VwGH Ro 2018/16/0028

VwGHRo 2018/16/002822.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Thoma und Mag. Straßegger als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der M GmbH in W, vertreten durch die Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 25. September 2017, Zl. RV/7100908/2012, betreffend 1. Rechtsgeschäftsgebühren und 2. Säumniszuschlag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in 1030 Wien, Marxergasse 4), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018160028.J00

 

Spruch:

Die Revision gegen die Spruchpunkte 1. und 2. wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel hatte gegenüber der Revisionswerberin als Veranstalterin von Kartenpokerspielen in Form von "Cashgames" und Turnierspielen mit zwei Bescheiden vom 25. August 2011 Rechtsgeschäftsgebühren nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z 7b GebG für den Zeitraum vom 20. Juli bis 31. Dezember 2010 mit zwei Bescheiden vom 9. September 2011 Säumniszuschläge betreffend die Rechtsgeschäftsgebühren festgesetzt. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht in den Spruchpunkten 1. und 2. die Beschwerden der Revisionswerberin gegen diese Bescheide als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen die Rechtsgeschäftsgebühren und Glücksspielabgaben zulässig, gegen die Säumniszuschläge jedoch nicht zulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerden mit Beschluss vom 8. Juni 2017, E 1330/2016-13, E 1756/2016-9, mit folgender Begründung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat:

"Die vorliegenden Beschwerden rügen die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 2 StGG und Art. 7 B-VG, auf Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art. 6 StGG, auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZPEMRK und wegen Anwendung der als verfassungswidrig angesehenen Monopolbestimmungen des Glücksspielgesetzes und der §§ 57 ff. GSpG. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesfinanzgericht die Bestimmungen der §§ 57 ff. GSpG richtig angewendet hat, insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerden aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berühren, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben:

Die geltend gemachte Unionsrechtswidrigkeit und die daraus allenfalls folgende Gleichheitswidrigkeit (¿Inländerdiskriminierung') der Glücksspielmonopolregelungen liegt nicht vor (vgl. VfGH 15.10.2016, E 945/2016 ua).

Die Aufnahme von ¿Poker' in den Begriff des Glücksspiels gemäß § 1 Abs. 2 GSpG ist nicht gleichheitswidrig (VfSlg. 19.767/2013).

Ein Vergleich der Glücksspielabgaben mit der Konzessionsabgabe nach § 28 GSpG scheidet aus, weil den Regelungen keine vergleichbaren Sachverhalte zugrunde liegen: Zum einen treffen (Spielbanken‑)Konzessionäre weitgehende Verpflichtungen nach dem Glücksspielgesetz (insbesondere Spielerschutz, Geldwäscherichtlinien, Tragung der Kosten der staatlichen Aufsicht und Kontrolle gemäß § 31 GSpG). Zum anderen haben die Konzessionäre neben der Spielbankenabgabe gemäß § 28 GSpG einen Finanzierungsbeitrag gemäß § 1 Abs. 4 GSpG zu leisten.

Die Regelungen der §§ 57 ff. GSpG verletzen auch nicht die Erwerbsausübungsfreiheit. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist dem Abgabengesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er die im öffentlichen Interesse liegenden Ziele durch eine Erhöhung der Abgabenbelastung erreichen möchte. Dass damit eine Verminderung der Rentabilität für den Automatenaufsteller einhergehen kann und einige Standorte nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können, führt - wie der Verfassungsgerichtshof schon in seiner Vorjudikatur ausgesprochen hat - nicht zu einem unzulässigen Eingriff in verfassungsrechtlich verbürgte Rechtspositionen (vgl. zB VfSlg. 18.183/2007 und 19.580/2011).

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der - nicht auf das Vorliegen aller Prozessvoraussetzungen geprüften - Beschwerden abzusehen und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§ 19 Abs. 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG)."

