Normen
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
MRK Art3;
StGB §12 Fall3;
StGB §312 Abs1;
StGB §312 Abs3 Fall1;
StGB §34 Abs1 Z8;
Übk gegen Folter grausame und unmenschliche Behandlung Art4 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
MRK Art3;
StGB §12 Fall3;
StGB §312 Abs1;
StGB §312 Abs3 Fall1;
StGB §34 Abs1 Z8;
Übk gegen Folter grausame und unmenschliche Behandlung Art4 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (das ist der Strafausspruch) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligten wurden mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31. August 2006 des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens eines Gefangenen gemäß § 312 Abs. 1, Abs. 3, 1. Fall, der Viertmitbeteiligte teils als Beitragstäter gemäß § 12, 3. Fall StGB schuldig erkannt,
"sie haben am 7. April 2006 in Wien in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB), FM teils durch Unterlassen der ihn als Polizeibeamten treffenden Verpflichtungen zur Verhinderung von Straftaten (§ 2 StGB)) dem der Gewalt des CC, des HM und des NG unterworfenen Schubhäftling J körperliche und seelische Qualen zugefügt, indem KI CC, GrI HM und RvI NG den Häftling in eine leerstehende Lagerhalle brachten, ihm wiederholt und intensiv, teils durch Gesten (Vorzeigen eines einer Granate ähnlichen Gegenstandes, demonstratives Anlegen von Handschuhen) androhten, ihn umzubringen und ihn dadurch in Todesangst versetzten, ihn in gefesseltem Zustand in der Lagerhalle umherschleiften, ihm zahlreiche Faustschläge und Fußtritte versetzten und ihn mit einem Polizeifahrzeug von hinten vorsätzlich anfuhren und FM einerseits dadurch zu dieser Tat beitrug, dass er auf Grund telefonischer Ankündigung des Eintreffens der genannten drei Beamten mit dem Häftling das Tor der Lagerhalle öffnete und einen im Bereich der Lagerhalle aufhältigen Obdachlosen als möglichen Tatzeugen vertrieb und andererseits während der darauffolgenden, geschilderten Tätlichkeiten seiner Verpflichtung als Polizeibeamter, Straftaten nach Möglichkeit zu verhindern, nicht nachkam, sondern vielmehr bei den Tätlichkeiten untätig zusah, wobei die Tat eine schwere Verletzung, und zwar ein komplexes Bruchsystem im Bereich der oberen Gesichtshälfte, die das Stirnbein, die Augenhöhle und das rechte Jochbein umfasste, sowie eine Prellung der rechten Stirnhälfte mit Hautabschürfung, eine Schwellung des Ober- und Unterlides des rechten Auges, eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine Prellung der linken Schulter, Prellungen beider Hüften, ein Hämatom am linken Oberarm, eine Schürfung am linken Ellbogen und eine posttraumatische Belastungsstörung."
Die Erst- bis Drittmitbeteiligten wurden zu Freiheitsstrafen in der Dauer von acht Monaten, der Viertmitbeteiligte zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, wobei alle verhängten Freiheitsstrafen unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.
Zu den Strafbemessungsgründen führte das Gericht an:
"mildernd: Geständnis, bisherige Unbescholtenheit, das provokante Verhalten des J;
erschwerend: kein Umstand"
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. September 2007 wurden die Mitbeteiligten wie folgt schuldig erkannt (Schreibfehler im Original):
"KontrInsp. CS" (Anmerkung: vormals CC) "ist schuldig,
1. er habe am 7. April 2006 ab 7.50 Uhr gemeinsam mit seinen Kollegen GrInsp. HM und RevInsp. NG den Schubhäftling J nach der abgebrochenen Abschiebung ungefähr eine halbe Stunde lang in Wien, W-Straße, in einer dort leer stehenden Halle mit dem Umbringen bedroht, mit Faustschlägen, Tritten und Schlägen mittels Schlagstock misshandelt und gequält sowie durch Anfahren mit dem KFZ am Körper verletzt,
er habe dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BGD i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.
2. er habe als Vorgesetzter nicht darauf
Bedacht genommen, seinen Mitarbeitern GrInsp. HM und RevInsp. NG die Weisung zu erteilen, obiges Fehlverhalten einzustellen bzw. diese Missstände abzustellen,
er habe dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 45 Abs. 1 BGD i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.
Gegen den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 5 (fünf) Monatsbezügen verhängt.
