BVwG W155 1434855-1

BVwGW155 1434855-16.5.2015

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W155.1434855.1.00

 

Spruch:

W155 1434855-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Silvia Krasa über die Beschwerde des XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX - BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. wird gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Betreffend Spruchpunkt III. wird das Verfahren gem. § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein der Volksgruppe der Paschtunen zugehöriger afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischen Glaubens, verließ seinen Herkunftsstaat, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 9.03.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund Folgendes an:

"Nach dem Tod meiner Mutter wollte ein Onkel väterlicherseits, namens XXXX, welcher seit langem ein Talibankämpfer ist, dass mein Bruder und ich uns den Taliban anschließen. Wir haben das abgelehnt, beim letzten Versuch war er böse und sagte, dass uns etwas passieren würde, sollten wir uns nicht anschließen. Mein Bruder arbeitete als Taxifahrer und hatte selbst ein Auto. Ca. 1 Woche nach dem letzten Gespräch mit meinem Onkel ist mein Bruder verschwunden. Ich wusste nicht, wo er war, die Leiche meines Bruders wurde 2 Tage später geköpft in den Bergen aufgefunden. Neben seinem Leichnam lag ein Brief, in dem gedroht wurde, dass auch mir das Gleiche passieren würde. Ich habe daher aus Angst meine Frau und meine Kinder zu meinem Schwiegervater gebracht. Dieser riet mir zu fliehen, sonst würde man mich auch töten. Ich kann nicht mehr zurückkehren, weil mich die Taliban nicht überleben lassen. Ich habe dort auch sonst niemanden mehr."

Bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 5.4.2013 führte der Beschwerdeführer aus, dass er in XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX geboren worden sei und etwa 5 Jahre eine Grundschule besucht habe. Er sei Analphabet und könne das Geburtsdatum nicht in seiner Zeitrechnung angeben. Seit dem 15. Lebensjahr habe er als Bauer gearbeitet und nach 10 Jahren ein eigenes Lebensmittelgeschäft eröffnet und bis zu seiner Ausreise betrieben (ca. 5 Jahre). Die finanzielle Lage in Afghanistan sei gut gewesen. Seit 14 Jahren sei er mit XXXX, 28 Jahre, verheiratet und habe 5 Kinder (Sohn XXXX ca. 11 Jahre, Sohn XXXX ca. 3 Jahre, Tochter XXXX, ca. 10 Jahre, Tochter XXXX ca. 8 Jahre und Tochter XXXX ca. 4,5 Jahre). Seine Frau lebe mit den Kindern bei ihrem Vater in XXXX bei XXXX in der Provinz XXXX. Der Kontakt zu seiner Familie sei mit der Flucht abgebrochen.

Sein Vater XXXX sei vor 5 Jahren und seine Mutter XXXX vor 1 Jahr gestorben.

Sein Bruder sei vor etwa einem Jahr im Alter von 25 Jahren getötet worden. Er habe drei verheiratete Schwestern, im Alter von 38, 36, 34 Jahren, wohnhaft in Jalalabad, deren Nachnamen seien ihm nicht bekannt. Sein Schwiegervater sei ein Onkel mütterlicherseits.

Nach der Flucht sei das Elternhaus von seinem Onkel väterlicherseits, Mitglied der Taliban, besetzt worden.

Vor etwa einem Jahr habe er den Beschluss gefasst, von seinem Heimatdorf aus zu fliehen. Mit Hilfe seines Schwiegervaters seien Schlepper organisiert worden mit deren Hilfe er über Pakistan, die Türkei, Griechenland Saloniki, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Wien gelangt sei. Seine Reise habe ca. 7 Monate gedauert und er sei zum ersten Mal in Österreich. Er habe eine afghanische Tazkira besessen, die er an der Grenze Türkei/Griechenland wegwerfen habe müssen.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass nach dem Tod seiner Eltern sein Onkel väterlicherseits namens XXXX, Kommandant bei den Taliban, seinen Bruder und ihn zwingen habe wollen, in den Jihad zu ziehen. Nachdem sie sich geweigert hätten, habe der Onkel gedroht. Sein Bruder, ein Taxifahrer, sei nach dem letzten Gespräch mit dem Onkel plötzlich verschwunden und geköpft in den Bergen bzw. im Dorf aufgefunden worden. In der Tasche des Bruders sei ein Drohbrief gefunden worden mit dem Inhalt, dass dem Beschwerdeführer dasselbe Schicksal drohe, wenn er den Forderungen der Taliban nicht nachkomme. Daraufhin sei er mit der Familie zu seinem Schwiegervater nach XXXX gereist. Dieser habe ihm zur Flucht geraten und einen Schlepper organisiert. Der Beschwerdeführer befürchte, dass ihn die Taliban bei seiner Rückkehr tötenwerden.

Mit angefochtenem Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchteil I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchteil II.) ab. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idF FrÄG 2011 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchteil III.).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen mit Unglaubhaftigkeit des fluchtbezogenen Vorbringens des Beschwerdeführers auf Grund widersprüchlicher, nicht plausibler und nachvollziehbarer Angaben. Der Beschwerdeführer habe keine konkrete und aktuelle Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen dargelegt. Für die belangte Behörde lag keine Verfolgungssituation vor und ergaben sich keine Anhaltspunkte aus der Länderdokumentation, wonach der Beschwerdeführer nicht bei seiner Familie in Jalalabad oder sogar Kabul, Mazar-i-Sharif und Herat ohne familiären Bezug leben könnte, sodass keine Gefährdung im Sinne des § 8 abgeleitet werden konnte.

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass die belangte Behörde den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt habe. Die Ermordung des Bruders und die Drohung des Onkels seien im Herkunftsort notorisch. Die Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise unrichtig ausgewertet worden. Der Beschwerdeführer nahm zur Situation in Afghanistan unter Quellenangaben Stellung. Weiters gab er an, dass die Polizei - anders als die belangte Behörde angenommen - nicht fähig oder willens sei, den Beschwerdeführer vor seinem Onkel zu schützen. Die Behörden könnten keinen Schutz gegen die Taliban bieten und es bestehe die Gefahr, dass die Polizei im Herkunftsort von den Taliban unterwandert werde. Der Beschwerdeführer sei nach dem Begräbnis sofort geflüchtet, sodass auch keine Möglichkeit bestanden habe, die Behörden zu informieren. Er sei alleine geflüchtet, weil man seine Frau nicht rekrutieren könne und keine finanziellen Mittel für die Flucht zur Verfügung gestanden wären. Verfolgung durch Dritte sei asylrelevant. Der Beschwerdeführer werde von seinem talibanfreundlichen Onkel verfolgt, eine Bedrohung seines Lebens oder seiner körperlichen Integrität sei mangels staatlichen Schutzes zu befürchten, sodass die Definition des Flüchtlings nach der GFK auf ihn zutreffe. Bei einer Rückkehr drohe ihm neuerliche Verfolgung, er habe kein Haus mehr, die Grundstücke seien verkauft, die Lebensgrundlage sei entzogen. Der Status des Schutzberechtigten sei zuzuerkennen.

