OLG Graz 5R176/24b

OLG Graz5R176/24b17.1.2025

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Waldner (Vorsitz), Mag. Stadlmann und Mag. Schellnegger in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren **, Angestellter, **, vertreten durch Mag. Helfried Schaffer, Rechtsanwalt in Gleisdorf, gegen die beklagte Partei Gemeinde B*, **, vertreten durch die Eger/Gründl Rechtsanwälte OG in Graz, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. C*, geboren **, Rechtsanwalt, **, wegen EUR 25.622,28 samt Anhang, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. August 2024, **-35 (Berufungsinteresse: EUR 23.122,28), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0639:2025:00500R00176.24B.0117.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren entscheidet das Gericht erster Instanz nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache (§ 52 Abs 3 ZPO).

Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO ist zulässig.

 

 

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

 

Der Kläger ist Hälfteeigentümer des im Gemeindegebiet der Beklagten gelegenen Grundstückes 2793 der KG **.

Mit Bescheid des damaligen Bürgermeisters der Beklagten vom 05. November 2015 wurde auf Antrag des Eissportvereines D* vom 18. August 2015 die Baubewilligung für die Errichtung einer Halle inkl. Überdachung (einer zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Stocksportbahn) und Zuseherraum auf dem Bauplatz, bestehend aus dem Grundstück Nr.: 2888, EZ: **, KG.: ** erteilt. Dieses (im Eigentum der Beklagten stehende) Grundstück ist nur durch ein Weggrundstück vom Grundstück des Klägers (Nr. 2793) getrennt, das dieser im August 2015 zum Hälfteeigentum erworben hatte. Auch auf der gegenüberliegenden Seite liegt ein Weg; bei den Weggrundstücken handelt es sich um die Grundstücke Nr. 2887 und Nr. 2890. Der Kläger, der im September 2015 Kenntnis von dem Bauvorhaben erlangt hatte, nahm an der Bauverhandlung nicht teil. Die Begründung des Bescheides enthält ua. Nachstehendes:

Mit der Eingabe vom 18.08.2015 hat der Eissportverein D* um die Erteilung der Baubewilligung für Errichtung einer Halle inkl. Überdachung und Zuseherraum bestehend aus den Grundstücken Nr. 2888 , EZ.: **, KG.: ** angesucht.

Hierüber wurden am 23.09.2015 und am 30.10.2015 die Bauverhandlung und der Ortsaugenschein durchgeführt, die nachstehendes Ergebnis brachten: Der Eissportverein D*, ersucht um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Halle inkl. Überdachung und Zuschauerraum auf dem Grundstück Nr.: 2888 EZ: ** der KG: **.

Das Grundstück befindet sich laut dem derzeitigen rechtsgültigen Flächenwidmungsplan: Sondernutzung Sportfläche im Freiland

Die Grundstücke haben eine Größe von 1.113,40 m2

Folgende Unterlagen liegen dem Bewilligungsansuchen bei:

Einreichplan 1 : 100, Lageplan 1:500

Baubeschreibung

Anrainerverzeichnis von Bmstr. DI **, **

 

Das Grundstück ist mit einer Stocksportanlage mit 3 Pflasterbahnen in der Größe von 30,0 m x 13,0 m bebaut. Die einzelnen Bahnen haben eine Länge von 26,0 m und einer Breite von 3,0 m. Um die Anlage sind Stahlbetonsockel in unterschiedlichen Höhen (Nordostseite und Teilbereiche der Stirnflächen h=1 ,38 m. Südwestseite und Teilbereiche der Stirnflächen 0,50 m.) errichtet. Diesbezüglich liegt eine Baubewilligung (Zahl 9/2014) der Gemeinde B* vom 22.09.2015 vor.

Geplant ist die Errichtung einer zur Gänze geschlossenen Halle über der bereits bestehenden Stocksportanlage sowie der Zubau eines geschlossenen Zuseherraumes in der Größe von 8,00 m x 11,12 m an der Südostseite der Stockschießanlage.

[…]

GUTACHTEN

Bezüglich der bei der Bauvorhandlung vorgeschriebenen Korrekturen und Änderungen wurde der Baubehörde mit 01.10.2015 ein entsprechender Austauschplan vorgelegt.

Das Straßen- Orts- und Landschaftsbild wird durch die vorgesehenen Baumaßnahmen nicht beeinträchtigt.

Nachbarrechte werden nicht berührt.

Das Bauvorhaben entspricht dem Widmungscharakter „Sondernutzung Sportfläche im Freiland“

Von Seiten des bautechnischen SV bestehen für das vorliegende Projekt keine Einwände.

