VwGH 2013/09/0038

VwGH2013/09/003825.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des HD in E, vertreten durch Mag. Kurt Jelinek, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 30. November 2012, Zl. 76/9-DOK/12, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung (hg. Zl. 2013/09/0039), sowie Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den vorgenannten Bescheid (hg. Zl. 2013/09/0038) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

Normen

32011L0093 MissbrauchsBekämpfungs-RL Kinder Art2 lita;
32011L0093 MissbrauchsBekämpfungs-RL Kinder Art5;
BDG 1979 §20 Abs1 Z3a idF 2012/I/120;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs2;
EURallg;
StGB §201;
StGB §202;
StGB §205;
StGB §206;
StGB §207;
StGB §207a Abs3 idF 2004/I/015;
StGB §207a Abs3a idF 2009/I/0040;
StGB §207a Abs4 idF 2004/I/015;
StGB §207a idF 2009/I/0040;
StGB §207a idF 2009/I/040;
StGB §207b;
StGB §208;
StGB §208a;
StGB §211;
StGB §212;
StGB §213;
StGB §214;
StGB §215;
StGB §215a;
StGB §216;
StGB §217;
StGB §312;
StGB §312a;
StGB §32 Abs1;
StGB §92;
Übk Computerkriminalität 2012 Art9 Abs1;
Übk Computerkriminalität 2012 Art9 Abs2;
Übk Rechte des Kindes 2004 Art3;
Übk Schutz von Kindern 2011 Art20 Abs1;
VwRallg;
32011L0093 MissbrauchsBekämpfungs-RL Kinder Art2 lita;
32011L0093 MissbrauchsBekämpfungs-RL Kinder Art5;
BDG 1979 §20 Abs1 Z3a idF 2012/I/120;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs2;
EURallg;
StGB §201;
StGB §202;
StGB §205;
StGB §206;
StGB §207;
StGB §207a Abs3 idF 2004/I/015;
StGB §207a Abs3a idF 2009/I/0040;
StGB §207a Abs4 idF 2004/I/015;
StGB §207a idF 2009/I/0040;
StGB §207a idF 2009/I/040;
StGB §207b;
StGB §208;
StGB §208a;
StGB §211;
StGB §212;
StGB §213;
StGB §214;
StGB §215;
StGB §215a;
StGB §216;
StGB §217;
StGB §312;
StGB §312a;
StGB §32 Abs1;
StGB §92;
Übk Computerkriminalität 2012 Art9 Abs1;
Übk Computerkriminalität 2012 Art9 Abs2;
Übk Rechte des Kindes 2004 Art3;
Übk Schutz von Kindern 2011 Art20 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

I.) den Beschluss gefasst:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben; und II.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 748,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand bis zu seiner Entlassung als Polizeibeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 31. Juli 2012 wurde der Beschwerdeführer gemäß rechtskräftigem Urteil des LG Salzburg vom 15. Mai 2012 schuldig erkannt, er habe sich von März 2011 bis März 2012 via Internet über seinen privaten Computer (Standort: S) in wiederholten Abfragen mit den Suchbegriffen "l…" sowie durch Aufrufe der Webseite "h…" (alle weisen eindeutig auf Kinderpornographie hin) zahlreiche Bilddateien (ca. 160.000) mit pornografischen Darstellungen Minderjähriger (u.a. geschlechtliche Handlungen von Erwachsenen an Kindern, geschlechtliche Handlungen durch Kinder an Erwachsenen, gegenseitige geschlechtliche Handlungen von Kindern) verschafft und diese nach dem Ansehen wieder gelöscht.

Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten den Tatbestand des § 207a Abs. 3a StGB (pornografische Darstellungen Minderjähriger) realisiert und dadurch seine Dienstplichten nach § 43 Abs. 2 BDG 1979, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, gemäß § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt.

Es wurde die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von EUR 13.179,-- (entspricht fünf Monatsbezügen) verhängt.

Die bereits gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 verhängte Suspendierung bleibe bis zur Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses aufrecht.

