BVwG W211 1430419-1

BVwGW211 1430419-115.6.2015

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W211.1430419.1.00

 

Spruch:

W211 1430419-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige Somalias, stellte am 07.07.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.07.2011 gab die beschwerdeführende Partei an, aus Mogadischu zu stammen und der Volksgruppe der Ashraf anzugehören. Sie machte weiter Angaben zu ihrem Reiseweg und gab als Fluchtgrund an, Somalia verlassen zu haben, da ein Anführer der Al Shabaab sie habe zwingen wollen, ihn zu heiraten.

3. Bei der Einvernahme der beschwerdeführenden Partei durch die belangte Behörde am 24.08.2011 gab diese, soweit wesentlich, an, dass sie zwei Angaben aus der Erstbefragung korrigieren wolle. Zum einen habe sie kein Anführer der Al Shabaab, sondern ein einfaches Mitglied heiraten wollen. Zum anderen sei dieser ungefähr 40 Jahre alt gewesen und nicht, wie dort protokolliert, 40 Jahre älter als sie. In Österreich habe die beschwerdeführende Partei keine Verwandten, und sie sei gesund. Ihr Vater sei gestorben, ihre Mutter lebe im Flüchtlingslager XXXX. Ihr Vater sei 2006 von Banditen in Mogadischu getötet worden. Sie telefoniere mit ihrer Mutter ein bis zweimal in der Woche. Weiter habe sie vier Schwestern und einen Bruder. Zwei Geschwister seien vermisst. Sie selbst habe seit ihrer Geburt in Mogadischu, im Bezirk XXXX und im Bezirk XXXX gelebt. Mogadischu habe sie am 05.07.2011 verlassen. Die Ausreise habe ihr Onkel väterlicherseits finanziert. Die beschwerdeführende Partei sei in eine private Schule gegangen, wo sie Englisch gelernt habe.

Befragt, aus welchem Grund sie Somalia verlassen habe, gab die beschwerdeführende Partei an, mit Gewalt aufgefordert worden zu sein zu heiraten. Dies sei eine Woche vor ihrer Ausreise passiert. Ein älterer Mann aus der Gruppe der Al Shabaab habe sie heiraten wollen. Dieser habe mit ihrem Onkel väterlicherseits und mit ihrer Mutter und einer Schwester gesprochen. Er habe gesagt, dass die beschwerdeführende Partei eine erwachsene Frau sei und sie rechtzeitig verheiratet werden solle. Ihre Mutter habe gemeint, dass sie darüber nachdenken wolle. Er sei dann weggegangen. Als die beschwerdeführende Partei von der Koranschule nach Hause gekommen sei, sagte ihr ihre Mutter, dass ein Al Shabaab Mitglied sie heiraten wolle. Ihre Mutter habe auch gemeint, dass sie, wenn sie nicht zusage, auch getötet werden könnte. Ihr Onkel väterlicherseits habe gemeint, dass er versuchen wolle, sie rechtzeitig ins Ausland zu schicken. Die beschwerdeführende Partei wisse selbst nicht, wen sie hätte heiraten sollen. Sie habe diese Frage auch ihrer Mutter gestellt, die ihr aber keine Antwort gegeben habe. Der ältere Herr sei nur einmal zu ihnen nachhause gekommen. Auch ihre Mutter habe den Herrn nicht gekannt. Sie habe nur gewusst, dass er ein Al Shabaab Mitglied sei. Die beschwerdeführende Partei wisse nichts über diesen Mann. Der zweite Ehemann der Mutter habe gemeint, dass das Leben der Familie in Gefahr sei, wenn die beschwerdeführende Partei im Land bleiben würde. Die Familie würde dann als ungläubig abgestempelt werden. Ihr Onkel väterlicherseits sei in der Zwischenzeit von Al Shabaab getötet worden. Ihre Mutter habe ihr gesagt, dass dieser Mann ca. 40 Jahre alt gewesen sei. Befragt von der belangten Behörde, ob die beschwerdeführende Partei alle Gründe für die Asylantragstellung genannt habe, meinte diese, aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit auch Probleme gehabt zu haben. Ihre Mutter sei krank, und der Familie sei es finanziell schlecht gegangen. Ihr Vater sei getötet worden, und die Islamisten haben sie zwangsverheiraten wollen. Sonstige Probleme wegen ihrer Stammeszugehörigkeit habe sie nicht gehabt. Die Situation habe sich für sie nicht geändert, die Al Shabaab sei immer noch in Somalia. Als Nachsatz gab die beschwerdeführende Partei noch an, dass sie ihren Subclan sagen wolle, und zwar hieße dieser Ashraf XXXX.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt.

Nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges und der Einvernahmen führte die belangte Behörde aus, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden könnte, dass die beschwerdeführende Partei eine Angehörige der Volksgruppe der Ashraf sei. Hinsichtlich der Ausführungen zu den Gründen für ihre Asylantragstellung werde ihr die Glaubwürdigkeit aberkannt. Es würden aber aufgrund der allgemeinen humanitären Lage in Somalia stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie im Falle der Zurückweisung, Zurück-oder Abschiebung in den Herkunftsstaat einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre. Danach traf die belangte Behörde damals aktuelle Länderfeststellungen zu Somalia.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die beschwerdeführende Partei beinahe nichts über ihre Volksgruppe anführen habe können, was ein Hinweis darauf sei, dass sie dieser Volksgruppe nicht angehören würde. Ihr Vorbringen betreffend die drohende Zwangsverheiratung sei nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar. Die beschwerdeführende Partei habe anlässlich der Erstbefragung ausgeführt, dass ein Anführer der Al Shabaab sie habe heiraten wollen, und dass dieser ca. 40 Jahre älter als sie gewesen sei. Auch hätten ihre Eltern die Ausreise organisiert. Bei der nachfolgenden Einvernahme habe die beschwerdeführende Partei gesagt, dass ihr Vater 2006 verstorben sei, dass jener Mann ein einfaches Mitglied der Al Shabaab gewesen sei, und dass er ca. 40 Jahre alt gewesen sei. Die Widersprüche habe die beschwerdeführende Partei nicht aufklären können. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die beschwerdeführende Partei zwar das Alter des Mannes hätte angeben können, aber keinerlei weitere Angaben über diesen Mann machen konnte. Schließlich seien diese Schilderungen sehr vage gewesen. Insgesamt könne die belangte Behörde nur befinden, dass das gesamte Vorbringen auf in den Raum gestellten Behauptungen beruhen würde.

5. In der gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde ausgeführt, dass der Behörde aufgrund der Minderjährigkeit der beschwerdeführenden Partei eine erhöhte Ermittlungspflicht obliegen würde. Konkretere Fragestellungen während der Einvernahme vor der belangten Behörde, die Befragung der Mutter, spezielle kinderspezifische Herkunftslandinformationen zu Zwangsverheiratung von Mädchen, eine genaue Abklärung der Fluchtgründe habe nicht stattgefunden. Die Behörde habe sich auf die Gefährdung von Minderheiten konzentriert, obwohl die beschwerdeführende Partei ihr Fluchtvorbringen auf die bevorstehende Zwangsheirat gestützt habe. Die Behörde habe auch ihre Entscheidung vorrangig auf Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung gestützt. Sie habe damit § 19 Abs. 1 AsylG, also das Verbot einer näheren Befragung zu den Fluchtgründen bei der Erstbefragung, außer Acht gelassen. Die Erstbefragung von Minderjährigen werde außerdem an zusätzliche Voraussetzungen gebunden. Daraus ergebe sich, dass die Behörde den psychischen und physischen Zustand einer Antragstellerin bei der Erstbefragung zu berücksichtigen habe. Der Bescheid ließe jedoch eine Auseinandersetzung mit dem Zustand der beschwerdeführenden Partei bei der Erstbefragung vermissen. Bei der Erstbefragung habe die beschwerdeführende Partei auch keine gesetzliche Vertreterin gehabt. Die belangte Behörde habe weiter das Alter und den Entwicklung- und Bildungsstand der beschwerdeführenden Partei nicht in die Beweiswürdigung und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einbezogen. Beim Vorbringen der beschwerdeführenden Partei habe es sich um ein in sich schlüssiges, plausibles, sehr detailliertes Vorbringen gehandelt, das mit den allgemeinen Erfahrungen übereinstimmen würde. Die beschwerdeführende Partei sei minderjährig, mangelhaft ausgebildet und aufgrund der schlechten Stellung der Frauen im Allgemeinen in Somalia mehrfacher Bedrohung ausgesetzt. Kinderspezifische Länderfeststellungen bezüglich Zwangsheirat seien nicht auffindbar. Schließlich wurde die rechtliche Beurteilung moniert.

6. Mit Schreiben vom 12.03.2015 wurden die beschwerdeführende Partei und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Bundesverwaltungsgericht am 09.04.2015 unter gleichzeitiger Übermittlung mehrerer aktueller Länderberichte zu Somalia geladen.

7. Am 09.04.2015 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Rechtsberaterin eine mündliche Verhandlung durch. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung unentschuldigt fern. Die beschwerdeführende Partei gab in ihrer Einvernahme auszugsweise und durch das Bundesverwaltungsgericht um Tippfehler bereinigt an, wie folgt:

"R: Wo haben Sie in Somalia bis zu Ihrer Ausreise gelebt?

P: Seit meiner Geburt bis 2008 habe ich in Mogadischu, in Bezirk XXXX, gelebt. Von 2008 bis zu meiner Ausreise war ich in Mogadischu, Bezirk XXXX.

R: Leben noch Familienmitglieder von Ihnen in Somalia? Wer?

P: Meine Mutter und meine Geschwister.

R: Welche Geschwister?

P: 3 Schwestern, der Stiefvater und die Mutter.

R: Wo leben sie?

P: In XXXX.

R: War Ihre Mutter in XXXX?

P: Sie ist dorthin auf Grund des Krieges geflohen. Vor ca. 2 Jahren sind sie nach XXXX zurückgekehrt.

R: Arbeiten Ihre Mutter und Ihr Stiefvater in Mogadischu?

P: Mein Stiefvater arbeitet als Verkäufer in einem Geschäft. Das Geschäft gehört ihm nicht. Er versorgt die Familie.

R: Das heißt, Ihre Mutter arbeitet nicht?

P: Ja.

R: Das heißt aber auch, Sie haben mit Ihrer Mutter Kontakt?

P: Ja, 1x wöchentlich telefonieren wir (auf Deutsch).

R: Haben Sie Verwandte in Somaliland oder Puntland?

P: Nein.

R: Haben Sie außerhalb von Somalia Verwandte in einem anderen Land?

P: Nein.

R: Was haben Sie bis zu Ihrer Ausreise in Mogadischu, in XXXX, in Bezirk XXXX gemacht? Schule? Arbeit?

P: Als ich 6-7 Jahre alt wurde, habe ich angefangen, die Koranschule zu besuchen. Wenn meine Mutter es sich leisten konnte, habe ich manchmal einen Englischkurs besucht. Das war bei einer privaten Person.

R: Was ist mit Ihrem Vater?

P: Mein Vater wurde von einer bewaffneten Miliz getötet. Sie wollten Geld von ihm. Er sagte, dass er nicht zahlen wird, dann haben sie ihn getötet.

R: Wissen Sie, wann das war?

P: 2006. Ich weiß nicht genau, welche Miliz das war, sie waren bewaffnet. Ich weiß nicht, welchem Clan diese angehörten.

R: Welchem Clan gehören Sie an?

P: Ashraf.

R: Hatten Sie Probleme wegen Ihrer Clanzugehörigkeit in Somalia?

P: Als wir nach XXXX geflüchtet sind, mussten wir mehr Miete als die anderen zahlen, weil wir Ashraf sind.

R: Erzählen Sie mir bitte ausführlich und mit Ihren eigenen Worten, warum Sie aus Somalia weggegangen sind. Was war Ihr Fluchtgrund?

P: Ich habe Somalia verlassen, weil mich ein Al Shabaab-Mitglied heiraten wollte. Er war ein älterer Mann, ca. 40 Jahre alt. Ich wollte diesen Mann nicht heiraten. Wenn ich in Somalia noch geblieben wäre, wäre mein Leben in Gefahr und hätte durch mich meine Familie Schwierigkeiten bekommen.

R: Warum?

P: Man muss die Befehle der Al Shabaab befolgen, sonst werden sie der Person vorwerfen, dass diese kein Muslim und somit kein Gläubiger ist.

R: Wie ist das passiert? Wie war das, als dieser Al-Shabaab-Angehörige Sie heiraten wollte?

P: Eines Tages, als ich in der Koranschule war, waren mein Onkel väterlicherseits, meine Mutter und meine Schwester zu Hause. Al-Shabaab-Mitglieder sind zu uns nach Hause gekommen, der Mann, der mich heiraten wollte und ein anderer Mann. Ich bin mir nicht sicher, wie viele Personen gekommen sind. Ich weiß nicht, ob mit dem Mann, der mich heiraten wollte, eine Person oder mehrere Personen mitgekommen sind. Er sagte: "XXXX ist groß geworden. Ich will sie heiraten". Als ich aus der Koranschule nach Hause ging, erzählte mir meine Mutter, dass Al-Shabaab-Mitglieder da waren und einer von ihnen mich heiraten möchte. Meine Mutter hat diesem Mann gesagt, dass die Familie Zeit zum Nachdenken braucht. Mein Onkel sagte, wenn ich diese Heirat nicht annehme, so bringe ich die ganze Familie in Gefahr.

R: Das sagte Ihnen Ihr Onkel?

P: Das sagte mir mein Onkel, als ich nach Hause zurückkam. Er sagte mir, sie müssen sehen, wie ich aus dem Land wegkomme. Wenn ich sonst dort weiter bleibe, werde ich mich und die ganze Familie in Gefahr bringen.

R: Wann war das ca.?

P: 1 Woche vor meiner Ausreise.

R: Wenn ich Sie richtig verstehe, hat Ihre Familie befürchtet, dass es eine Art Rache der Al-Shabaab gegenüber Ihrer Familie gibt, wenn Sie der Heirat nicht einwilligen?

P: Wenn ich mich weigere und diese Heirat nicht annehme, hätten sie uns vorgeworfen, dass wir keine Gläubigen sind.

R: Stand der Vorwurf nicht auch im Raum, als Sie weggegangen sind?

