VfGH A9/2019

VfGHA9/201924.9.2019

Zurückweisung einer Staatshaftungsklage mangels Darlegung eines qualifizierten Verstoßes gegen Unionsrecht durch den Verwaltungsgerichtshof

Normen

B-VG Art137 / sonstige Klagen
GlücksspielG §57 Abs1
GebührenG 1957 §33 AbsTP 17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2019:A9.2019

 

Spruch:

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Klage, Sachverhalt und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art137 B‑VG begehrt die klagende Partei, den Bund schuldig zu erkennen, den Betrag von € 3.929.548,58 samt 4% Zinsen seit dem 23. April 2019 sowie die (näher verzeichneten) Prozesskosten zuhanden ihres Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Die klagende Partei veranstaltete Ausspielungen in Form von Pokerturnieren und Poker-Cashgames.

2.2. Das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel qualifizierte die klagende Partei als Unternehmerin iSd §2 GSpG und schrieb ihr (bzw ihrer Rechtsvorgängerin) Glücksspielabgaben gemäß §57 Abs1 GSpG und Rechtsgeschäftsgebühren gemäß §33 TP 17 Abs1 Z7 litb Gebührengesetz 1957 (idF BGBl I 135/2009) vor. Das Bundesfinanzgericht wies die gegen die Abgabenbescheide erhobenen Beschwerden der klagenden Partei mit Erkenntnissen vom 25. September 2017 als unbegründet ab. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden mit Beschlüssen vom 26. Februar 2018 zu E3862/2017 und zu E3860/2017 gemäß Art144 Abs2 B‑VG ab und trat die Beschwerden gemäß Art144 Abs3 B‑VG an den Verwaltungsgerichtshof ab.

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Revisionen der klagenden Partei gegen die Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes mit Beschlüssen vom 22. Oktober 2018, Ro 2018/16/0028, und vom 21. Jänner 2019, Ro 2018/17/0007, wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art133 Abs4 B‑VG zurück.

2.4. Das Abgabenkonto der klagenden Partei wies zum 23. April 2019 einen Rückstand an Abgaben samt Nebengebühren in der Höhe von insgesamt € 3.929.548,58 aus. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 29. Mai 2019 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der klagenden Partei gemäß §70 IO mit Wirkung ab 30. Mai 2019 eröffnet. Das Oberlandesgericht Wien gab dem dagegen erhobenen Rekurs mit Beschluss vom 23. Juli 2019 keine Folge.

3. In der vorliegenden Klage nach Art137 B‑VG macht die einschreitende Partei einen Staatshaftungsanspruch gegen den Bund wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht geltend. Begründend führt die klagende Partei im Wesentlichen aus, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinen Beschlüssen vom 22. Oktober 2018, Ro 2018/16/0028, und vom 21. Jänner 2019, Ro 2018/17/0007, den Anwendungsvorrang des Unionsrechtes nicht beachtet und verkannt, dass die Gebühren für Rechtsgeschäfte nach §33 Abs1 Z7 litb Gebührengesetz 1957 (idF BGBl I 135/2009) und die Glücksspielabgabe nach §57 GSpG der Niederlassungsfreiheit gemäß Art49 AEUV und der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art56 AEUV widersprächen. Hiedurch sei der klagenden Partei ein Schaden in Höhe der festgesetzten Abgabenbeträge samt Nebengebühren in der Höhe von insgesamt € 3.929.548,58 entstanden und das in der Folge eröffnete Konkursverfahren führe zur "Vernichtung des Unternehmens der Klägerin".

4. Die beklagte Partei legte die Bezug habenden Akten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen sowie die Begründetheit der Klage bestreitet. Es lägen kein grenzüberschreitender Sachverhalt sowie kein Unionsrechtsbezug vor und zudem habe die klagende Partei einen qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht durch die genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht dargetan.

5. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2019 gab der Masseverwalter dem Verfassungsgerichtshof seine Bestellung bekannt und wies auf die Unterbrechung anhängiger Rechtsstreitigkeiten gemäß §7 IO hin. Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art137 B‑VG sei nach Rechtsauffassung des Masseverwalters ex lege unterbrochen.

II. Rechtslage

1. §33 des Gebührengesetzes 1957, BGBl 267/1957 (WV), idF BGBl I 135/2009 lautet:

"§33. Tarif der Gebühren für Rechtsgeschäfte.