Dagegen erhob der Disziplinaranwalt Berufung ausschließlich wegen der Strafhöhe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und verhängte die Disziplinarstrafe der Entlassung mit folgender Begründung:

"Da an der objektiven Tatbestandsverwirklichung sowie am schuldhaften Fehlverhalten des (Beschwerdeführers) somit keine begründeten Zweifel bestehen, ist im Folgenden berufungsantragsgemäß die disziplinäre Strafbemessung einer Überprüfung zu unterziehen.

Diesbezüglich teilt der erkennende Senat der DOK - bezugnehmend auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des VwGH vom 14. November 2007, 2005/09/0115 - die Auffassung der erstinstanzlichen Disziplinarkommission, dass es aus spezialpräventiven Gründen des Ausspruches der Disziplinarstrafe der Entlassung über den (Beschwerdeführer) nicht bedarf.

Der erstinstanzliche Disziplinarsenat misst in seinen Ausführungen zur Strafbemessung generalpräventiven Erwägungen allerdings nicht die ihnen seit dem 1. Jänner 2009 zukommende erhebliche Bedeutung bei. Wie der VwGH in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 15.12.2011, 2011/09/0105, unter Hinweis auf die Gesetzeserläuterungen zum Verhältnis von Spezial- zu Generalprävention ausführt, ist

'durch die Dienstrechts-Novelle 2008 (…) im zweiten Satz des § 93 Abs. 1 BDG die Zielsetzung 'der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken', als zusätzliches Strafbemessungskriterium in das Gesetz eingefügt (worden). Nach der nunmehr geltenden Rechtslage kommt der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Strafe bei der Bemessung daher nicht mehr eine derart wesentliche Bedeutung wie bisher zu und sind Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten.'

Die Einführung von generalpräventiven Strafbemessungsgründen in § 93 Abs. 1 BDG hat seit dem 1. Jänner 2009 zur Konsequenz, dass dann, wenn aus generalpräventiven Gründen eine höhere Disziplinarstrafe als auf Grund spezialpräventiver Erwägungen erforderlich ist, diese (höhere) Disziplinarstrafe auszusprechen ist. Dies bedeutet gemäß den Gesetzeserläuterungen auch, dass 'bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen allein schon aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung auszusprechen' ist.

In Übereinstimmung mit dieser Judikatur des VwGH kann im vorliegenden Fall einer zweifellos besonders schweren Dienstpflichtverletzung im Kernbereich der Dienstpflichten - auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen der Erstinstanz wird verwiesen - eine niedrigere als die vom stellvertretenden Disziplinaranwalt beantragte Disziplinarstrafe der Entlassung auf Grund generalpräventiver Erwägungen nicht als adäquat erachtet werden. Denn würde bei einem derartig gravierenden Fehlverhalten mit einer geringeren Sanktion als der der Entlassung vorgegangen werden, dann könnte nicht davon ausgegangen werden, dass damit der Begehung solcher eine äußerst negative Vorbildwirkung entfaltender Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte/innen ausreichend entgegengewirkt wird. Niemand aus dem Vorgesetzten- und Kollegenkreis, aber auch die Allgemeinheit nicht, würde es verstehen, wenn bei einem derart langen Deliktszeitraum (ca. 1 Jahr) und einer derartigen Vielzahl an Bilddateien (ca. 160.000) eine andere Disziplinarstrafe als die Entlassung verhängt würde; nach den Erfahrungen des täglichen Lebens würde dies vielmehr dazu führen, dass daraus ein Freibrief für die Begehung derartiger schwerer Dienstpflichtverletzungen abgeleitet würde. Es bedarf daher der höchstmöglichen Disziplinarstrafe, um deutlich zu machen, dass ein derart massives Fehlverhalten nicht toleriert wird. Diesem generalpräventiven Erfordernis ist die erstinstanzliche Disziplinarkommission mit dem Ausspruch der Disziplinarstrafe der Geldstrafe iHv (im Ergebnis) fünf Monatsbezügen auch im Rahmen ihres Ermessensspielraumes bei der Strafbemessung nicht in ausreichendem Maß nachgekommen, weshalb die Strafhöhe vom erkennenden Senat der DOK auf die Disziplinarstrafe der Entlassung hinaufzusetzen war.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist eine Fortsetzung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses mit dem (Beschwerdeführer) nicht möglich, wobei sich die DOK bewusst ist, dass die Entlassung als schwerste Disziplinarstrafe - im Hinblick auf ihre Auswirkung - nur dann verhängt werden soll, wenn keine andere Strafart der Schwere der erwiesenen Dienstpflichtverletzung und den angestellten präventiven Erwägungen entspricht. Da die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung für die vorliegende Dienstpflichtverletzung sowohl objektiv gerechtfertigt als auch generalpräventiv geboten ist, war spruchgemäß zu entscheiden und die über den (Beschwerdeführer) in erster Instanz verhängte Disziplinarstrafe der Geldstrafe auf diejenige der Entlassung gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG zu erhöhen. Bei der Strafbemessung konnte die DOK unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des VwGH zu keinem anderen Ergebnis kommen. Da die Fortsetzung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses unter diesen Umständen nicht möglich ist, muss der (Beschwerdeführer) in Kauf nehmen, dass dies zur Auflösung seines Dienstverhältnisses führt. Die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des (Beschwerdeführers) wurden vom erkennenden Senat der DOK in seine Erwägungen miteinbezogen, konnten jedoch im Ergebnis zu keiner niedrigeren Strafbemessung führen. Auf die Möglichkeit eines Antrages gemäß Art. I § 1 Abs. 1 Überbrückungshilfegesetz wird hingewiesen.

