen. Zunächst dachte ich, dass diese Polizisten und Gendarmen die Hauptstraße bewachen würden. Dann aber erschien mir deren Anzahl zu hoch und ich befürchtete schon dass es Schwierigkeiten gibt, da auch in XXXX so viele Polizisten und Gendarmen zu sehen waren. Einer der Polizisten mich und den Fahrer sah, hielt er uns auf und sagte in Französisch zu uns: "Voila les recforce", was bedeutet: "Da sind die Oppositionellen". Ich erinnere mich daran, dass ich die Unterlagen des SCNC bei mir hatte. Sie begannen uns zu schlagen und sagten auf Französisch, dass wir diejenigen wären, die in unserem Land Unordnung bringen. Von diesen Schlägen erhielt ich Wunden auf beiden Armen. Einer der so aussah wie ein Kommandant, gab den Befehl aus, mit dem Schlagen aufzuhören. Er holte aus meiner Tasche die Flagge des SCNC und die dazugehörige Literatur heraus. Er fragte auch auf Französisch wem diese Tasche gehört. Ich sagte ihm, dass es meine wäre. Man legte uns Handschellen an, wir wurden zu einer Polizeistation gebracht, die sich noch in XXXX befand, aber jenseits des Flusses. Dort gab es so viele Leute, die schon vor uns verhaftet wurden. Die Leute die vor uns festgenommen wurden sagten uns, dass sie in der Stadt einen Aufstand gemacht hätten. Auch dort hörte ich, dass man sich gegen die Verfassung und die Preissteigerung bei Grundnahrungsmitteln aussprach. Meine beiden Schwestern sind auch aufgrund ihrer Aktivitäten beim SCNC getötet worden. Das war für mich ein Grund, mich ebenfalls zu engagieren. In der zweiten Nacht unserer Anhaltung wurde jeweils einer an den anderen mit Handschellen gekettet. Wir waren eine lange Menschenkette, und sie brachten uns aus der Zelle hinaus. Man brachte uns zu einem Bus mit getönten Scheiben. Bei unserer Abfahrt habe ich mehrere Busse gesehen. Wir wurden in ein Gefängnis in XXXX gebracht, dort kam allerdings nur unser Bus an. Das Gefängnis befindet sich zwischen XXXX und XXXX , es ist keine größere Stadt entfernt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nach meiner Flucht aus dem Gefängnis 2 Nächte brauchte um vom Gefängnis nach XXXX zu gelangen, das ist ein Vorort von XXXX . Dieses Gefängnis war die Hölle auf Erden. Wir wurden dort geschlagen und vergewaltigt. Wir wurden in jeglicher Weise erniedrigt. Irgendwann haben sie mit dem schlagen aufgehört, aber nicht mit dem Vergewaltigen. Am XXXX hat mich einer der Wärter, der vollkommen betrunken war, an den Ort gebracht, wo ich üblicherweise vergewaltigt wurde. Nach der Ejakulation ist er sofort eingeschlafen. Mit meinen Händen gelang es mir, den Bambuszaun aufzubrechen, und ich flüchtete in den Busch. Ich blieb zwei Nächte im Busch, so lange habe ich gebraucht um nach XXXX zu gelangen, dort kontaktierte ich meinen Bruder. Ich habe sogar eine alte Frau gebeten, dass sie mich bei sich aufnimmt. Sie lebte in einer Hütte. Von dort hat mich mein Bruder abgeholt. Mit einem Auto brachte mich mein Bruder nach XXXX , niemand wusste von dieser Reise. Später sagte er mir, dass die Polizei nach mir gesucht hätte, und dass der Ort für mich nicht mehr sicher ist. Daher hat er sich entschlossen, mich aus dem Land ausreisen zu lassen. Am XXXX ist er schließlich zu mir gekommen, und erklärte mir, dass alles organisiert wäre für meine Ausreise. Dann hat er mich seinem Freund XXXX vorgestellt. XXXX und ich haben seinen Toyota Landcruiser bestiegen und sind zum Flughafen nach Douala gefahren."

Zu ihrer Mitgliedschaft beim SCNC befragt, erklärte die Beschwerdeführerin, sie habe noch nicht viel über den SCNC gelernt, da sie zu dem Zeitpunkt, wo sie begonnen habe sich damit zu beschäftigen, verhaftet worden sei. In Kamerun sei sie auch noch kein offizielles Mitglied gewesen, sondern erst in Österreich dem SCNC beigetreten. Diesbezüglich legte die Beschwerdeführerin ihren Mitgliedsausweis des SCNC vor. Der Eintrittsprozess habe jedoch mit dem Camp begonnen. Von dem Camp habe sie durch Flugblätter erfahren. Sie habe sich daraufhin entschlossen teilzunehmen, da ihre beiden Schwestern wegen ihres Engagements für den SCNC getötet worden seien. Sie habe sich daher informieren wollen, welche Ziele der SCNC verfolge. In dem Camp seien die Teilnehmer darüber informiert worden, wie der SCNC versuche die Unabhängigkeit des anglophonen Teils von Kamerun zu erreichen, da der amtierende Präsident den frankophonen Teil bevorzuge. Zu ihren Schwestern befragt, führte die Beschwerdeführerin aus, sie seien Mitglieder des SCNC gewesen und seien beide jeweils während eines Streiks verhaftet worden. Eine Schwester sei im Jahr XXXX und die andere im Jahr XXXX inhaftiert worden, jedoch gegen Kaution freigelassen. Gestorben seien sie im Jahr XXXX . Ihr Bruder sei nicht beim SCNC tätig. Zu ihrer Verhaftung befragt, brachte die Beschwerdeführerin vor, es seien verschiedene Personen angehalten worden, da es bereits zu Demonstrationen gekommen sei. Da sie in ihrer Tasche die Flagge und das Material über den SCNC bei sich gehabt habe, hätten die Polizisten gewusst, dass sie Mitglied des SCNC sei und sie deshalb verhaftet. An diesem Tag seien auch noch weitere Mitglieder des SCNC als auch andere Personen verhaftet worden. Es habe kein Gerichtsverfahren gegeben. In ihrer Gefängniszelle seien ungefähr 30 Personen gewesen, die am Boden hätten schlafen müssen. In den ersten zwei Wochen sei sie geschlagen worden, danach sei sie bis zu ihrer Flucht immer wieder vergewaltigt worden. Eines Nachts sei sie wieder von einem Wärter aus der Zelle geholt worden, doch sei dieser so stark betrunken gewesen, dass er nach der Ejakulation sofort eingeschlafen sei. Sie habe die Gelegenheit genutzt und sei durch den Haupteingang hinausgelaufen, habe den Bambuszaun durchbrochen und sei durch den Busch gelaufen. Andere Wärter seien nicht anwesend gewesen. Im Fall einer Rückkehr befürchte sie zum Tode verurteilt zu werden, da sie aus dem Gefängnis geflüchtet sei und nach ihr gesucht werde. Auf Nachfrage, woher sie wisse, dass man nach ihr suche, erklärte die Beschwerdeführerin, ihr Bruder habe ihr das gesagt.

Am 24.08.2011 legte die Beschwerdeführerin eine Deutschkursteilnahmebestätigung, einen Befundbericht einer neurologischen Abteilung vom 27.05.2011 und einen Befundbrief einer Abteilung für Augenheilkunde vom 29.06.2011 vor, mit den Diagnosen Verdacht auf Pseudotumor, Stauungspapille sowie Abducensparese (Lähmung des Sehnervs).

Zur Abklärung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin wurden in weiterer Folge medizinische Gutachten eingeholt. Im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 10.09.2011 führte der medizinische Sachverständige aus, dass die Beschwerdeführerin derzeit an chronischen Kopfschmerzen, jedoch an keiner psychischen Erkrankung, Störung oder sonstigen Beeinträchtigung leide und keine weiterführende Therapie erforderlich sei. Zudem sei die Beschwerdeführerin zeitlich, örtlich, situativ und zur Person vollkommen orientiert, sodass sie in der Lage sei, schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen. Im allgemein medizinischen Gutachten vom 23.09.2011 führte der medizinische Sachverständige aus, dass die Beschwerdeführerin an keiner lebensbedrohenden Erkrankung leide. Zu den bei der Beschwerdeführerin vorhandenen Narben könne keine eindeutige Aussage darüber getroffen werden, ob diese von einem Folterszenario stammten.