 

Tarifpost

[…]

Tarifpost 17

 

Glücksverträge

 

(1) Glücksverträge, wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vorteiles versprochen und angenommen wird:

1. Wetten (soweit nicht Z6 oder Z8 anzuwenden ist) vom Wettpreis und, wenn die Wettpreise verschieden sind, vom höheren Wettpreise 2 v.H.;

2. Hoffnungskäufe beweglicher Sachen, vom Kaufpreise 2 v.H.;

3. Bodmereiverträge, von dem auf Bodmerei aufgenommenen oder dargeliehenen Betrag oder Geldwerte 2 v.H.;

4. Leibrentenverträge, die nicht von Versicherungsanstalten abgeschlossen werden, wenn gegen die Leibrente bewegliche Sachen überlassen werden, vom Werte der Leibrente, mindestens aber vom Werte der Sachen 2 v.H.;

5. (Anm: aufgehoben durch BGBl I Nr 144/2001)

6. Im Inland abgeschlossene Wetten anlässlich sportlicher Veranstaltungen, außer im Rahmen des Totos vom Wert des bedungenen Entgelts 2 vH.

Eine Wette gilt auch dann als im Inland abgeschlossen, wenn sie vom Inland in das Ausland vermittelt (§28 Abs3) wird.

7. Glücksspiele (§1 Abs1 GSpG), die von einem Veranstalter angeboten oder organisiert werden, und sonstige Veranstaltungen, die sich an die Öffentlichkeit wenden und bei denen den Teilnehmern durch Verlosung Gewinste zukommen sollen,

a) wenn die Gewinste in Waren, in geldwerten Leistungen, in Waren und geldwerten Leistungen bestehen, vom Gesamtwert aller nach dem Spielplan bedungenen Einsätze 12 vH,

b) wenn die Gewinste in Geld bestehen, vom Gewinst 25 vH,

c) wenn die Gewinste in Geld und in Waren, in Geld und in geldwerten Leistungen, in Geld und in Waren und in geldwerten Leistungen bestehen, vom vierfachen Wert der als Gewinste bestimmten Waren und geldwerten Leistungen 12 vH,

sowie von den in Geld bestehenden Gewinsten 25 vH.

Von der Gebührenpflicht nach Z7 sind ausgenommen:

- Ausspielungen gemäß Z8,

- Glücksspiele, für die Abgaben gemäß §28 GSpG zu entrichten sind,

- Ausspielungen mittels Glücksspielautomaten,

- Ausspielungen, die gemäß §4 Abs3 und Abs5 GSpG nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen.

8. Ausspielungen, deren Durchführung nach den Bestimmungen des §14 GSpG durch Erteilung einer Konzession übertragen wurden, 16 vH vom Einsatz, jedoch bei Ausspielungen gemäß §12a GSpG in Verbindung mit §14 GSpG von den Jahresbruttospieleinnahmen, das sind die im Kalenderjahr dem Konzessionär zugekommenen Wetteinsätze abzüglich Ausschüttungen (Gewinne).

 

(2) Die Gebühren nach Abs1 Z6 bis 8 sind, auch wenn eine Urkunde nicht errichtet wird, ohne amtliche Bemessung unmittelbar zu entrichten.

 

(3) (Anm: aufgehoben durch BGBl I Nr 105/2005)

 

(4) Werden die in Waren oder in geldwerten Leistungen bestehenden Gewinste in Geld abgelöst, so ist unbeschadet der Gebühr von 12 v.H. nach Abs1 Z7 lita oder der Gebühr von 12 v.H. nach Abs1 Z7 litc vom Ablösebetrag eine Gebühr von 25 v.H. zu entrichten.

 

(5) Die Gebühr nach Abs1 Z7 lita und die Gebühr von 12 vH nach Abs1 Z7 litc ermäßigen sich auf 5 vH, wenn das gesamte Reinerträgnis der Veranstaltung ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verwendet wird. Die widmungsgemäße Verwendung des Reinerträgnisses ist dem nach dem Veranstaltungsort für die Erhebung der Gebühren zuständigen Finanzamt über dessen Aufforderung nachzuweisen.

 

(6) Gebührenfrei sind

1. Treffer der von inländischen Gebietskörperschaften begebenen Anleihen, die mit einer Verlosung verbunden sind,

2. Differenzgeschäfte."

 

2. §2 und §57 des Bundesgesetzes vom 28. November 1989 zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG), über die Änderung des Bundeshaushaltsgesetzes und über die Aufhebung des Bundesgesetzes betreffend Lebensversicherungen mit Auslosung, BGBl 620/1989, idF BGBl I 118/2016 lauten:

"Ausspielungen

 

§2. (1) Ausspielungen sind Glücksspiele,

1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und

2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und

3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

 

(2) Unternehmer ist, wer selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.

