European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:00100R00127.24P.0109.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit EUR 3.924,72 (darin EUR 654,12 USt) und der zweitbeklagten Partei die mit EUR 168,30 (darin EUR 28,05 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
- Die Parteien sind Geschwister und Nachkommen der am 28. Februar 2018 verstorbenen E* B* und des am 30. November 2018 verstorbenen F* B*. Im Verlassenschaftsverfahren nach dem gemeinsamen Vater betrug der reine Nachlass EUR 150.287,67. Dieser wurde zu je 1/3 der Klägerin und den beiden Beklagten als gesetzliche Erben eingeantwortet.
- Die Klägerin begehrt von den beiden Beklagten einen Teil ihrer behaupteten Pflichtteilsansprüche von gesamt EUR 473.414,06, nämlich gegenüber der Erstbeklagten EUR 180.000,00 und gegenüber dem Zweitbeklagten EUR 226.000,00 mit der Begründung, der Vater habe der Erstbeklagten zu Lebzeiten Vermögenswerte (Immobilien, Geldzuwendungen und ein Unternehmen) im Gesamtwert von EUR 1.333.415,68 und dem Zweitbeklagten Vermögenswerte (Immobilien und Geldzuwendungen) im Gesamtwert von EUR 1.668.978,56 geschenkt, welche dem reinen Nachlass hinzuzurechnen seien. Ihr gesetzlicher Pflichtteilsanspruch betrage EUR 523.509,96, der nur zum Teil durch ihren gesetzlichen Erbteil in Höhe von EUR 50.095,90 abgedeckt worden sei. Ihr stehe ein rechtlicher Pflichtteilsanspruch von EUR 473.414,06 zu, für den die beiden Beklagten im Verhältnis ihrer erhaltenen Schenkungen (hinsichtlich der Erstbeklagten 44,40 % und des Zweitbeklagten 55,60 %) haften würden. Davon mache sie den oben angeführten Teil geltend.
Die Beklagten bestritten, beantragten Klagsabweisung und hielten dem Vorbringen des Klägers – soweit für das Berufungsverfahren noch von Relevanz – im Wesentlichen entgegen, dass die Klägerin ihrerseits bereits zu Lebzeiten des Vaters Schenkungen erhalten habe (Immobilien, Geldzuwendungen, unentgeltliche Benutzung einer Wohnung und des Pkw des Vaters). Außerdem habe sich die Klägerin Sparbücher des Vaters angeeignet und unrechtmäßige Abhebungen vorgenommen.
- Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage gegenüber der Erstbeklagten im Ausmaß von EUR 58.966,90 und gegenüber dem Zweitbeklagten im Umfang von EUR 61.373,72 statt und wies die Mehrbegehren ab. Dabei legte es seiner Entscheidung den eingangs wiedergegebenen unstrittigen und den auf den Seiten 6 bis 10 des Urteils weiters festgestellten Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Davon sind für das Berufungsverfahren die nachstehend gedrängt wiedergegebenen Feststellungen wesentlich:
- Die Erstbeklagte erhielt vom verstorbenen Vater zu Lebzeiten Schenkungen im Wert von EUR 696.531,00 und der Zweitbeklagte im Wert von EUR 707.000,00.
- Die Klägerin maturierte 1989 im Alter von 20 Jahren und studierte anschließend vom Sommersemester 1989 bis zum Sommersemester 2000, also 11 Jahre. Im Sommersemester 1999 schloss sie nach 18 Semestern das Studium der Rechtswissenschaften ab. Sie hat vor und während des Studiums fallweise gearbeitet und an der Volkshochschule Kurse gegeben. Ab 2008 und dann wieder ab 2013 war sie bei ihren Eltern angestellt, dies nach Zeiten der Arbeitslosigkeit.