Das Bundesasylamt beauftragte eine Vor-Ort-Recherche bei der Staatendokumentation zur Verifizierung der Angaben der Beschwerdeführerin. In der Bezug habenden Anfragebeantwortung vom 11.10.2011 hielt die zuständige Österreichische Vertretungsbehörde in Abuja zusammengefasst fest, dass ihr Bruder angegeben habe, dass die Beschwerdeführerin immer in Angelegenheiten verwickelt gewesen sei, die er nicht erklären könne, er es aber irgendwann satt gehabt habe, von einer Behörde zur anderen zu gehen. Seine Schwester sei geheimniskrämerisch gewesen und habe ihm nie etwas erzählt. Vor ihrer letzten Verhaftung habe er sie gewarnt, verbotenen Organisationen beizutreten und ihr gesagt, dass er keine Kaution für sie bezahlen würde. Andere interviewte Personen hätten angegeben, dass sie als Abtrünnige gegolten habe und sie auch immer wieder mit der Polizei in Konflikt geraten sei, was üblicherweise zu ihrer Verhaftung geführt habe. Zudem sei sie immer schon verdächtigt worden, aktives Mitglied des SCNC gewesen zu sein. Aus den Interviews gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin mehrmals inhaftiert gewesen sei. Da sie jedoch seit zwei Jahren nicht mehr gesehen worden sei, seien weitere Befragungen bezüglich einer eventuellen Verfolgung ergebnislos geblieben. Ferner wurde festgehalten, dass der SCNC selbst keine Jugendcamps organisiere, doch hätten sich Angehörige einer unbekannten Fraktion, die sich selbst dem SCNC zurechnen würden, für eine Versammlung an dem von der Beschwerdeführerin angegebenen Ort zur von ihr angegebenen Zeit zusammengefunden, welche von der Polizei aufgelöst worden sei. Ob die Beschwerdeführerin daran teilgenommen habe, habe nicht in Erfahrung gebracht werden können. Weiters wurde bestätigt, dass es um dem XXXX in XXXX und XXXX zu ernstzunehmenden Massendemonstrationen aufgrund der steigenden Preise für Lebensmittel gekommen sei. Beim Versuch die Ordnung wiederherzustellen, seien Leute durch Sicherheitskräfte verhaftet und getötet worden. Auch das besagt Gefängnis in XXXX existiere und die Gefängnismauern seien teilweise mit Bambus verstärkt gewesen, wobei diese nicht leicht zu durchbrechen wären. Gefängniswärter seien an strategischen Stellen positioniert gewesen. Zu einem möglichen Gefängnisausbruch hätten sich die Wärter jedoch geweigert Informationen preiszugeben. Darüber hinaus sei es möglich, dass Personen auch länger als drei Jahre ohne Prozess inhaftiert sein könnten.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.11.2011 wurden der Beschwerdeführerin die Rechercheergebnisse der Staatendokumentation zur Kenntnis gebracht und erklärte diese hierzu, dass sie nur einmal verhaftet worden sei und vor der Teilnahme an dem Jugendcamp keinerlei Konflikte mit der Polizei gehabt habe. Der Bambuszaun des Gefängnisses sei sehr wohl leicht zur Seite zu ziehen und sie habe Glück gehabt, dass die meisten Gefängniswärter nicht zur Arbeit erschienen seien.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.12.2011, zugestellt am 20.12.2011, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kamerun ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Kamerun und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen äußerst allgemein, frei von Emotionen und unpersönlich dargelegt habe. Abgesehen davon seien ihre Angaben auch nicht durch die Ergebnisse der Vor-Ort-Recherche vom 11.10.2011 bestätigt worden. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer zwar über wesentliche Kenntnisse über eine gewisse XXXX , deren Leben und Familienangehörige verfüge, doch handle es sich hierbei nicht um ihre Person und sie habe daher versucht ihre wahre Identität und persönlichen Hintergrund zu verschleiern. So stimmten laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation insbesondere der Name des Bruders und der Mutter der Beschwerdeführerin nicht mit den Angaben der Beschwerdeführerin überein. Zudem seien die Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Verhaftung und ihrer Flucht aus dem Gefängnis weder wahrscheinlich noch nachvollziehbar. Diesbezüglich sei es etwa unplausibel, dass gerade die Beschwerdeführerin, welche sich nicht an der Demonstration beteiligt habe, sondern nur zufällig vor Ort gewesen sei, einer Kontrolle durch Polizeikräfte unterzogen und verhaftet worden sei. Es entspreche auch nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Beschwerdeführerin in der Lage gewesen sein soll, nach einer dreijährigen Haft bei schlechten Haftbedingungen einen Bambuszaun zu durchbrechen und davon zu laufen, insbesondere bei unverschlossenen Türen und unbemerkt. Darüber hinaus sei nicht feststellbar gewesen, ob die vorhandenen Narben tatsächlich durch körperliche Misshandlung entstanden wären. Die Beschwerdeführerin sei auch nicht imstande gewesen, nähere Informationen über den SCNC darzulegen und sie widerspreche sich auch hinsichtlich ihrer Mitgliedschaft. Abgesehen davon, dass sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin als nicht glaubhaft erwiesen habe, sei darauf hinzuweisen, dass es laut den Länderfeststellungen in Kamerun relativ leicht sei, sich einer Verfolgung durch die staatlichen Sicherheitsbehörden zu entziehen. Auch bezüglich des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin in Österreich über einen Mitgliedsausweis des SCNC verfüge, gehe noch nicht automatisch eine Verfolgungs- bzw. Bedrohungsgefährdung ihrer Person im Herkunftsstaat einher, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin bloß ein einfaches Mitglied des SCNC sei.

Weiters wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr nach Kamerun keine Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder der Todesstrafe sowie ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt drohen würde. Abschließend begründete das Bundesasylamt seine Ausweisungsentscheidung.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 16.12.2011 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 AsylG 2005 die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof zur Seite gestellt.

Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 03.01.2012 beim Bundesasylamt einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die belangte Behörde nur unzureichend mit den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin auseinander gesetzt habe. Zwar seien sowohl medizinische Gutachten als auch Vorortrecherchen durchgeführt worden, doch seien die meisten Aussagen als unplausibel und unglaubhaft gewertet worden, obwohl zahlreiche, allgemein zugängliche Informationsquellen über die Unruhen im Februar XXXX ihre Angaben bekräftigen würden. Wenn die belangte Behörde zudem an ihrer Identität zweifle, verweise sie auf den vorgelegten Schülerausweis. Hätte die belangte Behörde ihr dieses Ergebnis bereits in der letzten Einvernahme vorgehalte, hätte sie alles Erdenkliche unternommen, um die belangte Behörde über die Richtigkeit ihrer Identität zu überzeugen. Darüber hinaus verwies die Beschwerdeführerin auf ihre exilpolitische Aktivität und deren diesbezüglichen Folgen im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat sowie auf die frauenspezifischen Gefahren in Kamerun. Hinsichtlich ihrer SCNC-Mitgliedschaft legte die Beschwerdeführerin ein Schreiben des österreichischen Vorsitzenden des SCNC vom XXXX vor.

In Ergänzung ihrer Beschwerde legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 22.03.2012 eine Kopie des Personalausweises ihres Bruders und ihrer Mutter sowie diverse Familienfotos vor.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesasylamt vorgelegt und sind am 10.01.2012 beim Asylgerichtshof eingelangt.

Hinsichtlich ihrer Integrationsbemühungen übermittelte die Beschwerdeführerin am 12.09.2014 bzw. am 23.03.2015 folgende Unterlagen:

* Beschäftigungsbewilligung des Arbeitsmarktservices bzw. Arbeitszeugnis hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Stubenmädchen vom

XXXX

* Arbeitszeugnis hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Saisonarbeitskraft vom XXXX

* Anmeldung zur Gebietskrankenkasse hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Abwäscherin vom XXXX

* diverse Deutschkursteilnahmebestätigung

* Österreichisches Sprachdiplom Deutsch der Niveaustufe B1 vom 18.03.2014

* Abschlusszertifikat und Zeugnis betreffend eines Abendlehrganges für Erwachsene zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses vom 12.02.2015

* Mutter-Kind-Pass

Mit 28.07.2015 ging der Akt zuständigkeitshalber auf die Gerichtsabteilung W221 des Bundesverwaltungsgerichtes über.

Mit Schreiben vom 22.10.2015 legte die Beschwerdeführerin die Geburtsurkunde ihres Sohnes vor, dessen Vater - ein Staatsangehöriger von Nigeria - ebenso Asylwerber in Österreich ist.

Mit Schreiben vom 29.10.2015 wurden die Beschwerdeführerin und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2015 unter gleichzeitiger Übermittlung der aktuellen Länderberichte zur Lage in Kamerun geladen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 12.11.2015 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.11.2015 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die englische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Rechtsanwältin der Beschwerdeführerin blieb der Verhandlung in Absprache mit der Beschwerdeführerin entschuldigt fern. Die Beschwerdeführerin verzichtete auch auf die Teilnahme ihres Rechtsberaters an der Verhandlung und hat ihn auch nicht ersucht, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, dass sie von der Polizei XXXX wegen ihrer SCNC-Tätigkeit verhaftet und in ein Gefängnis gebracht worden sei, wo sie drei Jahre lang inhaftiert gewesen sei. Sie habe aus dem Gefängnis im April XXXX fliehen können, als die Wache geschlafen habe. Sie habe ihren Bruder von einer Telefonzelle aus kontaktiert und er habe sie zu einem Freund geschickt. Der Beschwerdeführerin wurde ausreichend Gelegenheit gegeben, ihre Fluchtgründe zu schildern und zu den aufgetretenen Widersprüchen Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom XXXX , der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesasylamtes, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Ausländer- und Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Kamerun. Ihre Identität konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden.

Die Beschwerdeführerin reiste im XXXX aus Kamerun mit dem Flugzeug aus, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor ihrer Ausreise hat sie in Kamerun einige Monate als Friseurin gearbeitet.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführerin in Kamerun mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - droht.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die Beschwerdeführerin ist grundsätzlich gesund, weshalb festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin nicht an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet, welche eine Rückkehr nach Kamerun iSd Art. 3 EMRK unzulässig machen würden.

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit ihrer Antragsstellung auf internationalen Schutz am XXXX aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz durchgängig rechtmäßig im Bundesgebiet. Die Beschwerdeführerin hat einen Lebensgefährten, der aus Nigeria stammt und ebenfalls Asylwerber ist (W211 1421511-1). Dessen Beschwerde gegen seine Asylabweisung wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag ebenfalls negativ entschieden. Mit diesem Mann hat sie einen gemeinsamen Sohn, der am XXXX in Graz zur Welt kam und dessen Beschwerde gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz mit Entscheidung vom heutigen Tag, Zl. W221 2120201-1, ebenfalls negativ entschieden wurde.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration der Beschwerdeführerin in Österreich vorliegt. Die Beschwerdeführerin bezieht derzeit Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes, lebt in einem Flüchtlingsheim und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Sie beherrscht Deutsch auf Niveau B1 und hat in Österreich ihren Hauptschulabschluss nachgeholt.

Der Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Kamerun:

"Politische Lage

Kamerun ist eine Präsidialrepublik. Zwar kann die Staatsform als semipräsidentiell bezeichnet werden, d.h. es gibt neben dem Präsidenten als zweite Exekutivgewalt den Regierungschef (= Premierminister), dessen Regierung dem Parlament verantwortlich ist, aber die Verfassung sichert dem Staatspräsidenten - seit 1982 ist dies Paul Biya - eine überragende Stellung (GIZ 6.2015; vgl. USDOS 25.6.2015). Legislative und Justiz haben nur geringe Kontrolle über die Exekutive (BS 2014).

Das Land wird seit 1966 von der Partei "Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais" (RDPC, bis 1985 "Union Nationale Camerounaise") regiert. Staatspräsident Paul Biya (81 Jahre) regiert seit 1982. Die nächsten Präsidentenwahlen finden turnusgemäß 2018 statt. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht ganz regulär. Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild und sieht die Schaffung eines Verfassungsgerichts vor, was allerdings bis heute nicht geschehen ist. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer effizient austarierten Balance verharren (AA 10.2.2015).

Die jetzt gültige Verfassung ist die 3. seit dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Diese 3. Verfassung wurde unter Biya inzwischen dreimalig einer Revision unterzogen: 1984, in der Phase der Machtkonsolidierung Biyas, wurde der Staat in "Republik Kamerun" umbenannt und die Provinzgrenzen neu gezogen. 1996 wurden die Weichen für eine moderate Dezentralisierung gestellt. So wurde die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) beschlossen und die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre, mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl, festgesetzt. 2008 kam es zur vorläufig letzten Verfassungsänderung: die RDPC /CPDM nutzte ihre breite Parlamentsmehrheit und beschloss sowohl eine unbeschränkte Amtszeit des Präsidenten, als auch dessen Immunität über die Zeit der Präsidentschaft hinaus (GIZ 6.2015).