P: Als ich geflüchtet bin, ist meine Familie auch geflüchtet, bis sich die Lage verbessert. Als sie nach Mogadischu zurückkehrten, kehrten sie nach XXXX zurück. Sie hätten Angst gehabt, nach XXXX zurückzukehren.

R: Als Sie weggegangen sind, ging Ihre Familie gleichzeitig weg, dadurch ist es dem Al-Shabaab-Mitglied nicht aufgefallen, dass Sie geflohen sind?

P: Als ich geflüchtet bin und auch meine Familie geflüchtet ist, gab es eine starke Auseinandersetzung zwischen der Al-Shabaab und den Regierungssoldaten.

R: Ihr Onkel war offensichtlich nicht mit der Heirat einverstanden?

P: Meine ganze Familie und ich waren nicht einverstanden.

R: Und warum nicht?

P: Ich war jung. Ich wollte kein Al-Shabaab-Mitglied heiraten.

R: Sie und Ihre Familie waren keine Al-Shabaab-Anhänger zu dieser Zeit?

P: Ja.

R: Seit der Rückkehr Ihrer Familie nach XXXX; gab es seither Drohungen?

P: Die Al-Shabaab hat den Leuten befohlen, dass die Frauen ganze Schleier tragen müssen. Wenn man ihre Befehle befolgt, würde nichts passieren. Meine Schwester und meine Mutter tragen diesen Schleier. Sie bleiben immer zu Hause.

R: Den Schleier tragen sie noch immer?

P: Ja. In XXXX sind die Al-Shabaab immer noch.

R: Das ist mehr in Bezug auf eine allgemeine Situation. Hat der Mann, der Sie heiraten wollte, seit der Rückkehr Ihrer Familie gefragt, wo Sie sind?

P: Die Familie glaubt, dass der Mann nicht weiß, dass sie zurück sind. Damals, als sie geflüchtet sind, waren sie in XXXX. Jetzt sind sie in XXXX. Die Familie war außerdem so lange in XXXX; wir glauben, dass der Mann nicht weiß, wo sie sind. Sie sind nicht in den Bezirk zurück, wo sie damals waren. Die Al-Shabaab ist immer noch da.

R: Wo?

P: Sie ist immer noch in Mogadischu. Sie wissen nicht, dass die Familie in XXXX ist.

R: Das ist doch eine Weile her. Aus welchem Grund glauben Sie, dass Sie heute noch in Gefahr wären, von diesem Mann gefunden und zu einer Heirat gezwungen zu werden?

P: Ich habe nicht nur vor der Al-Shabaab wegen dieser Geschichte Angst. Die Al-Shabaab werfen allen Rückkehrern vor, ein Spion zu sein, und dass sie Ungläubige sind, und dass sie die Kultur und Religion von Somalia vergessen.

R: Gerade in Mogadischu hat sich die Machtsituation der Al-Shabaab geändert?

P: Es hat sich etwas geändert. Einige Bezirke sind besetzt von der Al-Shabaab, wie zum Beispiel XXXX. Wenn ich zurückkehre, merken sie, dass ich fremd bin.

R: Aus welchem Grund merken sie das?

P: Sie wissen es. Wo Al-Shabaab die Macht hat, wissen sie die Anzahl der Personen, die dort leben. Die Leute können nicht einfach in den anderen Bezirk gehen. Die Al-Shabaab sagen, dass sie die richtigen Muslime sind. Sie sagten immer, wer in die Bezirke geht, wo die Regierung die Macht hat, ist ein Spion.

R: Es leben Menschen auch in den Bezirken, in denen die Regierung die Macht hat?

P: Wenn man in diese Bezirke geht, wo die Regierung die Macht hat, kann man nicht mehr zurück in die Bezirke, in der Al-Shabaab die Macht hat, jeder bleibt, wo sein Zuhause ist.

R: Im Fall Ihrer Familie sind Sie in einen anderen Bezirk gegangen.

P: Als sie damals von XXXX nach XXXX geflüchtet sind, sind sie wegen dieses Mannes und der Auseinandersetzung zwischen der Regierung und Al-Shabaab geflohen. Als sie zurück sind, sind sie nach XXXX und nicht nach XXXX. Sie hatten Angst, dass sie dieser Mann in XXXX findet. Wenn man kein Geld hat, kann man nicht jedes Mal umziehen.

R: Was zeichnet die Ashraf aus?

P: Ich gehöre zu dem Unterclan XXXX. Die Ashraf sind berühmt, dass sie religiöse Leute sind und nicht bewaffnet. Sie sind eine Minderheit.

R: Hatte Ihre Familie oder Ihr Subclan in XXXX einen Schutzclan?

P: Nein.

R: Wissen Sie, wie die Ashraf grundsätzlich im Verhältnis zur Al-Shabaab stehen? Ist das ein grundsätzlich gutes oder ein grundsätzlich schlechtes Verhältnis?

P: Die Al-Shabaab sagen, es stimmt nicht, dass die Ashraf der Nachfolger des Propheten Mohammed, der Tochter Fatima, sind. Sie sagen, dass Ashraf religiös, aber nicht richtig gläubig sind.

R an BFV: Haben Sie Fragen zum Fluchtgeschehen?

BFV: Sie haben gesagt, Sie wollten das Al-Shabaab Mitglied nicht heiraten, weil Sie zu jung waren und kein Mitglied der Al-Shabaab heiraten wollten. Was denken Sie über die Al-Shabaab?

P: Die Al-Shabaab Leute haben andere Meinungen und andere Gedanken, als die anderen Leute. Sie glauben, dass die Frauen zu Hause bleiben sollen und Kinder auf die Welt bringen. Sie wollen, dass die Frauen immer von ihnen abhängig bleiben. Wenn sie ein Al-Shabaab-Mitglied heiratet und Kinder bekommt, würde sie von der Regierungsseite getötet werden.

BFV: Kinder bekommen und nicht mehr hinausgehen und nicht in die Schule gehen, das sind Vorgaben, die wollen Sie so nicht machen? In Österreich möchten Sie ein anderes Leben führen?

P: Ja, sie wollen, dass die Frau zu Hause bleibt, Kinder bekommt und nicht zur Schule geht. Ich kann dort nicht das Leben haben, wie ich es in Österreich hätte. Ich möchte lernen und mich ausbilden und ich möchte mein Leben ändern und es gestalten. Ich möchte ein gutes Ziel erreichen. Wenn ich einen Al-Shabaab heirate, wird mir das Ganze nicht möglich sein.

R: Ich habe Ihnen mit der Ladung aktuelle Länderinformationen zu Somalia mitgeschickt, die ich als Grundlage für meine Entscheidung verwenden möchte. Haben Sie sie gelesen? Möchten Sie etwas zu diesen Länderinformationen sagen?

BFV: Wie die P vorgebracht hat, das deckt sich auch mit den Länderberichten, dass Al-Shabaab im Bezirk XXXX noch immer Macht hat, das geht aus den Länderberichten auch hervor. Weiters ist den Länderberichten zu entnehmen, dass es noch immer Zwangsrekrutierungen durch die Al-Shabaab gibt, und dass sich vor allem Frauen, die keinem großen Clan angehören, sich dem nicht widersetzen können. Die P hat auch vorgebracht, dass Rückkehrerinnen oft in Gefahr sind, von der Al-Shabaab angegriffen zu werden. Das deckt sich ebenfalls mit den Länderberichten. Ebenso, dass die Ashraf von den Al-Shabaab nicht religiös anerkannt werden. Das deckt sich ebenso mit den Länderberichten, dass die P keinen Clanschutz genießt, besonders vulnerabel ist und keinen unmittelbaren männlichen Schutz hat. Der Onkel ist gestorben.

Ich stelle den Antrag, der P auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unverheirateten Frauen, die von Zwangsverheiratung betroffen sind, internationalen Schutz zu gewähren. [...]

8. Mit Schreiben vom 15.04.2015 wurden den Parteien weitere aktuelle Länderinformationen mit der Möglichkeit, sich zu diesen schriftlich zu äußern, zugeschickt. Eine Stellungnahme vom 04.05.2015 wiederholte, dass Al Shabaab nach wie vor in XXXX aktiv sei. Ein Umzug der Familie sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Al Shabaab verfüge offenbar über die Kapazitäten, regelmäßig Anschläge in Mogadischu durchzuführen, sei auf den Bakara Markt zurückgekehrt und agiere in XXXX offen. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass Al Shabaab Anhänger auch in Mogadischu ansässig seien. Das familiäre Netzwerk der beschwerdeführenden Partei in Mogadischu reiche nicht aus, um hinreichenden Schutz und Unterstützung zu bieten. Die beschwerdeführende Partei habe fliehen müssen, weil sie sonst die ganze Familie in Gefahr gebracht hätte. Ihre Mutter und Schwestern müssten sich gegenwärtig den Bekleidungsvorschriften der Al Shabaab unterwerfen, um Auseinandersetzungen zu vermeiden. Von bestehendem Clanschutz könne wegen der Zugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei zu den Ashraf nicht ausgegangen werden. Sie sei besonders gefährdet, Opfer gezielter geschlechtsspezifischer Gewalt und einer Zwangsverheiratung mit einem Al Shabaab Mitglied zu werden. Sie strebt einen akademischen Beruf an und wolle ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten. Sie weiche damit erheblich von den Idealen der Al Shabaab und von den gängigen Normen der patriarchal ausgeprägten somalischen Gesellschaft ab. Dieser Umstand, bezogen auf ihre Eigenschaft als Rückkehrerin aus dem Westen, würde in Zusammenschau mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme Asylrelevanz entfalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund des Asylantrags vom 07.07.2011, der Einvernahmen der beschwerdeführenden Partei durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesasylamt, der Beschwerde vom 02.11.2012 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.10.2012, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung am 09.04.2015 werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt.

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist eine weibliche Staatsangehörige Somalias. Sie stellte am 07.07.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2. Die beschwerdeführende Partei gehört dem Clan der Ashraf an.

1.1.3. Die Mutter, der Stiefvater und drei Schwestern der beschwerdeführenden Partei leben im Bezirk XXXX in Mogadischu. Der Stiefvater arbeitet in einem Geschäft als Verkäufer und versorgt damit die Familie. Die beschwerdeführende Partei telefoniert einmal wöchentlich mit ihrer Mutter.

1.2. Im Sinne einer Wahrunterstellung (siehe VwGH, 14.07.2014, Ra 2014/20/0069) wird angeführt, dass die beschwerdeführende Partei vorbrachte, dass ungefähr eine Woche vor ihrer Ausreise Al Shabaab Mitglieder zur Familie nach Hause gekommen sind und den Wunsch geäußert haben, die beschwerdeführende Partei mit einem von ihnen zu verheiraten. Die beschwerdeführende Partei war zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause. Weder sie noch ihre Familie wollten einer solchen Heirat zustimmen. Als die beschwerdeführende Partei ausreiste, zog der Rest der Familie nach XXXX. Vor ungefähr zwei Jahren zog die Familie nach Mogadischu, in den Bezirk XXXX, zurück.

Weiter führte die beschwerdeführende Partei aus, dass jenes Al Shabaab Mitglied, das sie heiraten wollte, nicht weiß, dass sich ihre Familie seit mittlerweile zwei Jahren in XXXX aufhält.

1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der beschwerdeführenden Partei in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an ihre Ethnie und ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

2. Länderfeststellungen zur Situation in Somalia

Im Folgenden werden die wesentlichen Informationen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben und festgestellt:

2.1. Allgemeine Sicherheitslage in Mogadischu; Al Shabaab

2.1.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia (November 2014)

"Es gibt keine flächendeckende, effektive Staatsgewalt; auch die neue Regierung hat bislang über große Teile des Landes keine Kontrolle. Umfangreiche Gebiete werden von unterschiedlichen bewaffneten Gruppen beherrscht. Potentiell asylrechtlich relevante Tatsachen sind daher staatlichen Strukturen regelmäßig nicht eindeutig zuzuordnen, sondern resultieren häufig gerade aus deren Abwesenheit. Dabei muss nach den einzelnen Landesteilen differenziert werden (E 6.2013).

Sicherheitslage:

"Mogadischu

In Mogadischu gibt es mehrere Stützpunkte von AMISOM (Uganda, Burundi). Außerdem gibt es 2.000-3.000 somalische Polizisten, ca.

1.200 Mann Spezialeinheiten (Polizei und Alpha Group) und ca. 400 AMISOM-Polizisten (EASO 8.2014).

Die Sicherheitslage in Mogadischu hat sich seit Mitte 2012 wesentlich verbessert (BS 2014). Auch wenn die Stadt von Attentaten und manchmal von asymmetrischen Angriffen geplagt wird, ist Mogadischu sicherer geworden (UKHO 9.4.2014). Auch gegenüber dem Jahr 2013 ist die Lage nun besser (B 14.10.2014). Dies spiegelt sich im Straßenleben, in der Rückkehr zehntausender Menschen oder im Anstieg von Investitionen wider. Die Stadtbewohner - auch Frauen - können sich fast überall frei bewegen, es gibt keine Belästigungen an Checkpoints. Verantwortlich für die Verbesserung ist einerseits AMISOM, andererseits sind es auch die wachsenden Fähigkeiten der somalischen Sicherheitskräfte. Außerdem haben Clanmilizen keine Macht mehr - auch wenn es zu sporadischen Zwischenfällen kommt (EASO 8.2014). Es haben bei weitem mehr Menschen beschlossen, nach Mogadischu zurückzukehren, als beschlossen haben, die Stadt zu verlassen (UKUT 3.10.2014).

Allerdings gab es nach April 2013 Rückschläge bei der Sicherheitslage in Mogadischu. In manchen Bezirken der Stadt (Hodan, Wardhiigleey, Heliwaa, Yaqshiid) hat sich die Sicherheitslage - vor allem bei Nacht - verschlechtert. Es gab einen Anstieg bei Angriffen auf Sicherheitskräfte, bei gezielten Attentaten und sogar beim Mörserbeschuss (EASO 8.2014). Auch wenn al Shabaab keine Teile der Stadt mehr kontrolliert, so betreibt die Gruppe Guerillaaktivitäten, Sprengstoff-, Handgranaten- und Selbstmordanschläge (AI 23.10.2014). Die Gewalt richtet sich meist auf ausgewählte Ziele (EASO 8.2014). Die Zahl gezielter Attentate auf traditionelle Älteste, Zivilbeamte und Journalisten hat zugenommen (HRW 21.1.2014). Al Shabaab verübte außerdem prominente Angriffe auf den Präsidentenpalast (Februar 2014) und das somalische Parlament (Mai 2014) (EASO 8.2014).