Die auf dem Grundstück Nr. 2888 sodann errichtete Halle wich von dem bewilligten Plan deutlich ab und wurde um mehrere Meter verschoben errichtet, dies in Richtung des Grundstücks des Klägers. Dabei überragte das Bauwerk auch die Grundgrenzen des Grundstückes, auf dem es errichtet war.

Am 09. Jänner 2018 ersuchte der Eissportverein D* um die Erteilung der Benützungsbewilligung. Weiters wurde aufgrund von Nachbarbeschwerden über unzumutbare Lärmbelästigungen ausgehend von der Stocksporthalle von der Baubehörde der Beklagten ein Verfahren gemäß § 68 Abs 3 AVG betreffend die Abänderung des Bewilligungsbescheides eingeleitet. Der in diesem Verfahren bestellte nicht amtliche Sachverständige für Schalltechnik teilte der Baubehörde seinen Verdacht mit, dass die Lage der gebauten Pflasterbahn – und somit auch der Stocksporthalle samt Zuseherraum – um ca. 9 m von der Lage im Einreichplan abweiche.

Nach Überprüfung dieses Sachverhaltes durch die Baubehörde unter Beiziehung ua eines Ziviltechnikers für Vermessungswesen, welche neben einer Abweichung um rund 9 m auch zum Ergebnis gelangte, dass die errichtete Halle über die Grenzen des Grundstückes Nr. 2888 hinaus auf das Nachbargrundstück rage, wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Beklagten vom 16. April 2019 dem ESV D* die Benützungsbewilligung versagt und gleichzeitig ein Benützungsverbot erteilt. Zur Begründung führte der Bescheid aus, dass die festgestellten Abweichungen der Ausführung der baulichen Anlage von der erteilten Bewilligung nicht geringfügig im Sinne des § 4 Ziff 4 Stmk. BauG seien und auf Grund des Ausmaßes der lagemäßigen Verschiebung von ca. 9 m vom Vorliegen eines rechtlichen Aliud auszugehen sei. Zudem stelle die Teilfertigstellung der Außenwand einen erheblichen Mangel dar, weshalb der Schallschutz in Richtung der Anrainer nicht gegeben sei.

Der Eissportverein D* erhob gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung.

Der Gemeinderat in zweiter Instanz gab der Berufung mit Bescheid vom 12. August 2019 statt und erteilte die Benützungsbewilligung und erteilte unter einem die Baubewilligung betreffend die Planabweichungen; dies entgegen der Rechtsmeinung von Dr. F*, der zu diesem Zeitpunkt die Beklagte rechtlich beriet und die Einholung eines Vermessungsgutachtens im Rahmen eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens empfohlen hatte, und entgegen einer (nach der bezughabenden Gemeinderatssitzung erfolgten) aufsichtsbehördlichen Stellungnahme von Dr. G*, welche beide die Ansicht vertraten, dass aufgrund der Abweichungen kein baubehördlicher Konsens mehr vorliege und die Benützungsbewilligung zu versagen sei bzw. eine nachträgliche Baubewilligung für die Abweichungen bewirkt werden müsse. Beide vertraten die Ansicht, dass eine Behebung des erstinstanzlichen Bescheides bei Vorliegen eines derart klaren Aliuds als amtsmissbräuchlich anzusehen sei. Auch die Stellungnahme von Dr. G* wurde dem Gemeinderat übermittelt.

Der Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 12. August 2019 wurde in weiterer Folge vom Kläger angefochten und durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit Entscheidung vom 04. November 2019 aus formellen Gründen ersatzlos behoben.

In Reaktion auf die Aufhebung des Bescheides durch das LVwG trat der Gemeinderat der Beklagten im Oktober 2019 an den Nebenintervenienten heran, um diesen als Rechtsberater für Angelegenheiten des Gemeinderates, wie etwa Entscheidungen als Baubehörde zweiter Instanz, zu betrauen. Dem Nebenintervenienten wurde im Anschluss daran mitgeteilt, dass es um das gegenständliche Gebäude des Sportvereins B* gehe. Der Nebenintervenient wurde in weiterer Folge mit der Erstellung des Bescheidentwurfs für den Gemeinderat betreffend die Benützungsbewilligung beauftragt, wobei dies der einzige Auftrag bleiben sollte, den dieser von der Beklagten erhielt.