Bei den letzten Präsidentschaftswahlen Anfang Oktober 2011 wurde Paul Biya mit deutlicher Mehrheit im Amt bestätigt und bleibt damit kamerunischer Präsident für die nächsten sieben Jahre. Paul Biya erhielt 78% der Stimmen. Gemäß offiziellen Angaben soll die Wahlbeteiligung bei 66% gelegen haben (GIZ 6.2015; vgl. BS 2014). Internationale Beobachter sowie Transparency International gehen jedoch von einer tatsächlichen Wahlbeteiligung von 30% aus. Alle seit der Einführung des Mehrparteiensystems abgehaltenen Wahlen waren von ernsten Mängeln geprägt (BS 2014). Mit ihren 22 Präsidentschaftskandidaten landete die Opposition weit abgeschlagen. Der Ausgang dieser Wahl war kaum überraschend, im Land herrscht Resignation hinsichtlich eines demokratischen Wandels vor, scharfe Kritik wird vor allem von den im Ausland lebenden Kamerunern geäußert (GIZ 6.2015).

Parlaments- und Kommunalwahlen fanden nach wiederholter Wahlterminverlegung (die Opposition hatte immer wieder Reformen des Wahlverfahrens angemahnt) am 30.9.2013 statt - mit wenig überraschendem Ergebnis: Die RDPC/CPDM behauptete sich mit Abstand (GIZ 6.2015). Ihr gehören 148 (zuvor 152) der 180 Abgeordneten an. Als größte Oppositionspartei stellt die SDF (Mitglied der Sozialistischen Internationale) 18 Abgeordnete, während 5 kleinere Parteien insgesamt 14 Sitze erhielten. Die Kommunalwahlen entschied die RDPC ebenfalls klar für sich: Sie kann in 305 Kommunen allein regieren, die Oppositionsparteien lediglich in 24 (AA 10.2.2015).

Am 14.4.2013 wurden zum ersten Mal Senatoren für die 2.Kammer gewählt - 17 Jahre nach Schaffung der verfassungsrechtlichen Grundlagen. Großer Gewinner war die RDPC/CPDM (GIZ 6.2015; vgl. AA 10.2.2015). Senatspräsident ist der 80-jährige Marcel Niat Njifendji, ex-Vizepremierminister. Er würde im Falle der Amtsunfähigkeit des Staatspräsidenten übergangsweise dessen Amtsgeschäfte führen (AA 10.2.2015).

Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen: Die meisten Oppositionsparteien, so auch die SDF, kranken an ähnlich überkommenen Strukturen wie die Regierungspartei RDPC. Parteigründer sind oftmals gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei in autokratischem Stil. Zudem stützen sich die meisten Oppositionsparteien auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). So auch die SDF: 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang sie in der anglophonen Region Nord-West, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (73 Jahre) stammt (AA 10.2.2015).

Quellen:

Sicherheitslage

Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten. Abgeraten wird lediglich von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord. Reisen in die Provinzen Nord und Adamoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind (FD 26.7.2015b). Das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in den Norden des Landes. Reisen in die Grenzgebiete zum Tschad und zur zentralafrikanischen Republik sollen nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind (BMEIA 20.8.2015). Die Vereinten Nationen hatten für die Provinz Extrême-Nord die Bedrohungsstufe bereits im Jahr 2014 von 3 (moderat) auf 5 (hoch) angehoben (IRIN 31.7.2015).

Derzeit steht Kamerun vor großen Herausforderungen, da sich das Umfeld in den Nachbarländern Zentralafrikanische Republik und Nigeria destabilisiert hat. An der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik ist es seit Ausbruch der Seleka-Rebellion im Dezember 2012 mehrfach zu bewaffneten Übergriffen auf kamerunische Orte gekommen. Seit Beginn der Rebellion sind ca. 150.000 Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik in Kamerun

Eingetroffen (AA 10.2.2015). Das Grenzgebiet mit der Zentralafrikanischen Republik gilt wegen dieser grenzüberschreitender Übergriffe bewaffneter Gruppen der dortigen Rebellen als unsicher (AA 17.8.2015; vgl. FH 2015). Es kam dort auch zu Gefechten zwischen zentralafrikanischen Rebellen und kamerunischen Kräften (FH 2015). Vor Reisen in das Grenzgebiet zur Zentralafrikanischen Republik wird daher ebenfalls gewarnt (AA 17.8.2015).

In der Provinz Extrême-Nord, die an die Hochburg der Boko Haram in Nigeria grenzt, kommt es zu wiederholten Einfällen der Extremisten (FH 2015). Im Norden Kameruns, besonders in der Region Extreme-Nord, bedrohen Übergriffe von Boko Haram die Stabilität. Die Regierung geht u. a. mit Militäreinsätzen gegen die Bedrohung vor. Vor allem in der Region Extrême -Nord treffen zigtausende Flüchtlinge aus Nigeria ein (AA 10.2.2015).

In der Provinz Extrême-Nord besteht ein hohes Entführungsrisiko für Ausländer. An der Grenze zu Nigeria und in Maroua, der Hauptstadt der Region Extrême-Nord, ist es zu Selbstmordanschlägen mit zahlreichen Todesopfern gekommen. Vor Reisen in die Region Extrême-Nord (auch Tschadsee) wird daher gewarnt (AA 17.8.2015; vgl. FD 26.7.2015a). Auch in den Grenzgebieten zu Nigeria in den Provinzen Nord und Adamaoua können terroristische Aktivitäten vorkommen (FD 26.7.2015b). Boko Haram war vor allem in der Region Extrême-Nord für Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Angehörige der bewaffneten Gruppe brannten bei Angriffen auf Ortschaften Häuser nieder und töteten zahlreiche Menschen (AI 25.2.2015). Dutzende Menschen kamen ums Leben, hunderte Personen wurden verletzt (IRIN 10.8.2015). Bei anderen Aktionen wurden Dutzende Menschen entführt (AFP 5.8.2015).

Die kamerunische Regierung hat gegenwärtig 6.500 Soldaten in der Provinz Extrême-Nord stationiert, weitere 2.000 sollen folgen. Kamerun hat sich außerdem mit Nigeria, dem Niger und dem Tschad im gemeinsamen Kampf gegen Boko Haram zusammengeschlossen (AFP 28.7.2015).

Gewarnt wird darüber hinaus vor Reisen zur Halbinsel Bakassi und Umgebung aufgrund fortdauernder Sicherheitsprobleme. Im gesamten Golf von Guinea gibt es Bandenunwesen. In der Vergangenheit gab es Überfälle auf Küstenorte, Fischkutter, Öltanker oder Ölplattformen und Geiselnahmen (AA 17.8.2015; vgl. BMEIA 20.8.2015).

Die allgemeine Sicherheitslage ist vor allem in den Städten bzw. auf den Überlandstraßen von zunehmender Gewaltkriminalität gekennzeichnet (GIZ 6.2015). In den Regionen Nord und Adamaoua sowie in den Grenzgebieten zu Nigeria und Tschad kommt es vermehrt zu gewalttätigen Raubüberfällen. Von Reisen in die Regionen Adamaoua und Nord wird daher abgeraten. Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria und Tschad (jeweils auf der gesamten Länge der Grenzen) wird gewarnt (AA 17.8.2015).

Quellen:

Rechtsschutz/Justizwesen

Das kamerunische Rechtssystem ist uneinheitlich. Neben der traditionellen Rechtsprechung, die für jede Volksgruppe spezifisch ist, existiert das moderne Recht, das bis vor kurzem, sowohl von der britischen (common law) als auch von der französischen Rechtskultur (Code Napoléon) bestimmt worden war, bis das Parlament 2005 eine Harmonisierung des Strafgesetzbuchs verabschiedete. Moderne Gerichte gibt es auf Arrondissements-Ebene (tribunal de première instance) und Départements-Ebene (tribunal de grande instance), Berufungsgerichte auf Provinzebene (cour d¿appel). Probleme bereiten der absolute Mangel an Gerichten, die Bestechlichkeit von Richtern, die Konzentration der Rechtsanwaltsbüros auf Douala und Yaoundé, die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte von der Exekutive und die Blockierung der Gerichte in Douala und Yaoundé aufgrund von Richtermangel (GIZ 6.2015).

Das Justizsystem ist überlastet; manche Richter und Staatsanwälte sind unterqualifiziert oder infolge ihrer geringen Gehälter bestechlich. Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet. Allerdings hat sich der Justizminister in den vergangenen Jahren

mit Informationskampagnen und Fortbildungsseminaren um die Weiterbildung der Richter bemüht. In der Praxis wird das neue Strafprozessrecht jedoch von den Behörden zumeist nur angewendet, wenn die Betroffenen dies einfordern. Dies setzt einen gewissen Kenntnisstand der Gesetzeslage voraus, den jedoch nur eine Minderheit der Bevölkerung aufweist (AA 10.2.2015).

Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürger gleichermaßen und sind vor allem in Korruption, mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie Überlastung begründet. Sippenhaft ist nicht vorgesehen. Der Justizapparat ist in Kamerun schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft; dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen. Manche Staatsanwälte und Richter sind bestechlich und beeinflussbar. Am 1.1.2007 trat das erstmals landesweit einheitliche Strafprozessrecht in Kraft, das die Rechte der Beschuldigten präzisiert und stärkt. Darüber hinaus wurde ein Recht auf Entschädigung im Fall unangemessen langer Untersuchungshaft eingeführt. Viele Betroffene scheuen jedoch den - insbesondere für Laien komplizierten - administrativen Aufwand (AA 10.2.2015).

Die vor allem in den ländlichen Gegenden praktizierte Justiz traditioneller Autoritäten ist weder verfassungsrechtlich legitimiert, noch unterliegen die daraus folgenden Entscheidungen und Handlungen einer staatlichen Kontrolle. Dieses traditionelle Rechtssystem benachteiligt vor allem Frauen und Kinder. Häufig gibt es Machtmissbrauch der traditionellen Autoritäten (Clanchefs usw.). Im Norden des Landes unterhalten einige "Könige" ("Lamido") Privatgefängnisse, in denen mutmaßliche Kriminelle bis zum Abtransport in staatliche Gefängnisse in Haft genommen und dabei mitunter misshandelt werden. Diese "Könige" sind zudem traditionelle Gerichtsherren, die auch eine körperliche Bestrafung anordnen können (AA 10.2.2015).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Die Gendarmerie Nationale ist die nationale Polizei. Sie hat militärischen Charakter und ist Teil der Streitkräfte. Sie interveniert im nichtstädtischen Bereich, also auf dem Lande. Dagegen untersteht die Police Nationale dem Innenministerium (GIZ 6.2015). Verhaftungen werden von der Gendarmerie und den verschiedenen Untergliederungen der Polizei ausgeführt: allgemeine Polizei (Sécurité publique), Inlandsgeheimdienste (Renseignements Généraux, Surveillance du Territoire), Kriminalpolizei (Police Judiciaire), Grenzpolizei (Police des Frontières) sowie von der Spezialeinheit GSO (Groupement Spécial d'Opérations) (AA 10.2.2015). Letztere ist eine Eliteeinheit der Polizei. Es gibt auch Spezialeinheiten zur Bekämpfung von Straßenräubern, wie die im März 1998 gegründete Brigade anti-gang (auch: Groupement mobile d'intervention GMI, unités antigangs), das 2000 gegründete Commandement Opérationnel (CO, auch: special oder operational command) oder die seit 2006 im Einsatz befindliche Brigade d'intervention rapide (BIR) (GIZ 6.2015). Auch die Militärpolizei darf Verhaftungen durchführen, wenn sie im Rahmen von Unruhen eingesetzt wird. Der Auslandsgeheimdienst DGRE, der auch im Inland eingesetzt wird, nimmt in Einzelfällen ebenfalls Verhaftungen vor (AA 10.2.2015).

