Normen
B-VG Art139 Abs1 Z3
COVID-19-SchulV 2021/2022 BGBl II 374/2021 idF BGBl II 392/2021 §19, §35
COVID-19-SchulV 2021/2022 BGBl II 374/2021 idF BGBl II 434/2021 §19, §35
1. COVID-19-RisikostufenV der Bildungsdirektion für Steiermark §1, §2
VfGG §7 Abs1, §57 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2022:V264.2021
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG, begehrt die Antragstellerin mit ihrem am 29. Oktober 2021 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Antrag,
"[…] der Verfassungsgerichtshof möge […] die Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021 in der derzeit geltenden Fassung zur Gänze,
in eventu
[…] den §19 des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021, in der Fassung BGBl II Nr 392/2021 zur Gänze, in eventu […] den Absatz 1 des §19 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021, in der Fassung BGBl II Nr 392/2021 zur Gänze, in eventu […] in §19 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021, in der Fassung BGBl II Nr 392/2021 […] die Wortfolge […] 'und keinen Nachweis gemäß §4 Z2, Z3 oder Z5 erbringen' sowie ',wenn keine hinreichend begründbaren Hindernisse entgegenstehen, zumindest einmal wöchentlich gemäß §4 Z1 litc oder d', in eventu […] die Wortfolge 'und keinen Nachweis gemäß §4 Z2, Z3 oder Z5 erbringen'
[…]
den Abs2 des §19 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑9 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021 zur Gänze, in eventu […] in §19 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021 die Wortfolge 'Schülerinnen und Schüler sowie',
[…]
den §35 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021, in der Fassung BGBl II Nr 392/2021 zur Gänze, in eventu […] den Abs2 des §35 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021 zur Gänze, in eventu […] in §35 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021 […] die Wortfolge 'Schülerinnen und Schüler sowie das Lehr- und Verwaltungspersonal haben im Schulgebäude außerhalb der Klassen- und Gruppenräume einen MNS zu tragen', in eventu […] die Wortfolge 'Schülerinnen und Schüler sowie',
[…]
den Abs3 des §35 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021, in der Fassung BGBl II Nr 392/2021 zur Gänze, in eventu […] den Absatz 3 des §35 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021 zur Gänze, in eventu […] in §35 Abs3 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22, BGBl II Nr 374/2021 […] die Wortfolge 'Schülerinnen und Schüler, die sich im Schulgebäude aufhalten, haben einen Nachweis gemäß §4 Z1, wenn keine hinreichend begründbaren Hindernisse entgegenstehen, zumindest einmal wöchentlich gemäß §4 Z1 litc oder d, zu erbringen. Diese Tests bzw Nachweise sind so oft durchzuführen bzw vorzulegen, dass für jeden Tag der Unterrichtswoche eine geringe epidemiologische Gefahr nachgewiesen wird.', in eventu […] die Wortfolge ',wenn keine hinreichend begründbaren Hindernisse entgegenstehen, zumindest einmal wöchentlich gemäß §4 Z1 litc oder d,'
[…]
prüfen und gemäß Art139 Abs3 B‑VG und §59 Abs1 VfGG als verfassungs- und/ oder gesetzwidrig aufheben beziehungsweise, in eventu, gemäß Art139 Abs4 B‑VG aussprechen, dass die angefochtenen Normen verfassungs- und/oder gesetzwidrig waren."
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22 (COVID‑19-Schulverordnung 2021/22 – C‑SchVO 2021/22 ), BGBl II 374/2021, idF BGBl II 392/2021 lauteten auszugsweise wie folgt (die mit dem Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"1. Teil
Allgemeine Bestimmungen
Ziel
§1. Diese Verordnung regelt schulorganisatorische, schulunterrichtsrechtliche und schulzeitrechtliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 im Schulwesen.