Am 23.4.2014 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, zu der ein Vertreter der belangten Behörde entschuldigt nicht teilgenommen hat. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, zu seiner Familien-, Lebens,- Arbeitssituation sowie zu seinem Fluchtgrund befragt. Er gab zunächst an, dass er vor ca. 4 Monaten erfahren habe, dass seine Familie nunmehr in Pakistan - nahe der Grenze in XXXX- lebe, weil sie der Onkel, Mitglied der Hezb-e-Islami, in XXXX gefunden und versucht habe, den ältesten Sohn zu entführen. Sein Bruder sei von dieser Truppe ermordet worden und auch ihm wurde mit dem Tod gedroht, wenn er nicht mit einer Zusammenarbeit einverstanden sei. Bei seinem Bruder sei ein Droh/ Bekennerbrief gefunden worden. Aus dem Inhalt gehe hervor, dass sich die Hezb-e-Islami zum Tod des Bruders bekannten und dem Beschwerdeführer mit demselben Schicksal bei Weigerung der Zusammenarbeit drohten. Der Brief sei auf der Flucht verloren gegangen, er habe ein Logo der Hezb-e-Islami enthalten. Schon zu Lebzeiten der Eltern habe der Onkel versucht, die Brüder für sich und den Jihad zu gewinnen und nach deren Tod, auf sie einzuwirken. Vor allem auf seinen Bruder XXXX, weil er noch keine Familie hatte. Sein Bruder habe heftig mit dem Onkel diskutiert, mit ihm gestritten. Nach dieser Auseinandersetzung sei der Bruder verschwunden, seine Leiche von Frauen aus dem Dorf in den Bergen entdeckt worden. Der Onkel habe gemeint, dass auch der Beschwerdeführer mit ihm mitgehen könne, widrigenfalls er seine Strafe kenne. Allah werde sich um seine Familie kümmern. Auch andere Dorfbewohner seien unter Druck gesetzt worden. Eine Rückkehr sei ausgeschlossen, weil sein Leben in Gefahr sei. Die Taliban würden über ein gutes Netzwerk verfügen, sodass er auch in Kabul nicht sicher sei. Sie würden alle verfolgen, die sich weigerten und bereits ein Vorfall stattgefunden habe. In Österreich besuche er Deutschkurse, möchte arbeiten und Steuern zahlen. Er helfe seiner Pensionsleiterin und verbringe seine Freizeit in Klagenfurt.

Dem Beschwerdeführer wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan 2014 und der INSO Afghanistan Quarterly Data Report Q 4 2013 zur Kenntnis gebracht, der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, in Österreich nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes und hat am 3.9.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente nicht fest. Fest steht aber, dass er der Volksgruppe der Paschtunen angehört sowie der sunnitischmuslimischen Glaubensgemeinschaft.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX, Distrikt XXXX, Provinz XXXX, wo er bis zu seiner Flucht lebte. Er ist verheiratet und hat 5 Kinder.

Dass die Familie (Frau und Kinder) derzeit in Pakistan aufhältig ist, ist nicht glaubwürdig.

Die Geschwister (3 Schwestern) des Beschwerdeführers leben in XXXX. Der Beschwerdeführer hat die Koranschule besucht und ist Analphabet. Er war zunächst Bauer in seinem Heimatdorf, später Betreiber eines Lebensmittelgeschäftes. Er ist gesund, erwerbsfähig und hat in Österreich weder nahe Angehörige noch sonstige enge familiäre Kontakte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer asylrelevanten, konkret gegen ihn gerichteten Bedrohung durch seinen Onkel oder Mitglieder der Hezb-e-Islami Afghanistan verlassen hat bzw. sich aufgrund einer solchen Bedrohung außerhalb Afghanistans aufhält bzw. ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Auch konnte das Bundesverwaltungsgericht nicht feststellen, dass in Afghanistan eine Verfolgung der Volksgruppe der Paschtunen in besonderem Maße gegeben ist.

1.2. Zur Situation in Afghanistan und in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers

1.1.1 Allgemeines:

Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht (Country Report des U.S. Department of State vom 19.4.2013).

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 13 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Anstrengungen, die zur Sicherung bisheriger Stabilisierungserfolge und zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven der Bevölkerung beitragen, werden noch lange Zeit notwendig sein (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

Am Nato-Gipfeltreffen im Mai 2012 in Chicago wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.9.2012). Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.9.2012).

1.1.2 Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt unvorhersehbar, die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts (UNAMA-Midyear Report von Juli 2013). Im Jahr 2013 stieg die Zahl der Verluste unter den Zivilisten um 14% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die steigende Zahl der Toten und Verletzten revidiert den Rückgang im Jahr 2012 und steht im Einklang mit den hohen Rekordzahlen von Zivilopfern im Jahr 2011 (UNAMA-Annual Report vom Februar 2014). Der Rückgang der Zahl der Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen im Jahr 2012 war als taktische Reaktion der Aufständischen auf den Rückzug der internationalen Truppen und keineswegs als Verlust an operationeller Fähigkeit interpretiert worden (ANSO Quarterly Report vom Juni 2012). Schon im Frühjahr 2013 waren die Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen im Vergleich zum Vorjahr um 47% angestiegen. Zudem nahmen militärische Konfrontationen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und afghanischen Sicherheitskräften, in denen vermehrt Zivilisten ums Leben kamen, in den ersten sechs Monaten 2013 zu (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Konstant bleibt jedenfalls eine bewusste Verlagerung der Angriffsziele von internationalen Truppen zu afghanischen Zielen (ANSO Quarterly Report vom April 2013).

Mittlerweile betrifft der Konflikt, der sich zuvor auf den Süden und Osten des Landes konzentrierte, die meisten Landesteile, insbesondere den Norden, aber auch Provinzen, die zuvor als die stabilsten im Land gegolten hatten. Die zwölf Provinzen mit den insgesamt meisten Sicherheitsvorfällen im Jahr 2012 waren Helmand, Kandahar und Urusgan (südliche Region), Ghazni, Paktika und Khost (südöstliche Region), Nangarhar und Kunar (östliche Region), Herat und Farah (westliche Region) und Kabul und Wardak (Zentralregion). Die südliche, die südöstliche und die östliche Region entwickelten sich zu einem zunehmend zusammenhängenden Kampfgebiet. In den Provinzen Kandahar, Kunar, Nangarhar, Logar und Wardak kam es im Jahr 2012 zu einem deutlich höheren Grad an Sicherheitsvorfällen als 2011 (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013). In Kandahar und Ghazni erreichte die Zahl der Vorfälle Rekordhöhen (INSO-Report vom Jänner 2014).

1.1.2.1 Sicherheitslage im Raum Kabul:

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden. Dennoch verüben die Taliban (einschließlich das Haqqani-Netzwerk) in Kabul weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe und demonstrieren, dass die Aufständischen überall im Land zuschlagen und selbst den "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden können, was anscheinend darauf abzielt, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und möglicher "Geldgeber" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu verbreiten (Ruttig, After the "operational pause", vom 2.6.2013).