- Die Eltern der Parteien erwarben mit Kaufvertrag vom 12. November 1991 ein Objekt in der G*-Straße ** um ATS 1.400.000,00. Das Haus war vermietet und die Käufer verpflichteten sich, das Mietverhältnis aufrechtzuerhalten. Mit Schenkungsvertrag vom 3. August 1992 schenkten die Eltern der Klägerin die Liegenschaft. Das in den 1950er Jahren errichtete Objekt (Doppelhaushälfte) war im Schenkungszeitpunkt in einem schlechten baulichen Zustand. Der Wert des väterlichen Hälfteanteils, indexiert auf den Todeszeitpunkt des Vaters, betrug EUR 74.600,00. In den Jahren 1997 bzw 1998 wurde das alte Haus abgerissen und ein Neubau errichtet. Die Errichtung des Rohbaus wurde von den Eltern der Streitteile finanziert. Die weiteren Errichtungskosten trug die Klägerin zum Teil selbst. Die Eltern haben zur Bauführung jedenfalls ATS 600.000,00 beigetragen. Der Hälfteanteil des Vaters daran beträgt – indexiert zum Todeszeitpunkt – EUR 31.640,00.
- Mit Kaufvertrag vom 24. August 1989 erwarb die Klägerin eine Garconniere im Haus H*-Gasse **. Der Kaufpreis, der in einem Teilbetrag von ATS 245.307,27 durch Übernahme eines Darlehens beglichen wurde, betrug ATS 360.000,00. Den Kaufpreisteilbetrag von ATS 114.692,73 und die Nebenkosten in Höhe von ATS 15.000,00 behob die Klägerin von einem Sparbuch. Es kann nicht festgestellt werden, ob der verstorbene Vater dieses Sparbuch dotiert hatte.
- Die Klägerin bewohnte von Jänner 1990 bis Juni 1997 die Wohnung Top 5 im Haus I*straße **. Diese Wohnung stand im Eigentum des Vaters. Die Klägerin hatte für die Wohnungsnutzung nichts zu bezahlen. Die fremdübliche Nettomiete und Betriebskosten über den Nutzungszeitraum, indexiert auf den Todestag des Vaters, würden EUR 40.800,00 betragen.
- Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass neben den Schenkungen an die Beklagten auch Schenkungen des Vaters an die Klägerin in Höhe von EUR 106.240,00 betreffend die Liegenschaft G*-Straße ** dem Nachlass hinzugerechnet werden müssen. Das kostenfreie Wohnen im Haus der I*straße sei nicht als Schenkung anzurechnen, zumal die Klägerin in diesem Zeitraum studiert und damit einen Unterhaltsanspruch gehabt habe. Da nicht feststellbar gewesen sei, ob das Geld für die Wohnung in der H*-Gasse tatsächlich vom verstorbenen Vater gekommen sei, finde auch diesbezüglich keine Schenkungsanrechnung statt. Die Summe des reinen Nachlasses und der anrechenbaren Schenkungen an alle Parteien betrage EUR 1.660.058,60. Der Pflichtteil der Klägerin belaufe sich daher auf EUR 276.676,43 (1/6). Davon sei der der Klägerin zugefallene Erbteil von EUR 50.095,80 sowie die ihr zugekommene Schenkung iHv EUR 106.240,00 abzuziehen. Der nicht gedeckte restliche Pflichtteilsanspruch betrage daher EUR 120.340,63. Im Verhältnis der Schenkungen hafte dafür die Erstbeklagte mit 49 % und der Zweitbeklagte mit 51 %.
- Gegen diese Entscheidung richten sich die Berufungen der Klägerin und des Zweitbeklagten.
- Die Klägerin ficht das Urteil wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung im Umfang von EUR 106.240,00 an und begehrt gegenüber der Erstbeklagten eine weitere Zahlung iHv EUR 52.057,59 und gegenüber dem Zweitbeklagten eine zusätzliche Zahlung von EUR 54.182,40. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Der Zweitbeklagte bekämpft das Urteil, soweit der Klägerin ihm gegenüber EUR 61.373,72 zugesprochen wurden, wegen „unrichtiger Sachverhaltsfeststellung“, „unrichtiger Beweiswürdigung“ (gemeint: wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung) und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.
- Die Klägerin strebt mit ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des Urteils, soweit es vom Zweitbeklagten angefochten wurde, an. Die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte beantragen ebenfalls, der Berufung der Klägerin keine Folge zu geben.