Zu erwähnen bleibt, dass im Bereich der Privatwirtschaft bereits weit geringere Verfehlungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen und von einem Beamten als Gegenleistung für die ihm gebotene soziale Sicherheit u.a. ein besonderes Maß an Treue und Integrität erwartet wird. Es war auch nicht außer Acht zu lassen, dass diese Disziplinarstrafe lediglich die Folge des vom (Beschwerdeführer) selbst zu verantwortenden Fehlverhaltens ist und eine unangebrachte Milde der Disziplinarbehörden in der Öffentlichkeit und in der Kollegenschaft kein Verständnis fände.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der DOK konnte gemäß §§ 125a Abs. 3 Z 4 und Z 5 iVm 95 Abs. 2 BDG auf Grund der Bindungswirkung Abstand genommen werden; überdies wurde die Disziplinarstrafe der Entlassung ausschließlich auf Grund generalpräventiver Erwägungen ausgesprochen."

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21. Jänner 2013 zugestellt. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof endete am 4. März 2012.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I.) Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Mit dem vorliegenden, am 15. März 2013 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid. Er begründet dies damit, dass sein Rechtsvertreter die Bescheidbeschwerde am Vormittag des 4. März 2013 unterfertigt, die Anzahl der Beschwerdeausfertigungen und die Beilage des bekämpften Bescheides kontrolliert, sowie den Überweisungsträger betreffend der Einzahlungsgebühr unterfertigt und seiner langjährig (23 Jahre) bei Rechtsanwälten beschäftigten äußerst zuverlässigen Sekretärin zur fristwahrenden Postaufgabe am selben Tag übergeben habe.

Im Übrigen wird das Organisationssystem in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers dargelegt.

Die Sekretärin habe die gesamte nicht eingeschriebene Kanzleipost dieses Tages im Postsackerl mitgenommen. Die gegenständliche Beschwerde und der unterfertigte Überweisungsträger haben sich dagegen in ihrer Handtasche befunden. Beim Postamt habe sie nur den Inhalt des Postsackerls zur Abgabe gebracht, auf die in der Handtasche befindliche Beschwerde ("Einschreiber") jedoch vergessen. Dies sei ihr erst am 5. März 2013 in der Früh beim Umräumen des Handtascheninhalts in eine andere Handtasche aufgefallen. Sie habe unmittelbar danach den Vertreter des Beschwerdeführers informiert.