Probleme der Polizeikräfte sind zunehmende Gewalt und Banditentum auf der einen, Korruption, willkürliche Verhaftungen und Folter auf der anderen Seite (GIZ 6.2015). Die Angehörigen der Sicherheitskräfte sind zum Teil schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet (AA 10.2.2015).

Quellen:

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz vom 10.1.1997 hat den Straftatbestand Folter mit Todes- oder Gesundheitsfolgen in das Strafgesetzbuch eingeführt (Art. 132 ff). Unmenschliche und erniedrigende Strafen sind weder im Strafgesetzbuch vorgesehen, noch werden sie verhängt bzw. vollstreckt (AA 10.2.2015).

In der Praxis kommen Misshandlungen (AA 10.2.2015) und Folter (USDOS 25.6.2015) vor. Dabei handelt es sich meist um Schikanen durch Gefängniswärter, Polizisten oder Angehörige der Geheimdienste und der Gendarmerie (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015). In schwer verifizierbaren Einzelfällen soll es zu Misshandlungen zwecks Erpressung von Geständnissen gekommen sein. Über ein derartiges systematisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden oder des Gefängnispersonals liegen keine Erkenntnisse vor (AA 10.2.2015).

Es kommt zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Übergriffe der Sicherheitskräfte werden in der Regel nicht angemessen verfolgt. Systematische Gewaltanwendung gegen bestimmte Gruppen ist allerdings nicht feststellbar (AA 10.2.2015). Auch wenn die Regierung einige Schritte ergriffen hat, um Täter zu verfolgen und zu bestrafen, so agieren diese auch weiterhin meist ungestraft (USDOS 25.6.2015).

Im Rahmen des Kampfes gegen Boko Haram ist die strikte Orientierung der kamerunischen Sicherheitskräfte an rechtsstaatlichen Grundlagen allerdings nicht durchgängig gewährleistet (AA 10.2.2015). Vor allem in Zusammenhang mit dem Kampf gegen Boko Haram sind Sicherheitskräfte für Menschenrechtsverletzungen einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Verschwindenlassen, willkürlicher Festnahmen sowie Inhaftierungen ohne Rechtsgrundlage verantwortlich (AI 25.2.2015).

Quellen:

Korruption

Zwar gibt es Gesetze gegen Korruption, diese werden aber weder effektiv noch einheitlich umgesetzt (USDOS 25.6.2015). Es herrscht systematische Korruption. Bestechung ist in allen Sektoren und Ebenen gängig (FH 2015; vgl. USDOS 25.6.2015). 1998 und 1999 galt Kamerun gar als korruptestes Land der Welt. In den letzten Jahren wurde Kamerun durch andere Länder von dieser Stelle verdrängt. Korruption bzw. deren Bekämpfung bleibt nach wie vor Thema in Kamerun. Die 2006, nach diversesten Anti-Korruptionskampagnen, gegründete Commission Nationale Anti-Corruption (CONAC) tut ihre Arbeit und veröffentlicht jährliche Berichte (GIZ 6.2015), auch wenn jener für das Jahr 2013 noch ausständig ist. Die CONAC hat aber selbst keine Verfahrensgewalt und muss die anhängigen Fälle an die zuständigen Ministerien delegieren (USDOS 25.6.2015).

Im von Transparency International 2014 veröffentlichten Korruptionswahrnehmungsindex liegt Kamerun auf dem 136. Platz von 175 bewerteten Ländern (AA 6.2015b; vgl. FH 2015)

Angehörige der Sicherheitskräfte missbrauchen in vielen Fällen ihre Machtposition zum persönlichen Vorteil. Die Bevölkerung hat zu wenig Vertrauen in das Gerichtswesen, um den Rechtsweg gegen solche Übergriffe zu beschreiten. Symptomatisch ist das Vorgehen von Straßenverkehrspolizisten, die von vielen Verkehrsteilnehmern an Kontrollpunkten und Straßensperren wegen tatsächlicher oder angeblicher Vergehen Bestechungsgelder kassieren. Willkürliche Polizeiaktionen bis hin zu Verhaftungen zwecks Erpressung von Bestechungsgeldern und unverhältnismäßige Gewaltanwendung kommen weiterhin vor (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015). Manchmal werden Polizisten wegen Korruption bestraft. Auch andere Staatsbedienstete werden zu Geldstrafen, Suspendierung, Beförderungsaufschub, Versetzung oder Entlassung verurteilt (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Es existiert eine Vielzahl von unabhängigen kamerunischen Menschenrechtsorganisationen (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015), die jedoch zumeist am finanziellen Tropf der internationalen Geber hängen (AA 10.2.2015).

Die bekanntesten NGOs sind das Cameroon Network of Human Rights Organizations, Organization for Human Rights and Freedoms, Association of Women Against Violence, Movement for the Defense of Human Rights and Freedoms, Mandela Center Ouest und Nouveaux Droits de l'Homme (USDOS 25.6.2015). Die Bestimmungen zur Gründung einer NGO sind komplex, und nicht alle Antragsteller werden gleich behandelt. Daher optieren die meisten Menschenrechtsorganisationen für die Gründung gemeinnütziger Vereine, wodurch sie sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen (AA 10.2.2015).

Menschenrechtsorganisationen können weitgehend frei agieren. Es kommt mitunter zu Verboten oppositionsnaher Veranstaltungen mit der Begründung, dass diese eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten (AA 10.2.2015). NGO-Vertreter berichteten wiederholt von Drohungen, willkürlichen Verhaftungen, vereinzelt auch von Folter und menschenunwürdiger Behandlung (AA 10.2.2015; vgl. AI 25.2.2015); im Jahr 2014 hat es keine Berichte hinsichtlich der Verhaftung von Menschenrechtsaktivisten gegeben (USDOS 25.6.2015). Menschenrechtsverteidiger beklagen, dass Sicherheitskräfte nicht auf Anzeigen (z. B. wegen Drohungen, Einbrüchen) reagieren (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015).

Im Jahr 2010 hat sich mit Hilfe der EU-Mitgliedstaaten ein Netzwerk zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern zusammengeschlossen, im Jahr 2011 konnte dieses Netzwerk weitere Mitglieder gewinnen und sich auch regional stärker vernetzen. Mit Hilfe des United Nations Development Programme (UNDP) haben sich ebenfalls 2010 etwa 50 Menschenrechtsorganisationen zu einem nationalen Netzwerk der Menschenrechtsvereine zusammengeschlossen, das vor allem in der Hauptstadt präsent war. In Kamerun besteht ein zentraler Bedarf an Aufklärung über Menschenrechte insbesondere bei Frauen und Kindern, die sich ihrer Rechte oft gar nicht bewusst sind (AA 10.2.2015). Menschenrechts-NGOs arbeiten trotz der oben beschriebenen Schwierigkeiten weiterhin fort (USDOS 25.6.2015)

Im Berichtszeitraum konnten internationale Menschenrechtsbeobachter weitgehend unabhängig agieren und ermitteln. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) konnte seiner Tätigkeit im Land nach den üblichen Standards nachgehen und auch unangekündigte Besuche in Gefängnissen durchführen. Der Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung führte im Juli 2012 einen Länderbesuch durch (AA 10.2.2015).

Quellen:

Ombudsmann

Die Nationale Kommission für Menschenrechte und Freiheiten (CNDHL) verfolgt Menschenrechtsverletzungen und prangert Haftbedingungen an. Im Rahmen ihrer begrenzten Spielräume veröffentlicht sie einen jährlichen Bericht (AA 10.2.2015); jener für das Jahr 2013 ist noch ausständig. Insgesamt wird die Kommission unter Berücksichtigung der ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen als effektiv beschrieben (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Allgemeine Menschenrechtslage

Das Bewusstsein für Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen ist in der Gesellschaft nur eingeschränkt ausgeprägt, obwohl sich zahlreiche Menschenrechtsorganisationen für eine Sensibilisierung von Bevölkerung und Regierung in diesem Bereich engagieren. Der Justizapparat ist schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft. Dies gilt auch bei Ermittlungen bezüglich Menschenrechtsverletzungen und beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern (AA 10.2.2015).

Die Verfassung von 1996 garantiert die Grundrechte im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948, der Charta der Vereinten Nationen vom 26.06.1945 und der Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker vom 26.06.1981. Kamerun ist an folgende Menschenrechtsabkommen gebunden:

• Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7.3.1966, ratifiziert am 24.6.1971;

• Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966, ratifiziert am 27.9.1984;

• Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966, ratifiziert (durch Beitritt) am 27.6.1984;

• Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18.12.1979, ratifiziert am 23.8.1994;

• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, ratifiziert am 7.1.2005;

• Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989, ratifiziert am 11.1.1993;

• Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vom 10.12.1984, ratifiziert am 19.12.1986;

• Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker vom 26.6.1981, ratifiziert am 21.10.1981 (AA 10.2.2015).