Im Zuge seiner Tätigkeit in dieser Sache hielt der Nebenintervenient Rücksprache mit den Gemeinderäten, der Amtsleiterin und dem Obmann des Eissportvereins; ebenso hielt er einmal telefonisch Rücksprache bei der Rechtsanwaltskanzlei H*, die den ESV D* in derartigen Angelegenheiten vertreten hatte. Auch die von dieser Kanzlei erstatteten Schriftsätze waren ihm bekannt. Dem Nebenintervenienten war bekannt, dass bei der Einholung des Lärmgutachtens der Gutachter angegeben hatte, dass das Gebäude „verschoben“ sei, konkrete Details hinsichtlich der vermuteten Abweichungen waren ihm nicht bekannt. Der Nebenintervenient verfasste sodann den Entwurf eines Berufungsbescheides, in dem er die Rechtsansicht vertrat, dass nach der Judikatur des VwGH bei einem Unterschied zwischen Plan und Text, dem Text im Zweifel der Vorrang einzuräumen sei und demnach die Benützungsbewilligung zu erteilen und das Benützungsverbot aufzuheben sei, weil – wie sich dies aus der der Begründung des Bewilligungsbescheids vom 05. November 2015 ergeben habe – die Halle auf der bereits bestehenden und bewilligten Stocksportanlage errichtet worden sei. Weiters vertrat er die Rechtsmeinung, dass das „Problem“ bzw. die Frage des (nicht) konsensgemäßen Baus in erster Linie im – zu diesem Zeitpunkt noch nicht erledigten – Verfahren iSd § 41 Abs 6 Stmk. BauG zu klären sei, das über Beseitigungsantrag des Klägers am 05. September 2019 bereits eingeleitet worden war.

Der Gemeinderat beriet über diesen Entwurf in der Gemeinderatssitzung vom 16. Dezember 2019. Schlussendlich wurde dieser mit 8 Ja- und 6 Nein-Stimmen angenommen. Bei dieser Gemeinderatssitzung wurde auch die dem Gemeinderat bekannte Problematik diskutiert, dass das Gebäude tatsächlich als Grenzüberbau errichtet sein sollte. Der auf diesem Beschluss basierende Berufungsbescheid wurde am 27. Dezember 2019 erlassen und lautet auszugsweise wie folgt:

Bescheid

Spruch

Auf Grund des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde B* vom 16.12.2019 wird über die Berufung des Eissportvereins D* vom 30.4.2019, vertreten durch dessen Obmann I*, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 16.4.2019, GZ **, mit welchem das Ansuchen des Berufungswerbers um Erteilung der Benützungsbewilligung für die mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 5.11.2015, ZI. Baubew. **, auf dem Grundstück Nr. 2888 der EZ ** KG **, bewilligte Errichtung einer Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum (Stocksporthalle) auf Grundstück Nr. 2888 der EZ ** KG ** erteilte baubehördliche Bewilligung abgewiesen wurde (Spruch I) und die Benützung der auf dem Grundstück Nr. 2888 der EZ ** KG ** befindliche Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum (Stocksporthalle) ab Rechtskraft dieses Bescheides untersagt wurde (Spruch II) gemäß § 66 Abs 4 AVG wie folgt entschieden:

a) Der Berufung gegen Spruch I des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 16.4.2019, GZ **, wird Folge gegeben und auf Grund des Ansuchens des ESV D*, vertreten durch dessen Obmann I*, wohnhaft in **, vom 9.1.2018, die Benützungsbewilligung für die mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 5.11.2015, ZI. Baubew. **, auf dem Grundstück Nr. 2888 der EZ ** KG ** bewilligte Errichtung einer Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum (Stocksporthalle), erteilt. Gleichzeitig werden die Errichtung einer Trennwand zwischen Stocksporthalle und Zuseherbereich und eines Lagerraumes als geringfügige Abweichungen von der Baubewilligung gemäß § 21 Abs 3 Stmk. BauG sowie die Mitteilung des ESV D* über die Demontage der Kochplatten zur Kenntnis genommen.

b) Der Spruch II des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 16.4.2019, GZ **, mit welchem die Benützung der auf dem Grundstück Nr. 2888 der EZ ** KG ** befindlichen Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum (Stocksporthalle) unverzüglich ab Rechtskraft dieses Bescheides untersagt wurde, wird ersatzlos behoben.

Begründung

I) Sachverhalt:

1.) Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 5.11.2015, ZI. Baubew. **, wurde dem Eisschützenverein D* die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum (Stocksporthalle) auf dem Grundstück 2888 der EZ ** KG ** erteilt.