GrInsp. HM ist schuldig,
er habe am 7. April 2006 ab 7.50 Uhr gemeinsam mit seinen Kollegen KontrInsp. CS und RevInsp. NG den Schubhäftling J nach der abgebrochenen Abschiebung ungefähr eine halbe Stunde lang in Wien, W-Straße, in einer dort leer stehenden Halle mit dem Umbringen bedroht, mit Faustschlägen, Tritten und Schlägen mittels Schlagstock misshandelt und gequält sowie durch Anfahren mit dem KFZ am Körper verletzt,
er habe dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BGD i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.
Gegen den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 4 (vier) Monatsbezügen verhängt.
RevInsp. NG ist schuldig,
er habe am 7. April 2006 ab 7.50 Uhr gemeinsam mit seinen Kollegen GrInsp. HM und KontrInsp. CS den Schubhäftling J nach der abgebrochenen Abschiebung ungefähr eine halbe Stunde lang in Wien, W-Straße, in einer dort leer stehenden Halle mit dem Umbringen bedroht, mit Faustschlägen, Tritten und Schlägen mittels Schlagstock misshandelt und gequält sowie durch Anfahren mit dem KFZ am Körper verletzt,
er habe dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BGD i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.
Gegen den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 4 (vier) Monatsbezügen verhängt.
RevInsp. FM ist schuldig,
er habe betreffend die oben angeführten Misshandlungen und Körperverletzungen an dem Schubhäftling J keine entsprechende Maßnahmen gesetzt, damit diese Misshandlungen beendet werden und habe somit durch Mittäterschaft an den Misshandlungen mitgewirkt,
er habe somit eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 1 und Abs. 2 BDG i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.
Gegen den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 3 (drei) Monatsbezügen verhängt."
Gegen die Bemessung des Strafausmaßes der Mitbeteiligten in diesem Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde des Disziplinaranwaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Der Viertmitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Disziplinaranwalt wirft der belangten Behörde vor, sie habe die von ihm in seiner Berufung geforderte Entlassung der Mitbeteiligten für nicht geboten gehalten und sogar bei drei Mitbeteiligten die Geldstrafen herabgesetzt. Die belangte Behörde habe sich dabei "vor allem mit den Milderungsgründen detailliert auseinandergesetzt, jedoch der dem Disziplinarrecht zukommenden Ordnungsfunktion, die 'Sauberkeit' und die Leistungsfähigkeit des Beamtentums zu erhalten und sein Ansehen zu wahren, zu wenig Beachtung geschenkt." Der Beschwerdeführer stützt seine Argumentation vor allem auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum "Untragbarkeitsgrundsatz". Folge unter Bedachtnahme auf die Schwere der Pflichtverletzung und die daraus entstandenen Nachteile die "Untragbarkeit" des Beamten für seinen Dienstgeber, könne anderen Strafbemessungsgründen, wie dem Grad des Verschuldens bzw. dem bisherigen Verhalten keine für die Frage der Strafbemessung ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommen. Sei ein weiteres Verbleiben des Beamten im Dienst untragbar geworden, bleibe für spezialpräventive Erwägungen kein Raum.
Wenngleich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115 u.a., auch diese und ähnliche Aussagen, welche darauf hinauslaufen, dass bei einem deliktischen Verhalten bestimmter Schwere im Hinblick auf die sich schon daraus ergebende "Untragbarkeit" alle weiteren im Gesetz genannten Kriterien der Strafbemessung nicht mehr zu untersuchen seien und für spezialpräventive Erwägungen kein Raum bleibe, nicht mehr aufrechterhalten hat, erweist sich der angefochtene Bescheid dennoch aus folgenden Gründen als rechtswidrig:
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zwar Erschwerungs- und Milderungsgründe in Betracht gezogen. Sie hat aber außer Acht gelassen, dass sie bei ihren Strafbemessungserwägungen sowohl von einem sehr hohen Unrechtsgehalt der Tat (Schwere der Dienstpflichtverletzung) als auch von einem hohen disziplinären Überhang auszugehen hatte.
Anders als beim gerichtlichen Strafrecht oder dem Verwaltungsstrafrecht handelt es sich beim Disziplinarrecht der Beamten nicht um ein vertyptes Strafrecht in dem Sinne, dass für jeden im Gesetz definierten Straftatbestand eine im Gesetz festgelegte Strafdrohung mit einem dem objektiven Unrechtsgehalt des Straftatbestandes angemessenen Strafrahmen festgelegt wäre. Im Disziplinarrecht ist es im Unterschied dazu vielmehr Aufgabe der Disziplinarkommission, eine solche Einschätzung des objektiven Unrechtsgehaltes der dem Beschuldigten vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung und damit des möglichen Rahmens einer in Betracht kommenden Strafe bei Ermittlung der "Schwere der Dienstpflichtverletzung" im Sinne des § 93 Abs. 1 BDG 1979 als Ausgangspunkt für die Bemessung der Strafe im konkreten Fall vorzunehmen. Die Schwere der Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist "wesentlich ... durch das objektive Gewicht, d.h. den Unrechtsgehalt der Tat als Schwere der Rechtsgutbeeinträchtigung konstituiert" (Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 3. Auflage 2003, 79 f).