Al Shabaab wählt Ziele in Mogadischu sorgfältig aus. Weder Zivilisten noch Rückkehrer aus der Diaspora werden spezifisch zum Ziel erkoren. Zivilisten tragen das Risiko, bei Anschlägen der al Shabaab auf ausgewählte Ziele als "Kollateralschaden" getötet zu werden (UKUT 3.10.2014; vgl. UKHO 9.4.2014) und sind nicht einer willkürlichen Tötungsstrategie der al Shabaab anzulasten (EASO 8.2014; vgl. UKUT 3.10.2014). Der EGMR hat festgestellt (KAB vs Schweden), dass trotz täglicher Verluste unter Zivilisten kein generelles Risiko gegeben ist. Auch das britische Tribunal stellt fest, dass für einen Zivilisten in Mogadischu nur aufgrund seiner Anwesenheit in der Stadt kein generelles Risiko erheblichen Schadens aufgrund willkürlicher Gewalt besteht (UKUT 3.10.2014; vgl. UKHO 9.4.2014).

Es gibt de facto keine Gebiete in Mogadischu, die als absolut sicher eingestuft werden können. Selbst die schwer bewachten Teile der Stadt waren von Anschlägen der al Shabaab betroffen. In den Bezirken XXXX Heliwaa und Yaqshiid agiert al Shabaab offen, es kommt zu sogenannten hit-and-run-Angriffen auf AMISOM und somalische Sicherheitskräfte. Bewohner dieser Bezirke, die tagsüber mit der Regierung zu tun haben, können in der Nacht Opfer von Racheaktionen der al Shabaab werden. Auch auf den Bakara-Markt ist al Shabaab zurückgekehrt (EASO 8.2014). Wenn ein Stadtbewohner Mogadischus besonders gefährdete Orte meidet - seien es die Gebiete, wo Sicherheitskräfte oder internationale Organisationen angesiedelt sind; seien es bekanntermaßen von Sicherheitskräften, Regierungsbeamten oder NGO-Mitarbeitern frequentierte Lokale; oder sei es etwa der Bakara-Markt - dann kann er sein persönliches Risiko reduzieren (UKUT 3.10.2014)." (Seite 13 ff)

Informationen zu Al Shabaab, Ziele der Al Shabaab:

1. Allgemein

Die militärische Hauptmacht der al Shabaab befindet sich im Dreieck Baraawe-Jilib-Diinsoor sowie östlich von Buulo Barde. Einige hundert Kämpfer der al Shabaab befinden sich in Mudug und Galgaduud. Dies bedeutet aber nicht, dass die anderen Teile Süd-/Zentralsomalias frei von al Shabaab sind. Die Gruppe ist ca. fünf Kilometer außerhalb der größeren Städte präsent (EASO 8.2014).

Al Shabaab kontrolliert also noch immer Teile Süd-/Zentralsomalias (UNHRC 4.9.2014). Gleichzeitig hat sich die Art der Kampfführung weg von militärischen hin zu Guerilla- und terroristischen Aktivitäten verschoben. Aufgrund der gegebenen Mobilität kann die Gruppe auch mit den noch vorhandenen ca. 5.000 Kämpfern erfolgreich Friedensbemühungen sabotieren. Allerdings hat sich die Fähigkeit der al Shabaab, Territorium zu halten, reduziert. Auch die Bewegungsfreiheit der Gruppe ist eingeschränkt worden (EASO 8.2014).

Neben den Kernkräften kann al Shabaab für bestimmte Operationen auch auf Clans zurückgreifen. Daneben ist die Spezialeinheit der al Shabaab - der Amniyat - für verdeckte Präsenz in Städten und damit verbunden für Anschläge, Attentate und andere Operationen verantwortlich. Der Amniyat ist es auch, der selbst bei einem militärischen Sieg über al Shabaab noch auf längere Zeit eine Bedrohung darstellen könnte (EASO 8.2014).

Die militärischen Aktivitäten der al Shabaab konzentrieren sich in den vergangenen Monaten auf folgende Bereiche:

a) Lower Jubba: Störung der Versorgungswege nach Kenia

b) Bakool: Isolation von Wajid und Xudur; tw. wird der Kampf an die äthiopische Grenze herangetragen.

c) Bay und Lower Shabelle: Störung der Verbindung Luuq-Mogadischu, insbesondere Baidoa-Mogadischu (auch im Bereich des Afgooye-Korridors)

d) Lower Shabelle: tägliche Kampfhandlungen im Gebiet Qoryooley; Störung der Routen Mogadischu-Qoryooley und Mogadischu-Merka

e) Galgaduud und Hiiraan: offener Rückzugsraum; Isolierung der Städte Buulo Barde, Maxaas, Ceel Buur und Wabxo (TA 18.6.2014)

Scheinmilitärische, Guerilla- und terroristische Aktivitäten der al Shabaab konzentrieren sich in hohem Maße auf Lower Shabelle und Mogadischu. Für Mogadischu bedeutet dies: sog. hit-and-run-Angriffe;

Hinterhalte auf Sicherheitskräfte; gezielte Tötungen von Sicherheitskräften und Zivilisten; Autobomben- und Terroranschläge;

hinzu kommen Exekutionen von Zivilisten durch al Shabaab auf eigenem Gebiet. Als Grund für Hinrichtungen wird in den vergangenen Monaten in hohem Maße "Spionage" angeführt (TA 18.6.2014).

Anfang September 2014 wurde der Anführer der al Shabaab, Ahmed Godane, bei einem Luftangriff in der Nähe von Baraawe getötet. Al Shabaab gab Sheikh Ahmad Umar Abu Ubaidah als Nachfolger bekannt - ein prominenter Angehöriger des Amniyat (UNSC 30.9.2014). Schon vor dem Tod von Godane war al Shabaab hinsichtlich etwaiger Spionage sehr misstrauisch. Außerdem verfügt die Gruppe über ein Netz an Informanten. Dementsprechend besteht ein permanentes Risiko, von al Shabaab der Spionage oder der Kollaboration mit der Regierung verdächtigt zu werden - dies gilt auch für eigenes Personal (EASO 8.2014). Personen, die al Shabaab unbekannt sind, sind für die Gruppe verdächtig. Auch Personen, die sich außerhalb des Gebietes von al Shabaab aufgehalten haben, sind verdächtig (AI 23.10.2014). Eine Verurteilung hat drastische Konsequenzen (EASO 8.2014; AI 23.10.2014). Insgesamt sind aber alle Personen, die auf von al Shabaab kontrolliertem Gebiet leben, einem Risiko ausgesetzt, getötet, gefoltert oder auf misshandelt zu werden (AI 23.10.2014). (Seite 16f)

2. Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab

Al Shabaab wechselt periodische die Gruppe der von gezielten Attentaten betroffenen Personen. Damit soll der Bevölkerung vermittelt werden, dass jeder, der die Regierung unterstützt, zum potentiellen Ziel werden kann. Sicherheitskräfte, Mitarbeiter humanitärer Organisationen; Zivilisten, die für die somalische Regierung arbeiten; Mitarbeiter von nationalen und internationalen NGOs oder von UN-Organisationen; und diplomatische Missionen sind einem Risiko ausgesetzt, Ziel von Angriffen oder Attentaten der al Shabaab zu werden. Es kann aber auch Frauen treffen, die Essen an Soldaten verkaufen oder aber Verwandte von Regierungsangestellten. In Mogadischu sind ehemalige District Commissioners und ihre Mitarbeiter ebenfalls zu Zielen der al Shabaab geworden (EASO 8.2014). Außerdem können Journalisten, Älteste, Richter, Geschäftsleute und Akteure der Zivilgesellschaft zum Ziel der al Shabaab werden (UKHO 9.4.2014).

Dabei gibt es in Mogadischu keine Möglichkeit, zu entkommen. Wenn al Shabaab eine bestimmte Person ermorden will, dann wird die Gruppe das tun. Selbst in von der Regierung kontrollierten Gebieten kommen gezielte Attentate zunehmend vor. Die Täter bleiben oft unerkannt, doch wird in den meisten Fällen davon ausgegangen, dass al Shabaab für die Taten verantwortlich ist. Die Gruppe hat auch prominente Friedensaktivisten, Gemeindeführer sowie Clanälteste und deren Familienangehörige getötet. Auch Politiker, Abgeordnete und Justizangehörige sind einem hohen Risiko, zum Ziel eines Anschlages zu werden, ausgesetzt (EASO 8.2014).

Es besteht immer ein gewisses Risiko, als Spion der Regierung wahrgenommen zu werden. Manchmal wurden Menschen allein aufgrund der Tatsache beschuldigt, dass sie Soldaten der Regierungsarmee Früchte verkauft haben (LIDIS 3.2014; vgl. EASO 8.2014). In den Jahren 2013 und 2014 ist die Anzahl an Exekutionen von durch al Shabaab der Spionage Beschuldigten gestiegen (EASO 8.2014). (Seite 47)

3. Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab

Die meisten Kindersoldaten gibt es bei al Shabaab (EASO 8.2014). Kindersoldaten werden bei der Gruppe systematisch eingesetzt (ÖB 10.2014). Al Shabaab setzt Kinder in Kämpfen aber auch als Selbstmordattentäter ein. Außerdem kommen Kinder unterstützend - etwa als Träger, Sanitäter oder Spione - zum Einsatz (USDOS 27.2.2014).

Die Islamisten rekrutieren in Schulen, auf der Straße und in Wohnhäusern aber auch in IDP-Lagern. Rekrutiert werden sogar Kinder im Alter von erst acht Jahren (EASO 8.2014). Üblicherweise kommen Rekruten freiwillig zu al Shabaab. Kinder werden oft bereits in den Schulen indoktriniert. Außerdem stellen Clans Rekruten zur Verfügung. Es kommt aber auch - wenn auch seltener - zu direkten Zwangsrekrutierungen (MV 20.1.2014; vgl. EASO 8.2014). für das Jahr 2013 wird die Zahl an Zwangsrekrutierungen mit 2.200 angegeben; für das laufende Jahr mit 500 (ÖB 10.2014). Nach wie vor flüchten Jugendliche und Kinder aus Angst, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden, aus von al Shabaab kontrollierten Gebieten in andere Teile Somalias (EASO 8.2014).

In Mogadischu gibt es kein Risiko hinsichtlich einer Zwangsrekrutierung durch al Shabaab (UKUT 3.10.2014; vgl. EASO 8.2014). Auch in anderen Garnisonsstädten der AMISOM ist eine Zwangsrekrutierung durch al Shabaab sehr unwahrscheinlich (D 18.6.2014).

Die Rekrutierungstaktik variiert nach Regionen und Clans (EASO 8.2014). Bei Clans, die als Unterstützer der al Shabaab gelten, kommt es kaum zu Zwang durch al Shabaab. Zwang trifft viel eher jene Clans, die als neutral oder oppositionell zur Gruppe stehend gelten. Bei mit al Shabaab sympathisierenden Clans stellen meist die Clans selbst Rekruten zur Verfügung (D 18.6.2014).

Der Sold für Kämpfer beträgt ca. 50-100 US-Dollar pro Monat. Für einzelne Aufgaben (etwa das Werfen von Granaten) werden Preisgelder ausgelobt (ca. 10 US-Dollar) (EASO 8.2014). (Seite 26)

2.1.2. Danish Immigration Service und Landinfo, Update on security and protection issues in Mogadishu and South-Central Somalia (März 2014)

Der Bericht wurde auf Basis einer fact finding mission im November 2013 erstellt, in deren Rahmen verschiedene Einzelpersonen und Vertreter nationaler und internationaler Nichtregierungsorganisationen sowie internationaler Organisationen befragt wurden. Er enthält zusammengefasst folgende Aussagen zur allgemeinen Sicherheitslage in Mogadischu.

Die Randgebiete Mogadischus seien weiterhin anfällig für verschiedene Arten von Guerilla- bzw. terroristischen Angriffen (Seite 9; Quelle: UNDSS).

Die Sicherheitslage sei differenziert zu betrachten. Es gebe einerseits ein allgemeines Sicherheitsproblem, das alle Somalier betreffe. Dieses sei darin begründet, dass die Regierung nicht die volle Kontrolle habe, und es darüber hinaus interne politische Probleme gebe. Die Sicherheitssituation habe sich seit April 2013 in bestimmten Gebieten jedoch verbessert. Andererseits gebe es Sicherheitsrisiken, die speziell vor allem Mitarbeiter und Partner der Regierung oder internationaler Organisationen beträfen. Wenngleich die Al-Shabaab nirgends in Mogadischu die Kontrolle über bestimmte Gebiete habe, könne sie dennoch in der ganzen Stadt agieren. Daher gebe es in Mogadischu keine sicheren Bereiche (Seite 9, Quelle: internationale NGO "C").

Die Sicherheitssituation in Mogadischu habe sich in den letzten zwei Jahren verbessert, sei jedoch immer noch problematisch. Die letzten vier Monate (bis November 2013) seien relativ ruhig gewesen, in letzter Zeit habe es jedoch wieder mehr Vorfälle gegeben, bei den meisten davon habe es sich um gezielte Tötungen gehandelt, die vermutlich mit Clans zusammenhängen würden. Es gebe vermutlich eine Verbindung zwischen Kriminalität und Clans (Seite 9, Quelle: internationale NGO "A").

Laut einer anderen Aussage habe sich die Situation seit April 2013 verschlechtert. Die Regierung sei außerstande Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und AMISOM habe nicht genügend Ressourcen. Die Sicherheitssituation habe sich in den letzten sechs Monaten zwar nicht verschlechtert, die jüngsten politischen Entwicklungen seien jedoch besorgniserregend.

In Mogadischu gebe es grundsätzlich keine speziell sicheren bzw. unsicheren Gegenden, die Al-Shabaab könne jederzeit überall zuschlagen. Sie greife gezielt jene Gebiete an, die sie für verwestlicht halte, etwa verschiedene Restaurants, Märkte oder den Badestrand (Seite 10, Quelle: Journalist).

