VfGH V45/2023

VfGHV45/202316.9.2024

Gesetzwidrigkeit einer GeschwindigkeitsbeschränkungsV betreffend die B 174 mangels hinreichender Konkretisierung des örtlichen Geltungsbereichs; keine hinreichende Konkretisierung des Endes der Geschwindigkeitsbeschränkung wegen versetzter Einmündung der Andechsstraße an zwei unterschiedlichen – 80m voneinander entfernten – Stellen; signifikante Abweichung des Aufstellungsortes des Verkehrszeichens (ca 290m) vom räumlichen Geltungsbereich der Verordnung

Normen

B-VG Art18 Abs1, Art139 Abs1 Z1
GeschwindigkeitsbeschränkungsV des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16.01.1995 betreffend die Amraser-See-Straße (B 174)
StVO 1960 §43, §44, §52
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:V45.2023

 

Spruch:

I. Punkt 3. der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Jänner 1995, Zlen VI/2 – 16609/1994 – STV und VI/2 – 264/1995 –STV, kundgemacht durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, der Verfassungsgerichtshof möge

"den Punkt 3. der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 16.01.1995, Zl VI/2-16609/1994-STV, VI/2-264/1995-STV, wegen Verstoßes gegen Art18 B‑VG und wegen Verstoßes gegen §44 Abs1 StVO 1960 […] beheben,

 

in eventu […] die gesamte Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 16.01.1995, Zl VI/2-16609/1994-STV, VI/2-264/1995/STV, wegen Verstoßes gegen Art18 B‑VG und wegen Verstoßes gegen §44 Abs1 STVO 1960 […] beheben."

 

II. Rechtslage

1. Die Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Jänner 1995, VI/2 – 16609/1994 – STV und VI/2 – 264/1995 – STV, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original, die mit dem Hauptantrag angefochtene Wort- und Zeichenfolge ist hervorgehoben):

"V E R O R D N U N G

 

Auf Grund der Bestimmungen der §§43 Abs1 litb und 94 b StVO 1960, BGBl 159, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl Nr 518/1994, wird einvernehmlich mit der Bundespolizeidirektion Innsbruck, dem Straßenerhalter, dem Baubezirksamt Innsbruck und dem Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr im Interesse der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs folgende Verkehrsregelung verfügt:

 

AMRASER-SEE-STRASSE (B 174)

 

1. 'Halten und Parken verboten' (§52 Z13 b StVO 1960)

beidseitig, im Bereich zwischen dem Ortsanfang bzw Ortsende und der Andechsstraße bzw der Dr.‑Ferdinand‑Kogler‑Straße

 

2. 'Ortstafel' (§53 Z17 a StVO 1960) bzw 'Ortsende" (§53 Z17b StVO 1960)

bei der Autobahnabfahrt Innsbruck-Ost bei Autobahnkilometer 0,550 ('Ende der Autobahn' bzw 'Autobahn' gem. §53 Z8 b bzw 8 a StVO 1960) in Fahrtrichtung Westen bzw Osten;

auf einer Zusatztafel zum Ortsanfang sind sämtliche für das gesamte Ortsgebiet Innsbruck verordneten Verkehrsbeschränkungen anzubringen

 

3. 'Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h'

(§52 Z10 a StVO 1960)

im Bereich zwischen dem Ortsanfang bzw Ortsende und der Andechsstraße bzw der Dr.‑Ferdinand‑Kogler‑Straße in beiden Fahrtrichtungen

 

4. 'Fahrverbot für Fahrräder' (§52 Z8 c StVO 1960)

a) von der Kreuzung mit dem Griesaufweg, für den Verkehr in Fahrtrichtung Westen

b) von der Abfahrt zur Ampasser Landesstraße L 283, unmittelbar südlich der Agip Tankstelle Amraser-See-Straße 64, für den Verkehr in Fahrtrichtung Os ten

 

Dieser Verordnung entgegenstehende Verkehrsregelungen werden hiedurch gleichzeitig außer Kraft gesetzt.

 

Für den Bürgermeister:

Der Amtsvorstand:

[…]"

 

2. Die für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung anzuwendenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1960_159_0/1960_159_0.pdf , lauten in der jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

 

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a) […]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. […]

c)–d) […].

 

(1a)–(11) […]

 

§44. Kundmachung der Verordnungen.