Das im Wiedereinsetzungsantrag enthaltene Tatsachenvorbringen ist u.a. durch eidesstättige Erklärungen des genannten Rechtsvertreters und seiner Kanzleileiterin vom 11. März 2013 bescheinigt. Der Verwaltungsgerichtshof legt es seiner Entscheidung zu Grunde.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Die Partei muss das Verhalten ihres Rechtsvertreters gegen sich gelten lassen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes umfasst die anwaltliche Sorgfaltspflicht auch die Überwachung des Umstandes, ob die Schriftstücke in gesetzmäßiger Anzahl und Form, versehen mit den notwendigen Unterschriften versandbereit sind, nicht aber etwa die näheren Umstände der Postaufgabe solcher Schriftstücke. Die laufende Nachprüfung rein manipulativer Tätigkeiten einer erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikraft würde die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwaltes überspannen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 25. April 2006, Zl. 2005/21/0017).

Nach dem bescheinigten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die verfasste Beschwerdeschrift am 4. März 2013, also rechtzeitig, unterfertigt und seiner Sekretärin zur Postaufgabe überreicht hat. Am 5. März 2013 ist hervorgekommen, dass die Postaufgabe irrtümlich unterblieben ist. Da keine Umstände vorliegen, die den Vertreter des Beschwerdeführers zur Kontrolle hätten veranlassen müssen, ob die Postaufgabe tatsächlich durchgeführt wurde, und ihm somit keine Verletzung seiner Überwachungspflicht vorgeworfen werden kann, war die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

II.) Zur Disziplinarstrafe der Entlassung:

Soweit die Beschwerde meint, die belangte Behörde orientiere sich bei der Strafbemessung unzulässig ausschließlich an Belangen der Generalprävention, unterlegt sie dem angefochtenen Bescheid einen unzutreffenden Inhalt. Vielmehr geht die belangte Behörde von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. September 2008, Zl. 2007/09/0320) aus, wonach es sich beim Disziplinarrecht der Beamten nicht um vertyptes Strafrecht in dem Sinne handelt, dass für jeden im Gesetz definierten Straftatbestand eine im Gesetz festgelegte Strafdrohung mit einem dem objektiven Unrechtsgehalt des Straftatbestandes angemessenen Strafrahmen festgelegt ist. Dem gegenüber hat die Disziplinarkommission eine Einschätzung des objektiven Unrechtsgehaltes der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung und damit den möglichen Rahmen einer in Betracht kommenden Disziplinarstrafe im konkreten Fall vorzunehmen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 16. Oktober 2008, Zl. 2007/09/0136 und Zl. 2007/09/0137, sowie vom 29. April 2011, Zl. 2009/09/0132), dass das vom Beschwerdeführer begangene Delikt nach § 207a StGB als derart schwerwiegend anzusehen ist, dass die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht zu ziehen ist.

Soweit die Beschwerde auf die Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz zur Schwere der Tat verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Disziplinarbehörde erster Instanz zur Schuld völlig verfehlt ausgeführt hat: "Im gegenständlichen Fall kam der Senat zum Schluss, dass es der (Beschwerdeführer) für möglich gehalten hat, dass das Aufsuchen von Internetseiten mit pornografischen Abbildungen disziplinär verfolgt werden würde, er hat sich aber damit abgefunden."

Diese verharmlosende Darstellung der Schuld des Beschwerdeführers ist angesichts der gemäß § 207a Abs. 3a StGB - nach dieser Norm wird bestraft, wer "im Internet wissentlich auf eine pornografische Darstellung Minderjähriger zugreift" - erfolgten Verurteilung und des im Spruch genannten gezielten Zugriffs auf schon dem Namen nach als einschlägige Kinderpornografieseiten erkennbare internet-Adressen nicht nachvollziehbar. Es kommt beim Verschulden zudem nicht darauf an, ob der Täter bei der Begehung einer nach dem StGB strafbaren Handlung eine disziplinäre Verfolgung - neben der strafrechtlichen Verfolgung - zu bedenken hatte. Schon deshalb ist der belangten Behörde zu folgen, dass die Schwere der Tat von der Behörde erster Instanz als zu gering gewertet wurde.

Gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 ist die Disziplinarbehörde an die dem rechtskräftigen Spruch eines Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes gebunden. Diese Bindung umfasst die Feststellung von sowohl die äußere als auch die innere Tatseite betreffenden Tatsachen.