- Die Berufungen sind nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
- Eingangs sei festgehalten: Gemäß § 1503 Abs 7 Z 2 ABGB kommt das ErbRÄG 2015 zu Anwendung (Todesfall nach dem 31. Dezember 2016). Sämtliche Parteien sind als Kinder des verstorbenen Vaters gesetzliche Erben. Als solche können sie gemäß § 753 ABGB nicht nur die Anrechnung von Schenkungen unter Lebenden auf den Erbteil des anderen Kindes als Geschenknehmer (also die Veränderung der Wertanteile am Nachlass zulasten des Beschenkten) begehren, was mit Erbteilungsklage im Zivilrechtsweg geltend zu machen wäre (jüngst 2 Ob 100/22b; 2 Ob 113/22i; Umlauft, Erbteilungsklage und Schenkungsanrechnung, NZ 2023/2), sondern eine Schenkungsanrechnung auch im Pflichtteilsrecht. Gem § 758 Abs 3 ABGB kann sich auch (neben allen pflichtteilsberechtigten Erben unabhängig vom Berufungsgrund [2 Ob 197/15g] und damit selbst der testamentarische Erbe [2 Ob 119/18s]) ein gesetzlicher Erbe auf sein Pflichtteilsrecht berufen (RS0012882) und die Anrechnung von Schenkungen nach den Regeln der §§ 781 ff ABGB begehren. Einen solchen Pflichtteilsergänzungsanspruch macht die Klägerin fallbezogen mit der Behauptung einer Verkürzung ihres gesetzlichen Pflichtteils durch Schenkungen an die Beklagten geltend.
- Beide Berufungswerber bekämpfen das Urteil bloß mit Blick auf die Anrechnung von Schenkungen an die Klägerin. Die Anrechnung der Schenkungen an die Beklagten und deren Werte sind im Berufungsverfahren nicht mehr strittig.
Berufung der Klägerin
- Die Klägerin bekämpft nachstehende Feststellungen:
F1 (Urteilseite 8): „Die Errichtung des Rohbaus wurde von den Eltern der Streitteile finanziert.“ und
F2 (Urteilseite 8): „Die weiteren Errichtungskosten trug die Klägerin zum Teil selbst. Die Eltern der Klägerin haben zur Bauführung jedenfalls ATS 600.000,00 beigetragen. Der Hälfteanteil des Vaters daran beträgt zu seinem Todeszeitpunkt indexiert EUR 31.640,00.“
und begehrt stattdessen diese Feststellungen:
anstatt F1: „Die Mutter hat die Errichtung des Rohbaus aus eigenen Mitteln finanziert. Der Vater hat dazu keinen Beitrag geleistet.“
und
anstatt F2: „Die Liegenschaft war für die Klägerin nicht bewohnbar, da diese bis 1998 sehr günstig vermietet war, nämlich um ATS 50,00 an einen und ATS 100,00 an einen zweiten Mieter. Die Eltern bewerteten die Liegenschaft mit ATS 800.000,00, da diese langzeitig vermietet war und die Klägerin das Gebäude nicht nutzen konnte. Das Gebäude war abrissreif und die Klägerin musste, um den Grund überhaupt nutzen zu können, ein neues Gebäude errichten. Die Eltern kalkulierten bereits, dass der Abriss des alten, unbewohnbaren Gebäudes und die Entsorgung des Schuttes erhebliche Kosten verursacht, die die Klägerin zu tragen hat. Hieraus erklärt sich die Bewertung der Eltern im Ausmaß von ATS 800.000,00. Der Vater wollte der Klägerin nachträglich nichts mehr zukommen lassen, weshalb sie ihm den Betrag von ATS 400.000,00 als Begleichung für den Erhalt dieser Liegenschaft bezahlte. Die Klägerin erhielt vom Vater jedenfalls keine weiteren Geldmittel zum Bau des Hauses.“
- Die prozessordnungsgemäße Ausführung der Tatsachenrüge erfordert nach stRsp die Angabe, welche konkrete Feststellung infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung bekämpft wird, und welche Feststellung anstatt dessen aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen, die das Gericht richtigerweise nach Ansicht des Berufungswerbers anstellen hätte müssen, begehrt wird. Dabei ist eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen erforderlich (RS0041835; 10 Ob 5/22s).