 

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

 

(1a)–(5) […]

 

[…]

 

§52. Die Vorschriftszeichen

 

Die Vorschriftszeichen sind

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,

b) Gebotszeichen oder

c) Vorrangzeichen.

 

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen

 

1.–9d. […]

10a. 'GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG (ERLAUBTE HÖCHSTGESCHWINDIG-KEIT)'

[Zeichen]

Dieses Zeichen zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist. Ob und in welcher Entfernung es vor schienengleichen Eisenbahnübergängen anzubringen ist, ergibt sich aus den eisenbahnrechtlichen Vorschriften.

10b.–14b. […]

 

b) Gebotszeichen.

 

15.–22a. […]

 

c) Vorrangzeichen

 

23.–25b. […]"

 

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 8. August 2022 wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol die Begehung folgender Verwaltungsübertretungen am 8. Juni 2022, um 9.30 Uhr, in 6020 Innsbruck, Amraser-See-Straße, in Fahrtrichtung Westen, zur Last gelegt: Er habe 1.367,3 Meter östlich von der Bushaltestelle DEZ/Einkaufszentrum die an diesem Ort, welcher im Ortsgebiet liege, durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h überschritten, 2. auf Höhe der Bushaltestelle DEZ/Einkaufszentrum dem von einem Straßenaufsichtsorgan mittels erhobenen Armes deutlich sichtbar gegebenen Zeichen zum Anhalten nicht Folge geleistet, weil die Fahrt ununterbrochen fortgesetzt worden sei, und 3. an dem zu 2. genannten Ort zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre. Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: 1. §52 lita Z10a StVO 1960, 2. §97 Abs5 StVO 1960 und 3. §18 Abs1 StVO 1960. Über den Beschwerdeführer wurden daher gemäß §99 Abs3 lita und j StVO 1960 Geldstrafen in Höhe von insgesamt € 240,– (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von insgesamt vier Tagen und 14 Stunden) verhängt. Ferner wurde ihm ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von € 30,– vorgeschrieben.

2. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Tirol den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag.

2.1. Zur Präjudizialität der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung bringt das Landesverwaltungsgericht Tirol vor, dass diese eine Voraussetzung der Entscheidung im Beschwerdeverfahren bilde, weil sich der Tatort der angelasteten Verwaltungsübertretung in ihrem Anwendungsbereich befinde.

2.2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt sodann seine Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar:

2.2.1. Die angefochtene Verordnungsbestimmung sei gesetzwidrig, weil sie nicht ausreichend determiniert sei.

Nach §43 Abs1 litb StVO 1960 sei der Gesetzgeber verpflichtet, den örtlichen Geltungsbereich einer auf diese Bestimmung gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben. Es sei daher unzulässig, den örtlichen Geltungsbereich nur in groben Zügen anzuführen, sondern vielmehr erforderlich, festzulegen, auf welcher Strecke – beginnend und endend mit bestimmten Punkten – die Verkehrsteilnehmer die vorgesehenen Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten hätten. Eine Verordnung müsse so bestimmt sein, dass für den Normunterworfenen bereits anhand des Verordnungstextes selbst – und einer allenfalls von der Verordnung mitumfassten planlichen Darstellung oder dergleichen – zweifelsfrei zum Ausdruck komme, für welche Bereiche diese Anordnung gelte, sodass er sich danach richten könne.