[…]
Begriffsbestimmungen
§3. Im Sinne dieser Verordnung sind zu verstehen:
1. unter Risikostufe die im 1. bis 3. Abschnitt des 2. Teils dieser Verordnung jeweils festgelegten, mit einer Kurzbezeichnung versehenen, Regelungen in Abweichung von schulorganisatorischen, schulunterrichtsrechtlichen und schulzeitrechtlichen Normen;
[…]
3. unter Schülerinnen und Schülern die Schülerinnen und Schüler gemäß dem Schulunterrichtsgesetz – SchUG, BGBl Nr 472/1986, sowie Studierende gemäß dem Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge – SchUG-BKV, BGBl I Nr 33/1997;
[…]
6. unter Mund-Nasen-Schutz (MNS) eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und enganliegende mechanische Schutzvorrichtung;
[…]
Arten des Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr
§4. Als Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr im Sinne dieser Verordnung gelten
1. ein Nachweis
a) über ein negatives Ergebnis eines von der Schulbehörde zur Verfügung gestellten und unmittelbar in der Schule unter Aufsicht durchgeführten Antigentests auf SARS‑CoV‑2, dessen Abnahme nicht mehr als 48 Stunden zurückliegen darf, oder
b) über ein negatives Ergebnis eines Antigentests einer befugten Stelle auf SARS‑CoV‑2, dessen Abnahme nicht mehr als 48 Stunden zurückliegen darf, oder
c) über ein negatives Ergebnis eines von der Schulbehörde zur Verfügung gestellten und unmittelbar in der Schule unter Aufsicht durchgeführten oder von einer befugten Stelle durchgeführten molekularbiologischen Tests auf SARS‑CoV‑2 (zB PCR-Test), dessen Abnahme nicht mehr als 72 Stunden zurückliegen darf, oder
d) über ein negatives Ergebnis eines von einer befugten Stelle durchgeführten molekularbiologischen Tests auf SARS‑CoV‑2 (zB PCR-Test), dessen Abnahme nicht mehr als 72 Stunden zurückliegen darf;
2. ein Nachweis über eine mit einem zentral zugelassenen Impfstoff gegen COVID‑19 erfolgte
a) Zweitimpfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen der Erst- und Zweitimpfung mindestens 14 Tage verstrichen sein müssen, oder
b) Impfung ab dem 22. Tag nach der Impfung bei Impfstoffen, bei denen nur eine Impfung vorgesehen ist, wobei diese nicht länger als 270 Tage zurückliegen darf, oder
c) Impfung, sofern mindestens 21 Tage vor der Impfung ein positiver molekularbiologischer Test auf SARS‑CoV‑2 bzw vor der Impfung ein Nachweis über neutralisierende Antikörper vorlag, wobei die Impfung nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf, oder
d) weitere Impfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen dieser und einer Impfung im Sinne der lita, b oder c mindestens 120 Tage verstrichen sein müssen,
3. ein Genesungsnachweis über eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS‑CoV‑2 oder eine ärztliche Bestätigung über eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS‑CoV‑2, die molekularbiologisch bestätigt wurde;
4. ein Nachweis über neutralisierende Antikörper, der nicht älter als 90 Tage ist;
5. ein Absonderungsbescheid, wenn dieser für eine in den letzten 180 Tagen vor der vorgesehenen Testung nachweislich mit SARS‑CoV‑2 infizierte Person ausgestellt wurde.
[…]
2. Abschnitt
Maßnahmen in Risikostufe 2
Anwendungsbereich
§18. (1) Die Bestimmungen dieses Abschnittes gelten für alle Schulen gemäß §2 dieser Verordnung, sofern der Bundesminister, oder wenn dieser keine Regelung trifft, die örtlich und sachlich zuständige Schulbehörde dies nach Maßgabe des §8 Abs1 zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV 2 oder COVID-19 im Einvernehmen mit der obersten Schulbehörde verordnet hat. Bei Anordnungen der zuständigen Schulbehörde ist der zuständigen Gesundheitsbehörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(2) Die im Hygiene- und Präventionskonzept vorgesehenen Maßnahmen sind umzusetzen und standortbezogene Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 nach Maßgabe des §7 können von der Schulleitung nach Abwägung der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit aufgrund der allgemeinen und schulischen Beurteilung der epidemiologischen Lage (zB Frühwarnung aufgrund von Abwasseranalysen) gemäß §8 Abs1 nach Zustimmung der Schulbehörde angeordnet werden.
Besondere Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19
§19. (1) Schülerinnen und Schüler, die sich im Schulgebäude aufhalten und keinen Nachweis gemäß §4 Z2, Z3 oder Z5 erbringen, haben einen Nachweis gemäß §4 Z1, wenn keine hinreichend begründbaren Hindernisse entgegenstehen, zumindest einmal wöchentlich gemäß §4 Z1 litc oder d zu erbringen. Diese Tests sind so oft durchzuführen bzw vorzulegen, dass für jeden Tag der Unterrichtswoche eine geringe epidemiologische Gefahr nachgewiesen wird.
(2) Schülerinnen und Schüler sowie das Lehr- und Verwaltungspersonal haben im Schulgebäude außerhalb der Klassen- und Gruppenräume einen MNS zu tragen.
[…]
Sicherheitsphase
§35. (1) In den ersten drei Wochen des Schuljahres findet eine Sicherheitsphase statt. Während dieser Sicherheitsphase gilt Folgendes:
(2) Schülerinnen und Schüler sowie das Lehr- und Verwaltungspersonal haben im Schulgebäude außerhalb der Klassen- und Gruppenräume einen MNS zu tragen. Das Personal an vom Bund erhaltenen Schülerheimen hat einen MNS außerhalb der Gemeinschafts- und Schlafräume zu tragen.
