OGH 6Ob52/14m

OGH6Ob52/14m15.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J***** K*****, 2. P***** K*****, 3. G***** K*****, 4. M***** W*****, 5. F***** T*****, 6. R***** M*****, alle vertreten durch Mag. Barbara Seebacher, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Wohnbauvereinigung ***** gemeinnützige GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2013, GZ 39 R 191/12w‑13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 15. März 2012, GZ 8 C 1187/11k‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00052.14M.0515.000

 

Spruch:

I. Die außerordentliche Revision wird, insoweit sie sich gegen die Bestätigung des dem Klagebegehren der erst‑, der zweit‑, der viert‑, der fünft‑ und der sechstklagenden Partei stattgebenden Urteils des Erstgerichts richtet, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der erst‑, der zweit‑, der viert‑, der fünft‑ und der sechstklagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der von ihnen erstatteten Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der außerordentlichen Revision Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in Ansehung der drittklagenden Partei aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind in diesem Umfang weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Begründung

Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Feststellungen, die beklagte gemeinnützige Bauvereinigung habe 96,25 % der Grundsteuer für die (näher bezeichnete) Siedlung für die Geschäftsjahre 2006, 2007, 2008 und 2009 aus eigenen Mitteln zu tragen und sei nicht berechtigt, diese Steuerbelastung ‑ in welcher Verrechnungsform immer ‑ auf die Kläger zu überwälzen. Die Beklagte sei Alleineigentümerin der Baurechtseinlage ***** GB B*****. Sie habe auf dieser Liegenschaft eine Anlage von Einfamilienhäusern errichtet. Die Kläger seien Mieter/Nutzungsberechtigte von Einfamilienhäusern dieser Anlage. Mit Jahresabrechnung vom 30. 6. 2010 sei ihnen und allen anderen Siedlern eine nicht erklärbare Betriebskostennachforderung bekannt gegeben worden. Daraufhin sei ein Verfahren bei der Schlichtungsstelle eingeleitet worden. In diesem habe sich herausgestellt, dass die Beklagte es verabsäumt gehabt habe, rechtzeitig die Befreiung von der Grundsteuer zu beantragen, sodass es zu einer Nachverrechnung der Grundsteuer für die Zeit von Jänner 2006 bis Dezember 2008 gekommen sei und der Beklagten für das Geschäftsjahr 2009 die volle Grundsteuer angelastet worden sei. Erst ab 1. 1. 2010 sei die Befreiung der Grundsteuer im Ausmaß von 96,25 % bewilligt worden. Jedem ordentlichen Verwalter sei die Tatsache der Grundsteuerbefreiung über Antrag bekannt. Diesen Antrag nicht rechtzeitig zu stellen, sei grob fahrlässig. Das Verhalten der Beklagten widerspreche den Kriterien der ordentlichen Geschäftsführung und insbesondere den Aufträgen nach § 23 WGG. Kosten, die bei vernünftiger Wirtschaftsführung üblicherweise nicht aufgewendet würden, dürften nicht auf die Mieter überwälzt werden. Die Beklagte habe zunächst die Steuernachbelastung in den Betriebskosten ausgewiesen, dann aber im Zuge des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle insofern einen Schwenk vollzogen, als die Mieter aufgefordert worden seien, keine Zahlung zu leisten, sondern man werde die „Verrechnung“ über die Annuitätenverrechnung bzw Annuitätenguthaben durchführen. Die geleisteten Annuitäten bzw daraus entstehende Guthaben seien aber ausschließlich Mittel der Siedler. Die jedem Kläger theoretisch drohende Nachbelastung liege jeweils knapp über 2.000 EUR.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den von ihm festgestellten Sachverhalt würdigte es rechtlich dahin, dass den Klägern ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unzulässigkeit der von der Beklagten eingeschlagenen Vorgangsweise zuzubilligen sei, weil die Beklagte offenbar zunächst über den Weg der Betriebskostenabrechnung und davon abgehend über die Annuitätenverrechnung eine Überwälzung der Grundsteuernachforderung, die sie durch ihre schuldhafte Säumigkeit bei der Stellung eines Befreiungsantrags verursacht habe, versuche. Der Drittkläger habe zwar zugestanden, nicht Nutzungsberechtigter eines Hauses in der Anlage zu sein, es sei aber „weder die Klage eingeschränkt noch der Einwand der mangelnden Aktivlegitimation erhoben“ worden, sodass dieser Umstand nicht habe aufgegriffen werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Das Erstgericht habe unbekämpft festgestellt, dass „die Kläger“, somit auch der Drittkläger, Nutzungsberechtigte der im Spruch genannten Häuser seien. Der in der rechtlichen Beurteilung enthaltene Hinweis des Erstgerichts, der Drittkläger habe zugestanden, nicht Nutzungsberechtigter zu sein, sei nicht relevant, handle es sich doch in diesem Bezug nicht um eine abweichende Tatsachenfeststellung, die ‑ da die aktive Klagslegitimation gar nicht bestritten worden sei ‑ ohnedies als überschießend unbeachtlich wäre.