Die Bestimmung der Orte für die Anbringung der Straßenverkehrszeichen für die Verordnung der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung würden diesen Anforderungen an die genaue Festlegung der Strecke, auf der die vorgesehene zulässige Höchstgeschwindigkeit einzuhalten sei, nicht entsprechen: Bei der Umschreibung des für das vorliegende Verfahren präjudiziellen Bereiches mit den Worten "zwischen dem Ortsanfang … und der Andechsstraße …" sei der Endpunkt der verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung nicht hinreichend konkretisiert, zumal der Verordnung auch keine planliche Darstellung zugrunde liege. Die rechte Fahrspur der Amraser-See-Straße (B 174) werde in Fahrtrichtung Westen zur Abbiegespur in Fahrtrichtung Norden in die Andechsstraße. Etwa 80 Meter danach münde eine Spur der Andechsstraße in Fahrtrichtung Süden in die Amraser-See-Straße (B 174) ein. Dort sei das Straßenverkehrszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung 50 km/h" angebracht, wodurch die davor geltende Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h beendet werde. Durch die vom Verordnungsgeber gewählte Formulierung bleibe offen, ob das Ende der Geschwindigkeits-beschränkung am Beginn, in der Mitte oder aber am Ende des Kreuzungsbereiches zur Andechsstraße liege. Dieser Bereich umfasse einen Abschnitt von etwa 80 Metern, sodass das Ende der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung sich nach dem Wortlaut der Verordnung innerhalb eines Bereiches von 80 Metern befinde. Dies entspreche nicht der Anforderung einer möglichst genauen Umschreibung des örtlichen Geltungsbereiches einer Verordnung im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Es bestünden ferner auch rechtliche Bedenken im Hinblick auf die Formulierung des Beginns des Geltungsbereiches der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung. Dieser werde in Fahrtrichtung Westen mit "Ortsanfang" umschrieben. Dieser Begriff sei – im Gegensatz zu dem Begriff "Ortsende" – der StVO 1960 fremd. Gemäß §53 Z17a StVO 1960 sei am Beginn des verbauten Gebietes die "Ortstafel" anzubringen, die den Namen des Ortes angebe. In der angefochtenen Verordnungsbestimmung werde der Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung jedoch nicht bei der "Ortstafel" verfügt, sondern bei dem nicht näher erläuterten Begriff "Ortsanfang". Es sei daher nicht ausreichend klar festgelegt, wo der Beginn der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung festgelegt sei.

2.2.2. Die angefochtene Verordnungsbestimmung sei darüber hinaus mangels ordnungsgemäßer Kundmachung gesetzwidrig.

Aus einem Aktenvermerk des Straßen- und Verkehrsamtes vom 19. April 1995 folge, dass die angefochtene Geschwindigkeitsbeschränkung durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen kundegemacht worden sei. Das Straßenverkehrszeichen sei jedoch nicht beim "Ortsanfang" – soweit damit die "Ortstafel" zu verstehen sei – kundgemacht worden, sondern 286,2 Meter bzw 287,4 Meter davon entfernt. Dies ergebe sich aus einem im Akt einliegenden E-Mail samt Aktenvermerk vom 11. April 2023. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu §44 Abs1 StVO 1960 handle es sich dabei um eine signifikante Abweichung, die zu einer nicht gesetzmäßigen Kundmachung und damit zur Gesetzwidrigkeit einer Verordnung führe.

Auch das Ende der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung sei nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol nicht ordnungsgemäß kundgemacht, weil die diesbezügliche Formulierung ("im Bereich zwischen dem Ortsanfang … und der Andechsstraße …") allenfalls dahingehend interpretiert werden könne, dass das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung bereits dort verfügt worden sei, wo die Andechsstraße erstmalig die Amraser-See-Straße kreuze. Tatsächlich sei das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung in Fahrtrichtung Westen jedoch erst ca 80 Meter danach, bei der Einmündung der Fahrspur der Andechsstraße in Fahrtrichtung Süden in die Amraser-See-Straße, durch das Straßenverkehrszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h" kundgemacht worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Abstand des tatsächlichen Aufstellungsortes von jenem, der durch die Verordnung festgelegt worden sei, von fünf Metern oder mehr jedenfalls nicht mehr als ordnungsgemäße Kundmachung anzusehen.

2.2.3. Abschließend führt das Landesverwaltungsgericht Tirol im Hinblick auf den Anfechtungsumfang Folgendes aus: Der ins Treffen geführte Kundmachungsmangel betreffe ausschließlich die im Beschwerdeverfahren präjudizielle Verordnungsbestimmung, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h auf der Amraser-See-Straße im Bereich zwischen dem Ortsanfang und der Andechsstraße in Fahrtrichtung Westen verfügt werde. Für den Fall, dass in dem angefochtenen Punkt 3. der Verordnung jedoch nur die Worte "dem Ortsanfang bzw" sowie "und der Andechsstraße bzw" sowie "in beiden Fahrtrichtungen" aufgehoben würden, wäre für den verbleibenden Rest nicht mehr erkennbar, in welcher Fahrtrichtung die Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet wäre. Es bestehe daher insoweit ein untrennbarer Zusammenhang.