(3) Schülerinnen und Schüler, die sich im Schulgebäude aufhalten, haben einen Nachweis gemäß §4 Z1, wenn keine hinreichend begründbaren Hindernisse entgegenstehen, zumindest einmal wöchentlich gemäß §4 Z1 litc oder d, zu erbringen. Diese Tests bzw Nachweise sind so oft durchzuführen bzw vorzulegen, dass für jeden Tag der Unterrichtswoche eine geringe epidemiologische Gefahr nachgewiesen wird. §5 Abs2 ist anzuwenden.
(4) Lehr- und Verwaltungspersonal, das sich im Schulgebäude aufhält, hat einen Nachweis gemäß §4 Z1 zu erbringen, wobei bei fehlendem Impfnachweis gemäß §4 Z2, Z3 oder Z5 zumindest einmal pro Woche der Anwesenheit ein Nachweis gemäß §4 Z1 litd (zB PCR-Test) vorzulegen ist. Diese Tests bzw Nachweise sind so oft durchzuführen bzw vorzulegen, dass für jeden Tag der Anwesenheit in der Schule eine geringe epidemiologische Gefahr nachgewiesen wird. Gleiches gilt für das Personal an Internaten.
[…]"
2. §§19 und 35 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID 19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22 (COVID 19-Schulverordnung 2021/22 – C‑SchVO 2021/22 ), BGBl II 374/2021, idF BGBl II 434/2021 lauteten wie folgt:
"Besondere Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19
§19. (1) Schülerinnen und Schüler, die sich im Schulgebäude aufhalten und keinen Nachweis gemäß §4 Z2, Z3, Z4 oder Z5 erbringen, haben einen Nachweis gemäß §4 Z1, wenn keine hinreichend begründbaren Hindernisse entgegenstehen, zumindest einmal wöchentlich gemäß §4 Z1 litc oder d zu erbringen. Diese Tests sind so oft durchzuführen bzw vorzulegen, dass für jeden Tag der Unterrichtswoche eine geringe epidemiologische Gefahr nachgewiesen wird.
(2) Schülerinnen und Schüler sowie das Lehr- und Verwaltungspersonal haben im Schulgebäude außerhalb der Klassen- und Gruppenräume einen MNS zu tragen.
Sicherheitsphase
§35. (1) In den ersten drei Wochen des Schuljahres findet eine Sicherheitsphase statt. Während dieser Sicherheitsphase gilt Folgendes:
(2) Schülerinnen und Schüler sowie das Lehr- und Verwaltungspersonal haben im Schulgebäude außerhalb der Klassen- und Gruppenräume einen MNS zu tragen. Das Personal an vom Bund erhaltenen Schülerheimen hat einen MNS außerhalb der Gemeinschafts- und Schlafräume zu tragen.
(3) Schülerinnen und Schüler, die sich im Schulgebäude aufhalten, haben einen Nachweis gemäß §4 Z1, wenn keine hinreichend begründbaren Hindernisse entgegenstehen, zumindest einmal wöchentlich gemäß §4 Z1 litc oder d, zu erbringen. Diese Tests bzw Nachweise sind so oft durchzuführen bzw vorzulegen, dass für jeden Tag der Unterrichtswoche eine geringe epidemiologische Gefahr nachgewiesen wird. §5 Abs.2 ist anzuwenden.
(4) Lehr- und Verwaltungspersonal, das sich im Schulgebäude aufhält, hat einen Nachweis gemäß §4 Z1 zu erbringen, wobei bei fehlendem Impfnachweis gemäß §4 Z2, Z3, Z4 oder Z5 zumindest einmal pro Woche der Anwesenheit ein Nachweis gemäß §4 Z1 litd (zB PCR-Test) vorzulegen ist. Diese Tests bzw Nachweise sind so oft durchzuführen bzw vorzulegen, dass für jeden Tag der Anwesenheit in der Schule eine geringe epidemiologische Gefahr nachgewiesen wird. Gleiches gilt für das Personal an Internaten."
3. Die Verordnung der Bildungsdirektion für Steiermark über die Anwendung des 2. Abschnitts (Maßnahmen in Risikostufe 2) des 2. Teils der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22 (COVID-19-Schulverordnung 2021/22 – C-SchVO 2021/22 ) – 1. RisikostufenVO - Steiermark, kundgemacht im Verordnungsblatt 10/2021 der Bildungsdirektion Steiermark, lautete wie folgt:
"Die Bildungsdirektion für Steiermark hat aufgrund §18 Abs1 in Verbindung mit §8 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22 (COVID-19-Schulverordnung 2021/22 – C‑SchVO 2021/22 ), BGBl II Nr 374/2021, im Einvernehmen mit der obersten Schulbehörde verordnet:
§1
Abweichend von der in §13 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/22 (COVID-19-Schulverordnung 2021/22 – C-SchVO 2021/22 ), BGBl II Nr 374/2021, festgelegten Anwendbarkeit des 1. Abschnittes des 2. Teiles der C-SchVO 2021/22 wird für alle im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, in der geltenden Fassung, geregelten öffentlichen und privaten Schulen in der Steiermark die Anwendung des 2. Abschnitts des 2. Teils der genannten Verordnung (Maßnahmen in Risikostufe 2) angeordnet.