2.1.3. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to people fleeing Southern and Central Somalia (Jänner 2014)

Seit August 2011 stehe Mogadischu nominal unter Kontrolle der Regierung, unterstützt durch Truppen der Afrikanischen Union. Die Sicherheitssituation in der Stadt habe sich seitdem verbessert, offene Kampfhandlungen seien seltener geworden, und das wirtschaftliche Treiben werde wieder aufgenommen. Die Al Shabaab sei jedoch weiterhin in der Lage, tödliche Anschläge, auch in den bestgesicherten Teilen der Stadt, zu verüben, deren Opfer überwiegend Zivilisten seien. Solche Anschläge würden jede Woche verübt. Ziel dieser Anschläge seien häufig Regierungsinstitutionen und öffentliche Bereiche wie Restaurants, Märkte und Hotels. Im Jahr 2013 hätten sowohl Ausmaß als auch Intensität der Anschläge zugenommen. Abgesehen von Selbstmordanschlägen und ähnlichen Angriffen werde unter anderem auch von allgemeinen Einschüchterungen, Misshandlungen und Zwangsrekrutierungen von Zivilisten berichtet. Neben der Al Shabaab gebe es noch weitere gewaltsame, bewaffnete Gruppierungen, die Berichten zufolge zum Teil denselben ideologischen Hintergrund wie die Al Shabaab haben (Seite 4ff).

2.1.4 EASO, Country of Origin Information Report, South and Central Somalia, Country Overview, August 2014

Betreffend die Sicherheitssituation in Benadir und Mogadischu (AMISON Sektor 1 - Uganda) meint der aktuelle EASO Bericht, dass die Bevölkerung Vertrauen in die Sicherheitsbehörden vor Ort gefasst habe. Problematische Bezirke seien immer noch Hodan, Wardhiigleey, Heliwaa und Yasqshiid. Die Polizei würde außerdem XXXX Heliwaa und Yaqshiid nicht ausreichend sichern können und zöge sich in der Nacht von dort zurück. Quellen würden angeben, dass man sich grundsätzlich frei in der Stadt bewegen könne, dass die Bevölkerung aber als unsicher bekannte Gegenden meiden würde. Ein Zeitungsartikel habe im Mai 2014 angeführt, dass Mogadischu in vielerlei Hinsicht in den letzten zwei Dekaden nie sicherer gewesen sei.

Andere Quellen würden hingegen meinen, dass sich die Sicherheitslage seit April 2013 verschlechtere, und es keine Hinweise auf eine Besserung gebe. Es bestehe ein Trend von ansteigendem Gewaltrisiko in der Stadt. Anschläge richteten sich oft auf spezifische Ziele. Da sogar vorgeblich sichere Bereiche Ziele von Al Shabaab Angriffen seien, könne keine wirklich sichere Gegend in der Benadir Region angegeben werden. Al Shabaab agiere öffentlich in den Bezirken XXXX Heliwaa und Yaqshiid. Die Absenz von Al Shabaab im Bakara Markt sei vorüber; sie agiere mittlerweile wieder offen im Marktgebiet. (Seite 75ff)

Insbesondere zu Rückkehrern und Rückkehrerinnen aus dem Westen führt der EASO Bericht auf Seite 106 aus, dass nach dem niederländischen Außenministerium Somalier_innen, die aus dem Westen zurückkehren, verdächtigt werden können, für SFG oder SFG Alliierte zu spionieren. Sie vermeiden für gewöhnlich in von Al Shabaab kontrollierte Gebiete zurückzukehren, selbst wenn ihr Clan in der Gegend lebt. Somalier_innen, die aus der Diaspora zurückkehren, können einem Risiko gezielter Anschläge ausgesetzt sein, insbesondere solche, die "sichtbar sind und sich nicht anpassen".

2.1.5. UK Home Office, Country Information and Guidance, Somalia:

Security and humanitarian situation in South and Central Somalia, Dezember 2014 (Auszüge):

1. Diese aktualisierte Fassung des UK Home Office zur Sicherheitssituation in Mogadischu fußt auf der Country Guidance, die mit Urteil des Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) vom 03.10.2014 zu MOJ & Others (Return to Mogadishu) Somalia CG [2014] UKUT 00442 (IAC), festgestellt wurde.

2. Daraus ergibt sich, dass eine Person, ein gewöhnlicher Zivilist (damit gemeint: nicht mit den Sicherheitskräften, der Regierung oder der Verwaltung, einer NGO oder einer internationalen Organisation in Verbindung stehend), die nach einer Weile nach Mogadischu zurückkehrt, keinem realen Risiko einer Verfolgung im Sinne des Art. 3 EMRK oder des Art. 15 (c) der Qualifikationsrichtlinie unterliegt. Insbesondere besteht für diese Person kein reales Risiko nur deshalb seitens der Regierung als Al Shabaab-Unterstützer oder seitens der Al Shabaab als Ungläubiger angesehen zu werden, weil sie eine Zeitlang in Europa gelebt hat. (Seite 8; bzw. Seite 2, headnote (ii) der Country Guidance in MOJ).

3. Es besteht kein reales Risiko einer Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab in Mogadischu mehr, auch hinsichtlich kürzlich aus dem Westen rückgekehrter Personen (Seite 44 und Seite 3, headnote (vi), der Country Guidance in MOJ).

2.2. Frauen/Zwangsehe

2.2.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia (November 2014)

"Frauen/Kinder

Die Übergangsverfassung sieht für Männer und Frauen die gleichen Rechte vor (USDOS 27.2.2014). Allerdings sind Frauen im Alltag nicht gleichgestellt und sie haben nicht die gleichen Rechte (EASO 8.2014; vgl. USDOS 27.2.2014). Es kommt zu systematischer Subordination (USDOS 27.2.2014). Gemäß dem traditionellen Recht bleibt sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt oft unbestraft. Frauen sind nicht in traditionelle Entscheidungsprozesse der Ältesten eingebunden und im traditionellen Recht (xeer) kommt ihnen kein Schutz bezüglich häuslicher Gewalt zu. Frauen, die über kein männliches Netzwerk verfügen und daher auch keinen Clanschutz erringen, sind vulnerabel und gefährdet - selbst in Mogadischu (EASO 8.2014).

Die politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsstrukturen werden von Männern dominiert. Frauen sind traditionell vielfach benachteiligt (E 6.2013). Dies gilt auch für den Rechtsbereich der Scharia, der von Männern verwaltet wird und in welchem oft im Interesse der Männer entschieden wird. Hinsichtlich Besitz und Erbschaft schränken traditionelle, gesellschaftliche und kulturelle Barrieren die Frauen in der Ausübung ihrer Rechte ein (USDOS 27.2.2014). Eine Frau wird im Clansystem grundsätzlich von einem Mann vertreten, der auch in ihrem Namen Entscheidungen trifft (MV 24.1.2014).

Im somalischen Parlament halten Frauen derzeit 14 Prozent aller Sitze (USDOS 27.2.2014).

Vergewaltigung ist strafbar, die Strafen betragen zwischen 5 und 15 Jahren Haft; Militärgerichte verhängen auch Todesurteile. Die Regierung setzt das Gesetz nicht effektiv durch (USDOS 27.2.2014). Es gibt zwar Anstrengungen der somalischen Regierung, gegen sexuelle Gewalt anzukämpfen; diese werden durch die vorherrschende Sicherheitslage allerdings eingeschränkt. Aufsehenerregende Fälle haben gezeigt, wie die Regierung mit Vergewaltigungsanzeigen umgeht (UKFCO 10.4.2014). Dies betraf z.B. den Fall einer Frau, die einem Journalisten hinsichtlich ihrer Vergewaltigung ein Interview gab. Beide wurden verhaftet. Auch nach Anzeigen von Vergewaltigungsopfern, die AMISOM-Soldaten als Täter identifizierten, wurden die Opfer schikaniert (HRW 21.1.2014; vgl. UKFCO 10.4.2014).

Weiterhin kommen aus ganz Somalia alarmierend viele Berichte über sexuelle Gewalt und Vergewaltigungen. Besonders betroffen sind IDPs (HRW 21.1.2014; vgl. UKFCO 10.4.2014, ÖB 10.2014) und Angehörige von Minderheitenclans. Im ersten Halbjahr 2013 wurden alleine in Mogadischu mehr als 800 Vergewaltigungen angezeigt. Die Armee hat zwar einige ihrer Angehörigen aufgrund von Vergewaltigungsvorwürfen festgenommen, Straflosigkeit bleibt aber die Norm (USDOS 27.2.2014). Für Opfer sexueller Gewalt ist es extrem schwierig, Gerechtigkeit zu erlangen. Viele Verbrechen werden der Polizei nicht gemeldet, weil die Opfer Stigmatisierung, neuerliche Misshandlungen, mangelnden Ermittlungswillen oder Anschuldigungen wegen Ehebruches befürchten (EASO 8.2014). Meist werden Vergewaltigungsfälle außerhalb formeller Strukturen abgehandelt (USDOS 27.2.2014). Von staatlichem Schutz kann daher nicht ausgegangen werden (ÖB 10.2014).

Vergewaltigung in der Ehe ist nicht sanktioniert. Häusliche Gewalt ist ein ernstes Problem (USDOS 27.2.2014). Für Vergewaltigungsopfer gibt es ein Frauenhaus des Elman Peace and Human Rights Centre in Mogadischu (MG 22.9.2014) und eines in Afgooye. Dort erhalten Frauen sechs Monate lang medizinische und psychosoziale Hilfe (MV 24.1.2014).

Polygamie und Ehescheidung sind erlaubt. Ehen werden vor dem lokalen Khadi-Gericht geschlossen und auch wieder aufgelöst (ÖB 10.2014). Die am meisten verbreitete Eheschließung ist jene der arrangierten Ehe. Diese bedarf der Zustimmung beider Partner sowie der Eltern bzw. des Vormundes. Allerdings ist es aufgrund des starken gesellschaftlichen Druckes äußerst unüblich, dass sich eine Tochter gegen den Willen ihres Vaters einer arrangierten Ehe widersetzt (LI 6.7.2012; vgl. EASO 8.2014). Daher kann der Unterschied zwischen arrangierter und Zwangsehe subtil sein (LI 6.7.2012). Wenn sich aber zwei Ehepartner finden, die kein Einverständnis ihrer Eltern haben, so gibt es die Möglichkeit des "Durchbrennens" mit folgender Eheschließung. Diese Form der geheimen Eheschließung wird zunehmend gebräuchlich - vor allem in jenen Gebieten, die nicht unter Kontrolle der al Shabaab stehen. Damit so eine Ehe Gültigkeit erlangt, müssen zwischen dem Wohnsitz des Brautvaters und dem Ort der Eheschließung 90-100 Kilometer Distanz liegen (AP 17.4.2013; vgl. EASO 8.2014).

Unverheiratete Frauen, die schwanger werden, sind der Stigmatisierung ausgesetzt. Als Resultat kann es zu häuslicher Gewalt oder zum Verstoß aus dem Clan kommen. Sogenannte Ehrenmorde kommen allerdings in Somalia nicht vor (MV 24.1.2014).

Al Shabaab zwangsrekrutiert bzw. entführt Frauen und Mädchen, um diese im Haushalt einzusetzen oder um sie zur Ehe zu zwingen. Manche Verschleppungen dauern nur kurze Zeit (zwei Tage bis zwei Wochen), andere - etwa im Fall der Zwangsehe - sind permanent (EASO 8.2014)."

(Seite 42f)

In den Gebieten von al Shabaab kommt es zu Zwangsehen zwischen islamistischen Kämpfern und jungen Mädchen (USDOS 27.2.2014). Al Shabaab zwingt Mädchen ab einem Alter von 12 Jahren zur Eheschließung mit eigenen Kämpfern. Zwangsehen durch al Shabaab sind üblich. Eine Verweigerung kann drastische Folgen haben (NOAS 4.2014). Zwangsehen durch al Shabaab kommen in der Regel nur dort vor, wo die Gruppe die Kontrolle hat (C 18.6.2014). (Seite 45)

2.2.2. EASO, Country of Origin Information Report, South and Central Somalia, Country Overview, August 2014

Somalia sei einer der schlimmsten Orte der Welt für Frauen (178. Stelle). Während die vorläufige Verfassung gleiche Rechte von Männern und Frauen vorsähe, würden Frauen schwerwiegende Ungleichheiten und Diskriminierung erfahren. Nach traditionellem Somali Recht bleibe sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt häufig unbestraft.

Frauen außerhalb der von der Al Shabaab kontrollierten Gebiete verfügen über mehr Freiheit zu reisen, zu arbeiten und Auto zu fahren. (Seite 108)

Sexuelle Gewalt sei in Somalia eine alltägliche Tatsache für Frauen und Mädchen. Täter seien Regierungskräfte, Mitglieder der bewaffneten Opposition, Milizen und Private. Alle würden ohne Furcht vor Folgen agieren können. Alleinerziehende Frauen in IDP-Camps seien ganz besonders verletzlich. (Seite 109) Arrangierte Ehen seien die häufigste Form der Verheiratung. Eine Eheschließung zu verweigern, die der Vater arrangiert habe, sei sehr ungewöhnlich. (Seite 110)

Zu Zwangsverheiratungen mit Mitgliedern der Al Shabaab wird ausgeführt, dass in von der Gruppe kontrollierten Gebieten Mädchen, manchmal nicht älter als 12 Jahre, aus der Schule oder von der Straße entführt und mit Kämpfern zwangsverheiratet würden. Fälle von Zwangsverheiratungen mit Al Shabaab Mitgliedern seien auch, in beschränkterem Ausmaß, in Teilen Mogadischus beobachtet worden (UNHCR habe einen Fall in Heliwaa erwähnt). Viele Familien würden sich nicht trauen, eine Verheiratung zu verweigern.

Junge Männer seien oftmals zuerst willentlich mit dem Versprechen rekrutiert worden, mit einem Mädchen verheiratet zu werden. Landinfo habe angemerkt, dass viele Kämpfer zu Minderheitenclans gehören würden. Eine Heirat mit einem Mädchen eines Mehrheitsclans würde für manche als eine Möglichkeit wahrgenommen werden, ihren gesellschaftlichen Status zu verbessern. Zu heiraten und Kinder zu bekommen stelle für junge Islamisten auch dar, dass sie nun bereit seien zu kämpfen und als Selbstmordattentäter eingesetzt werden können. [...] Eltern, die eine Heirat ihrer Tochter mit einem Al Shabaab Kämpfer verweigern würden, riskieren umgebracht zu werden, weil sie den Dschihad nicht unterstützen würden. (Seiten 107f).

