BVwG I402 1418705-1

BVwGI402 1418705-19.6.2015

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:I402.1418705.1.00

 

Spruch:

I402 1418705-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Philipp CEDE, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geb. XXXX, StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.03.2011, Zl. 10 08.935, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.06.2015 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. des Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer wurde im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle am 25.09.2010 gemäß § 39 Abs. 1 FPG festgenommen und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab er an, den Namen XXXX zu führen und am XXXX in Gaza geboren zu sein. Er sei Palästinenser und Moslem sunnitischer Ausrichtung. Zu den Fluchtgründen gab er an, dass er zuhause keine Zukunft und keine Arbeit habe. Es herrsche Krieg, daher habe er dort keine Möglichkeit gesehen, ein ordentliches Leben zu führen. Er habe seine Heimat verlassen, um in Österreich arbeiten und leben zu können.

2. Am 01.03.2011 fand vor dem Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; im Folgenden: belangte Behörde) eine Einvernahme des Beschwerdeführers statt, bei der er folgende allgemeinen Angaben machte: Er sei gesund. Er habe in Österreich und der EU keine Verwandten. Er spreche nicht Deutsch und gehe keiner Arbeit nach. Er sei nicht aus dem Gazastreifen sondern aus Ägypten und heiße XXXX. Zu seinen Fluchtgründen näher befragt gab der Beschwerdeführer bei dieser Einvernahme an, dass er Probleme mit zwei Familien und seiner Firma habe. Seine Firma sei in Konkurs gegangen, zudem habe er Probleme mit seiner Familie und mit einer anderen Familie. Er habe eine Baufirma gehabt, die in Konkurs gegangen sei, weil er von der Familie seiner Freundin (die andere Familie) verfolgt werde. Diese verfolge ihn, weil seine Freundin von ihm schwanger geworden sei. Die Familie des Mädchens habe sie in Hausarrest genommen, wo sie dann später verstorben sei. Das Mädchen sei umgebracht worden, seitdem verfolge ihn ihr Bruder. Er sei fünf Jahre im Libanon gewesen, dort habe der Bruder ihn gefunden, weshalb er nach Griechenland geflüchtet sei. Dort habe er sich ebenfalls zwei Jahre lang aufgehalten, dann sei er nach Österreich gegangen. Die Familie des Mädchens habe seinen Bruder an seiner Stelle töten wollen, seine Eltern hätten aber seinen Bruder freigekauft. Deshalb würden seine Eltern ihn nicht mehr mögen. Er habe sich nicht mehr um seine Firma kümmern können, weshalb diese in Konkurs gegangen sei. Bei der Ersteinvernahme habe er diesen Fluchtgrund nicht erwähnt und vom Gazastreifen gesprochen, weil er Angst gehabt habe. An die ägyptische Polizei habe er sich nicht gewendet. Wenn man keinen Vorfall belegen könne, dann würde die Polizei nicht helfen. Wenn er sich bei der Polizei beschweren würde, würde das nichts helfen.

3.1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.03.2011 (laut Übernahmebestätigung dem Beschwerdeführer am 25.03.2011 durch persönliche Übergabe durch ein Organ der PI Leopoldstraße 18, 1020 Wien zugestellt) wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz "bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I.) sowie "bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf [seinen] Herkunftsstaat Ägypten" (Spruchpunkt II.) ab. Darüber hinaus sprach die belangte Behörde "gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG" die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ägypten aus (Spruchpunkt III.).

3.2. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer gesund sei. Eine begründete Furcht vor Verfolgung konnte nicht festgestellt werden, auch im Falle der Rückkehr würde der Beschwerdeführer der Gefahr einer derartigen Verfolgung nicht ausgesetzt werden. Auch dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach China (gemeint wohl: Ägypten) die Gefahr der Verletzung der Art. 2 bzw. 3 der EMRK oder deren Zusatzprotokolle 6 und 13 mit sich bringen würde, habe nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer verfüge über kein Familienleben in Österreich; ob eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich bestehe, könne nicht festgestellt werden. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer den Asylantrag erst gestellt habe, als ihm die Schubhaft gedroht habe. Das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme falsches Vorbringen erstattet hat, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass er mit dem wahren Vorbringen Asyl bekommen würde (so zumindest seine Aussage in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt), sei nicht nachvollziehbar. Es sei daher augenscheinlich, dass der Beschwerdeführer den Asylantrag nur gestellt habe, um der Schubhaft zu entgehen. Auch das neue Vorbringen sei schwach: der Beschwerdeführer sei bezüglich seiner ermordeten Freundin nicht einmal zur ägyptischen Polizei gegangen, um den Verdacht anzuzeigen. Auch wie emotionslos er über seine ermordete Freundin und deren Kind berichtet habe, sei im Zuge der Einvernahme beeindruckend gewesen. Im Übrigen werde auf die Einvernahme verwiesen, zu der es keiner weiteren Worte bedarf. Selbst bei Wahrunterstellung sei das (neue) Vorbringen nicht asylrelevant, da unter Zugrundelegung der Länderberichte für Ägypten nicht davon ausgegangen werden könne, dass die ägyptischen Behörden dem Beschwerdeführer aus GFK-Gründen nicht helfen würden. Darüber hinaus stünde dem Beschwerdeführer - insbesondere da es in Ägypten kein echtes Meldewesen gebe - eine innerstaatliche Fluchtalternative offen und sei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er an einem anderen Ort (etwa im ländlichen Bereich oder in einer Großstadt wie Kairo) nicht mit derartigen Schwierigkeiten konfrontiert wäre.

3.3. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass kein Asylgrund hervorgekommen sei, die refoulement-relevante Lage in Ägypten einer Rückkehrentscheidung nicht entgegenstehe und eine solche nicht in die Rechte des Beschwerdeführers auf Privat- und Familienleben eingreifen würde.

4. Mit Schreiben vom 04.04.2011 erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung an den Asylgerichtshof (nunmehr als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterbehandelt) und gab an, dass die Behörde es unterlassen habe, von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben vervollständigt würden. Zweifel über Inhalt und Bedeutung des Vorbringens hätten die Behörden durch ergänzende Befragung zu beseitigen. All dies habe die belangte Behörde verabsäumt, auch habe sie keine Refoulement-Prüfung durchgeführt. Sohin beantrage er die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Gewährung von Asyl, in eventu die Gewährung von subsidiärem Schutz.

Einen Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters hat der Beschwerdeführer nicht gestellt, weshalb eine solche Beigebung unterblieben ist (vgl. die Antragsbindung gemäß der nach dem aufhebenden verfassungsgerichtlichen Erkenntnis VfSlg. 19.641/2012 als bereinigt verbliebenen Rechtslage nach § 75 Abs. 16 AsylG 2005).

Der Beschwerdeführer war im Beschwerdeverfahren vom 17.09.2012 (Vollmachtsanzeige an den AsylGH) bis zum 19.05.2015 (Anzeige der Vollmachtsauflösung an das BVwG) anwaltlich vertreten.

5. Am 01.06.2015 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu der der Beschwerdeführer in Begleitung seiner Lebensgefährtin erschien. Die Zustellung der Ladung erfolgte (am 07.05.2015) noch an den damaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, der dem Gericht in weiterer Folge jedoch die Vollmachtsauflösung anzeigte. Mit der Ladung wurden dem Beschwerdeführer Länderberichte zu Ägypten zugestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Niederschrift über die Erstbefragung des Beschwerdeführers (am 25.09.2010), der Niederschrift über seine weitere Einvernahme durch die belangte Behörde (am 01.03.2011), des Beschwerdevorbringens, der Länderberichte zur Lage in Ägypten und der mündlichen Beschwerdeverhandlung werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist am XXXX in Ägypten geboren, ist ägyptischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimischen Glauben sunnitischer Ausrichtung. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er hat nach seiner Schulbildung in Ägypten eine Ausbildung im Bereich der Teppichfabrikation absolviert und in diesem Bereich auch bereits gearbeitet. Die Eltern des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Ägypten, ebenso wie seine Geschwister.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe (oder die staatliche Duldung einer solchen Verfolgung durch Privatpersonen), sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen) zu erwarten hätte.