Inkrafttreten
§2
Diese Verordnung tritt mit 4. Oktober 2021 in Kraft und mit Ablauf des Schuljahres 2021/22 außer Kraft."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Antragstellerin ist Schülerin in der 8. Schulstufe einer Praxismittelschule. Zur Zulässigkeit des Antrages führt sie auszugsweise wie folgt aus (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"[…]
Antragslegitimation
[…]
Wie sich aus dem Sachverhalt bereits ergibt, ist die Antragstellerin entsprechend §3 Z3 C‑SchVO 2021/22 Schülerin gemäß dem Schulunterrichtsgesetz — SchUG, BGBl, Nr 472/1986. Somit ist die Antragstellerin Normadressatin von §4, §19 Abs1 und 2 sowie §35 Abs2 und 3 C‑SchVO 2021/22.
Der Eingriff ist nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt und beeinträchtigt die rechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin nicht bloß potentiell, sondern aktuell. Durch §19 Abs2 COVID‑19-Schulverordnung 2021/22 wird in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingegriffen, indem durch diese Bestimmung aktuell das Tragen eines Mund-Nasenschutzes außerhalb des Klassenzimmers vorgeschrieben wird. Die Antragstellerin als Schülerin muss daher aktuell einen Mund-Nasenschutz außerhalb des Klassenzimmers tragen. Bei Nichtbefolgung der MNS-Tragepflicht bliebe der Antragstellerin nach §19 Abs2 leg cit der Zutritt zum Schulgebäude und somit die Teilnahme am regulären Unterricht verwehrt. Gem §8 Abs5 der angefochtenen Verordnung würde sie in den ortsungebundenen Unterricht versetzt werden.
Die §19 Abs1 iVm §4 C‑SchVO 2021/22 hatten von 04. Oktober 2021 bis 15. Oktober 2021 unmittelbare Einwirkung in die Rechtssphäre der Antragstellerin, da diese Vorschriften der Antragstellerin die Pflicht auferlegten, sich zumindest einmal wöchentlich einem molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 und mehrmals, nämlich in der Regel montags und donnerstags, zusätzlich einem Antigen-Test auf SARS-CoV-2 zu unterziehen. Die Antragstellerin musste sich bereits mehrmals (zB PCR-Test am 11.10.2021 und Antigen-Test am 14.10.2021 und 21.10.2021) diesen Tests unfreiwillig und nur aus dem Grund unterziehen, da sie sonst nicht am regulären Schulbetrieb teilnehmen hätte können. Bei Nichtbefolgung der Testpflicht, wäre der Antragstellerin nach §19 Abs1 leg cit in der angefochtenen Fassung der Zutritt zum Schulgebäude und somit die Teilnahme am regulären Unterricht verwehrt geblieben. Gem §8 Abs5 der angefochtenen Verordnung wäre sie in den ortsungebundenen Unterricht versetzt worden.
Nachdem §19 Abs1 leg cit in der angefochtenen Fassung ab 04. Oktober 2021 unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragstellerin Eingriff, wurde die Rechtsanwältin binnen weniger als einer Woche mit der Erarbeitung und Einbringung des gegenständlichen Individualantrages beauftragt. Die Norm wurde äußerst kurzfristig durch Kundmachung von BGBI. II Nr 434/2021 am Freitag, 15. Oktober 2021 mit Inkrafttreten der Änderungen am Samstag, 16. Oktober 2021, geändert. Angesichts des Umfanges der vorgebrachten Bedenken, umfangreicher notwendiger Recherchen und der bei der Ausarbeitung des gegenständlichen umfangreichen Antrages zu wahrenden anwaltlichen Sorgfalt war eine Einbringung des gegenständlichen Antrages binnen der kurzen Frist vor 16. Oktober 2021 unmöglich.