- Die Klägerin bekämpft nun einerseits bloß die erstgerichtlichen Feststellungen zu den Zuwendungen des Vaters für die Errichtung des Rohbaus bzw für die Bauführung (betraglich EUR 31.640,00), begehrt aber neben der Feststellung, dass die Klägerin vom Vater „jedenfalls keine weiteren Geldmittel zum Bau des Hauses“ erhalten habe, weitere Feststellungen zur Bewertung der Liegenschaft durch die Eltern selbst und zur Zahlung der Klägerin von ATS 400.000,00 „als Begleichung für den Erhalt dieser Liegenschaft“.
- Unbekämpft geblieben ist die Feststellung, dass die Eltern der Klägerin die Liegenschaft mit Schenkungsvertrag vom 3. August 1992 schenkten, und der Wert des väterlichen Hälfteanteils unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Indexierung (§ 788 ABGB) EUR 74.600,00 beträgt. Die begehrte Feststellung der Zahlung der Klägerin von ATS 400.000,00 als Begleichung für den Erhalt der Liegenschaft könnte daher Relevanz nur im Zusammenhang damit haben, dass eine Schenkung nachträglich einvernehmlich zwischen der Klägerin und ihrem Vater wieder aufgehoben wurde, und die Klägerin deshalb den genannten Betrag bezahlte. Tatsächlich würde die Anmerkung der Klägerin auf Seite 6 ihrer Berufung („Um Streitigkeiten in der Familie zu vermeiden, zahlte daraufhin die Klägerin ATS 400.000,00 als Begleichung für den Erhalt der Liegenschaft an den Vater, weil die Schenkung rückgängig gemacht werden sollte.“) darauf hindeuten. Dazu brachte die Klägerin im Verfahren vor: „Der Vater wollte der Klägerin nachträglich nichts mehr zukommen lassen, weshalb sie ihm den Betrag von ATS 400.000,00 als Begleichung für den Erhalt dieser Liegenschaft bezahlen musste. Um Streitigkeiten in der Familie zu vermeiden, unterwarf die Klägerin sich dem damaligen Wunsch des Vaters und bezahlte den Betrag. Unter dem Strich erhielt die Klägerin daher vom Vater in diesem Zusammenhang nichts.“ (ON 6 Seite 13) und „[...] mit dem Restbetrag wurde dem Vater ein Großteil des Betrages von ATS 400.000,00 zurückbezahlt, den er für die Übertragung der Liegenschaft in der G*-Straße (nachträglich) begehrte.“ (ON 11 Seite 3).
- Recte würde die begehrte Ersatzfeststellung einer (nachträglichen) Zahlung für den Erhalt der Liegenschaft, folgt man der Argumentation der Berufung der Klägerin, nicht anstatt einer konkret bekämpften Feststellung angestrebt, sondern einen Feststellungsmangel hinsichtlich des Vorbringens einer nachträglichen einvernehmlichen Aufhebung einer stattgefundenen Schenkung bedeuten. Ein solcher wäre aber mit einer Rechtsrüge geltend zu machen.
- Berufungsgründe sind bestimmt zu bezeichnen und getrennt voneinander auszuführen. Eine unrichtige oder unvollständige Bezeichnung der Rechtsmittelgründe schadet nur dann nicht, wenn die Rechtsmittelausführungen die Beschwerdegründe deutlich erkennen lassen (RS0041851). Dies ist hier allerdings nicht der Fall. Die Klägerin beschäftigt sich in ihrer Berufung nämlich vordergründig mit der in ihren Augen unrichtigen Beweiswürdigung des Erstgerichtes, wonach die von der Klägerin angegebene Bewertung der geschenkten Liegenschaft von ATS 800.000,00 nachvollziehbar und plausibel sei (Seite 5 und 6 der Berufung). Damit zielt sie eindeutig auf eine Bekämpfung des Urteils auf der Ebene der Beweiswürdigung (Tatsachenebene) ab, ohne eine unrichtige rechtliche Beurteilung auch nur im Ansatz anzudeuten.