Eine reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr einer Tötung (einschließlich der Verhängung und/oder Vollstreckung der Todesstrafe) durch den Staat oder tödlicher Übergriffe durch Dritte wird nicht festgestellt.

Eine mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr, der Folter ausgesetzt zu sein oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu sein, wird nicht festgestellt:

Insbesondere wird eine solche reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung weder im Hinblick auf eine drohende Kettenabschiebung festgestellt, noch im Hinblick auf eine drohende Todesstrafe, noch im Hinblick auf den Gesundheitszustand in Verbindung mit einer Unzulänglichkeit der medizinischen Bedingungen im Herkunftsstaat, noch im Hinblick auf die allgemeinen humanitären Bedingungen im Herkunftsstaat in Verbindung mit der persönlichen Lage des Beschwerdeführers (etwa im Sinne einer existenzgefährdenden Notlage oder des Entzugs der notdürftigsten Lebensgrundlage), noch im Hinblick auf psychische Faktoren, auf Haftbedingungen oder aus anderen Gründen.

Eine solche mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene Gefahr wird auch nicht im Hinblick auf eine etwaige ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt.

1.2. Zur Situation in Ägypten - Stand Februar 2015 (offenkundig nicht relevante Teile der Länderberichte werden ausgelassen)

Allgemeines

Nach der Verfassung von 2014 ist die Arabische Republik Ägypten eine demokratische Präsidialrepublik. Der Präsident wird für vier Jahre gewählt und kann einmal wiedergewählt werden, er kann auch vom Parlament abgesetzt werden. Ägypten ist in 27 Gouvernements unterteilt, an deren Spitze jeweils ein Gouverneur im Ministerrang steht. Seit der Auflösung des Shura-Rates ist alleiniges gesetzgebendes Organ das für fünfjährige Legislaturperioden gewählte Repräsentantenhaus.

Die Bevölkerung Ägyptens umfasst 80,4 Millionen Menschen (Stand 2010) und gehört überwiegend dem islamischen Glauben an. 90% der Bevölkerung sind Muslime, davon 99% Sunniten und 1% Schiiten. Die christliche Bevölkerung umfasst zwischen 6 - 10 Millionen Gläubige (8 -12% der Gesamtbevölkerung).

Staatsoberhaupt war bis zum arabischen Frühling der vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit nominierte und anschließend für sechs Jahre durch Volkswahl bestätigte Präsident, der gleichzeitig Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Dies war von 1981 bis 2011 Husni Mubarak, der zuletzt 2005 wiedergewählt wurde. Der Präsident ernennt den Premierminister und die Mitglieder des Kabinetts sowie die Gouverneure, die hohen Richter und Offiziere. Er hat zudem ein Vetorecht bei der Gesetzgebung, kann Dekrete erlassen und das Parlament auflösen.

Strikte staatliche Kontrolle des öffentlichen Lebens war oberste Maxime des innenpolitischen Handelns während des fast 30 Jahre währenden Regimes unter Staatspräsident Mubarak. Es gab rund zwei Dutzend politischer Parteien, deren politische Arbeit jedoch strikt eingeschränkt und nahezu bedeutungslos war. Die Ergebnisse von Wahlen wurden zugunsten der Regierungspartei "National Democratic Party" (NDP) manipuliert.

Quelle: Auswärtiges Amt: Innenpolitik Ägypten, Januar 2012.

Im Zuge des Arabischen Frühlings, bei denen circa 850 Demonstranten in Ägypten ums Leben kamen, trat Mubarak zurück. Mit dem Rücktritt Mubaraks am ging eine Ära zu Ende. Seine autoritäre Führung des Landes, die 1981 begonnen hatte, war in den letzten Jahren immer reformfeindlicher und starrer geworden. Das Regime stützte sich auf Staatssicherheit und Polizei. Seitdem befindet sich Ägypten in einer Übergangsphase von einer Diktatur zu einem demokratischen System. Mubarak und sein Innenminister wurden 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Nach dem Rücktritt Mubaraks kam es im Juni 2012 erstmals zu freien Präsidentschaftswahlen, aus denen Mohammed Mursi als Sieger hervorging. Ab April 2013 bildete sich die Bewegung Tamarod (arab.: Rebell) mit dem Ziel der Absetzung Präsident Mursis. Kurz darauf rief Tamarod zu Massendemonstrationen auf, an denen Millionen Ägypter teilnahmen. Am 03.07.2013 setzte die Armeeführung nach Verhandlungsversuchen mit Mursi die Verfassung außer Kraft und erklärte den Präsidenten für abgesetzt. In der Folge wurde der Verfassungsrichter Adli Mansur als Interimspräsident vereidigt. Die Muslimbruderschaft wurde zur terroristischen Vereinigung erklärt und viele ihrer Mitglieder (die Zahl wird auf 2.000 bis 3.500 geschätzt), unter ihnen auch ihr Anführer Muhammad Badi'e in Massenverfahren zum Tod bzw. zu langen Haftstrafen verurteilt, die meisten Todesstrafen wurden später in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt. Auch der politische Arm der Muslimbruderschaft, die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei FJP wurde durch Gerichtsbeschluss aufgelöst, sodass sie nicht an den Ende 2014 stattfindenden Parlamentswahlen teilnehmen wird können. Ende 2013 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, das mächtige Militär behält auch gemäß der neuen Verfassung viele Privilegien. Die neue Verfassung gewährt laut Fachleuten und Aktivisten mehr Rechte und Freiheiten als die alte. Sie verpflichtet den Staat, die Unabhängigkeit der Presse zu garantieren.

Quelle: APA 10.01.2014.

Im Juni 2014 wurde schließlich der frühere Armeechef Feldmarschall Abdul Fattah Al-Sisi mit 96,6 % der Stimmen zum neuen ägyptischen Präsidenten gewählt.

Quelle: BBC News: Abdul Fattah al-Sisi declared Egypt's new president, 3. Juni 2014

http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-27687021#sa-ns_mchannel=rss &ns_source=PublicRSS20-sa (Zugriff am 29. Januar 2015)

Sicherheitslage

Am vierten Jahrestag der Revolution in Ägypten sind bei Zusammenstößen zwischen Islamisten und Sicherheitskräften mindestens 18 Menschen getötet worden. Mindestens 54 weitere Menschen seien verletzt worden. Zu den Protesten hatten Anhänger des im Juli 2013 gestürzten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi aufgerufen.

Quelle: APA, 26.1.2015

Kurz vor dem Jahrestag der Revolution erschütterten am 24.01.2014 vier Terrorakte mit sechs Toten die ägyptische Hauptstadt. Der schwerste Terrorakt richtete sich gegen das Sicherheitsdirektorat der Kairoer Polizei. Vier Personen starben, 73 weitere wurden nach Angaben eines Polizeisprechers verletzt. Zu dem Anschlag bekannte sich die Al Qaida nahe Ansar Beit al Maqdis. Am 25.1.2014 wurden mehrere Personen bei einem Anschlag nahe eines Polizeistützpunktes verletzt. Am 26.1.2014 starben bei einem Angriff auf einen Armeebus auf der Sinai-Halbinsel vier Soldaten, 13 weitere wurden verletzt.

Quelle: FAZ 24.1.und 26.01.2014

Daily Star 25.1.2014

Durch die Entmachtung Mursis hat sich die Polarisierung der Gesellschaft weiter verstärkt. In Kairo, Alexandrien und Ballungszentren im Delta und Oberägypten kam es zu mehrfachen Ausschreitungen mit Todesfolge. Im Sinai verschärfte sich die Konfrontation zwischen Militär und bewaffneten Islamisten. Koptische Staatsbürger wurden aufgrund der Parteinahme des Koptenpapstes für den Staatsstreich im Sinai und in Oberägypten mehrfach zur Zielscheibe von Extremisten.