§ 207a StGB in der Fassung des Zweiten Gewaltschutzgesetzes

BGBl. I Nr. 40/2009 lautet auszugsweise:

"Pornographische Darstellungen Minderjähriger

§ 207a. (1) …

(3) Wer sich eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person (Abs. 4 Z 3 und 4) verschafft oder eine solche besitzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist zu bestrafen, wer sich eine pornographische Darstellung einer unmündigen Person (Abs. 4) verschafft oder eine solche besitzt.

(3a) Nach Abs. 3 wird auch bestraft, wer im Internet wissentlich auf eine pornographische Darstellung Minderjähriger zugreift."

Die in dieser Bestimmung strafrechtlich sanktionierten Verbote dienen dem Schutz der ungestörten sexuellen und allgemein psychischen Entwicklung von Minderjährigen. Durch sie soll verhindert werden, dass sie als Darsteller pornographischen Materials missbraucht werden (vgl. Philipp, zu § 207a StGB, in: Wiener Kommentar zum StGB, 2. Auflage, 31. Lfg. 2012, RZ 1 und 5).

Der Oberste Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 11. Februar 1999, 15Os190/98, ausgeführt, dass Auswirkungen eines sexuellen Missbrauchs im Kindesalter oft zu einer gestörten Entwicklung des Opfers führen und daher die Folgen eines Kindesmissbrauchs unmittelbar nach der Tat noch nicht abzusehen seien.

Die geltenden Bestimmungen sind das Ergebnis einer verstärkten Sanktionierung des Umgangs mit kinderpornographischem Material in den letzten Jahren. Die Schutzaltersgrenze bei der Definition verbotenen kinderpornografischen Materials wurde mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 (BGBl. I Nr. 15/2004) mit Wirksamkeit vom 1. Mai 2004 von 14 auf 18 Jahre angehoben. Das wissentliche Zugreifen im Internet auf eine pornographische Darstellung wurde sodann mit dem Zweiten Gewaltschutzgesetz durch die Einfügung des Abs. 3a in § 207a mit Wirksamkeit vom 1. Juni 2009 für strafbar erklärt.

Diese Entwicklung erfolgte im Einklang mit überstaatlichen Regelungen auf internationaler und europäischer Ebene, welche die Verpflichtung zur strafrechtlichen Sanktionierung des Umgangs mit Kinderpornographie festlegen.

In Artikel 3 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie vom 25. Mai 2000, BGBl. III, 93/2004, wurde festgelegt, dass jeder Vertragsstaat sicherstellt, "dass mindestens die folgenden Handlungen und Tätigkeiten in vollem Umfang von seinem Strafrecht erfasst werden, gleichviel ob diese Straftaten im Inland oder grenzüberschreitend von einem Einzelnen oder auf organisierte Weise begangen werden: …

"c) das Herstellen, Vertreiben, Verbreiten, Einführen, Ausführen, Anbieten, Verkaufen oder Besitzen von Kinderpornographie im Sinne des Artikels 2 zu den genannten Zwecken."

Nach Artikel 20 Abs. 1 des Übereinkommens des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch vom 25. Oktober 2007, BGBl. III, Nr. 96/2011, trifft jede Vertragspartei die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um - unter anderem - "folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und rechtswidrig begangen, als Straftaten zu umschreiben: … "e) den Besitz von Kinderpornographie; den wissentlichen Zugriff auf Kinderpornographie mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologien; f) den wissentlichen Zugriff auf Kinderpornographie mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologien." Als "Kind" im Sinne dieses Übereinkommens ist gemäß Artikel 3 lit. a eine Person unter achtzehn Jahren definiert.

Mit der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates wurden für den österreichischen Gesetzgeber klare Vorgaben gegeben. Gemäß Art. 2 lit. a der Richtlinie gilt als Kind jede Person unter achtzehn Jahren. Artikel 5 Absätze 1 bis 3 der Richtlinie lauten:

"Artikel 5

Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie

(1) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliche Handlungen nach den Absätzen 2 bis 6 unter Strafe gestellt werden, wenn sie unrechtmäßig vorgenommen werden.

(2) Der Erwerb oder Besitz von Kinderpornografie wird mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bestraft.

(3) Der bewusste Zugriff auf Kinderpornografie mittels Informations- und Kommunikationstechnologie wird mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bestraft."