3 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision erachtet sich die Revisionswerberin in ihrem Recht verletzt, nicht zur Zahlung von Gewinstgebühr und Glücksspielabgaben herangezogen zu werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind; sie beantragt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze aufzuheben.

4 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Abweisung der Revision als unbegründet unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.

5 Die Revision räumt eingangs ihres Vorbringens ein, dass seit der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Glücksspielabgabe ergangen sei, dennoch lägen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor. Ein "schwerer Verfahrensfehler" sei dem Verwaltungsgericht dadurch unterlaufen, dass, wie sich aus Seite 25 des angefochtenen Erkenntnisses ergebe, an den Pokerturnieren Spieler aus dem In- und Ausland teilnähmen, die Revisionswerberin ihre Dienstleistungen daher grenzüberschreitend auch an Leistungsempfänger aus anderen Mitgliedstaaten erbringe und ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliege; auf Seite 29 sowie auf Seite 100 des angefochtenen Erkenntnisses stelle das Verwaltungsgericht hingegen fest, dass kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliege. Ob dies Ergebnis einer Beweiswürdigung sei oder nicht, könne nicht nachvollzogen werden, da jegliche Begründung und Beweiswürdigung zu dieser Feststellung fehle. Im Übrigen hätte das Verwaltungsgericht aufgrund des konkreten Vorbringens in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts von Amts wegen prüfen müssen, ob ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliege und dann die unionsrechtlichen Argumente würdigen müssen. Dem Vorbringen entgegenstehende Beweise habe das Verwaltungsgericht nicht erhoben. Auseinandersetzungen des Verwaltungsgerichtes mit dem Urteil des EuGH vom 11. Juni 2015, C-98/14 , ersetzten nicht die Feststellungen zur Anwendbarkeit des Unionsrechts. Die Festsetzung der Glücksspielabgabe in Höhe von 16 % vom Einsatz, den die Revisionswerberin gar nicht vereinnahme, also die Besteuerung anhand fremder Umsätze in einer enormen Höhe, stelle nach Ansicht der Revisionswerberin aber eine erhebliche Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit dar.

In seinem Erkenntnis vom 19. Oktober 2017, Ro 2015/16/0024, setze sich der Verwaltungsgerichtshof zwar mit dem Verstoß gegen das Beihilfenrecht auseinander, verneine einen solchen jedoch, weil eine Überkompensierung nicht dargetan worden wäre. Die Revisionswerberin werde zu einer Abgabe in enormer Höhe herangezogen, während ihre unmittelbare und engste Wettbewerberin, die CAG, keine Abgabe in dieser Höhe bezahle. Der wirtschaftliche Vorteil der Wettbewerberin bestehe nicht alleine in der ihr zu Gute kommenden Abgabenerleichterung, sondern auch in der gleichzeitigen asymmetrischen Belastung der Revisionswerberin mit einer exzessiven Abgabe.

Die Besteuerung von Poker-Casinos nach dem GSpG sei aber auch im Lichte des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes eines verstärkten Senates vom 21. März 2018 zum Vorarlberger Kriegsopferabgabesetz, Ra 2017/13/0076, neu zu überdenken. Erstmals habe der Verwaltungsgerichtshof darin nämlich eine Unterscheidung danach getroffen, ob der Veranstalter Einsätze entgegen nehme oder nicht, also ob der Veranstalter "Bankhalter" sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe darin erkannt, dass Besteuerungsgrundlage nach jenem Gesetz nicht Leistungen sein könnten, die Spieler einander bezahlten, sondern nur Zahlungen, die der Unternehmer vereinnahme. § 57 Abs. 1 GSpG könne nur dahingehend verstanden werden, dass die Einsätze nur dann Besteuerungsgegenstand sein könnten, wenn der Unternehmer sie entgegen nehme.

6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine verfahrensrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG in einem schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze vor (VwGH 25.2.2016, Ra 2016/16/0006, 22.11.2016, Ra 2016/16/0092, und 30.6.2016, Ra 2016/16/0025).

Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage kann nicht auf Vorbringen gestützt werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (VwGH 23.4.2015, Ra 2015/07/0031 = Slg. 19.104/A, 30. 6.2015, Ra 2015/06/0052, 28.7.2016, Ra 2015/07/0147, 14.9.2016, Ra 2016/18/0222 und 14.12.2016, Ra 2016/19/0300).

7 Zunächst wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf das von der Revision zitierte Erkenntnis vom 19. Oktober 2017, Ro 2015/16/0024, verwiesen, das sich jedoch - bezogen auf einen Zeitraum ab Jänner 2011 - nur mit Glücksspielabgaben nach § 57 GSpG idF der GSpG-Novelle 2008 befasste.

8 Soweit die Revisionswerberin mit der Zielrichtung einer Verletzung ihrer Dienstleistungsfreiheit einen "schweren Verfahrensfehler" in der Verkennung eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes erblickt, legt die Revision zunächst nicht konkret dar, inwiefern sich aus der genannten Fundstelle des angefochtenen Erkenntnisses (Seite 25) eine grenzüberschreitende Teilnahme aus dem Ausland ergäbe: So sind der zitierten Stelle des angefochtenen Erkenntnisses Feststellungen über die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungs- und organschaftlichen Verhältnisse sowie über die Präsentation der Revisionswerberin im Internet zu entnehmen, insbesondere die Bewerbung, dass die zahlreichen "hauseigenen Turnierserien" Spieler aus dem In- und Ausland "begeistern" und regelmäßig "für ein volles Haus" mit großartiger "Cashgame-Pokeraktion" und vielen anderen "Highlights" sorgten; darin liegt jedoch keine Feststellung einer grenzüberschreitenden Teilnahmehandlung an den verfahrensgegenständlichen Spielen aus dem Ausland.

9 Auch legt die Revision nicht konkret dar, aus welchen vom Verwaltungsgericht aufgenommenen oder etwa zu Unrecht nicht aufgenommenen Beweisen sich die Annahme eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes ergäbe.

Somit stehen die weiteren zitierten Textstellen des angefochtenen Erkenntnisses, die als Ausdruck einer rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes erscheinen, nicht im Widerspruch zu den angezogenen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses. Schon deshalb können die weiteren Überlegungen der Revision, die ihre Zulässigkeit aus einem Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit ableiten, dahingestellt bleiben.

10 Soweit die Revision ihre Zulässigkeit allgemein in der Verkennung eines Verstoßes gegen das unionsrechtliche Beihilfenverbot erblickt, kann zunächst auf die Ausführungen im bereits zitierten Erkenntnis vom 19. Oktober 2017 zu verweisen werden: darnach erfüllt die von der Revision ins Treffen geführte "asymmetrische Belastung" mit einer "exzessiven Abgabe" alleine noch nicht den Tatbestand einer Beihilfenmaßnahme, zumal auch die undifferenzierte Prämisse der Revision - die Belastung mit einer "exzessiven Abgabe" - im Widerspruch zu den Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Beschluss vom 8. Juni 2017 steht, wonach den Regelungen (für Glücksspielabgaben und Konzessionsabgaben) keine vergleichbaren Sachverhalte zu Grunde lägen.

Schließlich sieht die Revision nur die "Besteuerung von Pokercasinos nach dem GSpG" in einem Spannungsverhältnis zum Erkenntnis vom 21. März 2018, Ra 2017/13/0076 - auf welches ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird - nicht jedoch die hier gegenständliche Gewinstgebühr nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z 7b GebG. Im Übrigen stellte § 28 Abs. 3 GebG (idF vor der Novellierung durch die GSpG-Novelle 2008) für die Gewinstgebühr nicht auf einen Erhalt der Spieleinsätze durch den Veranstalter ab; auch hatte die Revisionswerberin in den Abgabenverfahren nie ihre Stellung als Veranstalterin der Spiele in Zweifel gezogen.

11 Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung unter Absehen von einer Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 2018

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