Am 10.6.2013 griffen Angehörige der Taliban das NATO-Hauptquartier im militärischen Teil des Flughafens in Kabul an und lieferten den afghanischen Sicherheitskräften ein rund vierstündiges Gefecht; am Tag darauf verübten Taliban einen Anschlag auf den Obersten Gerichtshof in Kabul (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013).

Am 16.11.2013 steuerte ein vor Sicherheitskräften flüchtender Selbstmordattentäter in Kabul sein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in ein Militärfahrzeug und tötete vier Zivilisten, einen Polizisten und einen Soldaten; 22 Personen wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich nahe des Zeltes der am 21.11.13 beginnenden Großen Stammesversammlung (Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18.11.2013). Am 11.12.2013 sprengte sich ein Selbstmordattentäter am Flughafen der Hauptstadt Kabul in unmittelbarer Nähe eines Bundeswehr-Konvois in die Luft (Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16.12.2013). Am 27.12.2013 wurden bei einem mutmaßlichen Selbstmordanschlag auf einen Konvoi internationaler Truppen im Osten Kabuls mindestens 3 ausländische Soldaten und weitere Zivilisten getötet (Radio Free Europe vom 27.12.2013). Am 17.1.2014 töteten drei Angreifer bei einem Anschlag auf ein bei Ausländern beliebtes Lokal insgesamt 21 Menschen, darunter 13 Ausländer: Ein Attentäter sprengte sich vor dem gut gesicherten Eingang in die Luft, zwei weitere stürmten in das gut besuchte Lokal und schossen wahllos um sich (Bericht der APA vom 18.1.2014).

1.1.2.2 Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Im Süden und Osten finden die meisten extra-legalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107% bzw. 114% massiv anstiegen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.9.2012). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81% an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250% anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21% im Vergleichszeitraum des Vorjahres (ANSO Quarterly Report vom April 2013).

Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127% (ANSO Quarterly Report vom April 2013). Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle in Ghazni ausweiten: Die Taliban töten gewöhnliche Menschen und zwingen DorfbewohnerInnen, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28.1.2014). Von der Verschlechterung der Sicherheitslage in den umliegenden Provinzen sind auch die Zufahrtsstraßen zu den (von Hazara bewohnten und an sich weniger stark von den Unruhen betroffenen) Distrikten Jaghori, Jaghatu und Malistan betroffen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011). Ghazni stellt für die Taliban eine strategisch wichtige Provinz dar, da die Straße Kabul - Kandahar durch den überwiegend von Paschtunen besiedelten westlichen Teil Ghaznis führt. Daher stellt sich der Weg von Kabul nach Ghazni als gefährlich dar; auf dieser Route kam es zu einer Zunahme der Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5.8.2013). Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14.8.2013).

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul und wird von regierungsfeindlichen Gruppen als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul genützt (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28.1.2014). Im ersten Quartal haben sich die Vorfälle in Wardak um 187% im Vergleich zum Vorjahr erhöht (ANSO Quarterly Report vom April 2013). Auch in der Provinz Helmand, wo die Taliban in das soziale Gefüge eingebettet sind, und in der Provinz Kandahar, der traditionellen Hochburg der Taliban, nahm die Zahl der Vorfälle zu (ANSO Quarterly Report vom April 2013); Helmand und Kandahar sind die Provinzen, wo mit Abstand die meisten Opfer von Bombenanschlägen zu beklagen sind (UNAMA-Annual Report vom Februar 2014).

1.1.2.3 Sicherheitslage im Westen und Norden des Landes:

Die Anschläge sind in den westlichen Provinzen des Landes im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um 72% in die Höhe geschnellt. In den westlichen Grenzprovinzen konnte beobachtet werden, wie es regierungsfeindlichen Gruppierungen gelungen ist, die entstehende Lücke der abziehenden internationalen Truppen zu füllen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013).

Im Norden sind enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bedeutsam. Während die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 mit Ausnahme der Provinzen Baghlan und Faryab abnahmen, wurde im ersten Quartal 2013 in den meisten Provinzen des Nordens eine Verschlechterung der Sicherheitslage verzeichnet. Grund dafür sind zahlreiche militärische Operationen der internationalen Truppen, zunehmende Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie die Aktivitäten lokaler Milizen. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (Faryab-Badhis-Ghor-Farah-Helmand). In der bisher als ruhig geltenden Provinz Badakhshan gewannen die regierungsfeindlichen Gruppierungen nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte ebenfalls an Einfluss. Ende September 2013 brachten die Taliban den Distrikt Keran-wa-Monjan der Provinz Badakhshan unter ihre Kontrolle (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Auch die Zahl der Vorfälle in Ghor und Herat erhöhten sich vergleichsweise (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28.1.2014). Die Sicherheitslage in Kunduz ist angespannt und hat sich in den vergangenen Monaten verschlechtert (Abzug aus Afghanistan, Der Spiegel vom 6.10.2013).

Exkurs Sicherheitslage in Kapisa:

Kapisa zählt zu den zentralen Provinzen Afghanistans. Die Provinz Panjsher ist im Norden, die Provinzen Kabul und Parwan im Westen, Kabul im Süden- Die Provinz Laghman liegt im Süden, aber auch im Osten der Provinz Kapisa (Pajhwok o.D.s). Zu den Distrikten in der Provinz zählen: Hesa Dovon Kohistan, Hesa Aval Kohistan, Koh Band, Nijrab, Ala Sai, Tag Ab und die Provinzhauptstadt Mahmud-i-Raqi (NPS o. D.)

Im Vergleich zu dem Rest des Landes, welches von regelmäßigen Aufständischen-Attacken und Bombenanschlägen heimgesucht wird, genießen die nordöstlichen Provinzen Kapisa und Parwan relativen Frieden und Sicherheit. Die Taliban haben hier keine starke Präsenz. Im Gegensatz zu den Taliban, die versprochen hatten die Wahlen zu stören, haben die Warlords in den beiden Provinzen die Menschen nicht davor gewarnt an den Präsidentschafts- und Provinzwahlen teilzunehmen. Tatsächlich haben sie die Menschen angeregt ihre Stimme abzugeben - aber nur zugunsten ihres ausgewählten Kandidaten (RFERL 3.4.2014). Der Gouverneur der Provinz Kapisa anerkannte das Problem und sagte, dass es derzeit Bestrebungen gibt, die zwei verfeindeten Kommandanten in Kapisa zu versöhnen (Pajhwok 13.8.2014; vgl. RFERL 3.4.2014).

In der Provinz werden Operationen durchgeführt, um Gegenden von Terroristen zu säubern (Khaama Press 27.10.2014; vgl. Khaama Press 15.10.2014).