Rechtliche Beurteilung

I. Mit Ausnahme in Bezug auf den Drittkläger zeigt die außerordentliche Revision der Beklagten keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf.

Das rechtliche Interesse der Kläger zu 1., 2. und 4. bis 6. an der begehrten Feststellung liegt darin, dass die Beklagte behauptet, ihr stünde eine Forderung gegen diese Kläger zu. Zu einer Überwälzung der Grundsteuer in dem von der Klage erfassten Ausmaß und Zeitraum ist sie aber nicht berechtigt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass das rechtliche Interesse für eine negative Feststellungsklage darin liegt, dass die Beklagte das Recht behauptet (vgl RIS‑Justiz RS0039260, RS0038974, RS0039096).

II. Im Übrigen ist die Revision aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und im Sinn des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, der Drittkläger habe in der Klage behauptet, Nutzungsberechtigter zu sein, diese Behauptung aber in seiner Aussage mit dem Hinweis widerrufen, er sei irrtümlich „als Kläger geführt“ worden, Nutzungsberechtigt sei seine Frau. Dass nach diesem Rechts- und Tatsachengeständnis die Beklagte nach Ansicht der Vorinstanzen hätte sagen müssen, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation, werde von der Prozessordnung nicht gefordert.

Hiezu wurde erwogen:

Die Kläger behaupteten in der Klage, Mieter/Nutzungsberechtigte „des jeweiligen im Klagskopf ausgewiesenen Einfamilienhauses“ zu sein. Die Beklagte führte im vorbereitenden Schriftsatz ON 3 aus, es treffe zu, dass sie Alleineigentümerin der in der Klage genannten Baurechtseinlage sei und auf dieser zahlreiche Kleingartenhäuser habe errichten lassen, darunter auch die in der Klage genannten Gebäude der Kläger. Der als Zeuge vernommene Drittkläger sagte in der mündlichen Streitverhandlung am 30. 1. 2012 aus, er sei „insofern irrtümlicherweise als Kläger geführt worden, weil eigentlich meine Frau Klägerin ist und wir einen gemeinsamen Haushalt führen“. Das Erstgericht hat diese Angabe als Zugeständnis des Drittklägers, nicht Nutzungsberechtigter zu sein, verstanden; es traf aber auch die Feststellung: „Die Kläger sind Nutzungsberechtigte der im Spruch ersichtlichen Häuser.“ Die Beklagte bekämpfte diese Feststellung in der Berufung nicht. Sie machte im Rahmen der Rechtsrüge geltend, zunächst stehe einmal fest, dass der Drittkläger nicht nutzungsberechtigt sei. Es sei nicht Sache der Beklagten, sondern der Kläger Vorbringen für die materielle Berechtigung ihres Anspruchs zu erstatten. Sie sei nicht gehalten, die völlig offenkundige mangelnde Berechtigung eines Anspruchs „substantiiert“ in der Weise zu bestreiten, dass die klagende Partei veranlasst sei, ihr bislang unschlüssiges Begehren durch ein schlüssiges zu ersetzen.