Zwar darf das Maß der Strafe jenes der Schuld nicht übersteigen. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042, darauf hingewiesen, dass es sich bei der Entlassung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 um eine Strafe handelt und sich die Disziplinarkommission auch bei einer objektiv schwer wiegenden Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren hat. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass er dem entgegen stehende Aussagen in seiner früheren Rechtsprechung, wonach es im Fall der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung bloß auf die Untragbarkeit des Beamten in objektiver Hinsicht ankomme, nicht mehr aufrecht erhält.
Dies hat aber nichts daran geändert, dass bei der Beurteilung des Ausmaßes der "Schwere der Dienstpflichtverletzung" im Sinne des § 93 Abs. 1 BDG 1979, vom objektiven Unrechtsgehalt der Dienstpflichtverletzung auszugehen ist. Bei dieser Beurteilung ist nicht nur auf die durch die Tat verletzten dienstrechtlichen oder strafrechtlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen, sondern auch auf den Unwert der Tat vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung.
Bei der Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung darf im gegenständlichen Fall nicht außer Betracht bleiben:
Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, BGBl. Nr. 492/1987, "bezeichnet der Ausdruck 'Folter' jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden."
Gemäß Art. 4 des Übereinkommens hat jeder Vertragsstaat Sorge dafür zu tragen, "dass nach seinem Strafrecht alle Folterhandlungen als Straftaten gelten. Das Gleiche gilt für versuchte Folterung und für von irgendeiner Person begangene Handlungen, die eine Mittäterschaft oder Teilnahme an einer Folterung darstellen" (Abs. 1). "Jeder Vertragsstaat bedroht diese Straftaten mit angemessenen Strafen, welche die Schwere der Tat berücksichtigen" (Abs. 2).
In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu Art. 4 ist ausgeführt, dass der Bestimmung durch das StGB Rechnung getragen werde, wobei die Strafbestimmung des § 312 StGB hervorzuheben sei (vgl. 65 BlgNR 17. GP, 27). Wegen dieser Bestimmung, und zwar mit der erschwerenden Qualifikation des Abs. 3, sind die Mitbeteiligten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.
Unter Bindung an dieses Strafurteil war daher auch die belangte Behörde gehalten, die Verpflichtung gemäß Art. 4 Abs. 2 des Übereinkommens, alle Folterhandlungen und ebenso die Mittäterschaft oder Teilnahme an einer Folterung als Straftaten festzulegen, welche die Schwere der Tat berücksichtigen, in ihre Überlegungen zur Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 einzubeziehen. Dass sie hinsichtlich des Erst- bis Drittmitbeteiligten als Erschwerungsgrund (§ 33 Z. 7 StGB) gewertet hat, dass diese bei der Tatbegehung die Wehr- und Hilflosigkeit des Schubhäftlings ausgenützt haben, wird den obigen Forderungen nur unzulänglich gerecht.
Hinzuweisen ist im vorliegenden Fall darauf, dass der unabhängige Verwaltungssenat Wien mit Erkenntnis vom 18. Februar 2008, Zl. UVS-02/12/4546/2006-25, festgestellt hat, dass "der Beschwerde Folge gegeben und die Verletzung von persönlichen Rechten des Beschwerdeführers durch Misshandlungen und Bedrohungen am 7.4.2006 durch die Organe der belangten Behörde festgestellt" wurde.
Auch die besondere Verpflichtung der Mitgliedstaaten der EMRK zur Erlassung von Strafvorschriften und zu einer effektiven Ermittlung und zur Verfolgung der Täter im Fall von Verletzungen des in der Verfassungsbestimmung des Art. 3 EMRK normierten Verbots der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (vgl. dazu etwa die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 17. Oktober 2006, Nr. 52067/99, im Fall Okkali v. Turkey, Rz 71 ff, und vom 8. April 2008, Nr. 42942/02, im Fall Ali und Ayse Duran v. Turkey, Rz 59 ff, mwN) ist für die Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung von Bedeutung.