Eine deutliche Besserung der Sicherheitslage führte dazu, dass in der Zentralprovinz Kapisa zum ersten Mal Justizorgane im Bezirk Alasai ihre Arbeit aufnehmen konnten (Pajhwok 16.8.2014).

Im Jahresvergleich 2011 und 2013, ist die Zahl der regierungsfeindlichen Angriffe in der Provinz Kapisa im Vergleich um 3 % gesunken. Im Jahr 2013 wurden 120 Vorfälle registriert (Vertrauliche Quelle 1.2014).

Das Haqqani Netzwerk hat seine Präsenz unter anderem in der östlich von Kabul gelegenen Provinz Kapisa ausgeweitet. Sie nutzen diese Position um eine Destabilisierung Afghanistans voranzutreiben (ISW 29.3.2012). Im Juni 2012 haben die afghanischen Truppen die Sicherheitsverantwortung von den französischen übernommen. Seit dem Abzug der Koalitionstruppen konnten Militante in der Zentralprovinz vorankommen. Der Gouverneur der Provinz erklärte, dass die Taliban, das Haqqani Network, und Hizb-i-Islami Gulbuddin Kontrolle über Teile der Distrikte Tagab und Alasai haben. Der Tagab-Bezirk ist eine bekannter Hafen für Taliban und Hizb-i-Islami Kämpfer Der Vorsitzende des "Kapisa's Provincial Peace Committee", welches die Aufgabe hat mit den Taliban zu verhandeln, gab an, dass die al-Quaida auch weiterhin in der Provinz präsent sind (LWJ 26.8.2013)

Im ersten Quartal des Jahres 2013 haben sich die Vorfälle in der Provinz Kapisa im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent gesenkt. Es wurden im ersten Quartal des Jahres 2013 23 Vorfälle registriert (ANSO 4.2013).

Im August betonten Regierungsvertreter des Friedenskomitees der Provinz, dass die Präsenz von Militanten in wichtigen Gebieten der Provinz den lokalen Friedensprozess behindere. Registrierungszentren für die Wahlen konnten im Distrikt Tagab nur in einigen Teilen geöffnet werden. Die Regierung konnte zwar in einigen Teilen der Distrikte Tagab und Alasai die Kontrolle gewinnen, doch großteils sind die Aufständischen in den Distrikten ungestört. In einigen Teilen der beiden Distrikte gibt es keine Wählerregistrierungszentren

Im September 2013 führten die Afghan National Army (ANA), Afghan National Police (ANP) und das National Directorate of Security (NDS) eine gemeinsame Operation gegen Militante in der Provinz durch, bei der 15 Militante getötet wurden, darunter ein "Schatten-Gouverneur" der Taliban (Tolonews 18.9.2013).

Im INSO Afghanistan Quarterly Data Report ist Kapisa als "grüne" Provinz eingezeichnet und zählt damit zu einer der friedlichsten und sichersten Provinzen Afghanistans.

1.1.3 Menschenrechte:

Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden, können willkürlichen Festnahmen (inklusive Inhaftierung ohne Anklage) sowie Misshandlungen durch internationale Truppen oder durch afghanische Behörden ausgesetzt sein (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Was Repressionen Dritter anbelangt, geht die größte Bedrohung der Menschenrechte von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handelt sich hierbei meist um Anführer von Milizen, die nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet sind. Die Zentralregierung hat auf viele dieser Urheber von Menschenrechtsverletzungen praktisch keinen Einfluss und kann sie weder kontrollieren noch ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des desolaten Zustands des Verwaltungs- und Rechtswesens bleiben Menschenrechtsverletzungen daher häufig ohne Sanktionen. Immer wieder kommt es zu Entführungen, die entweder politisch oder finanziell motiviert sind (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

Regierungsfeindliche Kräfte greifen systematisch und gezielt Zivilisten an, die tatsächlich oder vermeintlich die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft in Afghanistan, einschließlich der internationalen Streitkräfte und internationalen humanitären Hilfs- und Entwicklungsakteure unterstützen bzw. mit diesen verbunden sind. Zu den primären Zielen solcher Anschläge zählen u.a. politische Führungskräfte, Lehrer und andere Staatsbedienstete, ehemalige Polizisten und Zivilisten, die der Spionage für regierungstreue Kräfte bezichtigt werden. Auch afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Fahrer, Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiten, werden von Taliban bedroht und angegriffen. In Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, nutzen regierungsfeindliche Kräfte Berichten zufolge verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Rekrutierungsmaßnahmen auf der Grundlage von Zwang. Personen, die sich einer Rekrutierung widersetzen, sind gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt und getötet oder bestraft zu werden (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Personen, denen Verstöße gegen die Scharia - wie Apostasie, Blasphemie, freiwillige, gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch - vorgeworfen werden, sind nicht nur der Gefahr ihrer Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte ausgesetzt. Dies gilt sowohl für Frauen als auch für Männer (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014). UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist. Wenn die Verfolgung von regierungsfeindlichen Akteuren ausgeht, muss berücksichtigt werden, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Akteure den Antragsteller im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfolgen. Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius der regierungsfeindlichen Kräfte existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine sinnvolle interne Schutzalternative. Es sei insbesondere darauf hingewiesen, dass die Taliban, das Haqqani-Netzwerk und die Hezb-e-Islami Hekmatyar sowie andere bewaffnete Gruppierungen die operativen Kapazitäten haben, Angriffe in allen Teilen des Landes auszuführen, darunter auch in solchen Gebieten, die nicht von den regierungsfeindlichen Kräften kontrolliert werden, wie anhand des Beispiels von öffentlichkeitswirksamen Anschlägen in urbanen Gebieten, die sich unter der Kontrolle regierungsfreundlicher Kräfte befinden, ersichtlich wird (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Exkurs: Zwangsrekrutierungen

Zwangsrekrutierungen durch Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen, konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

Grundsätzlich scheint die Zwangsrekrutierung im Sinn einer Rekrutierung durch Waffengewalt eher ein Randphänomen zu sein. Es muss jedoch festgehalten werden, dass die allgemeine Quellenlage bezüglich Erlebnisberichte über Rekrutierungen durch die Taliban rar sind (Analyse der Staatendokumentation vom 2.4.2012). Folglich werden derartige Fälle u.a. auch als "Ausnahmefälle", die in Helmand, Kunduz, Kunar, Uruzgan und in bestimmten Gebieten Pakistans stattgefunden haben sollen, bewertet (EASO Report über Taliban Strategies - Recruitment vom Juli 2012), wogegen von anderer Stelle auf den eingeschränkten Zugang von Journalisten und NGO-Vertretern in Teilen Afghanistans und die damit verbundene Limitierung vorhandener Informationen sowie darauf hingewiesen wird, dass ein Fehlen glaubwürdiger Informationen über Zwangsrekrutierungen nicht das Fehlen solcher Praktiken überhaupt bedeutet (Stellungnahme von UNHCR vom Juli 2012).