Die antragstellende Partei hat jedoch weiterhin ein aktuell bestehendes Rechtschutzinteresse an der Klärung, ob der durch §19 Abs1 COVID‑19-Schulverordnung 2021/22 in der angefochtenen Fassung bewirkte Eingriff in ihre (Grund-)Rechtssphäre, den zunächst hinzunehmen sie bei sonstigem Ausschluss vom regulären Unterricht verpflichtet war, recht- und letztlich verfassungsmäßig erfolgte. Angesichts des Umstandes, dass ansonsten Rechtsschutz nur bei Setzen einer strafbaren Handlung (Verstoß gegen das Betretungsverbot des Schulgebäudes in §19 Abs1 leg cit) zu erlangen gewesen wäre, kann diesem Rechtsschutzinteresse nur in einem Verfahren nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG Rechnung getragen werden. Dieses Rechtsschutzinteresse konnte wie ausgeführt nicht schneller wahrgenommen werden, sodass es insoweit über den kurzen Zeitraum hinausreicht, in dem die angefochtenen Bestimmungen in Kraft standen. Die aktuelle Betroffenheit im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (besonders V411/2020) ist somit auch in Bezug auf §19 Abs1 COVID-19-Schulverordnung 2021/22 in der angefochtenen Fassung gegeben. Zu bedenken gilt es hierbei aus rechtsstaatlichen Überlegungen, dass der antragstellenden Partei und ihrer Rechtsvertreterin für die Wahrnehmung des Rechtschutzinteresses eine angemessene Frist zur Vorbereitung zur Verfügung stehen muss, damit sorgfältig Rechtsberatung geleistet werden kann und sorgfältige, umfassende Rechtsbehelfe (gegenständlich sogar an das Höchstgericht) ausgearbeitet und ergriffen werden können. Die Berufungsfrist und Berufungsbeantwortungsfrist im Zivilprozess (§464 Abs1 und §468 Abs2 ZPO) sowie die Berufungsfrist und Frist zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde im Strafprozess (§285 Abs1, §294 Abs2 und §467 Abs1 StPO) betragen vier Wochen. Für Eingaben an den VfGH als Höchstgericht, die eine entsprechende Qualität erfordern, sollte daher ebenso eine zumindest vierwöchige Frist, wenn nicht sogar längere Frist zugestanden werden. Zusätzlich sollte der Antragstellerin eine Frist von zumindest einigen Tagen eingeräumt werden, um sich nach dem erstmalig erfolgten unmittelbaren Eingriff in ihre Rechtssphäre am 04. Oktober 2021 anwaltlich beraten zu lassen und die Einbringung eines Individualantrages zu beauftragen, zumal sich die gegenständliche Regelung vor dem Beginn ihrer Wirkung auf die Antragstellerin am 4. Oktober 2021 jederzeit ändern hätte können, wie auch die Kurzlebigkeit dieser angefochtenen Bestimmung belegt. Diese angemessene Frist zur sorgfältigen Wahrung des Rechtschutzinteresses wurde mit dem gegenständlichen Antrag ohne unnötige Verzögerung eingehalten. Die aktuelle Betroffenheit ist daher gegeben. Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin besteht aktuell und es konnte in zumutbarer Weise nicht früher wahrgenommen werden.
Im Hinblick auf §35 COVID-19-Schulverordnung 2021/22 (dreiwöchige Sicherheitsphase), der für die Antragstellerin auch eine Testpflicht und eine MNS-Tragepflicht vorsah, ergibt sich die aktuelle Betroffenheit wie folgt: Die Antragstellerin hatte sich in den ersten drei Schulwochen jeden Montag (beispielsweise am 13. September) sowohl einem PCR- als auch einem Antigentest zu unterziehen und jeden Donnerstag (beispielsweise am 17. September) einen weiteren Antigentest durchzuführen. Dies tat sie unfreiwillig und nur aus dem Grund, da sie sonst nicht am regulären Schulbetrieb teilnehmen konnte. Außerdem hatte sie ebenfalls unfreiwillig in den ersten drei Schulwochen im Schulgebäude außerhalb der Klassen- und Gruppenräume einen MNS zu tragen.