3. Die verordnungserlassende Behörde hat eine Kopie sowohl der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Jänner 1995, VI/2 – 16609/1994 – STV und VI/2 – 264/1995 – STV, als auch des darauf Bezug nehmenden Aktenvermerks über die Kundmachung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:

In Fahrtrichtung Westen beginne die angefochtene Geschwindigkeit bei der Ortstafel "Innsbruck". Dieser Standort sei eindeutig und präzise formuliert. Das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung sei laut Verordnungstext mit der Andechsstraße bzw mit der Dr.-Ferdinand-Kogler-Straße begrenzt. Sowohl in Fahrtrichtung Westen (Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung) als auch in Fahrtrichtung Osten (Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung) seien die entsprechenden Straßenverkehrszeichen jeweils am Ende des einmündenden Astes der Andechsstraße (für den Verkehr in Fahrtrichtung Westen) und der Dr.-Ferdinand-Kogler-Straße (für den Verkehr in Fahrtrichtung Osten) angebracht worden. Diese Aufstellungsorte seien aus Verkehrssicherheitsgründen an diesen beiden Positionen gewählt worden, ein anderer Aufstellungsort hätte die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt. Durch die Aufstellungsorte sei der Geltungsbereich der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung ausreichend bestimmt. Es werde allerdings eingeräumt, dass bei einer Erlassung der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung zum heutigen Tage eine präzisere Beschreibung bzw eine planliche Darstellung der Position der Straßenverkehrszeichen gewählt würde. Abschließend werde mitgeteilt, dass die Originale der vorgelegten Unterlagen sowie allfällige weitere Aktenteile nicht mehr vorhanden seien.

4. Die Tiroler Landesregierung hat mitgeteilt, dass sie über keine auf die in Prüfung gezogene Verordnung Bezug habende Akten verfüge und dass auf die Erstattung einer Äußerung verzichtet werde.

5. Der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol hat als mitbeteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der er sich den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol anschließt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht im Hinblick auf Art89 Abs1 B‑VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 davon aus, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B‑VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg 20.251/2018).

Die angefochtene Verordnungsbestimmung wurde ausweislich des von der verordnungserlassenden Behörde vorgelegten Aktenvermerks am 13. April 1995 durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen kundgemacht, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Normenprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil der Bestimmung nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.3. Die angefochtene Verordnungsbestimmung enthält eine Geschwindigkeitsbeschränkung für unterschiedliche Fahrtrichtungen auf derselben Wegstrecke. Dem Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol liegt ein Straferkenntnis zugrunde, in dem dem Beschwerdeführer ua zur Last gelegt wird, er habe im Geltungsbereich dieser Verordnungsbestimmung, in Fahrtrichtung Westen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten.

Die angefochtene Verordnungsbestimmung ist daher jedenfalls präjudiziell, soweit damit eine Geschwindigkeitsbeschränkung in Fahrtrichtung Westen verfügt wird. Soweit sich der Antrag darüber hinaus auch auf die Geschwindigkeitsbeschränkung in Fahrtrichtung Osten bezieht, betrifft er zwar eine Bestimmung, die im Anlassfall offenkundig nicht präjudiziell ist, die aber angesichts der Formulierung des Verordnungstextes ("im Bereich zwischen dem Ortsanfang bzw Ortsende und der Andechsstraße bzw der Dr.-Ferdinand-Kogler-Straße in beiden Fahrtrichtungen") in einem konkreten Regelungszusammenhang steht und nicht trennbar ist (zur offensichtlichen Trennbarkeit vgl VfSlg 20.251/2018 mwN).

Der Hauptantrag erweist sich daher als zulässig, sodass auf den Eventualantrag nicht weiter einzugehen ist.

1.4. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Hauptantrag insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

Der Antrag ist begründet.

2.2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol äußert zunächst das Bedenken, dass die angefochtene Verordnungsbestimmung gegen das Determinierungsgebot verstoße, weil sie den Anforderungen an die genaue Festlegung der Strecke, auf der die vorgesehene zulässige Höchstgeschwindigkeit einzuhalten sei, nicht entsprechen würde.