Es ist weiters ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 als gravierend ins Gewicht fällt, wenn ein Beamter durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung (etwa als Exekutivbeamten) oblag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0021). An dieser Auffassung hat sich auch durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, grundsätzlich nichts geändert.
Die belangte Behörde hat diese Überlegungen nicht in Betracht gezogen und deshalb die Schwere der Dienstpflichtverletzungen der Mitbeteiligten im Sinne des § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 als zu gering eingeschätzt. Damit geht ihre Strafbemessung von einer unrichtigen Prämisse aus.
Die Auffassung der belangten Behörde, die Schwere der Dienstpflichtverletzungen sei dem hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0181, zu Grunde liegenden Fall "annähernd gleich", kann nicht geteilt werden.
Im angeführten Fall hatte ein Zollbeamter einer Partei einen einzelnen Schlag in das Gesicht mit der Folge einer schweren Körperverletzung versetzt, nachdem er von diesem beleidigend provoziert worden war. Davon unterscheidet sich die Vorgangsweise der Mitbeteiligten ganz wesentlich, weil sie die schweren Misshandlungen, schweren Körperverletzungen und Erniedrigungen sowie die Scheinhinrichtung beim Häftling zwar nach Provokation durch den Schubhäftling, jedoch in zeitverschobener Weise auf vorbedachte und organisierte Weise vorgenommen haben.
Für die Strafbemessung im engeren Sinn ergibt sich aus den obigen Überlegungen, dass je höher die Schwere der Dienstpflichtverletzung als Unrechtsgehalt der Tat im objektiven Sinne ist, umso eher bei der Ermittlung der konkreten Strafzumessungsschuld und des dafür maßgeblichen Erfolgsunwertes, des Handlungsunwertes sowie des Gesinnungsunwertes im konkreten Fall die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe überwiegen müssen, um von der Verhängung einer hohen Disziplinarstrafe absehen zu können. Bei einem sehr hohen Unrechtsgehalt der Tat können u.U. auch beträchtliche Milderungsgründe die Verhängung der schwersten Disziplinarstrafe (Entlassung) nicht verhindern.
Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht dazu berechtigt, die Strafbemessung an Stelle der belangten Behörde vorzunehmen. Da die belangte Behörde - es sei wiederholt - die objektive Schwere der Taten zu gering eingeschätzt hat, geht die weitere Strafzumessung von einer unrichtigen Prämisse aus. Die Überlegungen der belangten Behörde zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen und zur Spezialprävention setzen aber voraus, dass eine richtige Bewertung der objektiven Schwere der Tat getroffen wurde. Dies macht die nachprüfende Kontrolle der von der belangten Behörde herangezogenen Erschwerungs- und Milderungsgründe in ihren Auswirkungen auf die nach der objektiven Schwere der Tat höchstmöglichen Strafe unmöglich. Schon deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde noch zu beachten haben:
Bei der Strafzumessung im engeren Sinn wird die belangte Behörde darauf, dass die Mitbeteiligten eine Scheinhinrichtung vorgenommen haben und die Tat eine schwere Traumatisierung des Häftlings zur Folge hatte, und nicht nur allgemein auf die
"brutale Vorgangsweise ... die zu ... schweren Verletzungen
geführt hat", was den herangezogenen Erschwerungsgrund des § 33 Abs. 6 StGB in seiner Gewichtung ändert, Bedacht zu nehmen haben.
Zu Recht hat die belangte Behörde allerdings als Erschwerungsgrund gewertet, dass der Erstmitbeteiligte als Kommandant fungierte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2002, Zl. 2002/09/0056). Hinsichtlich der "nachträglichen Verabredung zwecks Vortäuschung eines Widerstandes gegen die Staatsgewalt durch den Schubhäftling" geht die belangte Behörde hinsichtlich des Erst- bis Drittmitbeteiligten zwar zu Recht von einem Erschwerungsgrund aus, sie misst diesem jedoch zu Unrecht ein relativ geringes Gewicht bei. Denn dass diese Mitbeteiligten ihre "Behauptung vor Gericht nicht aufrecht erhalten" haben, ist bloß eine Folge der Beweislage zu diesem Zeitpunkt.