- Im Übrigen setzte sich das Erstgericht ohnehin mit der Zahlung von ATS 400.000,00 ausführlich auseinander und stellte (wenngleich disloziert auf Seite 13 des Urteils) unter Berufung auf die Beilage ./AB (handschriftlicher Zusatz „AT 400.000,00 von A* beigesteuert“) fest, dass die Klägerin Eigenmittel in Höhe von ATS 400.000,00 in den Hausbau eingebracht hat, und schloss die Behauptung der Klägerin, sie habe diesen Betrag nachträglich ihrem Vater zurückbezahlt, weil die Schenkung rückgängig gemacht werden sollte, als nicht nachvollziehbar aus. Da das Erstgericht solcherart ohnehin Feststellungen zu diesem Themenkomplex getroffen hat, wäre für die Klägerin somit selbst bei einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge nichts gewonnen.
- Soweit die Tatsachenrüge die Feststellungen zu den väterlichen Zuwendungen zur Neuerrichtung eines Hauses auf der geschenkten Liegenschaft selbst betrifft, ist auszuführen, dass die Berufung keine Argumente aufzeigt, die ausreichen würden, um Bedenken gegen die erstgerichtlich getroffenen Feststellungen (Zahlung des Vaters von EUR 31.640,00) zu begründen. Es kann zunächst auf die ausführliche und nachvollziehbare Beweiswürdigung des Erstgerichts (insbesondere Seite 13 und 14 des Urteils) verwiesen werden (§ 500a ZPO). Ergänzend ist anzumerken, dass sich die Berufung bloß damit begnügt, die der Klägerin vom Erstgericht begründet abgesprochene Glaubwürdigkeit („einerseits inflationäre, andererseits selektive und unvollständige Vorlage von Urkunden“, „Anpassung der Aussage an den jeweiligen Prozessstandpunkt“, „gegenseitige Vorwürfe inklusive Strafanzeigen, sodass ihr (und den anderen Parteien) keine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt, und die Parteienangaben nur dort den Feststellungen zugrunde gelegt werden, wo es zusätzlich unbedenkliche Beweisergebnisse gibt“) ohne weitere und nähere Begründung zu bejahen. Sie lässt auch die Beilage ./7, auf die das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung Bezug nimmt, und worin die Klägerin selbst bestätigt, dass sie die „Hilfeleistung bezüglich des Hausbaues […] in Wertsumme darstellend als „Rohbau“ und einer geldmäßigen Zuwendung iHv 600.000,- öS dankend annimmt“, vollkommen unberücksichtigt.
- Die Berufung der Klägerin hat aus diesen Gründen ohne Erfolg zu bleiben.
Berufung des Zweitbeklagten
- Die Berufung des Zweitbeklagten, in der eine „unrichtige Sachverhaltsdarstellung“, eine „unrichtige Beweiswürdigung“ und eine „unrichtige rechtliche Beurteilung“ geltend gemacht wird, ist jedenfalls bezüglich der Tatsachenrügen nicht gesetzmäßig ausgeführt. Im Ergebnis wünscht der Zweitbeklagte die Anrechnung weiterer Zuwendungen des Vaters an die Klägerin, und zwar (soweit überhaupt erkennbar) in Bezug auf die Wohnung in der H*-Gasse, die Liegenschaft G*-Straße und auf Lebenshaltungskosten (kostenloses Wohnen in der Wohnung des Vaters).