Wenn von unterschiedlichen Personen in Absprache miteinander Teilleistungen zur Durchführung von Glücksspielen mit vermögenswerten Leistungen im Sinne der Z2 und 3 des Abs1 an einem Ort angeboten werden, so liegt auch dann Unternehmereigenschaft aller an der Durchführung des Glücksspiels unmittelbar beteiligten Personen vor, wenn bei einzelnen von ihnen die Einnahmenerzielungsabsicht fehlt oder sie an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels nur beteiligt sind.

 

(3) Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten liegt vor, wenn die Entscheidung über das Spielergebnis nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, durch Verordnung bau- und spieltechnische Merkmale von Glücksspielautomaten näher zu regeln sowie Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten festzulegen. Glücksspielautomaten gemäß §5 sind verpflichtend an die Bundesrechenzentrum GmbH elektronisch anzubinden. Der Bundesminister für Finanzen kann im Wege einer Verordnung den Zeitpunkt dieser Anbindung festlegen. Darüber hinaus kann der Bundesminister für Finanzen zu den Details der elektronischen Anbindung und den zu übermittelnden Datensätzen in dieser Verordnung Mindeststandards festsetzen, wobei auch der Zugriff der Behörden auf einzelne Glücksspielautomaten (§5) zu regeln ist. Die auf 10 Jahre verteilten Kosten für die Errichtung eines Datenrechenzentrums bei der Bundesrechenzentrum GmbH sowie die Kosten für dessen laufenden Betrieb sind durch die konzessions- und bewilligungserteilenden Behörden den Konzessionären und Bewilligungsinhabern auf Grundlage einer von der Bundesrechenzentrum GmbH durchzuführenden Abrechnung über die durch die Konzessionäre und Bewilligungsinhaber verursachten Kosten jährlich bescheidmäßig vorzuschreiben und für die Bewilligungsinhaber von Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten (§5) dem Bund zu erstatten. Im Rahmen des laufenden Betriebs des Datenrechenzentrums kann der Bundesminister für Finanzen ferner jederzeit eine technische Überprüfung von Glücksspielautomaten, der auf diesen befindlichen Software sowie einer allfälligen zentralen Vernetzung vornehmen oder die Vorlage eines unabhängigen technischen Gutachtens über die Einhaltung der glücksspielrechtlichen Bestimmungen verlangen. Mit der Errichtung des Datenrechenzentrums und der elektronischen Anbindung sind dem Bundesminister für Finanzen Quellcodes oder Referenzprogramme der Spielprogramme der daran anzubindenden Glücksspielautomaten gesondert vorab zu hinterlegen.

 

(4) Verbotene Ausspielungen sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß §4 ausgenommen sind.

 

[…]

 

GLÜCKSSPIELABGABEN

 

Glücksspielabgaben

 

§57. (1) Ausspielungen, an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt, unterliegen – vorbehaltlich der folgenden Absätze – einer Glücksspielabgabe von 16 vH vom Einsatz. Bei turnierförmiger Ausspielung treten außerhalb des Anwendungsbereiches von §17 Abs2 an Stelle der Einsätze die in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinne in Geld, Waren oder geldwerten Leistungen) des Turniers.

 

(2) Für Ausspielungen gemäß §12a (elektronische Lotterien), an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt und die nicht über Video-Lotterie-Terminals im Sinne des §12a Abs2 durchgeführt werden, beträgt die Glücksspielabgabe 40 vH der Jahresbruttospieleinnahmen. Besteht eine Abgabenpflicht nach §17 Abs3, sind Ausspielungen gemäß §12a von der Glücksspielabgabe befreit.

 

(3) Für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals beträgt die Glücksspielabgabe – vorbehaltlich Abs4 – 30 vH der um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Jahresbruttospieleinnahmen.

 

(4) Für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals beträgt die Glücksspielabgabe 10 vH der um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Jahresbruttospieleinnahmen (Bundesautomaten- und VLT-Abgabe), wenn sie

– im Falle von Glücksspielautomaten auf Basis einer landesrechtlichen Bewilligung nach §5 oder

– im Falle von Video-Lotterie-Terminals auf Basis einer Konzession des Bundesministers für Finanzen nach §14 durchgeführt werden.

Die Regelung von Zuschlägen der Länder (Gemeinden) zur Bundesautomaten- und VLT-Abgabe bleibt den jeweiligen Finanzausgleichsgesetzen vorbehalten.

 

(5) Jahresbruttospieleinnahmen sind die Einsätze abzüglich der ausgezahlten Gewinne eines Kalenderjahres.

 

(6) Von der Glücksspielabgabe befreit sind

1. Ausspielungen in vom Bundesminister für Finanzen konzessionierten Spielbanken im Sinne des §21,

2. Ausspielungen mit Glücksspielautomaten auf Basis einer landesrechtlichen Bewilligung unter Einhaltung der Vorgabe des §4 Abs2 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 73/2010,

3. die Ausnahmen aus dem Glücksspielmonopol des §4 Abs3 bis 6."