Auffällig ist, dass sich die Fälle von Zwangsrekrutierungen mit Waffengewalt fast ausschließlich in Pakistan zutragen. Es gibt keine Berichte von konkreten Fällen aus jüngerer Zeit. Die vorliegenden Belege über Zwangsrekrutierungen durch die Taliban sind meist älteren Datums. Die Mehrheit der Kämpfer scheint sich freiwillig den aufständischen Gruppen anzuschließen. Geht man davon aus, dass die Taliban in einem nicht geringen Ausmaß auf die Unterstützung der lokalen Bevölkerung beim Kampf gegen die Regierung und die internationalen Truppen angewiesen sind und die Zuverlässigkeit von zwangsrekrutierten Kämpfern sehr zweifelhaft ist, wäre eine Politik der Zwangsrekrutierung kontraproduktiv. Dies würde die eigene Schlagkraft schwächen und den Widerstand der Bevölkerung provozieren. Dieser Befund deckt sich auch mit der Feststellung, dass die Taliban bemüht sind, Konflikte mit der lokalen Bevölkerung weitestgehend zu vermeiden, indem sie die lokalen Würdenträger vor dem Beginn ihrer Aktivitäten in einem bestimmten Gebiet davon in Kenntnis setzen und ihre Zustimmung für ihre Aktivitäten einholen bzw. indem sie gezielt lokale Kommandanten einsetzen, um sich so der Unterstützung der lokalen Gemeinschaften zu versichern.

Erst nachdem sich die Taliban in einem Gebiet etabliert haben, wird verstärkt Druck auf Andersdenkende ausgeübt. So kam es in Kandahar relativ früh zu gezielten Tötungen von Mullahs und Stammesführer, die sich gegen die Taliban aussprachen. Es wird deshalb auch davon ausgegangen, dass es nur in Gemeinschaften, die von den Taliban kontrolliert wurden, zu Zwangsrekrutierungen gekommen sein kann. Falls sich dort Familien gegen die Taliban stellen, könnten die Taliban zu Zwangsmaßnahmen greifen, um diese Familien zu zwingen, ihre Söhne dem Kampf zur Verfügung zu stellen (Analyse der Staatendokumentation vom 2.4.2012).

1.1.4 Meinungs- und Pressefreiheit sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:

Art. 34 der afghanischen Verfassung gestattet die Meinungs- und Pressefreiheit. Jedoch werden diese Rechte in der Praxis von der Regierung eingeschränkt (Country Report des U.S. Department of State vom 19.4.2013).

In den vergangenen Jahren galt die afghanische Medienlandschaft als Vorzeigesektor: diversifiziert, unabhängig und im Wachstum- und Professionalisierungsprozess begriffen. Die Präsidentschaftswahlen, eine konservative Medienpolitik und der allgemeine Islamvorbehalt schränken die Medienfreiheit jedoch deutlich ein. Auch über den Islamvorbehalt hinaus ist Medienfreiheit in Afghanistan noch keine Wirklichkeit. Immer wieder werden Journalisten zum Ziel von Morddrohungen und tätlichen Übergriffen. Journalisten, die sich einer Einflussnahme durch Aufständische oder durch die Regierung widersetzen, geraten unter Druck. Andere fliehen in die Selbstzensur. Immer wieder verlassen Journalisten das Land, weil sie ihre persönliche Sicherheit in Afghanistan nicht gewährleistet sehen. Morde an Journalisten werden kaum staatsanwaltlich verfolgt (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

Was das (in der afghanischen Verfassung garantierte) Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit anbelangt, gibt es regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen die Tötung von Zivilisten durch NATO-Truppen, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder gegen im Ausland verbreitete Karikaturen des Propheten Mohammed. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber teilweise oder werden von Einzelpersonen gezielt genutzt, um gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten. Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind grundsätzlich gewährleistet (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

1.1.5 Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Nach offiziellen Schätzungen sind 84% der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15% schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, Hindus und Sikhs, werden weiterhin durch das geltende Recht diskriminiert (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013). Hindus und Sikhs werden auch im Alltag diskriminiert und bei der Ausübung ihrer religiösen Zeremonien bedroht oder angegriffen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Christen und Angehörige der Baha'i vermeiden es aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung oder Tötung, sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln. Die afghanische Regierung schützt religiöse Minderheiten vor Übergriffen nicht (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013). Die Situation der größten religiösen Minderheit des Landes, der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert, ist jedoch noch immer mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert, wobei die Beziehungen zur sunnitischen Mehrheit sich verschlechtert hat (International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20.5.2013).

1.1.6 Ethnische Minderheiten:

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat, über den es aufgrund der seit Jahrzehnten schwierigen Sicherheitslage kaum gesicherte statistische Daten gibt (ÖIF-Länderinfo vom Februar 2010). Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird auf ca. 38% Paschtunen, ca. 25%, Tadschiken, ca. 19% Hazara, ca. 6% Usbeken sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u. a.) geschätzt. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten (mehrheitlich schiitischen) Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber es erscheint unklar, ob dies eher eine Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014). In diesem Sinne sind Angehörige der Hazara weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und Berichten zufolge Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban sowie andere regierungsfeindliche Kräfte (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013). Andererseits verbessert sich die Minderheit der Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung: Viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie oder Medizin ein (Congressional Research Service vom 22.11.2013).

In der Provinz Ghazni errangen Vertreter der Ethnie der Hazara sämtliche Sitze, die im Unterhaus für diese Provinz reserviert waren, was jedoch u.a. auch auf die niedrige Wahlbeteiligung in den paschtunisch besiedelten Distrikten aufgrund der prekären Sicherheitslage zurückzuführen war (D-A-CH-Bericht zur Sicherheitslage vom März 2011). In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Kuchi-Nomaden, die unter ungeklärten Boden- und Wasserrechten in besonderem Maße leiden. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da sie aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so die Gefahr laufen, Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

1.1.7 Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern durch mächtige Akteure verhindern Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen des Justizsystems (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äusserst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013).

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013). Die Afghanische Nationale Polizei (ANP) gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35% der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013).

1.1.8 Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für Rückkehrer gilt dies naturgemäß verstärkt. Eine hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es an vielen Orten an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser.

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Die Behandlung psychischer Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet (abgesehen von einzelnen Pilotprojekten) nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

1.1.9 Rückkehrfragen:

Die Fähigkeit Afghanistans, Rückkehrer aufzunehmen, bleibt gering (Country Report des U.S. Department of State vom 19.4.2013). Gemäss UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013).

Bei der Rückkehr von Frauen, Kindern, alten Menschen oder Alleinerziehenden stellt die Reintegration in ein religiöses und sozial traditionelles Umfeld oft eine Herausforderung dar (Bericht von IOM vom Oktober 2012). Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

UNHCR spricht sich gegen eine Rückkehr von Personen an einen Ort aus, der weder dem Herkunftsort noch früheren Wohnorten entspricht, wo keine tatsächlichen Familien- oder Stammesstrukturen und entsprechende Unterstützung bestehen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011).