2.2.3. Landinfo, Anfragebeantwortung: Somalia: Al Shabaab und Zwangsverheiratung, 06.07.2012:

In diesem Bericht, auf den auch der oben angeführte EASO Beitrag verweist, wurde angemerkt, dass weder die Frau noch ihr Vormund normalerweise eine Wahl habe, wenn sich ein Al Shabaab Kämpfer für eine Frau entschieden habe. Der Kämpfer würde die Frau für gewöhnlich mehrmals kontaktieren und ihren Vater, den Traditionen folgend, um ihre Hand bitten. Wenn jedoch die Frau und ihr Vater die Verheiratung verweigern würde, würde er das Gesetz in die eigenen Hände nehmen. Wenn dann Al Shabaab vorgeben würde, dass der Vater ein Ungläubiger sei, wäre es noch einfacher.

Es gebe aber auch Fälle, nach denen sich Frauen geweigert haben, einen Al Shabaab Kämpfer zu heiraten, und das ohne Konsequenzen. Diese Beispiele kämen aus Baidoa, und eine wesentliche Voraussetzung wäre, dass die Frau einem großen und einflussreichen lokalen Clan angehöre. Dieser Bericht würde bestätigen, dass es lokale Unterschiede gebe, die davon abhängen würden, ob die lokale Al Shabaab Verwaltung oder ihr Kommandant Verbindungen zum lokalen Clan habe. Es gebe viele Geschichten rund um Zwangsverheiratungen und Al Shabaab. (Seite 3).

Manche Familien würden aber auch einen Vorteil darin sehen, mit Al Shabaab verbunden zu sein, weil dies Schutz und Möglichkeiten bieten würde. Diese Einstellung treffe besonders auf Minderheitenangehörige und kleine Clans zu. Diese Kategorie von Heirat unterscheide sich nur wenig von den sogenannten "black cat" Hochzeiten in den Zeiten der Warlords. Die Machthaber heute haben nur einen anderen Hut auf - einen religiösen. Dennoch, viele Al Shabaab Kämpfer von heute würden selbst Minderheiten oder kleinen Clans angehören und sich von einer Heirat mit einer Angehörigen eines Mehrheitsclans Prestige oder Rache erhoffen. (Seite 4).

2.2.4. UK Home Office, Country Information and Guidance, Somalia:

Women fearing gender-based harm/violence, Februar 2015 (Auszüge):

Aus diesem aktuellen COI Dokument des UK Home Office geht hervor, dass Frauen in Somalia eine "bestimmte soziale Gruppe" im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen (Seite 5).

Es besteht eine generelle und weitgespannte Diskriminierung von Frauen in Somalia, wie auch sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, die ohne Konsequenzen von einer ganzen Reihe von Akteuren begangen wird, wie Sicherheitskräfte der Regierung, Mitglieder bewaffneter Oppositionsgruppen, Milizen, Familienmitgliedern und Persönlichkeiten der Gemeinde wie auch AMISON Peace Keepers. IDP Frauen, insbesondere solche von Minderheitenclans, sind sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt in besonderem Ausmaß ausgesetzt.

Frauen in von Al Shabaab kontrollierten Gebieten sind der ernsten Gefahr von Zwangsverheiratungen mit Al Shabaab Kämpfern ausgesetzt.

Weibliche Rückkehrerinnen müssen mit ernster Gefahr gegen ihre Person vor allem in IDP Lagern rechnen; hier wiederum insbesondere Angehörige von Minderheiten.

Eine Frau zu sein alleine reicht für die Gewährung von internationalem Schutz nicht aus. Die allgemeine Diskriminierung von Frauen in Somalia erreicht nicht das Niveau, um als Verfolgung angesehen zu werden. Aber: Frauen, die keine Familie/Freunde/Clanverbindungen haben oder mittellos sind, sind wahrscheinlich einem Risiko ausgesetzt ("are likely to be at risk"), im Falle einer Rückkehr Opfer sexueller oder geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden. Faktoren, die bei dieser Prüfung miteinzubeziehen sind, sind der Zugang zu familiären Netzwerken oder Clanschutz und -unterstützung, Alter, Gesundheit, wirtschaftlicher Status, familiäre Verpflichtungen, Verbindungen mit der Diaspora (die sich auf die Einkommensfrage und die Möglichkeit, Arbeit zu finden, auswirken können) und andere individuelle Umstände der Person (Seite 5).

In Süd- und Zentralsomalia (inklusive Mogadischu) ist es unwahrscheinlich, dass Frauen, die von sexueller oder geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht sind, auf wirksamen Schutz durch den Staat zurückgreifen können.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mogadischu kann in manchen Fällen zumutbar sein. Frauen, die keine Unterstützung durch Clan oder Familie aufweisen können , die keine Unterstützung aus dem Ausland erhalten und keine echte Aussicht darauf haben, sich in Mogadischu den Lebensunterhalt verdienen zu können, sind dem Risiko ausgesetzt, nur in IDP Lagern Unterkunft zu finden, wo die Lebensumstände unter den annehmbaren humanitären Standards liegen können, und die Frauen einer echten Gefahr von geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind.

Somaliland und Puntland akzeptieren grundsätzlich nur die Einreise von Personen, die früher in diesen Gebieten gelebt haben und Mitglieder lokaler Clans oder Sub-clans sind.

Eine Frau, die eine echte Gefahr oder eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit nachweisen kann, bei einer Rückkehr nach Somalia Opfer einer Misshandlung ("ill-treatment") aufgrund ihres Geschlechts zu werden und die weiter nachweisen kann, dass sie auf keinen wirksamen Schutz zurückgreifen oder an einem Ort von Somalia Zuflucht finden kann, um dieser Gefahr zu entgehen, hat Anspruch auf Asyl (Seite 8f).

2.3. Clans

2.3.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia (November 2014)

"Die somalische Bevölkerung ist nur auf den ersten Blick homogen. Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014).

Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014).

Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem - wie erwähnt - keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen - auch geographische - sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).

Das Clansystem ist dynamisch und komplex. Aufgrund des Bürgerkrieges und damit verbundener Wanderbewegungen aber auch aufgrund des Bevölkerungswachstums waren nach 1991 zunehmende Fluktuationen zu verzeichnen. Aufzeichnungen von Genealogien sind umstritten (EASO 8.2014).

* Die Darod unterteilen sich in die großen Gruppen Ogadeni (Äthiopien und Jubba-Regionen), Marehan (Süd-/Zentralsomalia) und Harti. Letztere sind eine Föderation aus Majerteen (Hauptclan in Puntland), Dulbahante und Warsangeli (Regionen Sool und Sanaag).

* Die Hawiye leben vor allem in Süd-/Zentralsomalia, die wichtigsten Subclans sind Abgaal und Habr Gedir.

* Die Dir finden sich im westlichen Somaliland und in einigen Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Ihre Hauptclans sind Issa und Gadabursi (beide Somaliland) und Biyomaal (Südsomalia).

* Die Isaaq sind der Hauptclan Somalilands.

* Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben in den fruchtbaren Tälern von Shabelle und Jubba und im Gebiet zwischen beiden Flüssen (v.a. Bay und Bakool) (EASO 8.2014).

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014). Minderheitengruppen sind u.a. die Bantu (größte Gruppe), Benadiri, Reer Xamar, Bravanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub und Gabooye (USDOS 27.2.2014). Minderheitenclans oder Berufskasten können mit großen Clans in eine Abhängigkeitsbeziehung (shegaat) treten und werden danach - in externen Belangen - als Teil des großen Clans erachtet. Langfristige Allianzen zwischen kleineren und größeren Clans werden gemäß dem traditionellen Recht (xeer) geschlossen. Beide Konstruktionen beinhalten auch den Schutz des kleineren Partners durch den größeren (EASO 8.2014).

Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014).

Inwiefern Clanschutz heute noch funktioniert ist umstritten. Faktoren wie AMISOM, die Restauration staatlicher Sicherheitsbehörden oder al Shabaab haben den Schutz erodiert. Andererseits hat der Rückzug von al Shabaab sowie der Mangel an staatlicher Verwaltung in den ländlichen Gebieten den Clanschutz verstärkt. Das Ausmaß an Clanschutz variiert also regional und ist im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen. In Somaliland und Puntland, wo relative Stabilität herrscht, ist der Clanschutz weniger relevant als in Süd-/Zentralsomalia. In Mogadischu hingegen sind Älteste zwar noch bei der Konfliktvermittlung involviert, jedoch gibt es kein Risiko mehr, aufgrund der Clanzugehörigkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Nicht mehr die Clans, sondern AMISOM, Armee und Polizei sind für die Sicherheit verantwortlich. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Teile von Armee und Polizei nach wie vor großen Bezug zu ihren Herkunftsclans haben (EASO 8.2014).

Die linguistische Situation in Somalia ist relativ homogen. Neben der als Standard-Somali festgelegten nordöstlichen Varietät gibt es aber regionale Dialekte. Die Grenze nördlicher und südlicher Varietäten verläuft durch die Region Mudug. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Hauptvarietäten ist gut dokumentiert und kann generell mittels Sprachanalyse festgestellt werden. Auch feinere Unterscheidungen innerhalb der beiden Hauptvarietäten sind möglich (EASO 8.2014).

Somali selbst unterscheiden oftmals zwischen Maxaa-tiri, einer Sammlung regionaler Varietäten, die generell verstanden werden, und Maay-tiri, den regionalen Dialekten in den Regionen Bay, Bakool, Gedo, Middle Jubba und Lower Shabelle (EASO 8.2014).

Daneben gibt es bestimmte Minderheiten, die andere Sprachen sprechen: Swahili (Kibajuni, Chimwiini), Oromo (z.B. af-Garre) oder Mushunguli. Generell kann aufgrund der Dominanz der somalischen Sprache aber davon ausgegangen werden, dass auch Sprecher einer Minderheitensprache über Sprachkenntnisse in Somali verfügen (EASO 8.2014)." (Seite 35 ff)

"Minderheiten und kleine Clan-Gruppen

Es gibt unterschiedliche Kategorien von Minderheiten: ethnische und religiöse sowie jene, die als Berufskasten bezeichnet werden. Ethnische und religiöse Minderheiten haben einen unterschiedlichen kulturellen und/oder sprachlichen Hintergrund als die Somali der großen Clans. Die Berufskasten haben den gleichen Hintergrund wie die Clans, praktizieren jedoch spezifische Berufe (EASO 8.2014).

Außerdem sind auch Angehörige von somalischen Clans dann als Minderheit zu qualifizieren, wenn sie in einem Gebiet leben, das mehrheitlich von einem anderen Clan bewohnt ist (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein (EASO 8.2014). Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Die Berufskasten unterscheiden sich kulturell und linguistisch nicht von den Hauptclans, werden aber aufgrund von z.B. Berufen, die als unislamisch bezeichnet werden, als unrein erachtet. Sie werden unter den Oberbegriffen Waable, Sab, Midgaan oder Madhibaan zusammengefasst. Sie bilden die niedrigste Ebene der somalischen Gesellschaft; ihr Anteil wird auf rund ein Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt. Die Berufskasten sind in unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Namen in ganz Somalia zu finden. Klassische Berufe sind: Friseur, Schmied, Metallverarbeitung, Gerber, Schuster, Töpfer und Tischler; außerdem betätigen sich die Waable in der Jägerei, Viehzucht und Landwirtschaft sowie als Beschneiderinnen und als Hebammen. Im Zuge der Urbanisierung nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Waable in den Städten auch neue Arbeitszweige für sich erschließen (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010).

Die wichtigsten Gruppen sind:

* Midgaan (Madhibaan, Gabooye; dieser Name wird tw. auch für alle Waable als Oberbegriff verwendet): Jäger, Gerber, Lederverarbeitung, Schuster und andere Berufe; Verbreitung: ganz Somalia (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010)

* Tumaal: ursprünglich Schmiede, jetzt auch in anderen Berufen zu finden. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010)

* Yibir: Ihnen werden jüdischer Hintergrund und magische Kräfte nachgesagt. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010)

Kleinere Gruppen der Waable sind die Galgale, Gaheyle, Yahhar, Jaaji, Musa Dheryo, Guuleed Hadde, Hawr Warsame, Habar Yaqub, Madgal und Warabeeye. Auch die Boni und Eyle werden manchmal den Waable zugerechnet. Einige der Berufskasten haben ein ähnliches Clansystem wie die somalischen Hauptclans (EASO 8.2014)." (Seiten 38f)

"Aktuelle Situation

Minderheiten, denen es an bewaffneten Milizen mangelt, sind überproportional von Morden, Folter, Vergewaltigung, Entführung mit Lösegelderpressung sowie von Plünderung betroffen. Außerdem leben viele Minderheitenangehörige in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung (USDOS 27.2.2014). Angehörige von Minderheitenclans werden nicht systematisch verfolgt, wohl aber im täglichen Leben benachteiligt (ÖB 10.2014).

Einzelne Minderheiten leben unter schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (ÖB 10.2014). Das Ausmaß an Diskriminierung hängt von der Minderheit ab:

Berufskasten sind generell stärkerer Diskriminierung ausgesetzt als ethnische Minderheiten. Allerdings gibt es signifikante Unterschiede. Gesellschaftliche Diskriminierung durch die Hauptclans kommt vor. So werden etwa die Bantu manchmal als adoon (Sklaven) bezeichnet (EASO 8.2014).

Für Berufskasten sind gesellschaftliche Interaktionen nur beschränkt möglich (EASO 8.2014). Sie leben meist in Ghetto-ähnlichen Vierteln oder Stadtteilen (EASO 8.2014; vgl. ÖIF). Mischehen - vor allem zwischen Berufskasten und den Hauptclans - sind traditionell beschränkt (USDOS 27.2.2014; vgl. EASO 8.2014). Dieses Tabu scheint aber in den vergangenen Jahren etwas aufgeweicht worden zu sein (EASO 8.2014). So kommen Beziehungen, die nicht den klassischen Strukturen entsprechen, häufiger vor. Ehen, in welchen die Frau einem Hauptclan angehört und der Ehemann einer Minderheit, sind aber sehr selten (C 18.6.2014).