Gemäß Artikel 9 Abs. 1 des Übereinkommens über Computerkriminalität vom 23. November 2001, BGBl. III, Nr. 140/2012, trifft jede Vertragspartei "die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um u.a. folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben: ... "d das Beschaffen von Kinderpornographie über ein Computersystem für sich selbst oder einen anderen; e den Besitz von Kinderpornographie in einem Computersystem oder auf einem Computerdatenträger". Auch hier ist gemäß Abs. 2 leg. cit. der Ausdruck "Kinderpornographie" jedenfalls als pornographisches Material mit der visuellen Darstellung von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, definiert, wobei eine Vertragspartei jedoch eine niedrigere Altersgrenze vorsehen kann, wobei 16 Jahre nicht unterschritten werden dürfen.

Hinzuweisen ist noch auf den "dienstrechtlichen Amtsverlust" gemäß der Dienstrechts-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 120/2012, welcher in Folge des Tatzeitraumes im vorliegenden Fall zwar hier nicht zur Anwendung kommt, aber ab 2013 ein weiteres klares Unwerturteil des Gesetzgebers zum Ausdruck bringt: Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 3a BDG 1979 idF dieser mit 1. Jänner 2013 in Kraft getretenen Novelle wird das Dienstverhältnis eines Beamten durch eine rechtskräftige Verurteilung durch ein inländisches Gericht ausschließlich oder auch wegen eines Vorsatzdelikts gemäß den §§ 92, 201 bis 217, 312 und 312a StGB von Gesetzes wegen aufgelöst ("dienstrechtlicher Amtsverlust"), und zwar unabhängig vom Strafausmaß. Diese Regelung wird in den Erläuterungen der Regierungsvorlage damit begründet, dass strafgerichtliche Verurteilungen wegen dieser Straftaten das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Erfüllung der Aufgaben durch die betreffenden Beamtinnen und Beamten und durch den öffentlichen Dienst insgesamt derart massiv schädigten, dass es zu seiner Wiederherstellung einer sofortigen und unerbittlichen Reaktion des Dienstgebers bedarf (vgl. 2003 BlgNR 24. GP 6).

Liegt aber eine derartige Schwere der Dienstpflichtverletzung (hier neben der Schwere des Tatbildes auch: die sehr große Zahl an Zugriffen mit einer sehr hohen Zahl an Bilddateien während eines langen Tatzeitraumes von einem Jahr) vor, dann ist es nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde aus generalpräventiven Gründen die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung ausgesprochen hat, unabhängig davon, ob bei anderer zeitlicher Lagerung als im gegenständlichen Fall auf Grund der genannten Gesetzesnovelle die Auflösung des Dienstverhältnisses nunmehr ex lege einträte.

Wenn die belangte Behörde den festgestellten Milderungsgründen ein Gewicht zuerkannt hat, das der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung nicht entgegensteht, ist das nicht rechtswidrig.

Die von der Disziplinarkommission angesprochene psychische Belastung wurde vom Beschwerdeführer weder im folgenden Verwaltungsverfahren, in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konkretisiert oder belegt.

Der Beschwerdeführer rügt auch die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission und weist auf das hg. Erkenntnis vom 22. März 2012, Zl. 2011/09/0150, hin.

Dieser Hinweis geht schon deshalb fehl, weil - im Gegensatz zum vorliegenden Fall - in dem dem genannten Erkenntnis vom 22. März 2012 zu Grunde liegenden Fall § 93 BDG 1979 vor Inkrafttreten der Dienstrechts-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 147, anzuwenden war; zudem wurde dort der Sachverhalt, der zur Frage der Spezialprävention zu bewerten war, von der belangten Behörde anders als im Verfahren vor der Behörde erster Instanz dargestellt.

Im vorliegenden Fall geht es aber ausschließlich um die rechtliche Wertung der Schwere der Tat und nicht um eine Frage der Ergänzung oder Umwürdigung eines Sachverhaltes aus spezialpräventiver Sicht.

Die Beschwerde war daher nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Das Mehrbegehren wird im Hinblick auf § 1 Z. 2 lit. c der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008 abgewiesen.

Wien, am 25. Juni 2013

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