2. Beweiswürdigung:

2.1 Die Feststellungen zur aktuellen Situation in der Islamischen Republik Afghanistan stützen sich auf die oben angeführten, dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebrachten Quellen. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, der die beschwerdeführende Partei nicht entgegengetreten ist, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

2.2 Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunftsregion, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie den familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich im Wesentlichen gleichbleibenden und im Ergebnis glaubhaften Angaben. Seine strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Gründe, aus denen sich die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Fluchtgründe ergibt, wurden schon von der belangten Behörde eingehend und zutreffend ausgeführt. Darüber hinaus hat sich auch für das Bundesverwaltungsgericht insbesondere in der mündlichen Verhandlung kein anderes Bild ergeben.

Die vorgebrachten Verfolgungsgründe sind weder belegt noch bewiesen worden. Daher ist zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf die persönliche Glaubwürdigkeit der beschwerdeführenden Partei und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen.

Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit der beschwerdeführenden Partei hat vor allem zu berücksichtigen, ob diese außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu ihren Fluchtgründen die Wahrheit gesagt hat; auch ist die Beachtung der in § 15 AsylG 2005 normierten Mitwirkungspflichten gemäß § 18 Abs. 3 AsylG 2005 und die sonstige Mitwirkung der beschwerdeführenden Partei im Verfahren zu berücksichtigen (siehe in diesem Zusammenhang auch die jüngste Rechtsprechung des VfGH vom 6.6.2014, Zl. U 2429/2013-15). Bei der Bewertung des Fluchtvortrags ist darauf abzustellen, ob dieser hinreichend widerspruchsfrei und - auch in Nebenpunkten und allenfalls auf Nachfrage - detailliert vorgebracht wurde und im kulturellen und historischen Zusammenhang in Bezug auf den Herkunftsstaat möglich ist.

Der Beschwerdeführer führte seine Fluchtgründe zwar im Wesentlichen so aus, wie er dies schon vor der belangten Behörde getan hat und wiederholte den "Kern" seiner Fluchtgeschichte ohne nähere Details und Vorgänge zu schildern. Seine Antworten sind allgemein gehalten (zB: "bis es zu diesem Vorfall gekommen ist", "nachdem sich dieser Vorfall ereignet hat", "meine Feinde haben versucht", "dass sie es waren", "jene Personen, die ..", (siehe S 3,4,5 der Verhandlungsschrift), und geben keine konkrete Auskunft über selbst Wahrgenommenes oder Erlebtes. Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, die Bedrohungsszenarien und Handlungsabläufe so darzulegen, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer die genannten Vorfälle tatsächlich erlebt hat.

Nicht nachvollziehbar ist die Aussage des Beschwerdeführers in der Ersteinvernahme, wonach der verfeindete Onkel ein Talibankämpfer sei, in der Folge sogar Kommandant der Taliban und schließlich Kommandant der radikalen islamistischen Rebellengruppe Hezb-e Islami (gesteigertes Vorbringen). Aus den Länderinformationen ist aber ersichtlich, dass die Hezb-e Islami ideologisch zwar mit den Taliban verbündet sind, aber als zugänglich für Versöhnungsgespräche mit der afghanischen Regierung angesehen werden.

Widersprüchlichkeiten ergeben sich dahingehend, wer den Bruder des Beschwerdeführers ermordet hat ("Hezb-e Islami", "jene Person, die meinen Bruder getötet hat, kenne ich nicht"(S 5 VS), "ich bin mir sicher, dass "er" verantwortlich für die Ermordung meines Bruders ist" ...). Kernpunkt der Aussage des Beschwerdeführers ist, dass er sich auf Grund eines bei seinem ermordeten Bruder aufgefundenen Briefes bedroht fühlt. Die von ihm geschilderten Umstände sind aber unglaubwürdig, der Bruder ist vermutlich von Unbekannten verschleppt und ermordet worden. Es macht aber keinen Sinn, dass die Täter dem Ermordeten einen Drohbrief zustecken, weil sie nicht damit rechnen können, dass jemand die Leiche findet. Diese wurde zufällig von Dorfbewohnerinnen in den Bergen gefunden. Die Mörder hätten in Erwägung ziehen müssen, dass der Drohbrief gar nicht zum Beschwerdeführer gelangt. Vielmehr wäre es lebensnah, einen an eine bestimmte Person gerichteten Drohbrief in dessen Sphäre (zB seinem Haus) abzugeben. Die Wirkung eines Drohbriefes geht verloren, wenn der Drohende nicht sichergehen kann, dass der Bedrohte den Brief auch erhält. Im Übrigen sind auch die Angaben zum Inhalt des Drohbriefes nicht einheitlich. Der Beschwerdeführer gab zunächst an, dass der Brief allgemein gehalten und an jedermann gerichtet worden wäre. Über Nachfrage antwortete er, dass konkret sein Name in diesem Brief angeführt worden sei. In diesem Schreiben hätten sich einerseits die Hezb-e Islami, dann wieder die Taliban zum Mord bekannt, den sie damit begründeten, dass der Bruder der Aufforderung mitzukommen, nicht nachgekommen sei. Nicht genannt wurden der Onkel oder dessen Söhne. Eine Verbindung mit dem Onkel ist damit nicht hergestellt. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass man einen Brief einem Toten übergibt und ausführt, warum man ihn getötet hat.

Nicht glaubwürdig ist, dass die angeblichen Rekrutierungsversuche der Taliban/ des Onkels über Jahre hinweg angedauert haben sollen. Hätte sich dieser Sachverhalt tatsächlich so zugetragen, hätte der Onkel schon früher auf die Weigerung des Beschwerdeführers/des Bruders, sich ihnen anzuschließen, reagiert. Das Vorbringen erwies sich insofern als lebensfremd.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nach Auffinden der Leiche des Bruders nicht sofort die Flucht ergriffen hat, sondern die Begräbnisfeierlichkeiten organisieren und sich um den Verkauf des Lebensmittelgeschäftes kümmern konnte. Unwahrscheinlich ist auch, dass die vermeintlichen "Feinde" nicht sofort nach XXXX gefolgt sind, obwohl sie nach Angaben des Beschwerdeführers über einen derartiges Netz verfügen, um jeden überall zu finden. Auf Grund der detailarmen Angaben des Beschwerdeführers ist unklar ist geblieben, wer ihn verfolgt hat bzw. verfolgen wird. Der Beschwerdeführer wechselt ständig die Person seines Verfolgers (Onkel, Cousins, Hezb- e Islam, Taliban) Er ändert seine Aussagen und nennt, wenn man ihn darauf anspricht, eine aktuelle Variante. Er gibt zB an, dass der Vater das Haus verkauft habe, über Nachfrage hat der Vater nur die Grundstücke verkauft, denn der Onkel hätte das Haus besetzt. Aber er wisse nicht, ob er dort wohne. Gleichzeitig antwortete er, dass er keine Informationen über das Haus habe, weil er auch keinen Kontakt zu Verwandten habe. Der Onkle wäre nur einmal im Jahr ins Dorf gekommen, andererseits habe er in einem Wohnhaus im selben Dorf gewohnt. Nicht nachvollziehbar ist, dass die Familie nicht schon nach den ersten Androhungen die Polizei verständigt hatte. Aus den Länderfeststellungen geht sehr wohl hervor, dass gegen die Taliban vorgegangen werde, vor allem in XXXX.

Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer, der sich in der Verhandlung als sorgender Familienvater präsentierte, seine Familie in XXXX zurückgelassen hat und nicht gemeinsam nach einer Lösung gesucht hat. War doch die Familie nach Aussage des Beschwerdeführers ebenfalls gefährdet, was eine gemeinsame Flucht nahelegt. Vielmehr ist der Beschwerdeführer auf Grund der Empfehlung des Schwiegervaters, in Europa ein Leben aufzubauen und die Familie nachzuholen (Verfahrensakt S 75,) geflüchtet. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit den vorhandenen Geldmitteln nicht gemeinsam mit der Familie eine Flucht nach zB Pakistan vorgenommen hat, spricht für sein Kalkül, zunächst allein in Europa Fuß zu fassen und- wie schon der Schwiegervater empfohlen hat - die Familie nachzuholen. Unvereinbar ist die noch 4 monatige Dauer des Verbleibes der Familie in Afghanistan mit der Flucht des Beschwerdeführers aus Fluchtgründen, die auch seine Familie getroffen haben sollen. Nur eine gemeinsame Flucht wäre plausibel gewesen. Es ist nicht glaubwürdig ist, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seiner Familie hatte und erst vor der Beschwerdeverhandlung erfahren hatte, wo sich sie sich aufhält. Dass der Sohn des Beschwerdeführers entführt werden hätten sollen (auch hier widersprechen sich die Angaben), beruht nicht auf eigener Wahrnehmungen und wird als Steigerung des Vorbringens gewertet.

Aus dem Zusammenhalt des gesamten Vorbringens, das in sich unschlüssig und nicht nachvollziehbar ist, entsteht für das Bundesverwaltungsgericht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer diese Geschichte nicht erlebt hat, sondern die Angst des Beschwerdeführers auf eine allgemeine Angst vor den Taliban zurückzuführen ist (ergibt sich aus Verfahrensakt S 76, und VS gesamt) und dies in keinem Zusammenhang mit dem von ihm zugegebenen Motiv, in Europa ein neues Leben aufzubauen und die Familie nachzuholen (Verfahrensakt S 75,76; VS S 8 ) steht.

Abgesehen davon, ist die Auslandsflucht mit der Einstellung des Beschwerdeführers, ein sorgsamer Vater für seine Kinder zu sein, unvereinbar.

Selbst bei Wahrunterstellung der Angaben des Beschwerdeführers, dass der Onkel den Beschwerdeführer zur Teilnahme am Dschihad aufgefordert habe, ergibt sich daraus keine Asylrelevanz seiner Fluchtgründe, wie im nächsten Punkt unter A) I noch näher auszuführen sein wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt somit in gegenständlicher Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A) I:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (§ 3 Abs. 2 AsylG 2005).

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 6.10.1999. Zl.99/01/0279, mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. So ist dem Herkunftsstaat eine Verfolgung sowohl dann zuzurechnen, wenn sie von dessen Organen direkt gesetzt wird, als auch, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlung hintan zu halten (vgl. VwGH vom 06.10.1998, ZI. 96/20/0287; VwGH vom 23.07.1999, ZI. 99/20/0208).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233, mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH vom 17.06.1993, Zl. 92/01/1081; VwGH vom 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).

Eine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen bzw. zur sunnitischen Religionsgemeinschaft hat weder der Beschwerdeführer substantiiert vorgebracht noch haben sich hiefür Hinweise aus den in das Verfahren eingebrachten oder sonstigen aktuellen Länderberichten ergeben (vgl. etwa UK Home Office, Country of Origin Information Report, 15.02.2013, S. 187 ff und 206 ff; Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 04.06.2013, S. 9 f).

Weder aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei noch den Länderberichten (vgl. Auswärtiges Amt vom 10.01.2012, S. 27 ff) hat sich ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zielt darauf ab, dass er seinen Herkunftsstaat aus Angst vor einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban/durch seinen Onkel/ durch die Hezb-e-Islami und aus Angst vor Strafe (durch Tod), weil er sich dieser Zwangsrekrutierung entzogen hat, verlassen hat.

Wie oben ausgeführt war den fluchtbezogenen Angaben des Beschwerdeführers auf Grund mangelnder Plausibilität in wesentlichen Teilen des Vorbringens die Glaubhaftigkeit abzusprechen und erübrigt sich deshalb auch eine Prüfung der Asylrelevanz des Vorbringens. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht bzw. drohte.

Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens nimmt die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung ein (VwGH 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Gem. § 18 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht werden oder lückenhafte Angaben vervollständigt werden. Gem. Abs. 2 leg. cit. ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keinerlei Hinweis auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung eines Konventionsgrundes spricht. Dem Beschwerdeführer wurde sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in der Beschwerdeverhandlung Gelegenheit gegeben alles vorzubringen. Es ist nicht erforderlich durch ständiges Nachfragen den Asylwerber zu erfolgsversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (VwGH 4.5.2000,99/20/0599).

Aber selbst dann, wenn man das vorgebrachte Verfolgungsszenario des Beschwerdeführers als glaubwürdig ansehen würde, lässt sich das Vorbringen nicht unter die in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe subsummieren. Es ist amtsbekannt, dass die Taliban nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zwangsrekrutieren. Vielmehr werden die jeweils zur Verfügung stehenden Personen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen persönlichen Eigenschaften (politisch keine Hausmacht, keine Schutz aufgrund fehlender schutzwürdiger männlicher Familienmitglieder, soziale Außenseiter) am leichtesten greifbar sind, zwangsweise rekrutiert. Jedenfalls ist alleine die drohende Strafe wegen der Ablehnung der Zwangsrekrutierung durch die Taliban nicht asylrelevant, da diese Strafe lediglich dem Zweck dienen würde, andere Zwangsrekrutierte von der Flucht abzuhalten und keinen - auch nur unterstellten - asylrelevanten Grund hat.

Der Onkel des Beschwerdeführers als Kommandant der talibanfreundlichen Hezb-e-Islami hat versucht, das Brüderpaar zum Anschluss bzw. zur Mitarbeit zu zwingen bzw. zur Teilnahme am Dschihad. Im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann Zwangsrekrutierung asylrelevant sein, wenn zur drohenden Zwangsrekrutierung noch weitere (asylrelevante) Aspekte hinzutreten:

aus dem Vorgang der Zwangsrekrutierung allein ist für den Asylwerber noch nichts zu gewinnen, weil eine solch im drohende Gefahr ausschließlich aus seinem Geschlecht und Alter resultiert und deshalb nicht unter §1 AsylG fiele. Ist der Asylwerber jedoch aus der militärischen Ausbildung durch die Rebellentruppen geflohen und wurde ihm daraufhin von diesen eine feindliche politische Gesinnung unterstellt, so kommt wohl begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK infrage(VwGH 8.6.2000, 99/20/0203 u.a.).