- Zusammengefasst möchte der Zweitbeklagte die Feststellung erreichen, dass die Klägerin mangels eigenen Einkommens selbst keine Ersparnisse haben konnte, und daher sämtliche Zahlungen im Zusammenhang mit der Wohnung in der H*-Gasse und dem Bau des Hauses in der G*-Straße von den Eltern und damit zur Hälfte auch vom Vater gekommen seien. Dabei führt der Zweitbeklagte keine einzige Feststellung des Erstgerichts konkret an, die bekämpft werden soll. Er begehrt lediglich an mehreren Stellen und teils unzusammenhängend die Feststellung, dass sämtliche Kosten nur von den Eltern stammen konnten. In der Begründung dafür begnügt sich der Zweitbeklagte weiters mit dem Hinweis, dass die Klägerin selbst (mit wenigen Ausnahmen) nicht gearbeitet habe. Mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts dazu (Seite 14 des Urteils) beschäftigt sich die Berufung überhaupt nicht. Das Erstgericht nahm ohnedies nicht an, dass die Dotierung des Sparbuches, mit dem die Wohnung in der H*-Gasse bezahlt wurde, aus Eigenmitteln der Klägerin selbst herrühren würde. Es konnte aber (für den Berufungssenat nachvollziehbar) aber auch nicht positiv feststellen, dass das Sparbuch (zur Gänze oder zur Hälfte) vom verstorbenen Vater „gefüttert“ wurde, weshalb es zur Dotierung schlüssig eine Negativfeststellung traf und zutreffend auf die Beweislast des Zweitbeklagten hinwies. Im Pflichtteilsverfahren trifft grundsätzlich den Pflichtteilskläger die objektive Beweislast (2 Ob 18/23w). Wenn der Zweitbeklagte die Anrechnung von schenkungsweisen Zuwendungen an die Klägerin durch den verstorbenen Vater einwendet, trifft ihn diesbezüglich die Beweislast. Die unbedenkliche Negativfeststellung des Erstgerichts trifft daher ihn. Soweit die Tilgung des Kaufpreises für die Wohnung durch die Übernahme eines Wohnbaudarlehens erfolgte, führte das Erstgericht wiederum schlüssig und nachvollziehbar aus, dass die Wohnung vermietet gewesen, und es daher realistisch sei, dass mit den Mieteinnahmen das Wohnbaudarlehen abgedeckt worden sei. Auch damit setzt sich die Berufung mit keinem Wort auseinander.
- Die Tatsachenrügen im Zusammenhang mit vom Zweitbeklagten behaupteten Zuwendungen des Vaters in Bezug auf die Wohnung in der H*-Gasse und die Errichtung eines Hauses in der G*-Straße führen demnach nicht zum Ziel.
- Soweit der Zweitbeklagte die Anrechnung von Zahlungen von Lebenserhaltungskosten der Klägerin durch den Vater begehrt, bekämpft er keine in diesem Zusammenhang entscheidende Tatsachen des Erstgerichts. Aus der Berufung lässt sich jedoch (wenn auch mit Mühe) erkennen, dass er im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts, dass das kostenfreie Wohnen keine anrechenbare Schenkung sei, weil die Klägerin in diesem Zeitraum noch studiert und damit einen Unterhaltsanspruch gehabt habe, einen sekundären Feststellungsmangel geltend macht. Der Zweitbeklagte behauptet in der Berufung nunmehr nämlich, dass das kostenlose Wohnen in der Wohnung des Vaters deshalb als Schenkung iSd § 781 ABGB dem Nachlass zuzurechnen sei, weil die Klägerin ihre Unterhaltsberechtigung den Eltern gegenüber als Studentin längst verloren habe, da sie 11 Jahre lang für den Abschluss ihres Studiums benötigt habe. In diesem Zusammenhang meint der Zweitbeklagte, dass keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, wie lange die Klägerin einen Unterhaltsanspruch den eigenen Eltern gegenüber gehabt habe. Es sei die Feststellung zu treffen, dass die Klägerin die Wohnung bewohnt habe, als sie nicht mehr unterhaltsberechtigt gewesen sei, und die Eltern das kostenlose Wohnen und die Bezahlung der Lebenserhaltungskosten der Klägerin weit über die gesetzliche Unterhaltspflicht hinaus getragen hätten.
- Dazu ist auszuführen:
- Das Erstgericht traf zur Beurteilung einer Unterhaltspflicht dahingehend Feststellungen, dass die Klägerin 1989 maturierte und anschließend von 1989 bis 2000 studierte, wobei sie das Studium der Rechtswissenschaften 1999 abgeschlossen hat. Sie arbeitete fallweise vor und während des Studiums. Die Wohnung des Vaters bewohnte sie von Jänner 1990 bis Juni 1997. Dafür musste sie nichts bezahlen.