Die angefochtenen Verordnungen sind Teil eines gesetzlichen und verordnungsmäßigen Regelungssystems, das zur Bewältigung einer krisenhaften Situation dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gesetzgeber Ermächtigungen für die Verwaltung erlassen hat, auf die Verordnungen gestützt werden. Vor diesem Hintergrund kommt es zu einer raschen Abfolge von Bestehen und Änderungen einzelner Verordnungen und Verordnungsbestimmungen. Der Individualantrag soll dem Einzelnen Rechtsschutz gegen Normen gewähren, sofern deren Prüfung über einen anderen, zumutbaren Weg nicht erreicht werden kann. Im Hinblick auf die in §35 Abs2 und 3 C-SchVO 2021/22 normierte dreiwöchige Sicherheitsphase besteht das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin darin, zu klären, ob der Eingriff durch die gegenständlichen Verordnungen letztlich rechtmäßig war. In der kurzen Dauer, in der die Sicherheitsphase für die Antragstellerin rechtliche Wirkung entfaltete, war es nicht möglich, einen eigenen Antrag zur Wahrnehmung dieses Rechtschutzinteresses zu stellen. §35 C-SchVO 2021/22 enfaltete drei Wochen lang, nämlich vom 13. September bis zum 1. Oktober für die Antragstellerin rechtliche Wirkung. Beginnt man beim Tag der Kundmachung der Verordnung (25.08.2021) zu zählen, ergäbe sich theoretisch ein Zeitfenster von gut fünf Wochen. Angesichts der schon erwähnten Kurzlebigkeit vieler Verordnungen, kann man die zwei Wochen vor dem Inkrafttreten (in der Steiermark der 13. September) des §35 C-SchVO 2021/22 realistischerweise nicht mitzählen. Man blicke alleine auf die Tatsache, dass die Änderung des BGBI. II Nr 374/2021 vom 10. September durch BGBl II Nr 392/2021, auch die §§19 und 35 C-SchVO 2021/22 betraf (Inkrafttreten: 11. September). Es ist unter realistischen Bedingungen wohl kaum zumutbar, in solch kurzer Zeit (3 Wochen) ein Normenkontrollverfahren beim VfGH anzuregen. Das Rechtsschutzinteresse auf Klärung der Rechtmäßigkeit des §35 besteht jedoch über den kurzen Zeitraum hinaus, in dem die angefochtenen Bestimmungen für die Antragstellerin rechtliche Wirkung entfaltete (VfGH 14.07.2020, V363/2020). Vor diesem Hintergrund ist daher auch hinsichtlich des §35 COVID-19-Schulverordnung 2021/22 die aktuelle Betroffenheit der Antragstellerin zu bejahen, selbst nach Entfall der rechtlichen Wirkung dieser Bestimmung.
Die Verordnung wurde für die Antragstellerin ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam. Gegen die Betroffenheit der Antragstellerin steht weder der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten noch zu den Verwaltungsbehörden oder den Verwaltungsgerichten offen. Es besteht sohin kein zumutbarer Rechtsweg, die Normbedenken nach einem Verwaltungsverfahren oder aus Anlass eines Gerichtsverfahrens an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Damit steht der Antragstellerin kein zumutbarer Umweg zur Verfügung, die rechtswidrige Norm zu bekämpfen.
Die Antragslegitimation der Antragstellerin ist sohin insgesamt gegeben und der Antrag ist zulässig.
[…]"
2. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (im Folgenden: BMBWF) hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnungsbestimmungen vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der dem Antrag auszugsweise wie folgt entgegengetreten wird (ohne die Hervorhebungen im Original):
"[…]
Zu den Prozessvoraussetzungen
[…]
6. §19 Abs2 C-SchVO 2021/22: §19 Abs2 leg cit regelt neben der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (im Folgenden so oder MNS) für Schülerinnen und Schüler eine solche Verpflichtung auch solche für das Lehr- und Verwaltungspersonal. Der Antrag auf Aufhebung des §19 leg cit zur Gänze bzw §19 Abs2 leg cit zur Gänze ist daher weiter gezogen, als notwendig wäre, um die die Schülerinnen und Schüler betreffenden Bestimmungen aus dem Rechtsbestand auszuscheiden.
7. Wie die Antragstellerin selbst hervorhebt, war die von ihr monierte Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung am 29. Oktober 2021 bereits seit 15. Oktober 2021 außer Kraft getreten. Bei Antragstellung wurde der Nachweis neutralisierender Antikörper gemäß §4 Z4 leg cit als geeigneter Nachweis der geringen epidemiologischen Gefahr in der Risikostufe 2 anerkannt. §19 C-SchVO 2021/22 im Zeitpunkt der Antragstellung lautete:
'Besondere Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19
§19. (1) Schülerinnen und Schüler, die sich im Schulgebäude aufhalten und keinen Nachweis gemäß §4 Z2, Z3, Z4 oder Z5 erbringen, haben einen Nachweis gemäß §4 Z1, wenn keine hinreichend begründbaren Hindernisse entgegenstehen, zumindest einmal wöchentlich gemäß §4 Z1 litc oder d zu erbringen. Diese Tests sind so oft durchzuführen bzw vorzulegen, dass für jeden Tag der Unterrichtswoche eine geringe epidemiologische Gefahr nachgewiesen wird.
(2) Schülerinnen und Schüler sowie das Lehr- und Verwaltungspersonal haben im Schulgebäude außerhalb der Klassen- und Gruppenräume einen MNS zu tragen.'