Die allgemeine politische Lage in Kamerun ist nicht durch starke Repressionen oder politische Verfolgung gekennzeichnet. Staatliche Repressionen aufgrund Nationalität, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder Ethnie sind nicht bekannt. Diskriminierung aufgrund von Rasse, Sprache, Geschlecht oder sozialem Status ist durch die Verfassung verboten. Die freie sexuelle Orientierung zählt in Kamerun nicht zu den Grundrechten (AA 10.2.2015).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Andere bedeutende Menschenrechtsmissachtungen sind willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Meinungs- und Pressefreiheit

Obwohl das Gesetz die Meinungs- und Pressefreiheit vorsieht, werden Medienvergehen unter Strafe gestellt und die Regierung schränkt diese Freiheiten ein. Allerdings gab es im Jahr 2014 weniger diesbezügliche Berichte, als in den Jahren zuvor. Beamte bedrohen, schikanieren und inhaftieren Personen oder Organisationen, welche die Politik der Regierung kritisieren oder gegensätzliche Ansichten vertreten (USDOS 25.6.2015). Im kamerunischen Strafrecht findet sich bei bestimmten Straftatbeständen ein für Journalisten verschärftes Strafmaß, etwa bei rassistischer Diffamierung und bei Geheimnisverrat im Strafverfahren, das aber selten zur Anwendung kommt. Ein systematisches Vorgehen des Staates gegen die Pressefreiheit ist nicht festzustellen. Journalisten werden teilweise in ihrer Arbeit behindert. Einschüchterungsversuche sind schwer einer Person oder Institution zuzuordnen, werden aber von den Betroffenen häufig im Umfeld der Regierungspartei RDPC oder im Präsidialamt verortet. Bei der Berichterstattung über bestimmte Themen, etwa Spekulationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten oder seine sexuelle Orientierung, laufen Journalisten Gefahr, wegen Diffamierung vor Gericht gebracht zu werden (AA 10.2.2015; vgl. FH 2015). Im Jahr 2014 wurden mehrere Journalisten verhaftet, anderen wurde die Ausübung ihres Berufes verboten (FH 2015), manche wurden misshandelt (USDOS 25.6.2015).

Die kamerunische Medienlandschaft ist vielfältig.

Regierungskritische und oppositionelle Meinungen werden veröffentlicht. Der staatliche Rundfunk und die über 70 lokalen privaten Radiosender sind von vorherrschender Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. In den großen Städten laufen die drei privaten Fernsehsender dem staatlichen Fernsehsender CRTV den Rang ab. Sie befassen sich zunehmend mit sensiblen Themen wie Korruption und Arbeitslosigkeit, bei denen Versäumnisse der Regierung deutlich werden. Zeitungen haben in Kamerun einen geringeren Einfluss auf die öffentliche Meinung, erreichen jedoch Multiplikatoren wie Journalisten, Funktionsträger und Intellektuelle (AA 10.2.2015).

Quellen:

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Obwohl die Verfassung Versammlungsfreiheit garantiert, schränkt die Regierung dieses Recht in der Praxis ein (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 10.2.2015; vgl. FH 2015). Die Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wurden nach wie vor unterdrückt (AI 25.2.2015). Versammlungen werden zum Teil nicht genehmigt bzw. gewaltsam aufgelöst. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu vorübergehenden Festnahmen. Im Wahljahr 2013 wurden mehrere Veranstaltungen regierungskritischer Organisatoren (Podiumsdiskussionen, Pressekonferenzen) verboten und vereinzelt gewaltsam aufgelöst. Als Grund wurde zumeist die Gefährdung der öffentlichen Ordnung angeführt (AA 10.2.2015).

Organisatoren von öffentlichen Versammlungen, Demonstrationen oder Prozessionen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Behördenvertreter vorab darüber zu informieren. Gesetzlich ist eine vorherige Zustimmung der Regierung jedoch nicht vorgesehen. Amtsträger behaupten dennoch regelmäßig, dass das Gesetz implizit eine behördliche Bewilligung von öffentlichen Veranstaltungen erfordert. Folglich verweigert die Regierung häufig die Bewilligung von Veranstaltungen bzw. wendet sie Gewalt an, um nicht genehmigte Veranstaltungen zu unterbinden (USDOS 25.6.2015).

Obwohl die Verfassung Vereinigungsfreiheit garantiert (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 10.2.2015), schränkt die Regierung dieses Recht in der Praxis ein (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 10.2.2015; vgl. BS 2014). Vereinigungsfreiheit ist in der Praxis besser garantiert als Versammlungsfreiheit (BS 2014). Gesetzlich sind Organisationen nicht zulässig, die sich gegen die Verfassung, die Gesetzte, die Moral richten; oder sich gegen die territoriale Integrität, die nationale Einheit, die nationale Integration oder die Republik stellen (USDOS 25.6.2015).

Trotz Mehrparteiensystems - Kamerun weist einen außerordentlichen Parteienreichtum auf - und mehr oder minder ordentlichen Wahlen wird die kamerunische Politik durch den Präsidenten und 'seine' Partei, die RDPC/ CPDM, die ehemalige Einheitspartei, dominiert (GIZ 6.2015; vgl. BS 2014). Die meisten Oppositionsparteien sind desorganisiert und taktisch schwach (BS 2014). Politische Auseinandersetzungen finden kaum im parlamentarischen Rahmen statt, da die Assemblée Nationale/National Assembly inzwischen weitgehend von der RDPC/CPDM beherrscht wird (GIZ 6.2015).

Beliebig datierte Partei- und Mitgliedsausweise können günstig auf dem Markt erworben werden. Parteiregister belegen nur die Zahlung des Mitgliedsbeitrages; von einem politischen Engagement kann allein aufgrund eines Mitgliedsausweises oder eines Parteiregisterauszugs nicht ausgegangen werden (AA 10.2.2015).

Quellen:

Opposition

Systematische politische Verfolgung findet in Kamerun nicht statt. Die Regierung sieht sich von der zerstrittenen Opposition nicht bedroht. Es sind nur vereinzelte Fälle bekannt, in denen wegen der bloßen Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei oder im SCNC staatliche Repression ausgeübt wurde. In einigen Fällen ist der Eintrag ins Wählerregister erschwert worden; daneben kommt es vereinzelt und vorübergehend zu Festnahmen oder Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle, in der Regel im Zusammenhang mit der Planung bzw. Durchführung von nicht genehmigten Demonstrationen gegen die Regierung. Oppositionelle tragen kein signifikant höheres Risiko, Opfer willkürlicher Staatsgewalt zu werden, als andere Bürgerinnen und Bürger. Es kommt mitunter zu Verboten oppositionsnaher Veranstaltungen mit der Begründung, dass diese eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten (AA 10.2.2015).

Kamerun hat einen anglophonen und einen frankophonen Teil. Die Frankophonen machen 80 Prozent der Bevölkerung aus und dominieren die Regierung. 1994 wurde der separatistische "Southern Cameroons National Council" (SCNC) gegründet (AA 10.2.2015). Der SCNC setzt sich aus mehreren Splitterfraktionen zusammen, die das Ziel eint, den anglophonen Teil Kameruns vom frankophonen Teil abzuspalten. Der SCNC steht damit außerhalb der Verfassung und ist nicht als politische Partei anerkannt (AA 10.2.2015).

Am 1.10.1996 hat der SCNC die Unabhängigkeit der Region "Southern Cameroons" verkündet: Seitdem versucht sie, jedes Jahr am 1. Oktober Protestmärsche zu veranstalten, die von den Behörden jedoch stets verboten werden. Der Einfluss des SCNC ist minimal. Die Mitglieder werden nicht systematisch verfolgt (AA 10.2.2015). Im aktuellen Menschenrechtsbericht des U.S. Department of State wird der SCNC nicht mehr erwähnt (USDOS 25.6.2015). Einige SCNC-Aktivisten wurden im Jahr 2013 inhaftiert (BS 2014). Es gibt außerparlamentarische Winkelzüge von staatlicher Seite gegen Versammlungen oder Aktionen der englischsprachigen Separatistenbewegung SCNC und deren Sympathisanten (GIZ 6.2015).

Der kamerunische Staat widmet den Aktivitäten der Exilorganisationen wenig Aufmerksamkeit. Eine staatliche Verfolgung kamerunischer Staatsangehöriger wegen oppositioneller Tätigkeit im Ausland ist bis auf einen Einzelfall aus dem Jahr 2008 nicht bekannt (AA 10.2.2015).

Quellen:

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in kamerunischen Gefängnissen sind sehr schlecht (AA 10.2.2015; vgl. FH 2015; vgl. USDOS 25.6.2015) und lebensbedrohlich (FH 2015; vgl. USDOS 25.6.2015), unterscheiden sich aber nach Einkommen bzw. Vermögen der Inhaftierten (AA 10.2.2015). Sie sind durch Mangel an sauberem Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Hygiene und medizinischer Versorgung geprägt (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015), wodurch es auch zu Todesfällen kommt (USDOS 25.6.2015). Die Gefängnisse sind zum Teil um ein Vielfaches ihrer eigentlichen Kapazität überbelegt (AA 10.2.2015; vgl. FH 2015; vgl. USDOS 25.6.2015). Zwei Drittel der Insassen sind Untersuchungshäftlinge (AA 10.2.2015).

In kleineren Gefängnissen drohen Unterernährung und mangelnde medizinische Versorgung. Die Unterbringung ist dort jedoch insgesamt besser als in den größeren Zentralgefängnissen (AA 10.2.2015). Allerdings sind in den kleineren Gefängnissen Frauen und Jugendliche nicht von den übrigen Gefangenen getrennt untergebracht; dies kann auch in großen Gefängnissen vorkommen (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015). Misshandlungen und Vergewaltigungen von Häftlingen - in der Mehrzahl der Fälle durch Mithäftlinge, jedoch auch durch das Gefängnispersonal - kommen immer wieder vor (AA 10.2.2015; vgl. FH 2015). Frauengefängnisse, wie etwa in Nfou, sind manchmal mit mehr Männern als Frauen unter den Häftlingen fehl-, immer jedoch überbelegt. Für die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln sind die Familienangehörigen verantwortlich. Das Lebensmittelbudget für Gefängnisse wurde 2011 vom Justizministerium um 40 Prozent gesenkt (AA 10.2.2015).

Die Regierung gestattet nationalen und internationalen humanitären Organisationen wie etwa dem IKRK den Zugang zu Gefängnisinsassen (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Todesstrafe

Mord (Artikel 276) sowie drei Staatssicherheitsdelikte (Artikel 102:

Feindseligkeiten gegenüber der Republik; Artikel 103: Spionage, Anstacheln zum Krieg gegen Kamerun; Handlungen, die die Sicherheit oder den Bestand der Republik gefährden; Verrat militärischer Geheimnisse; Artikel 112: Anstacheln zum Bürgerkrieg) sind mit der Todesstrafe belegt, die auch verhängt wird (AA 10.2.2015). Im Rahmen der Bekämpfung von Boko Haram wurde ein neues Gesetz in Kraft gesetzt. Dieses sieht die Todesstrafe für "terroristische Akte" vor, die Definitionen sind umstritten (FH 2015).

Der Präsident begnadigt allerdings regelmäßig alle zum Tode Verurteilten. Laut Angaben von Amnesty International und Menschenrechtsverteidigern ist 1997 das letzte Jahr, in dem die Vollstreckung einer Todesstrafe bekannt wurde. Im Jahr 2013 waren 77 zum Tode Verurteilte in Haft. Der Präsident spricht regelmäßig am Nationalfeiertag Begnadigungen aus, durch die Todesstrafen in Haftstrafen umgewandelt werden (AA 10.2.2015).