Die politischen Spannungen betreffen im Normalfall den durchschnittlichen Staatsbürger nicht, solange er sich Demonstrationen und Kundgebungen fernhält. Unruhen und Zwischenfälle sind zwar weit verbreitet, aber überwiegend örtlich fixiert. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass im Ausnahmefall Unbeteiligte durch Demonstrationszüge und spontane Auseinandersetzungen betroffen sein können. Auch Anrainer der Sit-Ins bzw. an den Routen der Demonstrationszüge wurden mehrfach in Mitleidenschaft gezogen. Eine verstärkte Gefährdung ist für den Durchschnittsbürger nicht gegeben.

Die Regierung Mursi hatte keine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte, was laut Beobachtern teilweise auf die seit langem bestehenden Animositäten zwischen der Muslimbruderschaft und der Sicherheitsbürokratie zurückzuführen war. Die Übergangsregierung übte stärkere Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus, die jedoch weiterhin Menschenrechtsverstöße begingen. Die Sicherheitskräfte hatten auch signifikanten Einfluss innerhalb der Regierung. Das Innenministerium kontrolliert die Ägyptische Nationalpolizei (ENP) und die Zentralen Sicherheitskräfte (CSF). Die ENP ist für die Strafverfolgung im ganzen Land zuständig. Die CSF sichern die Infrastruktur des Landes und sind für die Sicherheit von wichtigen in- und ausländischen Beamten und Würdenträgern sowie für die Sicherheit großer Menschenmengen zuständig. Die Ägyptische Armee ist grundsätzlich für die Landesverteidigung zuständig, auf Grund geringer Polizeikapazitäten wurde sie während des Jahres auch im Bereich der inneren Sicherheit eingesetzt. Die Übergangsregierung ermächtigte das Militär, in Zeiten starker Unruhen Verhaftungen durchzuführen. Der National Security Sector (NSS) war ebenfalls mit Anti-Terror-Aufgaben und Fragen der inneren Sicherheit beauftragt. Spezialisierte Strafverfolgungsbehörden, beispielsweise die Tourismus- und Antikenbehörde und die Antidrogenverwaltung waren auch auf der nationalen Ebene tätig. Die Polizeikräfte waren nach Mursis Absetzung präsenter. Die Übergangsregierung ließ verlautbaren, dass die Strafverfolgungsmaßnahmen die Verbrechensrate gesenkt hätten, es gab jedoch keine unabhängige Bestätigung dieser Behauptung. Die Untersuchungsmöglichkeiten der Polizei sind weiterhin schlecht, sexuelle Gewalt wurde nach wie vor nicht gründlich genug untersucht. Das Phänomen der Straflosigkeit war weiterhin bezüglich angeblicher Missbräuche durch das Militär zu beobachten. Die Regierung untersuchte und verfolgte zwar einige, jedoch nicht alle Fälle von Missbrauch, die meisten Strafverfahren endeten mit Freisprüchen.

Quelle: U.S. Department of State, Egypt 2013, Human Rights Report,

S. 8., abrufbar unter:

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2013&dlid=220350 , Zugriff am 14.07.2014.

Militär

Die Wehrpflicht ist obligatorisch und gilt für ägyptische Männer zwischen 18 und 30 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes variiert von 1 Jahr (plus 3 monatiger Ausbildung) für Hochschulabsolventen und bis drei Jahre für diejenigen mit elementarer Bildung.

Jeder männliche ägyptische Staatsbürger bekommt während des Wehrdienstes eine nationale ID-Nummer. Männer, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, sind vom Wehrdienst befreit. Weiters kann der Wehrdienst in folgenden Fällen aufgeschoben werden:

• Studierenden an Hochschulen oder Universitäten wird in der Regel ein Aufschub gewährt, bis sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

• Für den einzigen Sohn eines verstorbenen Vaters, oder eines Sohnes dessen Vater mehr als 60 Jahre alt ist.

• Für den einzigen über 30 Jahre alten Sohn einer geschiedenen Mutter.

Jeder männliche ägyptische Staatsbürger der nach dem 30. Lebensjahr seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet hat und keinen Grund für eine Befreiung vom Wehrdienst angeben konnte, wird als verschwunden oder vermisst betrachtet. Personen, die das 30. Lebensjahr überschritten haben, müssen Bußgeld für den fehlenden Wehrdienst zahlen.

Quelle: Refugee Review Tribunal Australia: RRT Research Response vom 18. Juni 2009.

Das ägyptische Militär agiert professionell und weitgehend nach dem Leistungsprinzip, obwohl Vettern- und Günstlingswirtschaft in den höchsten Ebenen in den letzten Jahren weit verbreitet gewesen ist. Die Streitkräfte sind eine sehr angesehene Institution in Ägypten. Traditionell hat das Militär einen großen Einfluss auf die Politik.

Quelle: DCAF- The Geneva Centre for the Democratic Control of Armed

Forces: Arab Uprisings and Armed Forces: Between Openness and Resistance von Derek Lutterbeck von 2011.

Menschenrechte

Die gravierendsten Menschenrechtsverletzungen betreffen die exzessive Gewaltanwendung (samt Tötungen, Folterungen und Verschwindenlassen) durch die Sicherheitskräfte (auch in den Gefängnissen) einhergehend mit der Straflosigkeit der Sicherheitskräfte für ihre Verbrechen, die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten wie der Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit sowie die Aburteilung von Zivilpersonen durch Militärgerichte. Problematisch sind auch die langen Untersuchungshaften, die Zahl der politischen Gefangenen, religiöse Unfreiheit, die Einschränkungen der Tätigkeiten von NGOs, gesellschaftliche Diskriminierung und Belästigung von Frauen und Mädchen inklusive Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung und Gewalt gegen religiöse Minderheiten.

Quelle: US Department of State Human Right Report 2013 Egypt, S 2.

Der Militärrat hat Änderungen des Strafgesetzbuches beschlossen und genehmigt: Als neuer Straftatbestand wurde der Terminus "rücksichtlosen Verhaltens" eingeführt. Darüber hinaus wurde das Strafausmaß für Vergewaltigungen von lebenslänglicher Haft auf die Todesstrafe geändert und bei sexuellen Übergriffen droht nun eine längere Gefängnisstrafe.

Quelle: Human Rights Watch: THE ROAD AHEAD - A Human Rights Agenda for Egypt's New Parliament, Jänner 2012.

Die Strafverfahren hunderter Zivilisten wurden auf der Grundlage einer Anordnung des Präsidenten vom Oktober 2014 (Gesetz 136/2014) an Militärgerichte überstellt, dies betrifft auch laufende Verfahren. Ägyptische Militärgerichte unterstehen dem Verteidigungsministerium, nicht den zivilen Justizbehörden. Die Richter sind Offiziere des aktiven Dienststandes und die Verfahren garantieren üblicherweise nicht die sonst vorgesehenen Parteienrechte, auch der Grundsatz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ist bei Militärgerichten nicht durchgesetzt. Am 15.12.2014 wurden 310 Verfahren, darunter jenes von Mohamed Badie und anderer Führer der Muslimbruderschaft, vom Generalstaatsanwalt in Ismailia an Militärgerichte übertragen. Am selben Tag wurden die Verfahren 40 weiterer vermeintlicher Unterstützer der Muslimbruderschaft an Militärgerichte in Ismailia tranferiert. Am 13.12.2014 wurden die Verfahren von 439 Zivilisten an die Militärgerichte verwiesen, sie werden Straftaten im Gefolge der Entfernung des Präsidenten Mursi aus dem Amt beschuldigt. Am 4.12.2014 wurden die Verfahren von 26 Beschuldigten, darunter sechs Studenten, an Mili übertragen. Ihnen werden Krawalle und die Zugehörigkeit zu einer verbotenen Organisation, der Muslimbruderschaft, zur Last gelegt. Bereits im November wurden die Verfahren von elf weiteren mutmaßlichen Unterstützern der Muslimbruderschaft an Militärgerichte verwiesen, ihnen wurden Beschädigungen von Eisenbahnschienen sowie geplante Bombenattentate zur Last gelegt.