8. Die Bestimmungen der Risikostufe 2 und 3 finden nur dann Anwendung, wenn dies mittels Verordnung angeordnet wird. Für Zentrallehranstalten sind dies Verordnungen des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Auf die Schule der Antragstellerin sind im Anfechtungszeitpunkt die Bestimmungen der Risikostufe 2, also §19 Abs1 C-SchVO 2021/22 idF der Verordnung BGBl II Nr 434/2021, anzuwenden. In diesem Zeitpunkt konnte als Nachweis der geringen epidemiologischen Gefahr ein Beleg neutralisierender Antikörper erbracht werden. Mit BGBl II Nr 469/2021 entfällt mit 16. November 2021 in §19 Abs1 leg cit der Verweis auf §4 Z4 leg cit (neutralisierende Antikörper). Auf die Schule der Antragstellerin war jedoch bereits ab dem 15. November 2021 aufgrund von §2 Z1 lita der 5. C-RisikostufenVO für Zentrallehranstalten und höhere land- und forstwirtschaftliche Lehranstalten sowie die Forstfachschule des Bundes, BGBl II Nr 462/2021, nicht mehr §19 C-SchVO 2021/22, sondern §26 C‑SchVO 2021/22 anzuwenden. Diese 5.C-RiskiostufenVO wird nicht bekämpft, obwohl diese die behauptete unmittelbare Betroffenheit begründet, da ohne diese die Regelung des §26 C-SchVO 2021/22 nicht zur Anwendung käme.
9. Die Antragstellerin hatte im Übrigen im Anfechtungszeitpunkt – dem 29. Oktober 2021 – Herbstferien und damit schulfrei (vgl §2 Abs4 Z8 des Schulzeitgesetzes 1985, BGBl Nr 77/1985).
10. §35 Abs2 und Abs4 C-SchVO 2021/22: Die Ausführungen zu §19 Abs2 C‑SchVO 2021/22 können auch auf die Anträge auf Aufhebung des §35 leg cit zur Gänze sowie die das Lehr- und Verwaltungspersonal betreffenden Teile des §35 Abs2 leg cit übertragen werden. Ferner liegt der Anfechtungszeitpunkt mit 29. Oktober 2021 außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereiches des §35 C‑SchVO 2021/22. §35 C-SchVO 2021/22 entfaltet auch keine über die ersten drei Schulwochen hinausgehende Wirkung auf die Antragstellerin, womit die vorgebrachten Bedenken allenfalls eine potentielle, nicht jedoch eine aktuelle Betroffenheit belegen.
11. §26 Abs1 C-SchVO 2021/22: Sofern die Antragstellerin in der Fußnote auf Seite 22 des verfahrenseinleitenden Antrages §26 C-SchVO 2021/22 anspricht, darf darauf hingewiesen werden, dass zum Anfechtungszeitpunkt der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Bestimmung nicht eröffnet war. Nach §1 Z1 litp der 3. C-RisikostufenVO für Zentrallehranstalten und höhere land- und forstwirtschaftliche Lehranstalten sowie die Forstfachschule des Bundes, BGBl II Nr 426/2021, gelangte für die Schule der Antragstellerin im Antragszeitpunkt die Risikostufe 2 zur Anwendung. Die Antragstellerin legt nicht hinreichend dar, inwiefern sie durch §26 der angefochtenen Verordnung im Antragszeitpunkt unmittelbar und aktuell betroffen ist.
12. Nähere Angaben, auf Basis welcher Bestimmungen sich die aktuelle und unmittelbare Betroffenheit ihrer Rechtssphäre zum Antragszeitpunkt ergibt, lässt das Antragsvorbringen vermissen. Derartige Angaben wären jedoch vor dem Hintergrund, dass nach der C-SchVO 2021/22 je nach der für die betreffende Schule festgelegten Risikostufe verschiedene Bestimmungen zur Anwendung gelangen, erforderlich gewesen (vgl §3 Z1 C-SchVO 2021/22; VfGH V24.02.2021, V3/2021).
[…]"
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist nicht zulässig.
1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, durch die die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht aktuell beeinträchtigt sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Gesetzwidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden, die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen offensichtlich trennbar, führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (vgl VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).
1.3. Nach §57 Abs1 VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Ein Antrag, der sich damit begnügt, die angefochtene Rechtsvorschrift bloß mit den Worten "in der geltenden Fassung" zu nennen, statt sie konkret, etwa durch genaue Angabe der Fundstelle der Rechtsvorschrift in der zur Aufhebung begehrten Fassung oder zumindest durch deren wörtliche Wiedergabe zu bezeichnen, wird dem strengen Formerfordernis des ersten Satzes des §57 Abs1 VfGG jedenfalls dann nicht gerecht, wenn sich aus dem Blickwinkel der zu entscheidenden Rechtssache die "geltende Fassung" der zur Aufhebung begehrten Rechtsvorschrift nicht mit hinreichender Deutlichkeit ersehen lässt. Dem Verfassungsgerichtshof ist es verwehrt, Bestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen darüber, in welcher Fassung ihre Aufhebung begehrt wird, zu prüfen und im Falle des Zutreffens der geltend gemachten Bedenken aufzuheben (vgl dazu VfSlg 14.040/1995, 14.261/1995).