Zu Unrecht hat die belangte Behörde zu Gunsten der Mitbeteiligten den Milderungsgrund des Geständnisses gemäß § 34 Abs. 1 Z. 17 StGB ins Treffen geführt. Nach dieser Gesetzesstelle ist es als ein Milderungsgrund zu werten, wenn der Täter "ein reumütiges Geständnis abgelegt oder durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat". Im vorliegenden Fall haben die Mitbeteiligten nach der Aktenlage jedoch ihre Taten zunächst, nachdem sie sich untereinander abgesprochen hatten, überhaupt abgestritten und in ihren ersten Vernehmungen ausgesagt, der Häftling habe sich die Verletzungen bei einem Fluchtversuch zugezogen und im Verfahren vor der Disziplinarbehörde noch ungeachtet der diesbezüglichen rechtskräftigen Feststellungen des Gerichts weiterhin bestritten, dass der Häftling mit einem Kraftfahrzeug angefahren worden sei. Überdies haben die Mitbeteiligten sogar im Verfahren vor der belangten Behörde noch versucht, die strafgerichtlichen Feststellungen in einzelnen Punkten zu relativieren. Der Milderungsgrund gemäß § 34 Abs. 1 Z. 17 StGB findet in der Aktenlage daher keine Deckung. Aus dem Strafurteil ist auch nicht zu entnehmen, auf welcher Tatsachenfeststellung der dort angenommene Milderungsgrund "Geständnis" beruht, sodass insofern jedenfalls keine Bindung eintreten konnte.
Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen den von der belangten Behörde angeführten Milderungsgrund gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 StGB. Bei den Erst- bis Drittmitbeteiligten lägen in den "Personalakten" Eintragungen vor, welche die von der belangten Behörde angenommene Tadellosigkeit ihres bisherigen dienstlichen Verhaltens erschüttern würden. Allerdings finden sich diese Eintragungen nicht in den Disziplinarakten und der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung diesbezüglich nichts ausgeführt, obwohl bereits die Behörde erster Instanz als Milderungsgrund gewertet hat, dass es sich bei allen Mitbeteiligten um "unbescholtene und laut Dienstbeschreibung sehr verlässliche Beamte mit langjähriger Diensterfahrung" handle.
Das seit der Tat vorliegende "dienstliche Wohlverhalten" wurde von der belangten Behörde wegen der bis zum Zeitpunkt der Entscheidung beurteilbaren kurzen Zeitspanne zu Recht als nur geringfügig gewichtet.
Der Beschwerdeführer zeigt aber zutreffend auf, dass die belangte Behörde den aus ihrer Sicht "gewichtigen" Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z. 8 StGB, dass sie "sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen" ließen, dem Erst- bis Drittmitbeteiligten in verfehlter Weise zugesteht. Vielmehr wäre in Betracht zu ziehen gewesen, dass die Mitbeteiligten die Dienstpflichtverletzungen offensichtlich vorsätzlich und auf vorbedachte und organisierte Weise vorgenommen haben. Das "provokante Verhalten" des Schubhäftlings tritt demgegenüber schon deshalb in den Hintergrund, weil ein solches Verhalten zum normalen Risikobereich eines mit der Abschiebung von Schubhäftlingen betrauten Exekutivbeamten zählt und sie für solche Situationen besonders geschult werden. Aus dem Strafurteil ist auch nicht zu entnehmen, auf welcher Tatsachenfeststellung der dort angenommene Milderungsgrund "das provokante Verhalten des J" beruht, sodass insofern jedenfalls keine Bindung eintreten konnte.
Bei der Beurteilung gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 wird sich die belangte Behörde mit der Verlässlichkeit der - auch in den Dienstpflichtverletzungen zum Ausdruck gebrachten - Persönlichkeiten der Mitbeteiligten zu befassen haben (vgl. zur Spezialprävention allgemein Ebner, zu § 32, Rz 27 ff, in:
Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2003). Hiebei kann die Einschätzung der belangten Behörde, die Mitbeteiligten seien "nicht von gewalttätiger Natur", angesichts der Eigenart der Dienstpflichtverletzungen ohne Weiteres nicht nachvollzogen werden.
Der in der Gegenschrift des Viertmitbeteiligten vorgenommene Versuch, dessen Verhalten in einem gegenüber den anderen Beteiligten günstigeren Licht darzustellen, vermag an der gegenständlichen Entscheidung nichts zu ändern.
Auch das in dem bereits erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, hervorgehobene Erfordernis der Bedachtnahme auf spezialpräventive Gründe schließt es - wie zur Vermeidung von Missverständnissen anzumerken ist - nicht aus, schon nach der ersten Dienstpflichtverletzung die Disziplinarstrafe der Entlassung auszusprechen, wenn diese Dienstpflichtverletzung - wie im vorliegenden Fall - sehr schwer ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 18. September 2008
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