2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss der Inhalt einer Verordnung als Gesetz im materiellen Sinn das weitere Vollzugsgeschehen im Sinne des Art18 Abs1 B‑VG ausreichend vorherbestimmen (vgl VfSlg https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=7072&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=19592&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ) und insbesondere dem Normunterworfenen die Möglichkeit geben, sich dem Recht gemäß zu verhalten (VfSlg https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=19592&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=19721&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True mwN).

2.2.2. Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert, dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen (§43 Abs1 litb Z1 StVO 1960).

2.2.3. Nach dieser Bestimmung ist der Verordnungsgeber verpflichtet, den örtlichen Geltungsbereich einer auf §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben. Es ist daher unzulässig, den örtlichen Geltungsbereich nur in groben Zügen anzuführen, vielmehr ist es erforderlich festzulegen, auf welcher Strecke, beginnend und endend mit bestimmten Punkten, die Verkehrsteilnehmer die vorgesehene Verkehrsbeschränkung einzuhalten haben (zu Geschwindigkeitsbeschränkungen vgl etwa VwGH 19.10.1988, 87/03/0196; 19.10.1988, 88/03/0007; 5.9.2008, 2008/02/0011). Die Verordnung muss so bestimmt sein, dass für den Normunterworfenen bereits anhand des Verordnungstextes selbst – und einer allenfalls von der Verordnung mitumfassten planlichen Darstellung oder dergleichen (vgl auch VfSlg 7072/1973, 10.469/1985, 18.840/2009) – zweifelsfrei zum Ausdruck kommt, für welche Bereiche bzw welche Strecke diese Anordnung bzw Verkehrsbeschränkung gilt, sodass er sich danach richten kann (VfSlg 8658/1979).

2.2.4. Der Geltungsbereich der angefochtenen Verordnungsbestimmung entspricht diesen Anforderungen an die genaue Festlegung der Strecke, auf der die Geschwindigkeitsbeschränkung gilt, nicht, zumal von der angefochtenen Verordnungsbestimmung auch keine planliche Darstellung mitumfasst ist (vgl VfSlg 20.251/2018 mwN).

 

Entgegen den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol ist der Beginn des örtlichen Geltungsbereiches der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung durch die Formulierung "zwischen dem Ortsanfang" ausreichend konkretisiert festgelegt. Es steht für den Verfassungsgerichtshof fest, dass der "Ortsanfang" in Punkt 2. der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Jänner 1995 mit dem Standort der Ortstafel iSd §53 Z17a StVO 1960 gleichzusetzen ist, sodass für den Normunterworfenen schon allein anhand des Verordnungstextes zweifelsfrei zum Ausdruck kommt, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung ab dem Standort der Ortstafel gilt.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist jedoch insoweit im Recht, als es Bedenken dahingehend äußert, dass das Ende des Geltungsbereiches der mit der angefochtenen Verordnungsbestimmung verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung nicht hinreichend konkretisiert sei: Punkt 3. der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Jänner 1995 bezeichnet das Ende der auf der Amraser-See-Straße (B 174) verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h in der hier präjudiziellen Fahrtrichtung nach Westen mit "der Andechsstraße". Wie das Landesverwaltungsgericht Tirol zutreffend ausführt, kommen nach dieser Formulierung zwei unterschiedliche Standorte – die nach dem im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol ca 80 Meter voneinander entfernt liegen – in Betracht: Zum einen mündet die rechte Fahrspur der Amraser-See-Straße (B 174) in Fahrtrichtung Norden in die Andechsstraße, zum anderen mündet – etwa 80 Meter danach – eine Spur der Andechsstraße in Fahrtrichtung Süden in die Amraser-See-Straße (B 174) ein. Für den Normunterworfenen kommt daher anhand des Verordnungstextes nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, wie weit das Fahrverbot in der hier präjudiziellen Fahrtrichtung Westen gilt. Schon daraus folgt die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung, weil sie nicht den Erfordernissen an eine möglichst genaue Umschreibung des örtlichen Geltungsbereiches im Sinne der Rechtsprechung entspricht (vgl VfSlg https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=20251&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ).

2.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch das Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol gegen die gesetzmäßige Kundmachung der angefochtenen Verordnungsbestimmung zutrifft:

2.3.1. Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl VfGH 25.2.2019, V68/2018 mwN).