Ein Antrag, der sich gegen den ganzen Inhalt einer Verordnung richtet, muss die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit aller Bestimmungen der Verordnung "im Einzelnen" darlegen und insbesondere auch dartun, inwieweit alle angefochtenen Verordnungsregelungen unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen. Bei der Prüfung der aktuellen Betroffenheit hat der Verfassungsgerichtshof vom Antrag auszugehen und lediglich zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 14.277/1995, 15.306/1998, 16.890/2003, 18.357/2008, 19.919/2014, 19.971/2015). Anträge, die dem Erfordernis des §57 Abs1 VfGG nicht entsprechen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfSlg 14.320/1995, 14.526/1996, 15.977/2000, 18.235/2007) nicht im Sinne von §18 VfGG verbesserungsfähig, sondern als unzulässig zurückzuweisen (vgl etwa VfSlg 12.797/1991, 13.717/1994, 17.111/2004, 18.187/2007, 19.505/2011, 19.721/2012).
2. Diesen Erfordernissen wird der vorliegende Antrag nicht gerecht:
2.1. Soweit die Antragstellerin in ihrem Hauptantrag die Aufhebung der C‑SchVO 2021/22 , BGBl II 374/2021 "in der derzeit geltenden Fassung zur Gänze" begehrt, wird nicht dargetan, inwiefern die Antragstellerin von sämtlichen Tatbeständen der angefochtenen Verordnung unmittelbar und aktuell betroffen ist (vgl etwa VfSlg 13.239/1992, 15.144/1998, 15.224/1998; VfGH 21.9.2020, V365/2020; 24.2.2021, V3/2021). Der Hauptantrag ist daher bereits aus diesem Grund unzulässig.
2.2. Ebenso erweist sich der Eventualantrag auf Aufhebung bzw Feststellung der Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit von §§19 und 35 C‑SchVO 2021/22 in der Fassung BGBl II 392/2021 jeweils zur Gänze mangels aktueller Betroffenheit der Antragstellerin als unzulässig, weil die angefochtenen Bestimmungen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits außer Kraft getreten waren:
Aus dem Wortlaut des Art139 Abs1 Z3 B‑VG ("verletzt zu sein behauptet") ergibt sich, dass die angefochtenen Verordnungsbestimmungen zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreifen müssen (VfSlg 12.634/1991, 13.585/1993, 14.033/1995; 20.398/2020, 20.399/2020).
§§19 und 35 C‑SchVO 2021/22 in der im Eventualantrag angefochtenen Fassung BGBl II 392/2021 waren jeweils vom 11. September 2021 bis zum Ablauf des 15. Oktober 2021 in Kraft.
Der vorliegende Antrag wurde am 29. Oktober 2021 und sohin nach Außerkrafttreten der angefochtenen Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Es fehlt daher bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung einer – aktuellen – Beeinträchtigung von rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung (vgl VfGH 1.10.2020, G272/2020; 1.10.2020, V463/2020 ua; 24.2.2021, V3/2021; 29.9.2021, V571/2020; 16.12.2021, V302/2021). Daran vermag auch der Hinweis der Antragstellerin auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 20.398/2020 und 20.399/2020 nichts zu ändern, weil die dort zu beurteilenden Individualanträge auf Verordnungsprüfung – im Unterschied zum vorliegenden Fall – noch während aufrechter Geltungsdauer der Verordnung gestellt worden waren. Ferner wurden von der Antragstellerin keine besonderen Umstände dargelegt, die aus rechtsstaatlichen Gründen die Zulässigkeit der Stellung eines Individualantrags auf Verordnungsprüfung auch noch nach Außerkrafttreten der Verordnungsbestimmungen verlangen würden (vgl VfGH 1.10.2020, G272/2020; 1.10.2020, V463/2020 ua; 24.2.2021, V3/2021; 29.9.2021, V571/2020; 16.12.2021, V302/2021). Dies gilt auch für die weiteren Eventualanträge.
Ungeachtet dessen ist zudem festzuhalten, dass die Antragstellerin die konkrete Anordnung der Anwendung der in §19 C‑SchVO 2021/22 genannten Maßnahmen der Risikostufe 2 für ihre Schule durch die 1. RisikostufenVO - Steiermark weder im Hauptantrag noch im Eventualantrag angefochten hat. Diesbezüglich erweist sich der Antrag hinsichtlich der Anfechtung der gemäß §19 C‑SchVO 2021/22 angeordneten Pflichten sohin jedenfalls als zu eng gefasst (vgl VfGH 23.9.2021, V155/2021).
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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