 

III. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art137 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Wie der Verfassungsgerichtshof zu seiner Zuständigkeit für die Geltendmachung eines unionsrechtlich begründeten Staatshaftungsanspruches ausgesprochen hat, ist es nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, – ähnlich einem Rechtsmittelgericht – die Richtigkeit der Entscheidungen anderer Höchstgerichte zu prüfen. Der Verfassungsgerichtshof ist nur zur Beurteilung berufen, ob ein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl ua EuGH 30.9.2003, Rs. C-224/01 , Köbler, Slg. 2003, I-10239) vorliegt (vgl VfSlg 17.095/2003, 17.214/2004, 19.361/2011; VfGH 5.12.2016, A8/2016).

Eine auf den Titel der Staatshaftung gestützte Klage nach Art137 B‑VG ist unter anderem nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein Verstoß gegen das Unionsrecht geltend gemacht wird, der im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig ist (VfSlg 19.361/2011, 19.428/2011; VfGH 23.11.2017, A8/2017). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Köbler festhält, liegt ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht durch ein nationales letztinstanzliches Gericht unter Berücksichtigung der Besonderheit der richterlichen Funktion und der berechtigten Belange der Rechtssicherheit insbesondere dann vor, wenn gegen eine klare und präzise Vorschrift verstoßen oder eine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig verkannt wird (EuGH 30.9.2003, Rs. C-224/01 , Köbler, Slg. 2003, I-10239 [Rz 51 ff.]; vgl auch VfSlg 18.448/2008).

Die klagende Partei im Staatshaftungsverfahren hat daher nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes begründet darzulegen, dass eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist. Der behauptete Verstoß muss also der Art nach möglich sein. Lässt eine Klage dies jedoch vermissen oder werden lediglich Auslegungsfragen, wie etwa auf Grund einer Literaturmeinung und einer deswegen angenommenen Vorlagepflicht des letztinstanzlichen Gerichtes, aufgeworfen, wird dadurch dieser Anforderung nicht Genüge getan. Eine solche Klage ist unzulässig (VfGH 27.6.2017, A17/2016; 23.11.2017, A8/2017; 25.2.2019, A14/2018).

2. Die vorliegenden Klagebehauptungen vermögen eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes für die Geltendmachung eines unionsrechtlich begründeten Staatshaftungsanspruches, abgeleitet aus einem rechtswidrigen Verhalten des Verwaltungsgerichtshofes, nicht zu begründen:

2.1. Die klagende Partei behauptet einen die Staatshaftung auslösenden Verstoß gegen das Unionsrecht, weil den gegenüber der klagenden Partei festgesetzten Rechtsgeschäftsgebühren nach §33 TP 17 Abs1 Z7 litb Gebührengesetz 1957 (idF BGBl I 135/2009) einerseits und den Glücksspielabgaben nach §57 Abs1 GSpG andererseits eine "unionsrechtswidrige Erdrosselungswirkung" zukomme und der Verwaltungsgerichtshof dies in seinen Beschlüssen vom 22.10.2018, Ro 2018/16/0028, und vom 21.1.2019, Ro 2018/17/0007, verkenne.

2.2. Das Klagevorbringen ist bereits insoweit nicht nachvollziehbar, als sich der Verwaltungsgerichtshof in den genannten Beschlüssen mit dem behaupteten Verstoß der Abgabenbelastung gegen das Unionsrecht auseinandersetzt und sich in seinen Entscheidungen (sowie in den verwiesenen Entscheidungen VwGH 16.3.2016, Ro 2015/17/0022; 11.7.2018, Ra 2018/17/0048) auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union – insbesondere auch auf die seitens der klagenden Partei ins Treffen geführte Rechtssache Berlington (EuGH 11.6.2015, Rs. C-98/14 , Berlington, Slg. 2015, I-386) – stützt. Das in der Klage enthaltene Vorbringen des Staathaftungsanspruches wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht durch den Verwaltungsgerichtshof zielt vielmehr lediglich darauf ab, die Richtigkeit der angeführten, unter Beachtung des Unionsrechts getroffenen Entscheidungen zu überprüfen. Ein qualifizierter Verstoß der angeführten Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ist in der Klage nicht dargetan.

3. Die Klage ist somit schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

4. Damit erübrigt sich die Beurteilung der Frage der Anwendbarkeit des §7 IO auf Verfahren nach Art137 B‑VG.

IV. Ergebnis

1. Die Klage ist zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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