Der Vorschrift des §44 Abs1 StVO 1960 ist immanent, dass die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Zwar ist zur Kundmachung von Verkehrsbeschränkungen keine "zentimetergenaue" Aufstellung der Verkehrszeichen erforderlich (vgl dazu VwGH 13.2.1985, 85/18/0024; 25.1.2002, 99/02/0014; 10.10.2014, 2013/02/0276), jedoch wird dieser Vorschrift nicht Genüge getan und liegt ein Kundmachungsmangel vor, wenn der Aufstellungsort vom Ort des Beginns bzw Endes des verordneten Geltungsbereiches einer Verkehrsbeschränkung signifikant abweicht (vgl VfSlg 15.749/2000 mwN; zu den in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien vgl VwGH 3.7.1986, 86/02/0038; 16.2.1999, 98/02/0338; 22.2.2006, 2003/17/0138; 24.11.2006, 2006/02/0232; 5.9.2008, 2008/02/0011; 21.11.2008, 2008/02/0231; 25.11.2009, 2009/02/0095; 25.6.2014, 2013/07/0294; vgl auch VfSlg 20.251/2018).

2.3.2. Wie unter Punkt IV.2.2.4. bereits ausgeführt, wird in der angefochtenen Verordnungsbestimmung der Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung in der hier präjudiziellen Fahrtrichtung Westen mit dem Standort der Ortstafel festgelegt. Laut einem im Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol einliegenden E‑Mail der Polizeiinspektion Reichenau erfolgte die tatsächliche Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung jedoch 286,2 Meter bzw 287,4 Meter davon entfernt. Die Straßenverkehrszeichen waren daher – auch zum Tatzeitpunkt – 286,2 bzw 287,4 Meter von dem in der angefochtenen Verordnungsbestimmung verordneten Geltungsbereich entfernt angebracht.

2.3.3. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu §44 Abs1 StVO 1960 führt eine derart signifikante Abweichung zu einer nicht ordnungsgemäßen Kundmachung (VfSlg 20.251/2018 mwN). Auch wenn die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Kundmachung von Verordnungen iSd §44 Abs1 StVO 1960 je nach örtlichen Verkehrsverhältnissen eine bestimmte Fehlertoleranz vorsieht – die Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen hat nicht "zentimetergenau" zu erfolgen –, bewirkt die festgestellte Abweichung von 286,2 und 287,4 Metern im vorliegenden Fall eine nicht ordnungsgemäße Kundmachung. Die angefochtene Verordnungsbestimmung erweist sich daher auch aus diesem Grund als gesetzwidrig.

2.3.4. Gemäß Art139 Abs3 Z3 B‑VG hat der Verfassungsgerichtshof nicht nur die präjudiziellen Teile einer Verordnung, sondern die ganze Verordnung aufzuheben (vgl VfSlg 18.068/2007), wenn er zur Auffassung gelangt, dass die ganze Verordnung gesetzwidrig kundgemacht wurde. Diese Bestimmung ist von dem Gedanken getragen, den Verfassungsgerichtshof in die Lage zu versetzen, in all jenen Fällen, in denen die festgestellte Gesetzwidrigkeit der präjudiziellen Verordnungsstelle offenkundig auch alle übrigen Verordnungsbestimmungen erfasst, die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben (vgl VfSlg 19.128/2010).

Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft ausschließlich die angefochtene – in Fahrtrichtung Westen im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol präjudizielle und in Fahrtrichtung Osten angesichts der Formulierung der Verordnungsbestimmung von der präjudiziellen Bestimmung nicht trennbare – Geschwindigkeitsbeschränkung. Die Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Jänner 1995, VI/2 – 16609/1994 – STV und VI/2 – 264/1995 – STV, enthält weitere Verkehrsregelungen, die auf andere Weise, insbesondere durch Anbringung entsprechender Straßenverkehrszeichen, an näher bezeichneten Orten kundzumachen sind. Eine Aufhebung der ganzen Verordnung gemäß Art139 Abs3 Z3 B‑VG kommt daher im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht.

V. Ergebnis

1. Punkt 3. der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Jänner 1995, VI/2 – 16609/1994 – STV und VI/2 – 264/1995 – STV, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litj Tir Landes-VerlautbarungsG 2021.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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