2.) Auf Grund von Nachbarbeschwerden (Objekt **) über unzumutbare Lärmbelästigungen, ausgehend von der gegenständlichen Stocksporthalle, hat der Bürgermeister als Baubehörde I. Instanz ein Verfahren gemäß § 68 Abs 3 AVG betreffend die Abänderung des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 5.11.2015, ZI. Baubew. **, eingeleitet, jedoch nicht zu Ende geführt, da der in diesem Verfahren bestellte nicht amtliche Sachverständige für Schalltechnik der Baubehörde seinen Verdacht mitteilte, daß sich nach Überprüfung gezeigt habe, daß die Lage der gebauten Pflasterbahn und somit auch der Stocksporthalle samt Zuseherraum um ca. 9 m von der Lage im Einreichplan (Plan Nr. 1 im Einreichprojekt Nr. 15/00A, Plandatum 17.8.2015, Planer Ingenieurbüro BM DI J*, **) abweiche.

3.) Sowohl eine von der Baubehörde vorgenommene örtliche Überprüfung des vom n.a. SV für Schalltechnik mitgeteilten Sachverhaltes unter Beiziehung des n.a. SV für Bautechnik, als auch eine durch einen Ziviltechniker für Vermessungswesen vorgenommene Naturaufnahme habe diese Annahme bestätigt. In der Folge hat der Bürgermeister der Gemeinde B* mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.4.2019, GZ **, das Ansuchen des nunmehrigen Berufungswerbers um Erteilung der Benützungsbewilligung für die mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 5.11.2015, ZI. Baubew. **, auf dem Grundstück 2888 der EZ ** KG ** bewilligte Errichtung einer Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum (Stocksporthalle), abgewiesen (Spruch I) und die Benützung der auf dem Grundstück 2888 der EZ ** KG ** befindlichen Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum unverzüglich ab Rechtskraft des angefochtenen Bescheides untersagt (Spruch II). Begründend wurde unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des VwGH im wesentlichen ausgeführt, daß die beschriebenen Abweichungen der Ausführung der baulichen Anlage von der erteilten Bewilligung nicht geringfügig im Sinne des § 4 Ziff 4 Stmk. BauG sind und auf Grund des Ausmaßes der lagemäßigen Verschiebung von ca. 9 m vom Vorliegen eines rechtlichen Aliud auszugehen sei. Überdies wurde darauf hingewiesen, daß der Wandaufbau wie im Einreichplan dargestellt, noch nicht fertiggestellt sei und dadurch der Schallschutz in Richtung der Anrainer nicht gegeben sei, wobei es sich hiebei um einen erheblichen Mangel handle, der allerdings (richtigerweise) nicht als Begründung für die Nichterteilung der Benützungsbewilligung bzw. für den Ausspruch des Benützungsverbotes herangezogen wurde. Jedenfalls sei die beschriebene Abweichung vom baubehördlichen Konsens ein rechtliches Aliud und somit nicht als geringfügig im Sinne des § 4 Ziff 4 Stak. BauG zu qualifizieren, sodaß das Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung abzuweisen sei. Zum Benützungsverbot wurde ausgeführt, daß das Abweichen vom baubehördlichen Konsens für die vom Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung erfaßte bauliche Anlage eine neuerliche Baubewilligung erforderlich mache, weshalb die Benützung der baulichen Anlage zu untersagen sei.

4.) Gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 16.4.2019 hat der ESV D*, vertreten durch dessen Obmann I*, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben, wobei zusammengefaßt folgendes vorgebracht wurde: Nach Wiedergabe des Verfahrens sowohl des Baubewilligungsverfahrens, als auch des Verfahrens zur Erteilung der Benützungsbewilligung wird zum im Einreichplan dargestellten, noch nicht errichteten Wandaufbau mit 14 cm Wärmedämmung ausgeführt, daß dadurch Nachbarrechte insoferne nicht berührt würden, als dieser Wandaufbau ausschließlich im Interesse der Wärmedämmung, nicht jedoch im Hinblick auf den Schallschutz geplant wurde (wird unter Hinweis auf die OIB-Richtlinie 6 näher ausgeführt). Es handle sich daher um keinen erheblichen Mangel, der zur Abweisung der Benützungsbewilligung führen könne. Zur Abweichung der Lage des Bauobjektes gegenüber der Plandarstellung wird ausgeführt, daß zufolge Umschließung des Bauobjektes auf allen Seiten durch öffentliche Weganlage keine Nachbarrechte beeinträchtigt sein können und daß dadurch das Projekt in seinem Wesen nicht verändert werde. Es werde daher die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, weil die Baubehörde frühestens bei der Bauverhandlung am 23.9.2015 und am 30.10.2015 die Abweichung in der Situierung um mehrere Meter feststellen hätte müssen, zumal der zu überdachende Eisstockplatz zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellt war. Ferner sei es fraglich, ohne Vermessung die Abweichung des Projektes um 9 m feststellen zu können und sei dem ESV D* keine Gelegenheit gegeben worden, zu den neuen Erkenntnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die Ergebnisse der Verhandlung vom 17.1.2018 im Benützungsbewilligungsverfahren hätten in der Bescheiderledigung vom 16.4.2019 berücksichtigt werden müssen, zumal die getroffenen Auflagen innerhalb eines Monats erfüllt und der Baubehörde gemeldet worden seien. Nach den Ergebnissen der Verhandlung für die Benützungsbewilligung vom 17.1.2018 könne nur von geringfügigen Abweichungen gesprochen werden. Von einem rechtlichen Aliud zu sprechen, entziehe sich daher jeder rechtlichen Grundlage. Es werden daher die Berufungsanträge gestellt, wonach der Gemeinderat der Gemeinde B* in Stattgebung der Berufung