Ein Geständnis iSd § 266 ZPO liegt vor, wenn der Erklärung einwandfrei zu entnehmen ist, dass bestimmte Tatsachenbehauptungen des Gegners als richtig zugegeben werden (RIS‑Justiz RS0040114). Zugestandene Tatsachen sind dem Urteil ungeprüft zugrundezulegen. Das gerichtliche Geständnis bindet das Gericht an die zugestandenen Tatsachen und schafft bezüglich dieser Tatsache ein Beweisthemenverbot. Nimmt das Gericht entgegen diesem Beweisthemenverbot Beweise auf und kommt es dabei zu vom Geständnis abweichenden Tatsachenfeststellungen, dann liegt zwar eine Verletzung einer Verfahrensvorschrift vor, die aber nicht erheblich ist. Schließlich kann ein Geständnis ausdrücklich oder schlüssig in erster Instanz bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung widerrufen werden (RIS‑Justiz RS0039949). Das Zugeständnis iSv § 266 ZPO bezieht sich auf Tatsachen. Ob jemandem ein bestimmter Anspruch zusteht („Aktivlegitimation“), ist wie jede andere Rechtsfrage einer Außerstreitstellung entzogen (4 Ob 18/13w; RIS‑Justiz RS0111277). Es gelten aber die einem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen als zugestanden, wenn die Parteien in ihrem Geständnis einfache und eindeutige Rechtsbegriffe des täglichen Lebens verwenden (RIS‑Justiz RS0111277; RS0039945). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Kläger behaupteten, Mieter/Nutzungsberechtigte ‑ Begriffe, die das WGG verwendet (vgl §§ 20 ff WGG) ‑ der von der beklagten gemeinnützigen Bauvereinigung errichteten Häuser zu sein. Die Beklagte gestand mit der Erklärung in ihrem vorbereitenden Schriftsatz ON 3 („es trifft zu, ...“) den dem behaupteten Rechtsverhältnis zugrundeliegenden Tatsachenkomplex als richtig zu. Trotz der Aussage des Drittklägers hat sie das Geständnis nicht widerrufen. Die Aussage des Drittklägers änderte ja an seinem Prozessvorbringen nichts, weil Angaben in der Parteiaussage oder in einer Zeugenaussage dieses nicht ersetzen können (RIS‑Justiz RS0038037). Sie war kein Geständnis iSd § 266 ZPO, war sie doch keine Prozesserklärung und hatte die Beklagte nicht behauptet, der Drittkläger sei nicht Nutzungsberechtigter. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat das Erstgericht ‑ bei verständiger Würdigung des Bezugszusammenhangs ‑ im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung nicht bloß einen Hinweis gegeben, sondern den aus der Aussage des Drittklägers gezogenen Schluss, dass dieser nicht Nutzungsberechtigter ist (in dem Sinn, dass die für diese Qualifikation notwendigen Tatsachen nicht vorliegen), festgestellt und gemeint, diese Feststellung sei aus rechtlichen Gründen (es sei „weder eine Klagseinschränkung noch ein Einwand der mangelnden aktiven Legitimation erhoben“ worden) bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts nicht zu beachten. Diese Feststellung ist nicht überschießend, lag es doch an der Beklagten, das Fehlen anspruchsbegründender Tatsachen zu behaupten. Das Erstgericht hat die Behauptung des Drittklägers, er sei Nutzungsberechtigter, für nicht bewiesen gehalten.

Das Erstgericht hat daher die einander widersprechenden Feststellungen getroffen, der Drittkläger sei Nutzungsberechtigter und er sei es nicht. Dieser Widerspruch steht einer abschließenden rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts, soweit es den Drittkläger betrifft, entgegen. Dies muss zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht führen, das zu beurteilen hat, ob eine Verfahrensergänzung notwendig ist oder ob es aufgrund der vorliegenden Verfahrensergebnisse entscheiden kann.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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