Quelle: HRW - Human Rights Watch: Surge of Military Trials, 18. Dezember 2014 (verfügbar auf ecoi.net) http://www.ecoi.net/local_link/293031/427854_de.html (Zugriff am 08.01.2015)

Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit

Wegen Verstößen gegen ein umstrittenes Demonstrationsgesetz wurden 23 Aktivisten zu drei Jahren Haft verurteilt. In Ägypten häufen sich Proteste über Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten seit der Angelobung von Präsident Al-Sisi im letzten Jahr. Die verurteilten Aktivisten wurden beschuldigt, im Juni 2014 eine illegale Demonstration abgehalten zu haben, in der sie die Freilassung von Gefangenen und die Aufhebung des Demonstrationsgesetzes selbst forderten. Über die Verurteilten wurde auch Geldstrafen in Höhe von $ 1.400,- verhängt.

Quelle: BBC News: Egypt activists jailed for three years for 'illegal protest', 26. Oktober 2014;

http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-29778818#sa-ns_mchannel=rss &ns_source=PublicRSS20-sa (Zugriff am 12. 01.2015)

Besonders besorgniserregend ist die Situation hinsichtlich der Medienfreiheit. Seit dem Umsturz wurden 5 Journalisten getötet, 40 angegriffen und 80 willkürlich verhaftet (sh. Reporters without borders). Nach Suspendierung mehrerer islamistischer oder pro-MB Kanäle im Juli wurden nun die Büros von Al Jazeera, al Quds, Ahrar 25, Al Hafez und Yarmuk geschlossen. Drei ausländische Journalisten von Al Jazeera wurden verhaftet und deportiert. Quelle: ÖB Kairo September 2013

Haftbedingungen

Eine große Anzahl starb im Jahr 2014 im Polizeigewahrsam, viele davon wurden unter lebensbedrohlichen Bedingungen in Polizeistationen festgehalten. Trotzdem wurden zur Aufklärung der Todesfälle oder zur Verbesserung der Situation keinerlei Schritte unternommen. Einige Häftlinge sind nach Folterungen gestorben, viele jedoch scheinen auf Grund der massiven Überbelegung und schlechten medizinischen Versorgung gestorben zu sein. Laut einem Report des Nadeem Zentrums für die Rehabilitation von Gewaltopfern sind zwischen Anfang Juni und Anfang September mindestens 35 Personen in Haft gestorben. In den 15 Fällen, in denen die Todesursache identifiziert werden konnte, konnte die Überbelegung und die schlechte medizinische Versorgung als Ursache festgestellt werden, in den beiden anderen Fällen war der körperliche Missbrauch die Ursache. Allein in Kairo und Gizeh sind die von der Forensischen Medizinischen Behörde aufgezeichneten Todesfälle in Haft von 65 im Jahr 2013 um 40 Prozent im Jahr 2014 gestiegen. Die FMA selbst führte die gestiegene Zahl an Todesfällen auf die stark gestiegenen Häftlingszahlen zurück.

Quelle: HRW - Human Rights Watch: Rash of Deaths in Custody, 21. Januar 2015 (verfügbar auf ecoi.net) http://www.ecoi.net/local_link/294901/429813_de.html (Zugriff am 29. Januar 2015)

Todesstrafe

Im Verhältnis zur Zahl der verhängten Todesurteile wurden, soweit bekannt, relativ wenige der Urteile vollstreckt. Berichten zufolge sollen seit 2007 mindestens 9 Personen hingerichtet worden sein; im Jahr 2010 vier. Die Todesstrafe wurde 2013 in mindestens 109 Fällen verhängt, es konnte jedoch für die Jahre 2012 und 2013 nicht bestätigt werden, dass Hinrichtungen tatsächlich stattgefunden haben. Im Zusammenhang mit 74 Todesopfern bei einem beim Fußballspiel in Port Said im Jahr 2012 wurden am 9. März 2013 21 Personen zum Tode verurteilt. Die polizeilichen Ermittlungen und die Gerichtsverfahren wurden von Gerüchten überschattet, wonach einige der Angeklagten in der Haft schlecht behandelt bzw. gefoltert worden seien. Die ägyptischen Behörden haben zwischenzeitig neue Anti-Terror-Gesetze vorgeschlagen, welche den Anwendungsbereich der Todesstrafe ausdehnen würden.

Quellen: BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland): Todesstrafe in ausgewählten Ländern, März 2012,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=15529571&objAction=Open&nexturl=/milop/livelink.exe?func=ll&objId=15528579&objAction=browse&sort=name (Zugriff am 17. September 2014);

Amnesty International: Death sentences and executions in 2013 [ACT 50/00 1/2014], 27.04.2014,

http://www.amnesty.org/en/library/asset/ACT50/001/2014/en/652ac5b3-3979-43e2-b1a1-6c4919e7a518/act500012014en.pdf (Zugriff am 5. Mai 2014)

In Massenverfahren gegen Anhänger der Muslimbruderschaften wurden im April 2014 683 Todesurteile ausgesprochen, 183 dieser Todesurteile, darunter auch jenes gegen den Vorsitzenden der Muslimbruderschaft Muhammad Badi'e, wurden später bestätigt. In einem anderen Verfahren wurden 11 Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi zu Haftstrafen zwischen fünf und 88 Jahren verurteilt.

Quellen: BBC News: Egypt confirms mass death sentences, 21. Juni 2014,

http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-27952321#sa-ns_mchannel=rss &ns_source=PublicRSS20-sa (Zugriff am 19. September 2014);

BBC News: Egypt court jails Morsi supporters, 27. April 2014,

http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-27176608#sa-ns_mchannel=rss &ns_source=PublicRSS20-sa, (Zugriff am 5. Mai 2014.

NGOs

Behördliche Einschränkungen erschwerten weiterhin die Arbeit von NGOs. Sowohl staatliche als auch private Medien bezichtigten wiederholt NGOs, speziell aus dem Ausland geförderte NGO, der Spionage und der subversiven Aktivitäten. Einige NGO berichten von Anrufen oder Besuchen von Behördenvertretern, um ihre Arbeit zu kontrollieren. Sowohl Behördenvertreter als auch die Medien behaupteten insbesondere nach der Auflösung von pro-Mursi-Demonstrationen, dass menschenrechtliche Überlegungen dazu benützt würden, um von der Regierung als Terroristen verdächtige Personen zu schützen. Es gibt viele in Ägypten aktive, gut vernetzte, unabhängige, nationale Menschenrechts-NGOs, beispielsweise die Egyptian Organization for Human Rights, die Human Rights Association for the Assistance of Prisoners, die Arab Penal Reform Organization, die Association for Human Rights and Legal Aid, das Cairo Institute for Human Rights Studies, die Egyptian Initiative for Personal Rights, das Ibn Khaldun Center, das Arab Center for the Independence of the Judiciary and the Legal Profession, das Arab Network for Human Rights Information, das Al-Nadim Center for the Rehabilitation of Victims of Torture and Violence, die Association for Freedom of Thought and Expression und das Egyptian Center for Women's Rights. Wichtig für die Verbreitung von Informationen zu Menschenrechtsverletzungen waren weiterhin auch Internetaktivisten und Blogger. Die Behörden duldeten die Arbeit nichtregistrierter Organisationen im Land, da dies jedoch gegen das Gesetz verstößt riskierten solche Organisationen Belästigungen sowie möglicherweise Einmischungen und Schließungen von Seiten der Behörden.

Quelle: U.S. Department of State, Egypt 2013, Human Rights Report, S. 30.