- Richtig ist nun, dass die Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit dann keine Schenkung bzw wirtschaftlich unentgeltliche Leistung iSd des § 781 ABGB ist, wenn sie aus einer gesetzlichen Unterhaltspflicht heraus erfolgt (vgl auch Welser, Erbrechts-Kommentar § 781 ABGB Rz 13).
- Eine einmal eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit kann (aus den unterschiedlichsten Gründen) allerdings wieder wegfallen, womit die Unterhaltspflicht der Eltern wieder auflebt (RS0047533); und zwar altersunabhängig (6 Ob 85/08f) auch durch eine spätere Aufnahme eines Studiums, wenn dadurch ein besseres Fortkommen erwartet werden kann (8 Ob 43/11y). Die Ablegung der Reifeprüfung allein genügt grundsätzlich nicht zur Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit (RS0047527). Bei einem Studium ist nicht das Lebensalter entscheidend (7 Ob 625/95), sondern kommt es regelmäßig darauf an, ob das Studium (ex post betrachtet) ernsthaft und zielstrebig betrieben wird (RS0110600; RS0117107; RS0047580), wofür die durchschnittliche Studiendauer ein Indiz ist (RS0083694). Die Gewährung von Familienbeihilfe bietet ebenfalls eine grobe Orientierung (jüngst 5 Ob 146/23s). Die Überschreitung der durchschnittlichen Studiendauer kann aus besonderen Gründen (zB Krankheit) aber gerechtfertigt sein (3 Ob 116/02h). Ist ein Kind gezwungen, wegen zu gering geleisteten Unterhalts während des Studiums einer Nebenbeschäftigung nachzugehen, ist das Eigeneinkommen zwar nicht auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen, allerdings kann sich das Kind dann wegen der sonst eintretenden Doppelbegünstigung nicht zusätzlich darauf berufen, dass es wegen dieser Nebenbeschäftigung die Studiendauer überschritten habe (6 Ob 8/17w).
- Anhand dieser Grundsätze ist im Einzelfall zu beurteilen, ob eine Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihrem Kind während des Studiums (noch) besteht oder nicht.
- Während die Klägerin zur Überlassung der Wohnung als Kindesunterhalt Vorbringen erstattete (ON 6 Seite 14 f: „Die Klägerin bewohnte diese Wohnung von 1990 bis Mai 1997. Sie studierte damals und erhielt keinen Unterhalt von den Eltern. Sie erhielt einzig die Möglichkeit, kostenlos in dieser Wohnung zu wohnen. Nebenbei musste sie stets arbeiten, um sich das tägliche Leben während des Studiums leisten zu können.“; „Die Wohnmöglichkeit in der I*straße ** ist nicht in Anrechnung zu bringen, da es sich um eine Unterhaltsleistung (Naturalunterhalt) handelte.“; Vorlage der Urkunde Beilage ./BE (Auskunft Finanzamt Österreich) „zum Beweis dafür, dass der Vater der Klägerin bis 1995 Familienbeihilfe für sie bezog, womit belegt ist, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall studierte und der Vater der Klägerin auch unterhaltspflichtig gewesen wäre. Unterhalt wurde – abgesehen vom kostenfreien Wohnen in der I*straße ** – nicht geleistet.“), trat der Zweitbeklagte diesem Vorbringen im Verfahren niemals substantiiert entgegen und wandte nicht ein, dass die Wohnmöglichkeit deshalb anzurechnen sei, weil in diesem Zeitraum keine Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber der Klägerin mehr bestanden hätte. Er behauptete lediglich, dass die Klägerin, obwohl sie die einzige der Geschwister gewesen sei, die ein Studium absolviert habe, mit Ausnahme einiger Monate nie berufstätig gewesen sei, und ihren Lebensunterhalt aus Schenkungen der Eltern bezogen habe (ON 3 Seite 2), bzw mit Ausnahme weniger Monate ihr gesamtes Leben von ihren Eltern finanziert bekommen habe (ON 8 Seite 3). Die tatsächliche Arbeitszeit der Klägerin sei vernachlässigbar, weshalb ersichtlich sei, dass sie nicht nur keine ausreichenden Mittel für den eigenen Lebensunterhalt erarbeitet habe, sondern auch, dass sie keine zusätzlichen Mittel gehabt habe, um Liegenschaften abzubezahlen (ON 12 Seite 2). Auch der Erstbeklagte reagierte auf das Vorbringen der Klägerin nur dahingehend, dass die Behauptung der Klägerin, sie habe sich (mit Ausnahme der Wohnmöglichkeit) immer selbst erhalten, im Widerspruch dazu stehe, dass das kostenlose Wohnen überhaupt eine Unterhaltsleistung der Eltern gegenüber der Klägerin darstellen könne (ON 7 Seite 7.(ON 7 Seite 7).