Die vier größten Clans dominieren Verwaltung, Politik, und Gesellschaft. Dementsprechend sind die politischen Parteien, die lokalen Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert (ÖB 10.2014). Auch wenn Minderheiten in Regierung und Parlament vertreten sind, bleibt ihre Stimme schwach und - meist - ungehört (EASO 8.2014). In den meisten Gebieten schließen die lokal dominierenden Clans Angehörige anderer Clans von der Partizipation an der Verwaltung aus, und es kommt zu Diskriminierung in den Bereichen Arbeit und Justiz sowie beim Zugang zu öffentlichen Diensten (USDOS 27.2.2014). Selbst in Arbeitsbereichen, die zuvor oft den Minderheiten zugeschrieben worden sind, werden heute Angehörige der Hauptclans bevorzugt (EASO 8.2014). Dabei gibt es regionale Unterschiede: Während etwa Mogadischu durch seine Durchmischung eher tolerant ist, gibt es z.B. in Puntland eine klare Trennung und in einigen Gebieten dürfen Angehörige von Minderheiten nicht in den Städten wohnen (B 14.10.2014).

Die Ashraf, die den Digil/Mirifle nahestehen, könnten aufgrund der Tatsache, dass sie einen von al Shabaab nicht anerkannten religiösen Status haben, zum Ziel der Islamisten werden. Insgesamt gibt es aber keine aktuellen Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegen Sheikhal oder Ashraf (EASO 8.2014).

Den Benadiri wiederum ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen. Außerdem sind die meisten in Mogadischu verbliebenen Benadiri-Kaufleute verhältnismäßig wohlhabend und können sich Schutz zukaufen (EASO 8.2014). Trotzdem gilt, dass sich die Benadiri lediglich durch die ökonomische Besserstellung von den anderen Minderheiten abheben. Sie verfügen zwar über ökonomische Macht, nicht aber über politische. So sind etwa alle District Commissioners in Mogadischu Angehörige der Mehrheitsclans (B 10.2014).

Andererseits gibt es in Mogadischu heute keine Clankämpfe oder -Konflikte mehr (UKHO 9.4.2014; vgl. UKUT 3.10.2014). Es gibt dort auch kein Risiko einer schweren Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit. Da es in der Stadt keine Clanmilizen mehr gibt, ist der Clan heute weniger eine Schutzstruktur als vielmehr eine soziale Struktur. Minderheitenangehörige werden nicht mehr aufgrund ihrer Zugehörigkeit marginalisiert oder belästigt. Die Sicherheitslage für Angehörige kleiner, schwacher Clans oder ethnischer Minderheiten hat sich wesentlich verbessert. Auch die Andeutung von UNHCR, dass für eine Rückkehr nach Mogadischu die Anwesenheit der Kernfamilie relevant ist, weist auf die nunmehr geringe Bedeutung des Clans hin (UKUT 3.10.2014).

Manche Minderheiten haben von al Shabaab profitiert und die Gruppe unterstützt. Mit dem Machtverlust für al Shabaab kommt es auch zu Fällen, wo diese vorherige Unterstützung nun negative Auswirkungen hat (EASO 8.2014). So waren bzw. sind überproportional viele Angehörige von Minderheiten bei der Ausführung von Körperstrafen und Exekutionen sowie bei der Verübung gezielter Attentate beteiligt. Das Risiko von Racheaktionen besteht (B 10.2014). Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014)." (Seite 40ff)

2.3.2. EASO, Country of Origin Information Report, South and Central Somalia, Country Overview, August 2014

Die Ashraf seien eine religiöse Minderheit, die gelegentlich mit den Benadiri in Verbindung stehen oder als Teil der Benadiri betrachtet würden. Sie leben hauptsächlich an der Küste (Merka, Baraawe) und, als ein Clan, mit den Digil-Mirifle in den Flussgebieten von Bay und Bakool. Die Ashraf sind für ihre Religiosität bekannt und geben an, von Mohammed¿s Tochter Fatima und Ali, dem Neffen des Propheten, abzustammen. (Seite 47)

Unter Clanschutz verstehe man die Fähigkeit, ein Individuum gegen Gewalt von außerhalb des Clans beschützen zu können. Schutz und Vulnerabilität seien eng verbunden mit der Macht des jeweiligen Clans. Grundsätzlich, aber nicht immer, funktioniere Clanschutz besser als Schutz durch den Staat. Clanschutz funktioniere außerdem auf einem niedrigen Level der Clanhierarchie (Sub-Sub-Clan). Ein Hawiye zu sein, bedeute also nicht Clanschutz in Mogadischu. Zugehörigkeit zu einem Hawiye Subclan, der in Mogadischu dominant sei, sei wichtiger.

Der Grad der Aktualität von Clanschutz sei strittig. Faktoren, wie das Aufkommen der AMISOM, Armee und Polizei als Sicherheitskräften und Al Shabaab mit der Einführung der Sharia als Rechtsgrundlage, haben Clanschutz aushöhlen können, während der Rückzug der Al Shabaab aus einigen Gegenden und der Mangel an Infrastruktur in vor allem ländlichen Gegenden zu einer Stärkung des Clanschutzes führen können. Clanschutz verändere sich daher je nach Zeit und Region.

Am stärksten von Clanschutz profitieren würden Mehrheitsclanangehörige, während innerstaatlich Vertriebene am schwächsten seien. Clanschutz habe in Mogadischu abgenommen seit der Einführung der Islamic Courts Union (ICU), verstärkt auch noch während der letzten vier Jahre. Vor den ICU haben in der Stadt Warlords und ihre Milizen dominiert, während in den letzten Jahren AMISOM, die somalische Armee und die Polizei versucht haben, die Kontrolle zu übernehmen, und Clans Einzelne nicht mehr beschützen würden. Clanälteste würden immer noch in Konfliktlösungsmechanismen einbezogen sein, es gebe aber kein Risiko der Verfolgung wegen Clanzugehörigkeit mehr.

Clanzugehörigkeit spiele für Mehrheitsclanangehörige, und insbesondere für Hawiye Clanangehörige aus Mogadischu, keine Rolle mehr, während sie für Angehörige anderer Clans, wie den Darod, oder für innerstaatlich Vertriebene nach wie vor sehr wichtig sei.

In politischen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten sei der Clan immer noch wichtig, und Minderheitenangehörige und innerstaatlich Vertriebene würden daher marginalisiert. In den Bezirken von Mogadischu sei immer ein Clan vorherrschend, auch wenn die Bevölkerung gemischt sei. Der einflussreichste Clan sei die Hawiye/Abgal. In Mogadischu unterstützen Clans ihre Mitglieder nicht (mehr) bei wirtschaftlichen Problemen oder bei der Erlangung ihres Lebensunterhaltes. Nur die Kernfamilie erfülle nunmehr diese Aufgabe. (Seite 55ff)

2.4. Versorgungslage und Rückkehrer

2.4.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia (November 2014)

1. "Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Im Juli 2014 gab es in Süd-/Zentralsomalia rund 964.000 IDPs. Viele von ihnen leben unter harten Bedingungen und sind dem Risiko schwerer Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Dies betrifft speziell Frauen und unbegleitete Kinder (EASO 8.2014). IDP-Lager sind generell unsicher, es mangelt an Schutz durch die Polizei. Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt sind weit verbreitet. Außerdem kommt es in IDP-Lagern zu Rekrutierungen (EASO 8.2014; UNHRC 4.9.2014). Zehntausende IDPs in Mogadischu sind noch immer der Vergewaltigung und Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit ausgesetzt. Täter sind Regierungstruppen, alliierte Milizen und Privatpersonen (HRW 21.1.2014). Schlussendlich wurden in IDP-Lagern in somalischen Städten mit 18,9 Prozent die höchsten und gleichzeitig alarmierenden Raten an akuter Unterernährung festgestellt. Dies galt für Lager in Dhobley, Doolow, Dhusamareeb, Garoowe, Galkacyo, Kismayo und Mogadischu (UNSG 25.9.2014).

In Mogadischu kommt es nach wie vor zur Delogierung von IDPs. In den ersten acht Monaten des Jahres 2014 waren davon mehr als 23.000 IDPs betroffen (UNOCHA 19.9.2014). Im Jahr 2013 waren es 17.200 IDPs. Für die neuerlich Vertriebenen gibt es kaum alternative Ansiedlungsmöglichkeiten (EASO 8.2014).

UNHCR unterstützt weiterhin die Rückkehr von IDPs aus Mogadischu (USDOS 27.2.2014). Das sogenannte Return Consortium, bestehend aus mehreren NGOs und humanitären Organisationen, hat bereits 40.000 Personen bei ihrer Rückkehr aus Mogadischu in ihre angestammte Heimat in Bay, Lower und Middle Shabelle unterstützt. Zur Verfügung gestellt werden Transport, Unterkunftspakete, Lebensunterhaltspakete, Geld für Nahrungsmittel und wichtige Haushaltsgegenstände. Diese Unterstützung soll die Versorgung für mindestens drei Monate gewährleisten. Für gefährdete Personen/Haushalte gibt es spezielle Pakete (EASO 8.2014). Für das Jahr 2014 plant UNHCR die Unterstützung von 15.000 freiwilligen Rückkehrern (UNHCR 4.2014). Außerdem möchte das Return Consortium seine Aktivitäten von IDPs auch auf rückkehrende Flüchtlinge ausdehnen (LIDIS 3.2014).

Allerdings werden die Maßnahmen von den Offensiven durch AMISOM und somalische Armee beeinträchtigt. Im Zuge der Offensiven kommt es außerdem zur weiteren Vertreibung von Menschen, dies aber meist vorübergehend und kleinflächig. Betroffen sind Bakool, Galgaduud, Hiiraan sowie Lower und Middle Shabelle (EASO 8.2014; vgl. UNOCHA 19.9.2014). Problematisch erweist sich außerdem, dass die Verfügbarkeit von landwirtschaftlich nutzbarer Fläche am Rückkehrort oft durch neue Besitzverhältnisse nicht gegeben ist (EASO 8.2014). Außerdem stören die Aktivitäten der al Shabaab entlang der Hauptrouten die Sicherheit rückkehrender IDPs bzw. deren wirtschaftlichen Aktivitäten (z.B. das Erreichen von Märkten in Städten (AI 19.2.2014; vgl. EASO 8.2014).

Relativ sichere Gebiete sind weiterhin Puntland und v.a. Somaliland (mit Ausnahme des Grenzgebietes zu Puntland), wo sich Angehörige aller Clans relativ frei bewegen können (ÖB 10.2014). In Puntland lässt die Verwaltung den IDPs etwas an Schutz und Unterstützung zukommen (USDOS 27.2.2014). Die Situation von IDPs in Puntland wird von mehreren NGOs als durchaus positiv beschrieben (können geregelter Tätigkeit nachgehen usw). Allerdings ist die Aufnahmefähigkeit für Binnenvertriebene begrenzt und wie auch sonst überall besteht für die Flüchtlinge keine Grundversorgung, außer jener, die durch internationale Organisationen gewährleistet wird (ÖB 10.2014)" (Seite 51ff)

2. "Grundversorgung/Wirtschaft

Auf dem Human Development Index rangiert Somalia auf den letzten fünf Plätzen (WB 7.4.2014). Somalia gehört damit zu den ärmsten Ländern der Erde. Der langjährige Bürgerkrieg sowie häufige Dürre- und Flutkatastrophen führen dazu, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung unter chronischem Mangel an ausreichender Versorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und medizinischer Versorgung leidet. Bei den gängigen Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen Entwicklung liegt Somalia zumeist auf den letzten Plätzen:

Bruttosozialprodukt, Lebenserwartung, Müttersterblichkeit, Kindersterblichkeit. Das Land ist seit Jahrzehnten auf Nothilfemaßnahmen aus dem Ausland angewiesen und ist der größte Empfänger von Nahrungsmittelhilfe weltweit (AA 3.2014a).

In den Jahren 2010-2012 starben fast 260.000 Menschen aufgrund einer Hungersnot. (EASO 8.2014). Zu Anfang des Jahres 2014 war die Zahl an Personen, die nicht in der Lage waren, ohne Nahrungsmittelunterstützung zu überleben, auf 860.000 zurückgegangen. Weitere zwei Millionen Menschen befanden sich an der Grenze zur Nahrungsmittelunsicherheit (UNSC 28.2.2014). Die Versorgungslage ist aber anhaltend schlecht (ÖB 10.2014) und Mitte 2014 ist die Zahl der akut von Nahrungsmittelnot betroffenen Personen wieder auf über eine Million angestiegen. Schlechte Regenfälle haben zur Nahrungsmittelunsicherheit beigetragen. Stark betroffen sind die Regionen Bakool, Benadir, Bari, Galgaduud, Gedo, Hiiraan, Lower und Middle Shabelle, Middle Jubba, Nugaal und der Süden von Mudug. Rund 62 Prozent der Betroffenen sind IDPs. Rund 218.000 Kinder sind akut unterernährt, 43.800 davon befinden sich in unmittelbarer Lebensgefahr. Die Gesamtsituation ähnelt jener vor der großen Hungersnot und die Gefahr einer Wiederholung besteht (UNOCHA 19.9.2014). In der Region Gedo sind 70 Prozent der Bevölkerung von der Dürre betroffen. In den Bezirken Baardheere, Ceel Waaq, Doolow und Luuq müssen Teile der Bevölkerung durch Lastwägen mit Trinkwasser versorgt werden. Andererseits sind die Prognosen für die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) gut (UNOCHA 17.10.2014).

Die Unterstützung des World Food Programme erreichte Anfang 2014 pro Monat rund 800.000 Personen (UNSC 28.2.2014). Auf dem Gebiet der al Shabaab sind humanitäre Organisationen allerdings schweren Restriktionen ausgesetzt. Außerdem kommt es dort zu Übergriffen auf ihr Personal (EASO 8.2014). Außerdem ist der Transport humanitärer Güter von Straßensperren, Checkpoints und anhaltenden Feindseligkeiten entlang der Hauptstraßen eingeschränkt. Lebensnotwendige Fracht wird mittlerweile aber auch mit dem Flugzeug verteilt (UNOCHA 19.9.2014).