Religion

Der Islam ist seit 1971 gemäß Art. 2 der ägyptischen Verfassung Staatsreligion und die islamische Rechtsprechung (Scharia) laut Verfassungszusatz von 1980 die Grundlage der Gesetzgebung. Dies wurde im Verfassungsreferendum vom 20.03.2011 bestätigt und in die Übergangsverfassung vom 23.03.2011 aufgenommen. Gemäß Artikel 7 der Übergangsverfassung sind alle Bürger vor dem Gesetz gleich, unabhängig von der Religion. Artikel 12 gewährleistet das Recht der freien Religionsausübung sowie das Recht, religiöse Handlungen frei vorzunehmen. Gemäß Gesetz Nr. 15 von 1927 muss jede Religionsgemeinschaft die Anerkennung beim Department für religiöse Angelegenheiten beim Ministerium für Inneres beantragen. Die maßgeblichen Religionsführer werden vor einer Entscheidung über die Zulassung konsultiert, dies gilt insbesondere für den Scheich der al-Azhar Universität und den Papst der Koptisch-Orthodoxen Kirche. Die Anerkennung als Religionsgemeinschaft erfolgt durch den Staatspräsidenten. Wird der Antrag abgelehnt, bleibt die Religionsgemeinschaft und deren Handeln illegal und kann gemäß Artikel 98 des ägyptischen Strafgesetzbuches mit Inhaftierung der Betreffenden sowie einer eventuellen Strafverfolgung geahndet werden. Die Behörden erkennen nur die drei "himmlischen Religionen" Islam, Christentum und Judentum an. Mormonen, Zeugen Jehovas und Bahai sind nicht anerkannt. Im Familienrecht, einschließlich Eheschließung, Scheidung, Unterhaltsrecht, Sorgerecht und Beerdigung, hat jede der drei registrierten Religionen eigene Gesetze. Das muslimische Familienrecht richtet sich nach der Scharia, das christliche nach dem kanonischen Recht und das jüdische nach jüdischem Recht.

Der Respekt für Religionsfreiheit war sowohl unter der Regierung Mursi als auch unter der nachfolgenden Übergangsregierung kaum vorhanden. In der Verfassung des 8. Juli wird die Religionsfreiheit für Moslems, Christen und Juden festgeschrieben, die Staatsreligion ist der Islam. Diskriminierungen auf Grund religiöser Überzeugungen bleibt im öffentlichen Sektor und am privaten Arbeitsmarkt weitverbreitet. Der Übertritt zu einer anderen Religion wird durch die staatlichen Gesetze nicht verboten, üblicherweise handeln die öffentlichen Amtsträger aber in Einklang mit der Sharia, die Muslimen den Übertritt verbietet. Weder die Verfassungserklärung noch das Straf- bzw. Zivilrecht verbieten Missionierungen, solche Handlungen von Nicht-Muslimen werden jedoch mit Straftatbeständen wie "Störung des sozialen Zusammenhalts" geahndet. Christliche und jüdische Heiratsvorschriften werden von staatlichen Behörden nur beachtet, wenn zwei Christen oder zwei Juden eine Ehe eingehen wollen, im Falle religiöser Mischehen kommt die Sharia zur Anwendung. Bezüglich Erbrecht ist auf alle ägyptischen Staatsbürger allein die Scharia anzuwenden. Konvertiert eine nichtmuslimische Ehefrau zum Islam, so muss der Ehegatte ebenfalls konvertieren oder die Ehe ist zu scheiden, das Sorgerecht erhält in diesem Fall die Mutter. Die Sharia verbietet die Heirat zwischen koptischen Männern und muslimischen Frauen, im Ausland geschlossene Ehen werden nicht anerkannt. Die koptisch-orthodoxen Gesetze verbieten interreligiöse Ehen - falls diese Gesetze mit der Sharia in Konflikt stehen, geht das Recht der Sharia vor. Alle Moscheen müssen staatlich lizenziert sein, viele arbeiten jedoch ohne Lizenz. Die Regierung ernennt und überwacht die von ihr auch bezahlten Imame der lizenzierten Moscheen, welche Abgänger der Al Azhar Universität sein müssen. Die Regierungskontrolle über die Moscheen nahm nach der Machtübernahme von Mursi ab und stieg wieder nach seiner Absetzung. Der Neubau von nichtmuslimischen Gebetsstätten bedarf der Genehmigung des Präsidenten. Das Strafgesetz kennt eine Liste vage formulierter Handlungen, die unter dem Begriff der Herabwürdigung von religiösen Lehren subsumiert werden, zB Bewerben extremen Gedankenguts, um Unfrieden zu stiften; Verachten oder Herabwürdigen einer der göttlichen Religionen (oder einer ihrer Sekten) oder Schädigung der Nationalen Einheit. Im Laufe des Jahres konvertierten hunderte Moslems zum Christentum. Der Glaube der Bahais wird nicht anerkannt, alle Bahai-Institutionen sind verboten. Die Bahais dürfen im privaten Rahmen beten und Feste wie zB Neujahr feiern. Auch Ehen der Bahai werden staatlich nicht anerkannt.

Quelle: International Religious Freedom Report 2013, Egypt, Seiten 1, 5 und 7

Am 15.04.2008 trat das Ministerial Dekret Nr. 520/2009 in Kraft. Es weist die Behörden an, bei der Ausstellung von Identitätskarten (ID-Karten), in denen die Religionszugehörigkeit zwingend anzugeben ist, an der Stelle der Religionszugehörigkeit einen Strich zu machen, wenn der Antragsteller nicht einer der drei registrierten Religionen angehört. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich auch Bürger, die einer nicht registrierten Religionsgemeinschaft angehören, ein Identitätsdokument ausstellen lassen können. Dies war vorher nicht möglich. Ohne Angabe einer der drei registrierten Religionen wurde kein Dokument ausgestellt, was viele Betroffene dazu veranlasste, falsche Angaben zu ihrer Religion zu machen. Die ID-Karte wird zum Bezug staatlicher Leistungen, bei der Arbeitsplatzsuche, beim Erwerb von Eigentum, bei der Eröffnung eines Bankkontos, bei der Inanspruchnahme des Gesundheitswesens, bei der Registrierung von Eheschließungen, im Familien und Erbrecht und bei der Anmeldung von Kindern in Schulen zwingend benötigt, weil gesetzlich vorgeschrieben. Bei den nicht seltenen Personenkontrollen kann das Fehlen einer ID-Karte, die mitgeführt werden muss, zur Festnahme führen.

Bei Personen, die substantiiert der Missionierung beschuldigt werden, ist das tatsächliche Risiko einer Verfolgung oder Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung besonders groß.

Quelle: Home Office Operational Guidance Note Egypt, Oktober 2014,

Seite 6

Kopten und Konvertiten

[...]

Konversion

[...]

Homosexuelle

[...]

Frauen

[...]

Bewegungsfreiheit

Für ägyptische Staatsangehörige besteht keine zentrale Meldepflicht; eine dem deutschen Meldewesen vergleichbare Einrichtung gibt es in Ägypten nicht. Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos.

Quelle: Deutsche Botschaft Kairo 3.2013.

Das Gesetz sieht Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Reisen ins Ausland, Auswanderung und Rückkehr vor. In der Praxis werden diese Rechte - mit Ausnahmen, beispielsweise bei Asylwerbern und Flüchtlingen - von der Regierung geachtet. Die Zivilluftfahrtbehörde, das Justiz- und das Innenministerium führen eine no-fly-List, die einigen Angeklagten das Verlassen des Landes untersagt. Die Mitglieder der Muslimbruderschaft und andere von der Übergangsregierung Gesuchte wurden ab dem 3. Juli auf dieser Liste geführt. Bürger und Ausländer dürfen nicht in ausgewiesene militärische Gebiete des Landes reisen. Männer, die noch keine Wehrpflicht abgeleistet haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder emigrieren. Verheiratete Bahais und deren Kinder können nur schwer staatliche Ausweise erhalten, da Ehen von Bahais nicht staatlich anerkannt werden. Einige männliche Bahai konnten daher nicht nachweisen, dass sie den Militärdienst bereits abgeleistet oder von ihm befreit waren und konnten daher auch keinen Pass beantragen. Einigen Berichten zufolge mussten junge unverheiratete Frauen, in Einzelfällen auch Frauen über dreißig Jahre, die Zustimmung ihres Vaters vorlegen, um einen Reisepass zu beantragen, obwohl die ägyptischen Gesetze gar nicht vorsehen. Die Verfassung von 1971 und die vorläufige Verfassung verbietet erzwungenes Exil und die Regierung hat dieses auch nicht angewandt. Eine Reihe von Staatsbürgern sind nach dem Rücktritt des Präsidenten Mubarak aus dem selbst gewählten Exil zurückgekehrt.