Quellen:

Frauen/Kinder

Frauen sind verfassungsrechtlich Männern gleichgestellt. Viele Gesetze benachteiligen aber Frauen nach wie vor (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015). Beispiele sind die alleinige Verfügungsgewalt des Ehemanns über das eheliche Vermögen (AA 10.2.2015) sowie dessen Recht, der Ehefrau eine Berufstätigkeit zu untersagen (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015), die Zulässigkeit der körperlichen Züchtigung der Ehefrau oder die Straffreiheit für Vergewaltiger, wenn sie das Opfer heiraten (Art. 297 des Strafgesetzbuchs). Die verbreitete Zwangsheirat ist zwar nach dem kodifizierten Strafrecht strafbar, aber in vielen Gegenden wird das staatliche Zivil- und Strafrecht faktisch durch traditionelles Recht ersetzt. Die aus der Anwendung des traditionellen Rechts folgenden Handlungen unterliegen keiner staatlichen Kontrolle (AA 10.2.2015).

Nur wenigen Frauen gelingt es, das öffentliche Leben aktiv mitzugestalten. Im Zuge der Parlamentswahlen 2013 erhöhte sich der Anteil von Frauen in der Nationalversammlung deutlich auf 33 % (AA 10.2.2015). So sind 56 (von 180) Abgeordnete in der Nationalversammlung und 20 (von 100) im Senat weiblich (FH 2015; vgl. USDOS 25.6.2015). In der Regierung sind Frauen wenig präsent. Die Gründe dafür liegen in der sozialen Abhängigkeit, der Erziehung sowie darin, dass höhere Schulbildung Mädchen in geringerem Maße zugänglich war und zum Teil immer noch ist. Die genannten Missstände werden gesellschaftlich akzeptiert und von den Frauen hingenommen; den meisten Frauen sind ihre Rechte nicht bekannt (AA 10.2.2015).

Das kamerunische Zivilrecht erlaubt jedem Mann über 35 Jahren, bis zu vier Ehefrauen zu heiraten (Polygamie). Die Menschenrechtslage von Frauen variiert ebenso wie ihre gesellschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten je nach Wohnort und ist grundsätzlich in ländlichen Gebieten schlechter als in den Städten. Die vor allem in den ländlichen Gebieten praktizierte Rechtsprechung durch traditionelle Autoritäten benachteiligt systematisch Frauen und Kinder. Darüber hinaus variiert die Rolle der Frau auch von Ethnie zu Ethnie. Der Norden Kameruns gilt hinsichtlich der Frauenrechte als besonders rückständig: Zahlreiche junge Mädchen (zwischen 10 und 15 Jahren), meist aus ärmeren Verhältnissen, werden zwangsverheiratet und besuchen nur selten die Schule. Danach sind sie für Haushalt und Kinder zuständig, sodass ihre weiterführende Schulbildung erschwert wird. Dadurch bleibt der Anteil der Analphabetinnen hoch. Die sozialen Unterschiede und der regional unterschiedlich große Einfluss des Gewohnheitsrechts in Familienangelegenheiten sind weitere wesentliche Faktoren, die zu erheblichen Ungleichheiten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Behandlung von Frauen führen (AA 10.2.2015).

Das kodifizierte Recht ist teilweise diskriminierend. Nach kamerunischem Strafrecht gibt es keine Vergewaltigung in der Ehe. Vergewaltigungen werden auch nur selten zur Anzeige gebracht und von den Behörden nur nachlässig verfolgt (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015), obwohl sie unter Strafe stehen und mit einer Haftstrafe von fünf bis zehn Jahre belegt sind (USDOS 25.6.2015).

Die Beschneidung weiblicher Genitalien ist bislang nicht explizit verboten (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015). Diese ist kein Massenphänomen, wird aber in einigen wenigen Regionen Kameruns praktiziert: im äußersten Norden (AA 10.2.2015; vgl. FH 2015; vgl. USDOS 25.6.2015) und den ländlichen Gebieten entlang der Grenze zu Nigeria (AA 10.2.2015); im Osten (USDOS 25.6.2015) sowie im Südwesten (FH 2015; vgl. USDOS 25.6.2015) bei den Ethnien der Choa und Ejagham (USDOS 25.6.2015). Immigrantinnen aus dem Tschad, Nigeria, Sudan und Mali führen Beschneidungen weiblicher Genitalien auch in einigen Fällen in den großen Städten Duala und Jaunde durch. Im äußersten Norden werden Mädchen normalerweise vor Erreichen des 10. Lebensjahres, jedoch nicht nach dem 13. Lebensjahr beschnitten. Im Südwesten wird die Beschneidung weiblicher Genitalien von mehreren Ethnien (Boki, Otu Ejagham, Bayangi) praktiziert, zum Teil an erwachsenen Frauen nach Geburt des ersten Kindes. UNICEF zufolge werden Beschneidungen bei 1% der kamerunischen Frauen durchgeführt (AA 10.2.2015). USDOS nennt eine Zahl von 1,4% und 20% bei den am meisten betroffenen Gemeinden (USDOS 25.6.2015). Verlässliche Statistiken gibt es nicht. Ein im Justizministerium bereits 2010 erarbeiteter, bisher jedoch nicht eingebrachter Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch sieht vor, Genitalbeschneidung bei Frauen zu einem Straftatbestand zu erklären (AA 10.2.2015).

Weit verbreitet (rund 12%) ist die Verstümmelung der Brüste: dabei reiben die Mütter adoleszenter Mädchen heiße Steine über die Brüste ihrer Töchter, um ihr Wachstum aufzuhalten und sie damit vor zu frühen sexuellen Erfahrungen zu schützen ("Brustbügeln"). Dadurch entstehen Verwachsungen, die lebenslang zu starken Schmerzen und Traumata führen können (AA 10.2.2015; vgl. USDOS 25.6.2015).

Gegen beide Praktiken gehen Regierung und NGOs mit Aufklärungskampagnen vor (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Bewegungsfreiheit und Dokumente

Die Verfassung und weitere Gesetze gewährleisten die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung. Diese Rechte werden jedoch manchmal eingeschränkt. Sicherheitskräfte erpressen an Straßensperren und Kontrollpunkten Bestechungsgelder und schikanieren Reisende. Es gibt glaubwürdige Berichte, dass Polizisten Einzelpersonen verhaften und schlagen, sofern diese keine Ausweisdokumente mit sich führen (USDOS 25.6.2015). In Kamerun ist es relativ leicht, sich einer Verfolgung durch die staatlichen Sicherheitsbehörden zu entziehen. Nur nach einer eng begrenzten Zahl prominenter Krimineller wird landesweit gefahndet. Bürger, die auf Veranlassung einer lokalen Persönlichkeit hin verfolgt werden, können dem durch Umzug in die Hauptstadt oder in die Stadt eines entfernten Landesteils Kameruns entgehen (AA 10.2.2015).

Im Norden des Landes und in den Grenzgebieten wurden im Zuge des Kampfes gegen Boko Haram nächtliche Ausgangssperren erlassen. Es gibt auch Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Militärkontrollen an den Straßen, willkürliche Durchsuchungen von Personen und Fahrzeugen und Ausweiskontrollen (IRIN 31.7.2015).

Es gibt praktisch für jede Urkunde und jedes Dokument professionelle Fälschungen. Die Fälschung von Dokumenten wird in der Bevölkerung oft als Notwendigkeit betrachtet, die Dokumentenlage an die aktuelle Lebenssituation anzupassen. Von den Behörden geht keine Initiative aus, diese Praktiken einzudämmen. Selbst bei echten Dokumenten kann nicht von der inhaltlichen Richtigkeit ausgegangen werden, da Dokumente auch bei offiziellen Stellen gekauft werden können. Personenstandsurkunden wie Geburtsurkunden können außerdem auf legalem Weg neu beschafft werden, wenn sich die betreffende Person an ein Gericht wendet und um eine Anordnung zur Nachbeurkundung nachsucht. Die Quote überhaupt nicht beurkundeter Geburten wird auf etwa 30% geschätzt. Von den Behörden wird wenig Sorgfalt auf die formal korrekte Ausstellung von Urkunden und Dokumenten verwandt (AA 10.2.2015).

Quellen:

Grundversorgung/Wirtschaft

Unter den Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation CEMAC ist Kamerun das wirtschaftlich stärkste Land. Das Bruttoinlandsprodukt erreichte 2014 geschätzte 31 Milliarden US-Dollar, pro Kopf ca. 1.400 US-Dollar. Die öffentliche Verschuldung Kameruns liegt bei ca. 24 % des Bruttoinlandsproduktes, steigt aber schnell an. Die Kredite werden vor allem für Infrastrukturprojekte wie Straßenbau und Energieerzeugung sowie die Entwicklung der Landwirtschaft, Telekommunikation, Bergbau und Wasserversorgung eingesetzt. Makroökonomisch wurden in den letzten Jahren Fortschritte erzielt: Kamerun erreichte 2013 ein Wirtschaftswachstum von ca. 5,5 %. 2014 lag das Wachstum allerdings lediglich bei 5 %. Neben der Öl- und Gasförderung und den Infrastrukturinvestitionen ist der tertiäre Sektor eine treibende Kraft. Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht nicht aus, um Arbeitsplätze in größerem Umfang zu schaffen und die Armutsrate von circa 39 Prozent nachhaltig zu senken (AA 6.2015b).

Insbesondere der primäre und tertiäre Sektor tragen derzeit zum Wachstum bei. Rohöl und Holz sind die wichtigsten Exportprodukte. Einnahmen aus der Ölförderung konnte Kamerun zuletzt wieder steigern. In der Landwirtschaft wurde die Produktion von Schlüsselprodukten (Kakao, Kaffee, Bananen, Rohkautschuk) durch erleichterten Zugang zu Finanzierung, Ausbildung und Forschung gesteigert. In der Folge erwartet die Regierung künftig weitere Produktionssteigerungen. Weitere Impulse für das Wirtschaftswachstum kommen aus dem sekundären Sektor und basieren auf der beginnenden Umsetzung der Investitionsprogramme zur Verbesserung der Infrastruktur (AA 6.2015b).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln kann als gesichert angesehen werden. Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen; vielmehr werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (Großfamilie) aufgefangen. Eine längere Abwesenheit gefährdet diese sozialen Netze. In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen (AA 10.2.2015).

Seriösen Vermutungen zufolge erwirtschaftet der informelle Sektor Kameruns mehr als der formelle. Besonders im urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von weit über 50 Prozent) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Besonders für Frauen und junge Leute bieten sich hier Chancen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 75 Prozent der Bevölkerung legen ihr Geld in informellen Sparvereinen (Tontines) an, die auch ein System sozialer Absicherung darstellen (GIZ 3.2015a).