In durch AMISOM und die somalische Regierung neu eroberten Städten hat sich die Versorgungssituation nicht wesentlich verbessert, weil al Shabaab Versorgungsrouten bedroht oder sogar kontrolliert. Die humanitäre Lage in derart abgeschnittenen Städten kann sich weiter verschlechtern (EASO 8.2014; vgl. UNOCHA 24.4.2014; vgl. UNOCHA 21.3.2014). Besonders betroffen sind Xudur, Waajid und Buulo Barde (UNOCHA 19.9.2014).

Mit dem Zusammenbruch des Staates sind alle Sozialdienste - z.B. Gesundheitsversorgung, Arbeitssuche, Armutsbekämpfung - praktisch "privatisiert" worden. Das einzige soziale Sicherheitsnetz, das verblieben ist, sind die Familie und der Clan (BS 2014).

Entwicklungs- und humanitäre Hilfe sowie Geldflüsse aus der Diaspora sind Hauptpfeiler des BIP. Alleine die Überweisungen aus dem Ausland betragen 35 Prozent des BIP (WB 7.4.2014). Außerdem ist Somalia der größte Exporteur von Lebendvieh (hauptsächlich Kamele und Schafe) auf die arabische Halbinsel (AA 3.2014a). Die Viehwirtschaft bietet rund 60 Prozent der somalischen Arbeitsplätze und stellt 40 Prozent des BIP (WB 7.4.2014). Einzige weitere nennenswerte Exportgüter sind Bananen und Datteln. Der Export von Holzkohle ist vom UN-Sicherheitsrat mittlerweile untersagt worden (AA 3.2014a). Die EU ist nach wie vor einer der größten Geber. Seit Jahren stellt sie umfangreiche Mittel für den Wiederaufbau und die Förderung innersomalischer Versöhnungs- und Friedensbemühungen sowie für AMISOM bereit (AA 3.2014b).

Mogadischu selbst verfügt über internationale Anbindungen und eine große Zahl an Märkten. Es gibt einen florierenden Dienstleistungssektor (z.B. Wechselgeschäfte, Geldtransfers, Telekommunikation). Seit dem Jahr 2012 wurden die Wiederaufbauaktivitäten in der Stadt beschleunigt. Es gibt neue Hotels, Restaurants und Geschäfte; viele Rückkehrer haben in Mogadischu Betriebe eröffnet. Auch Straßenbeleuchtung und Müllentsorgung wurden reaktiviert (EASO 8.2014; vgl. BS 2014). Neben den Bauaktivitäten gibt es auch vermehrt Taxiunternehmen, Busunternehmen, Reinigungen, Elektronikhändler etc. und die damit verbundenen Arbeitsmöglichkeiten. Rückkehrer haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014).

Ein Hafenarbeiter in Kismayo verdiente im Jahr 2013 durchschnittlich 1-2 US-Dollar (50.000-100.000 SoSh) am Tag. Mehr als 43 Prozent aller Somali leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag (EASO 8.2014).

In den Gebieten der al Shabaab hebt die Gruppe teils hohe Steuern (zakat) bei Bauern und Nomaden ein. Dies bedroht die Nahrungsmittelversorgung und lässt Menschen aus diesen Gebieten fliehen (EASO 8.2014).

In Puntland überleben mehr Mütter Schwangerschaft und Geburt, mehr Kinder gehen zur Schule, mehr Menschen haben Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Der Handel über den Seehafen Bossaso und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt haben einen spürbaren Aufschwung genommen, der jedoch bislang fast ausschließlich der dort lebenden Stadtbevölkerung zu Gute kommt (AA 3.2014a).

Nach einer schweren Umweltkatastrophe Ende des Jahres 2013 gelang es dem WFP und anderen UN-Agenturen den Betroffenen in Puntland Unterstützung zukommen zu lassen (UNSC 28.2.2014).

3. Medizinische Versorgung

Die Grundversorgung kann als schlecht bis kaum vorhanden bezeichnet werden, durchgehende Versorgung ist wohl nur in Mogadischu und den Flüchtlingslagern an der somalisch-kenianischen Grenze gesichert (ÖB 10.2014). Selbst im Vergleich zu den Standards in Subsahara-Afrika ist die medizinische Versorgung in Somalia schlecht. Die Lebenserwartung bei Geburt liegt bei 51 Jahren, 108 von 1.000 Kindern sterben vor dem ersten Geburtstag (WB 7.4.2014). Grundsätzlich muss im Bereich der Grundversorgung von einem negativen Trend ausgegangen werden. Die Einstellung aller Programme von Ärzte ohne Grenzen nach 22 Jahren ununterbrochener Aktivität in Somalia im Jahr 2013 bedeutete eine weitere Verschärfung der medizinischen Versorgungslage (ÖB 10.2014).

Im Jahr 2009 gab es ca. 625 Gesundheitsposten und 225 Mutter-Kind-Zentren in Somalia. Bei einer geschätzten Bevölkerung von neun Millionen kommt ein Gesundheitsposten auf 15.200 Menschen. Die vorhandenen Angebote entstammen dem privaten Sektor (WB 7.4.2014). Es gibt keinen gesetzlichen Rahmen für die Gesundheitsversorgung und keine Regulierung des Medikamentensektors. Viele Initiativen im Gesundheitsbereich gehen auf nationale und internationale NGOs sowie auf Rückkehrer aus der Diaspora zurück. Auch humanitäre Organisationen, wie etwa das Rote Kreuz, betreiben Spitäler und Mutter-Kind-Zentren. Zusätzlich betreibt AMISOM Spitäler und Kliniken in Middle und Lower Shabelle, in Belet Weyne, Kismayo und Baidoa. Geberländer - z.B. die Türkei - unterstützen die Rehabilitierung des Gesundheitssektors. Auf dem Gebiet der al Shabaab gibt es keine Krankenhäuser (EASO 8.2014).

In Somalia gibt es eine hohe Rate an geistigen Erkrankungen. Versorgung gibt es im Habeeb Spital in Mogadischu. Oft werden geistig Kranke aber auch angekettet oder sich selbst überlassen (EASO 8.2014).

4. Rückkehr

Für Reisende nach Somalia fehlt es im Falle einer (sei es gesundheitlichen, sei es kriminalitätsbedingten) Notlage weitgehend an funktionierenden staatlichen Stellen, die Hilfe leisten könnten (AA 11.9.2014).

Trotzdem ist die Rückkehr von somalischen Flüchtlingen nach Somalia im Berichtszeitraum eine Tatsache (ÖB 10.2014). Nach der Einnahme von Mogadischu und anderen Städten sind viele somalische Flüchtlinge aber auch IDPs permanent oder temporär in ihre Heimat zurückgekehrt. Viele der im Jahr 2013 nach Mogadischu zurückgekehrten gehören zu den wohlhabenderen Teilen der Gesellschaft und verfügen oft über einen Aufenthaltstitel in anderen Staaten, den sie im Notfall in Anspruch nehmen können (EASO 8.2014).

Al Shabaab könnte bei Rückkehrern aus dem Westen den Verdacht hegen, dass diese für die somalische Regierung oder deren Alliierte spionieren. Die Rückkehrer vermeiden es üblicherweise, in von der al Shabaab kontrollierte Gebiete zurückzukehren - selbst wenn dort ihr Clan beheimatet ist (EASO 8.2014). Rückkehrer aus der Diaspora können ein erhöhtes Risiko eines Attentates durch al Shabaab aufweisen, wenn sie sichtlich erkennbar sind (LIDIS 3.2014).

Der UNHCR geht davon aus, dass es in Mogadischu sehr schwer ist, ohne ein entsprechendes Unterstützungsnetzwerk zu überleben. Wenn der eigene Clan oder die Kernfamilie im Wohnbezirk nicht etabliert sind, werden sich Neuankömmlinge in einer prekären Situation wiederfinden (EASO 8.2014). Für den Lebenserhalt im wirtschaftlichen Sinne braucht es in erster Linie die Kernfamilie. Der größere Familienkreis wird den Lebenserhalt nur kurzfristig garantieren. Wenn eine Person nicht aus Mogadischu stammt, wird sie ausreichend Ressourcen benötigen, um sich dort niederzulassen. Bildung, erlernte Berufe und Kredite können ebenfalls eine Niederlassung bewerkstelligen. Außerdem gibt es lokale NGOs, die den Neuankömmlingen helfen können (EASO 8.2014; vgl. LIDIS 3.2014).

Mindestens 30.000 Personen sind im Jahr 2013 aus Kenia und Äthiopien kommend nach Somalia eingereist - viele davon aber nur temporär, z. B. zur Lageerkundung (EASO 8.2014). Im Rahmen eines Abkommens zwischen UNHCR, Kenia und Somalia plant UNHCR auch die Unterstützung von vorerst 10.000 Rückkehrern aus Kenia in die Bezirke Baidoa, Kismayo und Luuq (UNSG 3.3.2014). Bei allen Programmen geht es um freiwillige Rückkehr. Ausreichend gute Bedingungen für großangelegte Rückkehrprogramme sind gegenwärtig noch nicht gegeben (UNSG 2.12.2013; vgl. EASO 8.2014; ÖB 10.2014).

Zwangsrückführungen werden nur von sehr wenigen Ländern durchgeführt. Die meisten Betroffenen wurden aus Saudi Arabien deportiert (mehr als 34.000 Personen), das weder die Genfer Konvention ratifiziert hat, noch über ein Asylsystem verfügt. Einige Dutzend Personen wurden auch aus Kenia deportiert. IOM bietet den Ankömmlingen Unterstützung in Form von Repatriierung, medizinischer Betreuung, psycho-sozialer Unterstützung, Nahrung und Trinkwasser sowie Weitertransport an. Für gefährdete Personen gibt es auch Unterkunft und Schutz (EASO 8.2014).

Es ist bekannt, dass die Niederlande Zwangsrückführungen nach Somalia durchführen. Im Jahr 2013 betrug deren Anzahl weniger als fünf; ca. 50 freiwillige Rückkehrer wurden unterstützt (EASO 8.2014). Der UNHCR ruft dazu auf, von Zwangsrückführungen in jene Teile Süd-/Zentralsomalias Abstand zu nehmen, die von militärischen Aktivitäten und/oder anhaltender Vertreibung; von Fragilität und Unsicherheit nach kürzlich stattgefundenen militärischen Operationen; oder von anhaltender Kontrolle durch nicht-staatliche Gruppen betroffen sind (UNHCR 17.6.2014). Nach Somalia Rückgeführte sind nicht per se einem höheren Risiko ausgesetzt. Diese Feststellung wird durch fehlende negative Meldungen bezüglich der zahlreichen aus Saudi Arabien deportierten Personen unterstützt (UKUT 3.10.2014). (Seite 53ff)

2.4.2. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to people fleeing Southern and Central Somalia (Jänner 2014)

Für Somalier sei es sehr schwer, ohne unterstützendes Netzwerk in Mogadischu zu überleben. Neuankömmlinge in der Stadt, insbesondere wenn sie keine Mitglieder von im Bezirk etablierten Clans oder Familien sind, müssen sich auf eine prekäre Existenz in der Hauptstadt einstellen. Dasselbe gelte für Rückkehrer, die aus Bezirken stammen, die noch immer von Milizen kontrolliert, oder es früher gewesen seien. Somalier der Diaspora, die während des Jahres 2013 nach Mogadischu zurückgekehrt seien, haben eher zu einflussreicheren Bevölkerungsschichten gehört und haben auf wirtschaftliche und soziale Ressourcen zurückgreifen können (Seite 9).

2.4.3. Österreichische Botschaft Nairobi, Asylländerbericht Somalia, Oktober 2014

"Die Versorgungslage ist anhaltend schlecht und hat sich im Berichtszeitraum aufgrund von Nahrungsmittelknappheit zusätzlich verschlechtert. Laut UN OCHA sind 3,2 Millionen Menschen in Somalia auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Laut Finanzierungsappell von OCHA sind derzeit nur 34% der insgesamt benötigten 933 Mio. UDF für die Nahrungsmittelhilfe 2014 in Somalia gesichert.

Arbeitsmöglichkeiten gibt es kaum. Medienberichte über den Aufschwung der lokalen Wirtschaft in Mogadischu können aus Sicht der Botschaft nicht bestätigt werden, da Mogadischu für Ausländer weiterhin nicht bzw. nur unter allerschärfsten Sicherheitsmaßnahmen zugänglich ist." (Seite 8)

"Die [medizinische] Grundversorgung kann als schlecht bis kaum vorhanden bezeichnet werden, durchgehende Versorgung ist wohl nur in den Flüchtlingslagern an der somalisch-kenianischen Grenze sowie in Mogadischu gesichert. Im Berichtszeitraum wurden mehrere Epidemien (Masern, Cholera, Polio) verzeichnet. Grundsätzlich muss im Bereich der Grundversorgung von einem negativen Trend ausgegangen werden. Die Einstellung aller Programme der internationalen Hilfsorganisation "Médecins sans Frontières" nach 22 Jahren ununterbrochener Aktivität in Somalia im Jahr 2013 bedeutete eine weitere Verschärfung der medizinischen Versorgungslage." (Seite 8f).

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen zur Person ergeben sich aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie aus ihren Sprach- und Ortskenntnissen.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung der beschwerdeführenden Partei als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

3.2. Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt nicht an den Angaben der beschwerdeführenden Partei über ihre Herkunft aus Mogadischu, da diese im Verfahren durchgehend gleichbleibend waren.

Die beschwerdeführende Partei brachte im Rahmen der mündlichen Verhandlung außerdem einige Details zu den Ashraf vor, die sie, zugegebenerweise, zwischenzeitlich gut hätte erlernen können, die aber nun für das Bundesverwaltungsgericht ausreichen, um eine Zugehörigkeit zu den Ashraf festzustellen.

Die Feststellungen zur Familie der beschwerdeführenden Partei in Mogadischu fußen auf den Angaben der beschwerdeführenden Partei in der mündlichen Verhandlung.

3.3. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die sich einerseits auf seriöse Quellen berufen oder, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, solche selbst sind. Wesentlich bei der Auswahl der Berichte ist dabei die Aktualität der Information, insbesondere betreffend die Sicherheitslage in Somalia, und die Qualität der Quellen, wobei das Bundesverwaltungsgericht versucht, Berichte unterschiedlicher Auftraggeber_innen zu sichten, um sich ein möglichst ausgewogenes Bild der Situation zu den relevanten Fragestellungen machen zu können. Die für die gegenständliche Beschwerde entscheidungsrelevanten Berichte sind unter Punkt 2. in diesem Erkenntnis zusammengefasst und teilweise übersetzt wiedergegeben.