Quelle: U.S. Department of State, Egypt 2012 Human Rights Report, Seiten 15 und 16.

Medizinische Versorgung

In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 22.1.2015). Mit fast 30 Ärzten pro 10.000 Einwohner (regionaler Schnitt 10/10.000) hat Ägypten eine vergleichsweise gute medizinische Versorgung. In den letzten Jahren sind Kindersterblichkeit und Muttersterblichkeit gesunken; sowie die Infektionskrankheiten deutlich reduziert werden. Die weltweit höchste Prävalenz der Hepatitis C mit über 10 Millionen Infizierten ist allerdings immer noch ein weiterhin ansteigendes Problem.

Eine Vielzahl von privaten Belegkrankenhäusern findet sich verteilt über die einzelnen Stadtteile der Millionenmetropole. Einige der renommierteren Privatkliniken haben über hundert Belegärzte, die meisten von ihnen sind an mehreren Häusern tätig. Fachabteilungen im eigentlichen Sinn (Chefarzt, Oberärzte, Assistenten) sind nicht vorhanden, das Pflegepersonal arbeitet täglich mit einer großen Anzahl unterschiedlicher Fachärzte zusammen. Gezielte Eingriffe sind durchaus möglich, die Ausstattung mit modernen medizinischen Geräten ist gut, Hygiene und pflegerische Versorgung aber oft nicht auf europäischem Niveau. Die Möglichkeit der ambulanten Versorgung in privaten Kliniken oder Praxen ist in Kairo vielfältig. Etliche in Europa oder den USA ausgebildete Fachärzte und Professoren bieten oft nach ihrer Tätigkeit in den überlaufenen staatlichen Universitätskrankenhäusern, nachmittags oder abends, private Konsultationen an. Die Ausstattung der Praxen ist oft einfach, die Hygiene meistens nicht mit europäischen Verhältnissen vergleichbar. Das Fehlen der Allgemeinmedizin, des "praktischen Hausarztes" kann unter Umständen zur Überdiagnostik beim Facharzt führen und die ganzheitliche Versorgung des Kranken kann dabei zu kurz kommen (DBK 9.2014).

Quellen:

Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland, Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AegyptenSicherheit_node.html , Zugriff 22.1.2015

Deutsche Botschaft Kairo: Medizinische Hinweise - Kairo, http://www.kairo.diplo.de/contentblob/3865926/Daten/3348611/regarzt_medizinische_hinweise.pdf , Zugriff 22.1.2015

Verfügbarkeit von Medikamenten

In Ägypten werden für bestimmte Gruppen Sonderbedingungen eingeräumt, die Medikamente gratis bekommen, dazu zählen:

Patientinnen, die es sich nicht leisten können; Kinder unter fünf Jahren und ältere Menschen. Von diesen Sonderbedingungen ausgeschlossen sind schwangere Frauen. Gleichzeitig stellen das öffentliche Gesundheitssystem bzw. soziale Gesundheitsversicherungen Medikamente unter bestimmten Konditionen kostenfrei zur Verfügung. Die Medikamente werden deswegen kostenfrei zur Verfügung gestellt, weil es sich dabei um endemisch-ähnliche Krankheiten wie z.B. Tuberkulose, Malaria, Hepatitis C, Bilharziose usw. handelt.

Quelle: WHO 7.2011.

Grundversorgung/Wirtschaft

Unruhen und Plünderungen haben zu wirtschaftlichen Einbrüchen geführt. Insbesondere sind die fehlenden Einnahmen aus dem Tourismus spürbar. Gleichzeitig wurde auf Streiks und soziale Unruhen mit Lohnerhöhungen und zahlreichen Subventionen, insbesondere im sozialen Bereich, reagiert. Die Finanzierung des Staatshaushalts sowie der Subventionen im sozialen Bereich stützt sich auf Kredite von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds, der europäischen Bank für Wiederaufbau und auf Zuschüsse und Kredite aus arabischen Ölstaaten. Grundnahrungsmittel und Energie werden weiterhin staatlich subventioniert.

Quellen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Umsturz und Unruhen in der arabischen Welt, Aktuelle Lage und Entwicklung in den Ländern Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko, Syrien und Tunesien vom Januar 2012;

Konrad Adenauer Stiftung: Länderbericht Ägypten vom 25.01.2012.

Einer der Gründe für die Revolution vom 25. Januar war die sehr ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen im Lande. Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Haupteinnahmequellen bleiben weiterhin die Förderung und der Export von fossilen Energieträgern (Erdöl und Erdgas), der Tourismus, die Rücküberweisungen der ägyptischen Arbeiter im Ausland, die krisenbedingt zeitweilig zurückgegangen sind. Ferner ist der Suez-Kanal ein wichtiger Devisenbringer.

Als ganzjähriges Reiseziel hat Ägypten seit Jahren einen festen Platz im weltweiten Tourismus. Der bis Dezember 2010 florierende Besucherstrom kam revolutionsbedingt zeitweilig völlig zum Erliegen. Seitdem haben sich die Zahlen wieder leicht erholt.

Quelle: Auswärtiges Amt: Wirtschaft Ägypten, Stand: Oktober 2011.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Lage in Ägypten

Die unter Punkt 1.2. getroffenen Feststellungen zur Situation in Ägypten beruhen auf einer Zusammenfassung von Länderberichten, die aus Informationen aus den zitierten Quellen erstellt und mit Stand Februar 2015 aktualisiert wurden. Diese Feststellungen wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht. Er hat kein Vorbringen erstattet, mit dem diesen substantiiert entgegen getreten worden wäre.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seinem Fluchtmotiv und seiner persönlichen Bedrohungs- und Rückkehrsituation

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität hält das Bundesverwaltungsgericht insofern für plausibel, als er (nach vorhergehender Verwendung einer anderen Identität) im Rahmen seiner Einvernahme durch die belangte Behörde im März 2011 aus eigener Initiative angegeben hat, Ägypter zu sein und einen anderen Namen als den ursprünglich behaupteten zu führen. Auch die in der mündlichen Beschwerdeverhandlung als Zeugin einvernommene Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ging von seiner Herkunft aus Ägypten und vom korrigierten Namen des Beschwerdeführers aus und berichtete davon, dass sie auch regelmäßig Kontakt (gemeint: über Skype bzw. Telefon) mit der Familie des Beschwerdeführers in Ägypten habe. Das Bundesverwaltungsgericht hegt angesichts dessen keine Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer, wie auch von ihm selbst anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung angegeben, ägyptischer Staatsangehöriger ist.

Die Angaben des Beschwerdeführers hält das Bundesverwaltungsgericht auch soweit für unbedenklich, als sich diese auf seine Schul- und Berufsausbildung, seinen Gesundheitszustand, seinen Familienstand etc bezogen.