Über die Hälfte der Kameruner sind von mehrdimensionaler Armut betroffen. Bei den Armutsindikatoren wie die landesspezifische durchschnittlichen Schuljahre (5,9), die Lebenserwartung (52,1) oder die Müttersterblichkeit (690 Sterbefälle auf 100.000 Geburten), dürfen die großen regionale Unterschiede nicht vergessen werden. Vor allem Frauen in ländlichen Regionen im Norden des Landes sind von Armut betroffen. Hinsichtlich des Selbstversorgungsgrads mit Lebensmitteln liegt Kamerun weit unterhalb seiner Möglichkeiten. Die bäuerliche Landwirtschaft wird vernachlässigt (GIZ 3.2014c).

Quellen:

Behandlung nach Rückkehr

Es sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind. Eine staatliche Verfolgung allein wegen der Stellung eines Asylantrags erfolgt nicht. Freiwillige Rückkehrer, deren Asylantrag abgelehnt wurde, können sich an ein spezielles Reintegrationsprojekt des Malteserordens wenden (AA 10.2.2015).

Quellen:

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, welche den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgehalten und denen im Zuge dessen nicht entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Länderberichte kann nicht erkannt werden, dass in Kamerun aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung ausgesetzt wäre; in Kamerun ist eine Zivilperson aktuell nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und zu ihrer Rückkehrsituation:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin. Ihre Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden; der im Spruch angeführte Name dient lediglich zur Identifizierung der Beschwerdeführerin als Verfahrenspartei. Die vorgelegte Kopie eines Schülerausweises erfüllt nicht die Kriterien eines amtlichen Lichtbildausweises.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der Beschwerdeführerin sowie ihre Integration in Österreich ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesasylamt sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Asylwerber- und Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Feststellungen zu den in Österreich lebenden Verwandten der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Kamerun die notdürftigste Lebensgrundlage zur Verfügung steht, basiert auf den unter Punkt 1.2. angeführten Länderfeststellungen und dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihren eigenen Angaben zu Folge bereits vor ihrer Ausreise aus Kamerun einige Monate als Friseurin tätig war. Die Beschwerdeführerin war vor ihrer Ausreise aus Kamerun in der Lage, ihre notdürftigste Lebensgrundlage zu decken und es ist nicht ersichtlich und hat die Beschwerdeführerin auch nicht dargetan, weshalb ihr dies nicht auch künftig möglich sein sollte. Auch aus den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich nicht der Schluss ableiten, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Kamerun die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre; dies hat die Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin an keiner dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet, beruht auf ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2015, in der sie angab, gesund zu sein.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in Österreich auf keine ausreichend ausgeprägten und verfestigten individuellen integrativen Anknüpfungspunkte hinsichtlich ihres Privat- und Familienlebens verweisen kann, gründet sich auf den Umstand, dass Gegenteiliges im Verfahren nicht hervorgekommen ist; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen zu Spruchpunkt II. verwiesen.

2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Im vorliegenden Verfahren hat die Beschwerdeführerin nach ihrer Erstbefragung in Einvernahmen vor dem Bundesasylamt die Gelegenheit gehabt, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen. Der aufgrund dieser Befragungen festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid. In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, hat dieses auch keine Bedenken gegen die (in der Bescheidbegründung zum Ausdruck kommende) Annahme der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat keine gezielte konkrete Verfolgung droht.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31).

Die zur Entscheidung berufene Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund ihres persönlichen Eindruckes der Beschwerdeführerin davon aus, dass ihr hinsichtlich ihres Vorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Es ist wichtig, das Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht gerecht geworden:

Die Beschwerdeführerin gab zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates zusammengefasst an, sie sei Mitglied des Southern Cameroon National Council (SCNC) gewesen und im XXXX festgenommen und inhaftiert worden bis ihr im XXXX die Flucht gelungen sei.

Zunächst ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin, wie sie selbst sowohl in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausführte, kein offizielles Mitglied des SCNC in Kamerun war. Erst in Österreich ist sie dem Verein SCNC Österreich beigetreten.

Ganz allgemein ist zur Situation von SCNC Mitgliedern in Kamerun auszuführen, dass in Zusammenschau mit den Länderfeststellungen nicht davon auszugehen ist, dass die einfache Mitgliedschaft zum SCNC, auch wenn dieser außerhalb der Verfassung steht und nicht als politische Partei anerkannt ist (AA 10.2.2015), für sich genommen bereits die Annahme rechtfertigt, dass ein SCNC Mitglied mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten habe. So ergibt sich aus den aktuellen Länderfeststellungen, dass nur vereinzelte Fälle bekannt sind, in denen wegen der bloßen Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei oder im SCNC staatliche Repression ausgeübt wurde. Oppositionelle tragen kein signifikant höheres Risiko, Opfer willkürlicher Staatsgewalt zu werden, als andere Bürgerinnen und Bürger (AA 10.2.2015). Einige SCNC-Aktivisten wurden im Jahr 2013 inhaftiert (BS 2014). Der Einfluss des SCNC ist minimal. Die Mitglieder werden nicht systematisch verfolgt. Dies gilt auch für exilpolitische Tätigkeiten (AA 10.2.2015). Im aktuellen Menschenrechtsbericht des U.S. Department of State wird der SCNC nicht mehr erwähnt (USDOS 25.6.2015).

Auch wenn laut den Länderfeststellungen zuletzt im Jahr 2013 einige SCNC-Aktivisten inhaftiert wurden, ist daraus keine Verfolgungsgefahr für die Beschwerdeführerin abzuleiten, da sowohl ihre politischen Aktivitäten als auch ihre dreijährige Inhaftierung und die Flucht aus dem Gefängnis - wie nun dargelegt wird - gänzlich unglaubwürdig waren.

Dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Sympathien für den SCNC für drei Jahre ohne Verfahren inhaftiert wurde und im XXXX schließlich aus der Haft fliehen habe können, ist aus folgenden Gründen nicht glaubhaft:

Die Beschwerdeführerin machte unterschiedliche Angaben zu den Gründen, warum sie sich für den SCNC interessiert habe. So gab sie in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19.08.2011 an, dass ihre beiden Schwestern aufgrund ihrer Aktivitäten beim SCNC getötet worden seien, weshalb sie sich ebenfalls engagieren habe wollen. Die Schwestern seien im Jahr XXXX verstorben. Demgegenüber gab sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX an, dass ihre beiden Schwestern aufgrund von Krankheiten verstorben seien und zwar in den Jahren XXXX . Auf Vorhalt dieses Widerspruchs betonte die Beschwerdeführerin lediglich, dass ihre Schwestern nicht getötet worden seien.

Des Weiteren gab die Beschwerdeführerin an, vom XXXX bis zum XXXX an einem Jugendcamp des SCNC teilgenommen zu haben und am XXXX auf der Rückreise von diesem Camp in einer kleinen Stadt namens XXXX von Polizisten angehalten worden zu sein, die dann in ihrer Tasche die Flagge und Material vom SCNC gefunden hätten, weshalb sie verhaftet worden sei.

Zunächst ist dazu festzuhalten, dass laut der Vor-Ort-Recherche durch einen Vertrauensanwalt zu diesem Zeitpunkt kein Jugendcamp des SCNC veranstaltet wurde, sondern von Angehörigen einer unbekannten Fraktion und dieses von der Polizei aufgelöst wurde. Eine solche polizeiliche Auflösung erwähnte die Beschwerdeführerin jedoch mit keinem Wort.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte die Beschwerdeführerin die Festnahme abweichend dahingehend, dass sie von der Polizei nach Abreise von dem Camp bei der Verteilung von Flugblättern während eines Streiks angehalten und anschließend inhaftiert worden sei.

Der auffälligste Widerspruch trat jedoch bei der Schilderung der Flucht aus dem Gefängnis auf: Während die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19.08.2011 angab, dass ein Wärter sie vergewaltigt habe, der anschließend nach der Ejakulation sofort eingeschlafen sei, sodass sie den Zaun aufbrechen und flüchten habe können, gab sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2015 an, dass die Tür zu ihrer Zelle nicht versperrt gewesen sei, sie auf den Gang rausgesehen und bemerkt habe, dass der Wärter schläft. Sie sei dann auf Zehenspitzen fortgeschlichen und habe die Bambustüre hinten geöffnet und sei dann am Hof gewesen. Auf Vorhalt ihrer Aussage beim Bundesasylamt, wonach der Wärter sie aus der Zelle geholt habe, antwortete die Beschwerdeführerin, dass er das nicht getan habe. Auf Vorhalt ihrer gesamten - vorhin wiedergegebenen - Aussage vor dem Bundesasylamt, antwortete die Beschwerdeführerin plötzlich, dass dies wahr sei. Auf den Vorhalt, dass dies aber zwei gänzlich unterschiedliche Geschichten seien, antwortete die Beschwerdeführerin, dass sie nervös sei und es ihr leid tue, wenn sie gelogen habe. Auf die Frage, was denn nun die Wahrheit sei, antwortete die Beschwerdeführerin, dass alles, was sie gesagt habe, korrekt sei. Damit konnte die Beschwerdeführerin jedoch den krassen Widerspruch in ihren Angaben nicht lösen, sodass keinesfalls davon auszugehen ist, dass sie aus der Haft geflohen ist.

Auch bei der Schilderung des weiteren Ablaufes nach der Flucht traten neuerliche Widersprüche auf: So gab die Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19.08.2011 an, dass sie nach ihrer Flucht zwei Nächte im Busch geblieben und dann nach XXXX gelangt sei, wo sie ihren Bruder kontaktiert habe. Sie habe eine alte Frau, die in einer Hütte gelebt habe, gebeten, sie aufzunehmen. Ihr Bruder habe sie dann von dort abgeholt und nach XXXX gebracht. Demgegenüber gab die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2015 an, dass sie einige Tage im Busch unterwegs gewesen und dann nach XXXX gekommen sei. Dort habe sie von einer Telefonzelle aus ihren Bruder kontaktiert, der sie zu einem Freund geschickt habe. Der Bruder habe sie dann einige Tage später von diesem Freund abgeholt. Auf Vorhalt ihrer Aussage vor dem Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin an, dass sie am Beginn der Verhandlung gesagt habe, dass es einige Dinge gab, die sie so nie gesagt habe und dass sie sich nie bei einer alten Frau versteckt habe. Dazu ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin zu Beginn der Verhandlung lediglich in den Raum gestellt hat, dass ihr beim Durchlesen des Protokolls einige Fehler aufgefallen sind, ohne diese näher auszuführen.