- Es kann nun dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin behauptete Zurverfügungstellung der Wohnmöglichkeit aus einer elterlichen Unterhaltspflicht heraus vom Zweitbeklagten zumindest schlüssig zugestanden wurde (RS0039927), wobei – auch wenn § 266 ZPO nur von Tatsachen spricht – ein Geständnis auch in Bezug auf Rechte und Rechtsverhältnisse abgelegt werden kann, sofern der „Gestehende“ versteht, welche Tatsachen die Rechte oder Rechtsverhältnisse beinhalten (RIS-Justiz RS0039945 [T15]), und daher auch die einem Rechtsbegriff zugrunde liegenden Tatsachen als zugestanden gelten, wenn die Parteien in ihrem (schlüssigen) Geständnis einfache und eindeutige Rechtsbegriffe des täglichen Lebens verwenden (6 Ob 52/14m). Sowohl in diesem Fall, in dem die Unterhaltsleistung keines Beweises mehr bedürfte (RS0039941), worauf auch im Rechtsmittelverfahren noch bedacht zu nehmen wäre (RS0040101), als auch ohne Qualifikation eines Geständnisses würde ein sekundärer Feststellungsmangel nicht vorliegen; im ersten Fall wegen der Bindung an ein Geständnis, im zweiten Fall mangels (ausreichend substantiierten) Vorbringens des Zweitbeklagten bereits im erstinstanzlichen Verfahren, was der Geltendmachung eines sekundären Feststellungsmangels aufgrund des Neuerungsverbots entgegensteht, liegt ein Feststellungsmangel doch nur dann vor, wenn trotz Vorbringens keine Feststellungen getroffen wurden (RS0053317).
- Auch der Berufung des Zweitbeklagten ist somit kein Erfolg beschieden.
- Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf §§ 50, 41 ZPO. Das Kostenverzeichnis der Erstbeklagten (erfolgreiche Berufungsbeantwortung) war insofern zu korrigieren, als nur ein Einheitssatz von 150% und nicht – wie verzeichnet – von 200% zusteht. Die Saldierung der beiden jeweils zum Erfolg führenden Berufungsbeantwortungen der Klägerin und des Zweitbeklagten resultiert in einem Überhang von EUR 168,30 (inkl USt) zugunsten des Zweitbeklagten, wobei das Kostenverzeichnis der Klägerin dahingehend zu korrigieren war, dass ihr – entgegen ihrer Verzeichnung – kein Streitgenossenzuschlag zusteht, zumal ihr in Ansehung ihrer zum Erfolg führenden Berufungsbeantwortung nur eine Partei, nämlich der die Berufung erhebende Zweitbeklagte, gegenüberstand. Ein Streitgenossenzuschlag für die nur einen Gegner betreffende Berufungsbeantwortung steht nicht zu (jüngst 3 Ob 122/23x).
- Hat das Berufungsgericht über zwei Berufungen zu entscheiden, liegt bei einem einheitlichen Anspruch nur ein Streitgegenstand vor, sodass die Revisionszulässigkeit nach der Summe der mit den Berufungen insgesamt angestrebten Änderungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu beurteilen ist (RS0042478 [T2]; vgl auch Lovrek in Fasching³ § 502 ZPO Rz 134). Die ordentliche Revision war allerdings nicht zuzulassen, da sich im vorliegenden Berufungsverfahren über die einzelfallbezogene Beurteilung des Rechtsfalls hinausgehende Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht stellten.
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