Keinen Glauben vermag das Bundesverwaltungsgericht hingegen den Angaben des Beschwerdeführers zu den Hintergründen für das Verlassen seines Heimatstaates zu schenken. Seiner persönlichen Glaubwürdigkeit, insbesondere im Zusammenhang mit der Plausibilität der von ihm nunmehr behaupteten Fluchtmotive, ist bereits der Umstand abträglich, dass der Beschwerdeführer diese Fluchtmotive, seine Herkunft aus Ägypten (und nicht wie zunächst angegeben aus dem Gaza-Streifen) sowie seinen wahren Vor- und Nachnamen nicht bereits bei der ersten Gelegenheit zu Protokoll gegeben hat, als er nach seinem fremdenpolizeilichen Aufgriff den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz stellte und zu diesem Zweck durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde, sondern erst im späteren Verlauf des Verfahrens. Der für die ursprüngliche Falschangabe seiner Herkunft und Identität angegebenen Rechtfertigung, dass er Angst gehabt habe, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht folgen, weil nicht nachvollziehbar ist, inwiefern die behauptete Angst vor österreichischen Behördenorganen dazu führen sollte, eine falsche Identität und einen (zunächst ausschließlich durch wirtschaftliche Motive untermauerten) Fluchtgrund anzugeben, und weshalb die später angegebene Identität (eines ägyptischen Staatsangehörigen mit anderem als dem ursprünglich angegebenen Namen) in Verbindung mit der später aufgestellten Behauptung einer Flucht wegen der Todesdrohungen durch Brüder einer Freundin in Ägypten nicht sogleich angegeben hätten werden können. Gegen die behauptete Version der Fluchtgründe spricht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer, der angab, mit seiner (in der mündlichen Verhandlung ebenfalls einvernommenen) Lebensgefährtin eine Beziehung von bereits eineinhalbjähriger Dauer zu führen, dieser noch nie von den im Verfahren geltend gemachten Fluchtgründen erzählt hat. Die vom Beschwerdeführer dazu in der Verhandlung dazu abgegebene Erklärung, er wolle nicht, dass seine Lebensgefährtin denkt, er wäre in Gefahr, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehen, weil es einem asylrechtlichen Vorbringen regelmäßig innewohnt, dass der Antragsteller behauptet, im Heimatland - aus dem einen oder anderen Grund - in Gefahr zu sein und weil es ungewöhnlich ist, einer Lebensgefährtin keine Auskunft über die Ursprünge und Ausprägungen einer solchen Gefahr, die - sollte sie tatsächlich befürchtet werden - immerhin als markanter Teil der eigenen Lebensgeschichte empfunden werden müsste, zu erzählen. Die Lebensgefährtin selbst gab an, von den Fluchtgründen im Konkreten nichts Genaues zu wissen. Auf die Frage, was mit dem Beschwerdeführer geschehen würde, wenn er nach Ägypten zurückgehen müsste, antwortete sie, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers für ihn deswegen schwierig wäre, weil er "keine Arbeit bekommen [würde] und seine Existenz regeln [müsste]." In Österreich hätten sie schon alles für ihn geregelt und auch einen Arbeitsplatz für ihn. Dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in keiner Weise von Vorgängen informiert ist, von denen der Beschwerdeführer im Verfahren behauptet, sie stellten eine akute Bedrohung seines Lebens und den Grund seiner Flucht aus Ägypten dar, lässt diese Behauptung des Beschwerdeführers unplausibel erscheinen.

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht bei der soeben angestellten Beweiswürdigung nicht, dass dabei (auch) eine anlässlich der Erstbefragung getätigte Aussage des Beschwerdeführers in den Blick genommen und zu seinen späteren Aussagen in Bezug gesetzt wird, und dass in diesem Kontext in besonderer Weise auf die Funktion der Erstbefragung Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; 13.11.2014, Ra 2014/18/0061; VfGH 27.06,2012, U 98/12; 20.02.2014, U 1919/2013 ua), für welche die Regelung des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 den Schutz der Asylwerber davor bezweckt, sich im direkten Anschluss an die Flucht aus ihrem Herkunftsstaat vor uniformierten Staatsorganen über traumatische Ereignisse verbreitern zu müssen, weil sie unter Umständen erst vor kurzem vor solchen geflohen sind (VfGH 27.06.2012, U 98/12 mit Hinweis auf RV 952 BlgNR 22. GP , 44). Auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 hat die vorliegende Beweiswürdigung jedoch Bestand, weil jene Falschangaben, die der Beschwerdeführer anlässlich der Erstbefragung getätigt hatte, nicht nur die Fluchtgründe an sich, sondern gerade auch jenen Themenkreis, auf den die Erstbefragung zentral abzielen soll, betrafen, wie die Identität, die Fluchtroute und die Herkunft des Antragstellers. Darüber hinaus liegt im späteren Vorbringen einer Verfolgung durch Brüder einer Geliebten keine bloße Präzisierung des vom Beschwerdeführer bereits anlässlich der Erstbefragung allgemein geschilderten Fluchtmotivs (im Beschwerdefall: wirtschaftliche Lage in Gaza) sondern ein wesentliches Abgehen vom Inhalt dieser ersten Aussage. Im Übrigen handelt es sich bei der Bezugnahme auf die Aussagen in der Erstbefragung nicht um den allein tragenden Teil der Beweiswürdigung, sondern nur um ein diese zusätzlich untermauerndes Element, das neben den sonstigen Beweismitteln und den Ergebnissen der mündlichen Beschwerdeverhandlung verwertet wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gemäß Art. 151 Abs. 51 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes. Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen. Dies trifft auf das vorliegende Verfahren zu.

3.1.2. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Spruchpunkt A.I. des vorliegenden Erkenntnisses)

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG verweist).

Zentraler Aspekt des aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes des AsylG 2005 ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation fürchten würde (vgl. zB VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 23.09.2009, 2007/01/0284). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt dann vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (VwGH 24.11.1999, 99/01/0280; 16.12.1998, 96/01/1251, 08.06.2000, 99/20/0092).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die "Glaubhaftmachung" im Sinne des § 1 Abs. 1 AsylG 1991 (entspricht dem geltenden § 3 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, 95/20/0380).

3.2.2. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung und eine entsprechende Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht hat, da seine Angaben im relevanten Punkt als unwahr gewürdigt worden sind. Auch sonst liegen keine Anhaltspunkte dafür vor. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm.

§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Spruchpunkt A.I. des vorliegenden Erkenntnisses)

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

3.3.2. Die Richtlinie (RL) 2004/83/EG (auch: Statusrichtlinie) normiert als "Voraussetzungen für den Anspruch auf subsidiären Schutz", dass der Drittstaatsangehörige (der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt) vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland (...) tatsächlich Gefahr liefe, einen "ernsthaften Schaden" im Sinne des Art. 15 der Richtlinie zu erleiden (Art. 2 lit. e RL 2004/83/EG ).

Unter "ernsthaftem Schaden" versteht die RL 2004/83/EG die folgenden drei Fälle: a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willku¿rlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sind diese Fallgruppen abschließend zu verstehen und umfassen beispielsweise nicht die Konstellation, "in [der] eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ..., die ein an einer schweren Krankheit leidender Antragsteller bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland erfahren könnte, auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in diesem Land zurückzuführen ist, ohne dass dem Antragsteller die Versorgung absichtlich verweigert würde". Günstigere innerstaatliche Regelungen lässt die Richtlinie nur zu, "sofern sie mit dieser Richtlinie vereinbar sind". Diese Vereinbarkeit mit der Richtlinie verneint der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Fall einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaates, die die Zuerkennung von subsidiärem Schutz insoweit "günstiger" regelt, als sie diese Zuerkennung für Konstellationen vorsieht, die über jene hinaus gehen, die in Art. 15 Buchstabe a, b oder c festgelegt sind (vgl. EuGH [Große Kammer] 18.12.2014, Rs. C-542/13 , M'Bodj, Rz. 41-43).