Gemäß § 15 AVG ist eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bleibt zulässig (vgl. VwGH 21.06.2007, 2006/07/0060). Eine Niederschrift über eine Einvernahme nach dem Asylgesetz ist als eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 47 AVG anzusehen, da sie von einer österreichischen öffentlichen Behörde innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises errichtet wurde. Eine solche Urkunde begründet aber gemäß § 292 Abs. 1 ZPO vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder was darin bezeugt wurde; sie begründet also die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 24.03.2011, 2009/07/0160 mwN). Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (vgl. VwGH 28.10.2008, 2007/05/0205 mwN). Diesen Beweis hat die Beschwerdeführerin mit ihrem oben angeführten Vorbringen nicht erbracht; insbesondere wurden ihr ihre Niederschriften immer rückübersetzt und sie bestätigte die Richtigkeit ihrer Angaben mit ihrer Unterschrift. Bei ihrer zweiten Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.11.2011 hatte die Beschwerdeführerin das Einvernahmeprotokoll vom 19.08.2011 mit und korrigierte drei Angaben (eine zu einem französischen Ausdruck, eine zur örtlichen Lage des Gefängnisses und eine zur Gründung des SCNC).

Dann sagte sie: "Das war alles. Sonst hat alles gepasst." Dadurch hat sie gezeigt, dass sie ihr Einvernahmeprotokoll vom 19.08.2011 sehr genau gelesen und die gefundenen Fehler bereits am 15.11.2011 korrigiert hat, sodass nicht davon auszugehen ist, dass sie die Geschichte mit der alten Frau nicht gesagt hat.

Aufgrund dieser eklatanten Widersprüche und dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung war der Beschwerdeführerin die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Diese Erwägungen sind nun mit der vorliegenden Vor-Ort-Recherche in Einklang zu bringen. Aus dieser geht nämlich hervor, dass eine Person mit dem Namen, den die Beschwerdeführerin als ihren angibt, mehrmals inhaftiert gewesen sei und bei einigen (namentlich nicht genannten) interviewten Personen (aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass dies wohl Personen aus der Nachbarschaft waren) der Verdacht bestünde, dass sie Mitglied des SCNC gewesen sei. Auch aus den Angaben des Bruders geht hervor, dass sie immer wieder Probleme mit den Behörden gehabt und ihm nie etwas mitgeteilt habe.

Auf Vorhalt dieser Ermittlungsergebnisse in der zweiten Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.11.2011 gab die Beschwerdeführerin an, dass es nicht stimme, dass sie mehrmals inhaftiert worden sei. Sie habe ihrem Bruder natürlich auch erzählt, dass sie das Jugendcamp besuche. Demgegenüber gab sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2015 auf Vorhalt der Angaben des Bruders plötzlich an, dass sie mehrmals verhaftet, aber immer wieder freigelassen worden sei. Dies sei vor dem Jugendcamp gewesen. Auf Nachfragen, wie oft dies vorgekommen sei und wann dies genau gewesen sei (welches Jahr, welcher Monat), gab die Beschwerdeführerin lediglich an, sich nicht mehr erinnern zu können. Dadurch erweckte sie den Anschein, ihr Vorbringen an die Ergebnisse der Vor-Ort-Recherche lediglich anpassen zu wollen.

Das Bundesasylamt geht in dem angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Beschwerdeführerin nicht jene Person ist, deren Namen sie angibt und die mehrmals inhaftiert wurde. Dies begründet das Bundesasylamt einerseits mit dem oben genannten Widerspruch hinsichtlich der mehrmaligen Verhaftungen und andererseits damit, dass sich die Angaben bezüglich der Daten des Bruders und der Mutter mit den Erhebungsergebnissen widersprechen würden. Die von der Beschwerdeführerin in der Einvernahme angegebenen Nachnamen ihrer Mutter und ihres Bruders würden nicht mit dem Rechercheergebnis, im Zuge dessen die Daten des Personalausweises des angeblichen Bruder aufgenommen wurden, übereinstimmen. Auf den Vorhalt, dass ihr angeblicher Bruder laut Personalausweis XXXX heißen würde, gab sie an, dass dies auch sein Name wäre, dass er ihn aber als seinen Vornamen verwenden würde. XXXX wäre auch sein Name, er würde ihn als Nachnamen benützen, es wäre der Name seines Vaters. Sie würde XXXX als einen Vornamen benützen, während er XXXX als einen Familiennamen verwenden würde. Die Beschwerdeführerin wurde ebenfalls danach gefragt, wie ihre Mutter tatsächlich heißen würde. Darauf antwortete sie mit " XXXX ", wobei sie sich nicht sicher wäre, wie man das schreiben würde. Tatsächlich ergebe sich aus dem Ausweis der Nachname XXXX .

Dass die Beschwerdeführerin die Identität einer ihr Bekannten übernommen hat, von der ihr deren grundsätzliche Probleme und die familiären Gegebenheiten bekannt waren, ist somit eine mögliche Erklärung für die eklatanten Widersprüche und die Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin, die nicht den Eindruck vermitteln konnte, das Erzählte tatsächlich erlebt zu haben. Schließlich widersprachen sich - wie bereits angeführt - auch ihre Angaben zu den Schwestern und legte sie mit Schreiben vom 22.03.2012 Fotos vor und führte dazu aus, dass ein Foto das Begräbnis ihrer Schwester zeigen würde und sie darauf auch abgebildet sei. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung am 20.11.2015, wer sie auf dem Foto sei, gab die Beschwerdeführerin jedoch an, nicht auf dem Foto zu sein.

Aber auch wenn die Beschwerdeführerin die von ihr angegebene Person wäre, könnte nicht von einer aktuellen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden: In diesem Fall kann aufgrund der bereits aufgezeigten eklatanten Widersprüche und auch vor dem Hintergrund der Vor-Ort-Recherche keinesfalls angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin für drei Jahre im Gefängnis war und aus diesem geflohen ist. Es ist daher auch maßgeblich unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin aktuell behördlich gesucht wird und ihr eine Haftstrafe droht.

Dem Bundesasylamt kann dementsprechend nicht darin entgegengetreten werden, dass die Beschwerdeführerin im Laufe ihres Verfahrens mit ihrem Vorbringen eine konkrete und aktuelle Verfolgung aus Gründen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt, nicht hat glaubhaft machen können.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher das vorliegende Beschwerdeverfahren zu führen.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen. Das gegenständliche Verfahren war mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängig.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß dem zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung geltenden § 63 Abs. 5 AVG iVm dem zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung geltenden § 23 Abs. 1 AsylGHG war die Beschwerde von der Partei binnen zwei Wochen beim Bundesasylamt einzubringen.

Der gegenständlich angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 19.12.2011 zugestellt. Die Beschwerde wurde am 02.01.2012, somit innerhalb der Frist von zwei Wochen, zur Post gegeben. Sie ist somit rechtzeitig.

Zu A)

Sie ist jedoch nicht begründet.

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung unter 2.3. dargestellt wurde, kommt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zu, weshalb es der Beschwerdeführerin insgesamt nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Kamerun sowie der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I 75/1997 idF BGBl. I 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028).

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH jeweils vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095).

Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiärem Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07 , Slg. 2009, I-0000, Rn 45).

Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat die Beschwerdeführerin keine ihr konkret drohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. keine für eine aktuell drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechende Gründe glaubhaft vorgebracht und es kann daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin in Kamerun eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Kamerun die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zur dargestellten "Schwelle" des Art. 3 EMRK), kann im Beschwerdefall nicht angenommen werden, zumal die Beschwerdeführerin angab, in Kamerun einige Monate als Friseurin gearbeitet zu haben. Vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen kann im Zusammenhalt mit dem genannten Vorbringen der Beschwerdeführerin daher nicht davon ausgegangen werden, dass die 23-jährige Beschwerdeführerin, die gesund und arbeitsfähig ist, in Kamerun in ihrer Existenz bedroht wäre. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren auch nicht behauptet, dass ihr im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Das Vorliegen dermaßen akuter und schwerwiegender Erkrankungen, welche in Kamerun nicht behandelbar wären und im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten, wurde von der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht behauptet.

Es sind weiters keine Umstände amtsbekannt, dass in Kamerun aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die Situation in Kamerun auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführerin für diese als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde; in Kamerun ist aktuell eine Zivilperson nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt.

Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden und ist daher die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen; das vorliegende Verfahren ist ein solches.

Gemäß § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht diesfalls, so es den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt, in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Ob eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG. Diese Bestimmung wird auch sinngemäß auf die Frage anzuwenden sein, ob eine Ausweisung auf Dauer unzulässig ist. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Als familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet gab die Beschwerdeführerin ihren am XXXX geborenen Sohn und ihren Lebensgefährten an. Beide leben als Asylwerber in Österreich. Mit ihrem Sohn kann in weiterer Folge nur gemeinsam eine Rückkehrentscheidung erlassen werden, sodass kein Eingriff in das Recht auf Familienleben vorliegt, wenn von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme beide betroffen sind. Auch das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung hinsichtlich des Lebensgefährten wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. W211 1421511-1, an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen, sodass dieser derzeit in Österreich über kein Aufenthaltsrecht verfügt.

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben der Beschwerdeführerin eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente spielt jedoch eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Allerdings ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Die Beschwerdeführerin hält sich erst seit ihrer Asylantragstellung am XXXX , sohin seit vier Jahren und acht Monaten, im Bundesgebiet auf und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts des Asylverfahrens. Die Beschwerdeführerin ist illegal nach Österreich eingereist und stellte in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat. Die Dauer der Verfahren übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).

Die Beschwerdeführerin hat in der Zeit ihres Aufenthalts einige integrative Schritte gesetzt: So beherrscht sie Deutsch auf Niveau B1, hat den Hauptschulabschluss nachgeholt und war im Jahr XXXX für drei Monate Vollzeit sowie im Jahr XXXX ein Monat Vollzeit und vier Monate geringfügig beschäftigt.

Insbesondere jedoch vor dem Hintergrund der noch nicht fünfjährigen Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin derzeit im Rahmen der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes unterstützt wurde und wird, kann von einer verfestigten Eingliederung der Beschwerdeführerin in die österreichische Gesellschaft nicht ausgegangen werden. Hingegen hat die Beschwerdeführerin den Großteil ihres bisherigen Lebens in Kamerun verbracht, ist dort aufgewachsen und hat dort ihre Sozialisation erfahren. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher ist derzeit im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung der Beschwerdeführerin zu Kamerun auszugehen.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthaltes in Österreich strafgerichtlich unbescholten geblieben ist, vermag insofern keine relevante Verstärkung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an seinem Verbleib in Österreich zu bewirken, als mangelnde Straffälligkeit die Regel sein sollte; vielmehr stellt die Begehung von Straftaten einen eigenen Grund für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen dar (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Die Beschwerdeführerin vermochte zum Entscheidungszeitpunkt daher nicht ausreichend entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in seinen Herkunftsstaat führen könnten.

Aufgrund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.

Es kann daher im gegenständlichen Fall nicht davon ausgegangen werden, dass in dem die Beschwerdeführerin betreffenden Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 ist das Verfahren daher spruchgemäß zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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