Die relevanten Schlüsse, die das Bundesverwaltungsgericht aus den Berichten unter 2. zieht sind, zusammengefasst, die folgenden:

Es gibt in Somalia keine flächendeckende, effektive Staatsgewalt (2.1.1.).

Seit August 2011 steht Mogadischu nominell unter der Kontrolle der Regierung, unterstützt durch Truppen der AU (2.1.3.). Grundsätzlich hat sich die Sicherheitslage in Mogadischu gebessert; Stadtbewohner - auch Frauen - können sich fast überall frei bewegen, wobei die Bevölkerung als unsicher geltende Gebiete meidet. In manchen Bezirken der Stadt, so ua auch in Yaqshiid, verschlechterte sich die Situation seit 2013 wieder; die Polizei zieht sich während der Nacht aus diesen Bereichen zurück, und Al Shabaab agiert dort wieder offen (2.1.1., 2.1.4.).

Auch wenn Al Shabaab keine Teile der Stadt mehr kontrolliert, so betreibt die Gruppierung Guerillaaktivitäten. Al Shabaab wählt ihre Ziele in Mogadischu sorgfältig aus (2.1.1.).

In Mogadischu besteht kein Risiko hinsichtlich einer Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab (2.1.1., 2.1.5.).

Zwangsehen durch Mitglieder der Al Shabaab kommen in den von Al Shabaab kontrollierten Gebieten vor, in beschränktem Ausmaß noch in Mogadischu (2.2.1., 2.2.2.).

Al Shabaab ist traditionell hinsichtlich etwaiger Spionage misstrauisch. Es besteht ein permanentes Risiko, von Al Shabaab der Spionage oder der Kollaboration mit der Regierung verdächtigt zu werden (2.1.1.). Rückkehrer_innen aus dem Westen können verdächtigt werden, für SFG oder Alliierte zu spionieren. Sie vermeiden für gewöhnlich, in von Al Shabaab kontrollierte Gebiete zurück zu kehren, selbst wenn ihr Clan in der Gegend lebt. Somalier_innen, die aus der Diaspora zurückkehren, können einem Risiko gezielter Anschläge ausgesetzt sein, insbesondere solche, die auffallen (2.1.4.). Gewöhnliche Zivilisten, also Personen, die nicht mit den Sicherheitskräften, der Regierung, NGOs oder internationalen Organisationen in Verbindung stehen, sind grundsätzlich keinem realen Risiko im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 15 c Status Richtlinie ausgesetzt. Es besteht für solche Personen insbesondere keine Gefahr mehr, nur wegen ihres zeitweiligen Lebens in Europa von der Regierung als Al Shabaab Unterstützer oder seitens der Al Shabaab als Ungläubiger angesehen zu werden (2.1.5.).

3.4. Was das Fluchtvorbringen einer drohenden Zwangsheirat mit einem Al Shabaab Mitglied angeht, so ist dieses derart angelegt, dass eine Überprüfung des Wahrheitsgehaltes kaum möglich ist. So war die beschwerdeführende Partei nach ihren eigenen Angaben nicht zu Hause, als die Al Shabaab Mitglieder zur Familie gekommen und den Heiratswunsch kundgetan haben sollen. Sie habe jenes Al Shabaab Mitglied nicht gesehen und sei eine Woche später ausgereist. Nach ihren Angaben verließ ihre Familie zeitgleich Mogadischu und zog - wegen kriegerischer Auseinandersetzungen damals - nach XXXX.

Das Fluchtvorbringen bleibt beinahe notgedrungen blass und vage. Vor dem Hintergrund der damals relevanten länderspezifischen Informationen ist es plausibel, wenn es auch trotz allem für das Bundesverwaltungsgericht zu wenig Fläche bietet, um es tatsächlich als wahr festzustellen. Für die rechtliche Beurteilung geht es daher von einer "Wahrunterstellung" aus.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Allgemeine Rechtsgrundlagen

4.1.1. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren, und somit auch das gegenständliche, zu Ende zu führen.

4.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter_innen, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.

Zu A)

4.2. Rechtsgrundlagen:

4.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

4.2.2. Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation der Asylwerberin und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt mithin nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2003, Zl. 2001/20/0011).

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich die Asylwerberin außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

4.2.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. In beiden Fällen ist es der Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes des Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann mithin nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, "The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN sowie VwGH vom 20.09.2004, Zl. 2001/20/0430).

4.3. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

4.3.1. Wie bereits in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung angeführt, nimmt das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei im Sinne einer "Wahrunterstellung" an und legt es seiner rechtlichen Prüfung zu Grunde.

Die beschwerdeführende Partei brachte also zusammengefasst vor, dass sie im Jahr 2011 ein Al Shabaab Mitglied heiraten wollte, ihre Familie und sie dies abgelehnt haben, weshalb die beschwerdeführende Partei ca. eine Woche später ausreiste. Ihre Familie zog im gleichen Zeitraum wegen des Krieges nach XXXX und kehrte vor ca. zwei Jahren nach Mogadischu in den Bezirk XXXX zurück. Jenes Al Shabaab Mitglied, das die beschwerdeführende Partei heiraten wollte, belästigte die Familie weder in XXXX noch zuletzt in XXXX. Die beschwerdeführende Partei glaubt, dass es nicht weiß, wo sich die Familie aufhält.

4.3.2. Das Bundesverwaltungsgericht wird nun die möglichen aktuellen und maßgeblich intensiven Verfolgungsszenarien der Reihe nach prüfen.

4.3.3. Zwangsverheiratung durch Al Shabaab in Mogadischu: Seit August 2012 hat sich die Situation und die Position der Al Shabaab in Mogadischu geändert: das Bundesverwaltungsgericht glaubt keineswegs, dass Al Shabaab in Mogadischu nicht mehr präsent ist; gegen eine solche Annahme sprechen die jeweiligen Länderinformationen wie auch Berichte gängiger Medien, die einhellig davon ausgehen, dass Al Shabaab in Mogadischu auf Guerillaaktivitäten zurückgeworfen sind. Auch agiert sie mittlerweile wieder offen am Bakara Markt, und kann die Polizei die Kontrolle über bestimmte Bezirke, darunter auch XXXX, während der Nacht nicht garantieren. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass Al Shabaab in Mogadischu die gleiche Position inne hat, wie in den von ihr kontrollierten Gebieten.

Die aktuellen Länderinformationen gehen davon aus, dass Zwangsrekrutierungen junger Männer als Al Shabaab Kämpfer in Mogadischu nicht mehr stattfinden. Die Berichte meinen teilweise weiter, dass es in Mogadischu auch keine Zwangsverheiratungen junger Frauen mit Al Shabaab Kämpfern mehr gibt, während UNHCR von einem Fall in Heliwaa berichtete und davon ausgeht, dass solche in Teilen Mogadischus noch beobachtet werden. Heliwaa ist einer jener Bezirke, die auch seit 2013 mit größeren Sicherheitsproblemen und Al Shabaab Präsenz zu kämpfen haben.

Im Ergebnis und nach Sichtung dieser Informationen stellt sich das Bild für das Bundesverwaltungsgericht so dar, dass es wohl noch in beschränktem Ausmaß in gewissen Teilen Mogadischus zu Zwangsverheiratungen mit Al Shabaab Mitgliedern kommen kann, für eine aktuelle und maßgeblich systematische drohende Verfolgungsgefahr reicht dies jedoch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts vor dem Hintergrund der im Grundsatz geänderten Situation in Mogadischu nicht aus.

Darüber hinaus brachte die beschwerdeführende Partei zwar vor, dass ein Umzug in einen anderen Stadtteil von Mogadischu aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sein soll, substantiiert dieses Vorbringen aber nicht. Die Familie zog bereits im Jahr 2008 von XXXX nach XXXX ging dann wegen der Auseinandersetzungen im Jahr 2011 nach XXXX und kehrte danach wieder nach XXXX zurück. Die Familie zog daher bereits einmal in einen anderen Bezirk und ließ sich dort nieder. Insbesondere vor dem Hintergrund einer Furcht vor einer erhöhten Al Shabaab Präsenz kann das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehen, warum ein Umzug in einen anderen Stadtteil unmöglich bzw. unzumutbar sein soll.

Das Bundesverwaltungsgericht geht also davon aus, dass das Risiko einer Zwangsverheiratung der beschwerdeführenden Partei im hypothetischen Falle einer Rückkehr tatsächlich nur in einem beschränkten Maße und überhaupt nur in bestimmten Teilen von Mogadischu besteht. Sie könnte einem solchen Risiko in jenen Teilen Mogadischus, die davon betroffen sind, entgehen, indem sie mit ihrer Familie in einen anderen Stadtteil zieht.

4.3.4. Bedrohung durch das Al Shabaab Mitglied, das sie damals heiraten wollte: Die beschwerdeführende Partei führte an, dass jener Mann, der sie damals habe heiraten wollen, nach ihrer Ausreise die Familie nicht mehr belästigte. Sie glaube, dass er nicht wisse, wo sich die Familie aufhalte. Eine Ausreise der beschwerdeführenden Partei sei deshalb notwendig geworden, weil im Falle einer Verweigerung der Verheiratung die Familie als ungläubig dargestellt und bestraft worden wäre.

Jenes Al Shabaab Mitglied wusste also nach den Angaben der beschwerdeführenden Partei nicht, dass die Familie zuerst nach XXXX und später nach XXXX gezogen war. Eine Bedrohung ging durch diesen Mann nicht mehr aus.

Das Faktum, dass jenes Al Shabaab Mitglied die Familie nicht mehr aufsuchte und offenbar gar nicht wusste, wo sie sich aufhält, spricht gegen ein entsprechend hohes Risiko, dass die beschwerdeführende Partei im hypothetischen Falle einer Rückkehr von dem Mann wiedergefunden und bestraft werden würde. Das Bundesverwaltungsgericht geht also diesbezüglich von keinem maßgeblichen Risiko einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus.

4.3.5. In der mündlichen Verhandlung und der Stellungnahme vom 04.05.2015 formulierte die beschwerdeführende Partei eine neue Sorge im Falle einer Rückkehr, nämlich eine Gefahr aufgrund ihrer Rückkehr aus dem Westen und aufgrund der Annahme, dass sie nunmehr eine Spionin sei.

Die dazu gesichteten Berichte gehen einhellig davon aus, dass Al Shabaab tatsächlich Rückkehrern und Rückkehrerinnen aus dem Westen gegenüber misstrauisch eingestellt ist, Spionage fürchtet und Verdächtige mit drakonischen Strafen verfolgt. Dies trifft allerdings für die Gebiete Süd- und Zentralsomalias zu, die unter der Kontrolle der Al Shabaab stehen.

Für Mogadischu führte das United Kingdom Upper Tribunal in seiner oben unter Punkt 2.1.5. angeführten Country Guidance jedoch aus, dass für den gewöhnliche Zivilisten und die gewöhnliche Zivilistin, die in keinem Naheverhältnis zu Sicherheitskräften, Regierung, NGOs oder internationalen Organisationen steht, kein echtes Risiko mehr besteht, unter anderem von Al Shabaab als "Ungläubige_r", und damit als Spion_in angesehen und konkret verfolgt zu werden.

Vor dem Hintergrund dieser Berichtslage geht daher das Bundesverwaltungsgericht nicht von einem echten, individuellen und maßgeblichen Risiko einer Verfolgung durch Al Shabaab nur wegen der Rückkehr aus dem Westen aus.

4.3.6. Nun ist die beschwerdeführende Partei eine junge Minderheitenangehörige aus Mogadischu. Zu prüfen bleibt daher zuletzt noch, ob aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit eine aktuelle Verfolgungsgefahr entstehen könnte.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass alleinstehende Minderheitenangehörige einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein können (siehe zB W211 1404574 und W211 1435447).

Der gegenständliche Fall ist jedoch anders gelagert: die beschwerdeführende Partei verfügt über Familie in Mogadischu, mit der sie in regelmäßigem Kontakt steht. Das Vorbringen, dass es keinen männlichen Schutz mehr in der Familie gibt, entspricht nicht der Sachlage, da der Stiefvater der beschwerdeführenden Partei durch seine Arbeit die Familie versorgt.

Das in den aktuellen Berichten daher formulierte Risiko für alleinstehende Frauen aus Minderheiten, als IDP in den entsprechenden Lagern besonders vulnerabel und daher in besonderem Ausmaß der Gefahr ausgesetzt zu sein, Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden, trifft auf die beschwerdeführende Partei nicht zu. Sie wäre keine innerstaatlich Vertriebene und könnte in ihrer Kernfamilie Aufnahme sowie männlichen Schutz durch ihren Stiefvater finden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher nicht davon aus, dass die beschwerdeführende Partei in das entsprechende Risikoprofil fallen würde.

4.3.7. Die gegenständliche Prüfung führt also zum Ergebnis, dass eine entsprechend aktuelle und maßgeblich intensive Verfolgungsgefahr betreffend die beschwerdeführende Partei aufgrund der Zugehörigkeit zu ihrer Ethnie der Ashraf oder zur sozialen Gruppe der alleinstehenden Minderheitenangehörigen oder zur sozialen Gruppe von Frauen, die von Zwangsverheiratung mit Al Shabaab Mitgliedern bedroht sind, nicht zu befürchten ist.

4.3.8. Das Bundesverwaltungsgericht weist abschließend darauf hin, dass die prekäre Situation von Frauen in Somalia, die nach wie vor instabile Sicherheitslage und auch die schwierige Versorgungslage nicht verkannt werden. Insoweit die beschwerdeführende Partei ihre Sorge betreffend allgemeine, auch geschlechtsspezifische, Sicherheitsprobleme ausdrückt, so ging die belangte Behörde - richtigerweise - mit der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten darauf ein. In diesem Rahmen hat die beschwerdeführende Partei bereits die Gelegenheit, eine Ausbildung zu genießen und ihr Leben, soweit möglich, nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Für die gegenständliche Prüfung einer asylrelevanten Verfolgungsprognose hinsichtlich der beschwerdeführenden Partei in Somalia, Mogadischu, konnte jedoch eine notwendige aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention nicht festgestellt werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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