Im vorliegenden Fall gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Personen, von denen der Beschwerdeführer behauptet verfolgt zu werden, ihm eine andere politische Gesinnung unterstellen. Allein aus dem Vorgang, die Teilnahme am Jihad zu verweigern, weil er Sorge um seine Familie und seine Kinder hat, kann keine andere politische Gesinnung unterstellt werden. Es ist auch nach den Länderfeststellungen nicht üblich, einen verheirateten im Geschäftsleben stehenden Familienvater zu rekrutieren. Der Onkel hat nach Aussagen des Beschwerdeführers keine Gewalt angewendet, sondern hätte versucht, ihn zu überreden am Jihad teilzunehmen. Ein solcher Sachverhalt begründet aber, selbst wenn man ihn so annimmt, keine Asylrelevanz, da die Rekrutierungsversuche keine solche Intensität erlangen, um eine Verfolgung im Sinne der GFK darzustellen.

Da sich sohin weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben haben, ist kein unter

Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.

2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.2.2004, Zl. 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist im Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.3.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 12.2.1999, 95/21/1097; 12.4.1999, 95/21/1074; 12.4.1999, 95/21/1104; 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 17.9.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge der Bürgerkriegsverhältnisse letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 (bzw. § 8 Abs. 1) AsylG 1997 iVm § 57 Abs. 1 FrG die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (VwGH 8.6.2000, 99/20/0203). In "sehr außergewöhnlichen" Fällen kann die Abschiebung eines Kranken gegen Art. 3 EMRK verstoßen (vgl. VwGH 23.9.2009, 2007/01/0515, mit Nachweisen aus der Rsp. des EGMR).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028; 6.11.2009, 2008/19/0174).

Wie bereits oben dargetan, hat der Beschwerdeführer eine konkrete individuelle Gefährdungssituation nicht glaubhaft gemacht. Es konnte nicht festgestellt werden, dass in der engeren Heimat des Beschwerdeführers eine Situation vorherrschte, die generell eine Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK für alle dort lebenden Personen ergebe. Zwar kann sich die Sicherheits - und Versorgungslage in Afghanistan in Teilen als derart prekär darstellen, dass diese relevant sein können, doch ist auch festzuhalten, dass dies nicht für das gesamte Gebiet Afghanistans feststellbar ist. Im konkreten Fall wird festgehalten, dass XXXX laut INSO Bericht 2014 eine "grüne" Provinz und damit eine der friedlicheren und sicheren in Afghanistan. Die Taliban haben keine starke Präsenz und die Vorfälle haben sich gesenkt, sodass trotz deren Vorkommen im Heimatbezirk XXXX keine relevante Gefährdungslage erkannt werden kann. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nach wie vor über Familienanschluss verfügt. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geriete, sondern nach wie vor von seinem Schwiegervater wie schon vor der Ausreise Unterstützung finden wird.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland einer existentiellen Gefährdung noch einer sonstigen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Eine Gefährdung durch staatliche Behörden bloß aufgrund des Faktums der Rückkehr ist nicht ersichtlich, auch keine sonstige allgemeine Gefährdungslage durch Dritte.

Der Beschwerdeführer hat weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darstellen könnte. Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Es ist unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation, gesunder junger Mann mit Berufserfahrung und sozialem Netz durch seine Familienangehörigen in Afghanistan, nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung in Afghanistan durch Gelegenheitsarbeiten auch in anderen Landesteilen nicht möglich und zumutbar sein sollte. Allfälligen Übergriffen oder Bedrohungen seitens des Onkels (immer unter der Annahme der Glaubhaftunterstellung des Vorbringens) könnte der Beschwerdeführer durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Afghanistans entgehen.

Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit, sich in anderen sicheren Provinzen niederzulassen sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Es gibt auch keine entsprechenden Hinweise darauf, dass eine existenzielle Bedrohung des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Versorgung und Sicherheit in Afghanistan gegeben ist.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

Auch in der Rechtsprechung des EGMR wird etwa im Urteil vom 20.07.2010 im Fall N. gegen Schweden - im Rahmen der Prüfung einer möglichen Verletzung von Artikel 3 EMRK durch die Abschiebung einer Frau nach Afghanistan - festgehalten, dass der Gerichtshof trotz Kenntnis der Berichte über ernsthafte Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan, diese an sich nicht für ausreichend hält, um zu zeigen, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin in dieses Land eine Verletzung der Konvention zur Folge hätte. Aus diesem Grunde müsse der Gerichtshof unter Beachtung der persönlichen Situation der Beschwerdeführerin klären, ob ein solches Vorgehen Artikel 3 EMRK zuwiderlaufen würde. Er habe dazu die vorhersehbaren Konsequenzen einzuschätzen, die sich für die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan ergeben würden (EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23.505/09, Rz. 52; aufgrund der besonderen Umstände dieses Falles gelangte der Gerichtshof letztlich zu dem Schluss, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin eine Verletzung von

Artikel 3 EMRK begründen würde). Der EGMR hat auch in seiner jüngsten Rechtsprechung für Afghanistan wiederholt das Vorliegen einer Situation verneint, in der die Rückkehr für sich alleine betrachtet bereits eine Verletzung des Artikels 3 EMRK bedeuten würde (Urteil vom 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz. 84; Urteil vom 20.12.2011, J.H. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 48839/09, Rz. 55). Auch hier ist auf das Urteil vom 09.04.2013, H. und B. gg. das Vereinigte Königreich, Zl. 70073/10 u. 44539/11, hinzuweisen, worin der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgehalten hat, dass in Afghanistan derzeit keine Situation allgemeiner Gewalt herrscht ("Consequently, the Court does not consider that there is currently in Afghanistan a general situation of violence such that there would be a real risk of ill-treatment simply by virtue of an individual being returned there.") und Personen, die nur ein sogenanntes "low profile" aufweisen, sogar nach vorhergehender Tätigkeit für internationale Truppen oder internationale Organisationen nicht generell gezielte Verfolgung durch Taliban befürchten müssen.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, und auch keine ausreichenden Hinweise dafür bestehen, dass sich aus der allgemeinen Situation allein diesbezüglich etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe.

Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

Zu Spruchpunkt A) II

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht bei einem mit Ablauf des 31.12.2013 noch beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes, so hat es aufgrund der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 darüber zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz lautet: "(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Der Beschwerdeführer hat keine in Österreich lebenden Verwandten und auch sonst keine familiären Anknüpfungspunkte. Er hat im Zuge seines Aufenthalts in Österreich seit 9.3.2013 lediglich einen Deutschkurs besucht. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige außergewöhnliche Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind jedoch nicht erkennbar, dass allein aus diesem Grunde die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären wäre.

Das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung war daher an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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