Mit den in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 festgelegten Tatbeständen der Zuerkennung von subsidiärem Schutz divergiert das österreichische Gesetz von der Richtlinie insofern, als die gesetzlichen Tatbestände über jene Konstellationen hinausgehen, für die die RL 2004/83/EG eine Zuerkennung von subsidiärem Schutz vorsieht. Dies folgt daraus, dass nach dem AsylG 2005 subsidiärer Schutz auf Antrag nicht nur in den in Art. 15 der Richtlinie genannten Fällen, sondern in umfassender Weise immer dann zu gewähren ist, wenn die Verpflichtung zur Rückkehr eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde (womit zB auch die Fälle der Rückkehr trotz lebensbedrohlicher, nicht anderweitig behandelbarer Krankheiten oder die Fälle des Entzugs jeglicher Lebensgrundlage erfasst wären) und kein Ausschluss- bzw. Aberkennungsgrund iSd. § 8 Abs. 3a AsylG 2005 gegeben ist (vgl. VwGH 28.08.2014, 2013/21/0218). Die aufgezeigte Divergenz zwischen dem AsylG 2005 und Art. 15 der RL 2004/83/EG darf in einem Verfahren über einen Antrag gemäß § 3 und 8 AsylG 2005 nicht so gelöst werden, dass der Verfahrensgegenstand in "richtlinienkonformer" Weise auf die in Art. 15 RL 2004/83/EG festgelegten Falltypen eingeschränkt (und dass somit nur noch bei Vorliegen dieser Fälle subsidiärer Schutz zuerkannt) wird. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass eine derartige Einengung des Anwendungsbereichs des § 8 Abs. 1 AsylG sowohl mit dem Zweck, der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaut der zitierten Rechtsnorm, vor allem aber auch mit den korrespondierenden sonstigen Normen des AsylG und des FPG in Konflikt geriete (zur Historie des § 8 AsylG vgl. einerseits die Rechtsprechung, die der Gesetzgeber - etwa bei Erlassung des FrÄG 2009 - vorfand [VwGH 26.07.2007, 2007/01/0479; 23.09.2009, 2007/01/0515; 16.12.2009, 2007/01/0918, 0919] sowie die Bezugnahme auf Rechtsprechung in den Materialien zu § 8 AsylG 1997 idF AsylG-Novelle 2003, RV 120 BlgNR 22. GP , sowie zu § 8 AsylG 2005 die RV 952 BlgNR 22. GP ). Die innerstaatliche Gesetzessystematik stünde einer solchen Einschränkung entgegen, weil die Berücksichtigung der nicht durch Art. 15 RL 2004/83/EG abgedeckten, jedoch als Abschiebehindernis nach der EMRK geltenden Fälle ansonsten im Gesetz nicht entsprechend in einem antragsgebundenen Verfahren verankert wäre, zumal der innerstaatliche Gesetzgeber zweifellos davon ausgeht, dass zur Entscheidung über diese Frage auf Antrag ausnahmslos das Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz zu beschreiten ist (vgl. auch § 51 Abs. 2 FPG). Dies bedeutet aber, dass der Gesetzgeber voraussetzt, dass ein solcher auf Art. 2 oder 3 EMRK oder auf das 6. oder 13. ZPEMRK gestützter Antrag im positiven Fall durchwegs (es sei denn im Fall von - hier nicht relevanten - Ausschlussgründen) mit der Gewährung von subsidiärem Schutz zu erledigen ist. Eine "richtlinienkonforme" Interpretation gebietet das Unionsrecht nur, soweit dies noch im Wege der Interpretation des innerstaatlichen Rechts möglich ist. Eine "richtlinienkonforme" Einschränkung des Anwendungsbereichs des innerstaatlich geregelten Verfahrens auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz würde im vorliegenden Kontext aber die Grenzen der Interpretation der relevanten innerstaatlichen Rechtsnormen überschreiten und könnte daher nicht mehr als Akt richtlinienkonformer Interpretation eingestuft, sondern nur mehr im Wege der unmittelbaren, gesetzesverdrängenden Anwendung der Richtlinie bewirkt werden. Letzteres verbietet sich im vorliegenden Zusammenhang aber deswegen, weil eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für den Einzelnen begründen kann, so dass dem Einzelnen gegenüber eine Berufung (des Staates) auf die Richtlinie als solche, dh. eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie zu Lasten des Einzelnen, nicht möglich ist (EuGH 14.07.1994, Rs. C 91/92 , Faccini Dori, Slg 1994, I-3325, Rz 20; EuGH 13.07.2000, Rs. C 456/98 , Centro-Steel, Slg. I-6007, Rz 15; EuGH 05.10.2004, Verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01 , Pfeiffer ua, Slg. I-8835, Rz. 109, 110).

Das Urteil des EuGH vom 18.12.2014, Rs. C-542/13 , M'Bodj, führt daher nach derzeitiger Rechtslage zu keiner (den Umfang einschränkenden) Modifikation des nach dem AsylG 2005 geltenden Prüfungsmaßstabs für die Zuerkennung von internationalem Schutz. Anderes gälte freilich im Fall von (den Umfang ggf. ausdehnende) Wirkungen der Richtlinie zu Gunsten des Einzelnen.

3.3.3. Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I 75/1997 idF BGBl. I 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Antragsteller betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028).

3.3.4. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko (zB) einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt (u.a.) des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582; VwGH vom 31.05.2005, 2005/20/0095).

3.3.5. Im Rahmen der bei Beurteilung des subsidiären Schutzes auch vorzunehmenden Prüfung, ob der Antragsteller einer "ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" ausgesetzt wäre (Art. 15 Buchst. c RL 2004/83/EG ) ist nicht gefordert, dass der Antragsteller beweist, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH 17.02.2009, Rs. C-465/07 , Elgafaji, Rn 45).

3.3.6. Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat der Beschwerdeführer keine ihn konkret drohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. keine sonstigen für eine aktuell drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe glaubhaft vorgebracht. Es kann angesichts der Feststellungen auch sonst nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ihn in Ägypten eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität oder eine sonstige relevante (allgemeine oder individuelle) Bedrohung oder Gefährdung erwarten würde.

3.3.7. Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Ägypten die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059, zur dargestellten "Schwelle" des Art. 3 EMRK), gibt es, wie festgestellt, im Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt, zumal der Beschwerdeführer bereits in Ägypten eine Schul- und Berufsausbildung absolviert hat und erwerbstätig war. Vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen kann im Zusammenhalt mit dem genannten Vorbringen des Beschwerdeführers daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat in seiner Existenz bedroht wäre. Er wäre grundsätzlich in der Lage, längerfristig eine Lebensgrundlage zu sichern.

3.3.8. Das Vorliegen dermaßen akuter und schwerwiegender Erkrankungen, welche in Ägypten nicht behandelbar wären und im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten, wurde weder behauptet, noch bot sich dafür im Beschwerdefall ein Anhaltspunkt.

3.3.9. Es sind weiters keine Hinweise darauf bekannt, dass in Ägypten aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd. Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

3.3.10. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.

3.3.11. Daher ist die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Spruchpunkt A.II. des vorliegenden Erkenntnisses)

3.4.1. § 75 Abs. 20 AsylG 2005 lautet in der geltenden Fassung (auszugsweise)

"(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

[2. - 6. ...]

so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen."

3.4.2. Angesichts dessen, dass im Verfahren bislang nicht ohne weiteres hervorgekommen ist, dass eine ausgeprägte und ausreichend verfestigte individuelle Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliegt, und nicht feststeht, ob das Interesse am Verbleib etwaige entgegenstehende Interessen überwiegt, verfügt das Bundesverwaltungsgericht zum derzeitigen Zeitpunkt über keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es ohne weiteres eine Entscheidung über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung treffen könnte.

3.4.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher - u.U. nach Einvernahme des Beschwerdeführers und Würdigung aller von ihm vorgebrachten Beweismittel - die Frage der Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw. der Zuerkennung eines Aufenthaltstitels wegen dauerhafter Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung nach der neuen Rechtslage neu zu prüfen haben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (zum Erfordernis der Glaubhaftmachung einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung s die in Pkt. II.3.2.1. zitierte Rechtsprechung; dass das Urteil M'Bodj auf die Interpretation des § 8 AsylG keine einschränkenden Wirkungen zulasten des Beschwerdeführers auslöst, weil die innerstaatliche Rechtslage keinen Interpretationsspielraum belässt und Richtlinien nicht unmittelbar zu Lasten Einzelner wirken dürfen, ergibt sich letztlich mit hinreichender Deutlichkeit aus der dargestellten innerstaatlichen Rechtslage und Urteilen wie zB jenen in den Rs. Faccini Dori oder Centro-Steel; zu den Voraussetzungen des subsidiären Schutzes siehe ansonsten die in Pkt. II.2.3.3. bis 2.3.7. zitierte Judikatur), weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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