1.) den angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 16.4.2019, GZ **, aufheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die 1. Instanz zurückverweisen oder aber

2.) den angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 16.4.2019, GZ **, beheben und die Benützungsbewilligung gemäß Verhandlung vom 17.1.2018 erteilen möge.

II) Über diese Berufung hat der Gemeinderat in seiner nicht öffentlichen Sitzung vom 16.12.2019 wie folgt erwogen:

1.) Die Berufungsbehörde ist dazu angehalten immer in der Sache selbst zu entscheiden, soferne die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, wobei sie berechtigt ist, sowohl im Spruch, als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern (§ 66 Abs 4 AVG). Eine Behebung und Zurückverweisung eines angefochtenen Bescheides nach § 66 Abs 2 AVG ist lediglich im Lichte der Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zur Ergänzung des spruchwesentlichen Sachverhaltes vorgesehen. Die Berufungsbehörde ist der Ansicht, daß der vorliegende Sachverhalt nicht so mangelhaft erhoben ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weshalb das Berufungsbegehren, gerichtet auf Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch die I. Instanz nicht erfolgreich sein kann. Aus diesem Grunde beschäftigt sich die Berufungsbehörde mit dem weiteren Berufungsbegehren auf Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, daß die angestrebte Benützungsbewilligung für die mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 5.11.2015 bewilligte Errichtung einer Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum (Stocksporthalle) erteilt werde und das Verbot der Benützung der Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum ersatzlos behoben werden soll.

2.) Diesbezüglich kommt die Berufungsbehörde zu nachstehendem Ergebnis:

Die Baubehörde I. Instanz hat bei Prüfung des Bewilligungsbescheides vom 5.11.2015 im Vergleich mit der in der Natur auf Basis dieses Bescheides errichteten Baulichkeiten den Bewilligungsbescheid nicht richtig, sondern viel zu eng, ausgelegt. Mit der Baubewilligung vom 5.11.2015 wurde die Bewilligung für die Errichtung einer Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum auf dem Bauplatzgrundstuck 2888 der EZ ** KG ** erteilt, und zwar auf der Grundlage der mit Genehmigungsvermerk versehenen Projektunterlagen als wesentlicher Bescheidbestandteil.

Die Beschreibung des somit bewilligten Bauvorhabens führt im Bescheid zu nachstehendem Befund als entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

„Das Grundstück ist mit einer Stocksportanlage mit 3 Pflasterbahnen in der Größe von 30,0 m x 13,0 m bebaut.

Diesbezüglich liegt eine Baubewilligung (ZI. **) der Gemeinde B* vom 22.9.2015 vor.

Geplant ist die Errichtung einer zur Gänze geschlossenen Halle über der bereits bestehenden Stocksportanlage sowie der Zubau eines geschlossenen Zuseherraumes in der Größe von 8,0 m x 11,12 m an der Südostseite der Stockschießanlage“ (Seite 6 des Bescheides vom 5.11.2015).“

Im Rahmen der Bauverhandlung zu diesem Bescheid vom 5.11.2015 wurde von Seiten des Bausachverständigen auf Änderungen bzw. Korrekturen Bezug genommen, für welche am 1.10.2015 ein Austauschplan vorgelegt wurde.

3.) Gemäß § 23 Abs 3 Stmk. BauG sind Einreichpläne in technisch einwandfreier Form herzustellen. Einem Bauplan soll auf einem Blick entnommen werden können, was Gegenstand der Baubewilligung sein soll. Nur die gelb bzw. rot darstellten Baumaßnahmen sind Gegenstand der Baubewilligung (in diesem Sinne VwGH 17.12.1985, 85/05/0126), wonach die Färbelungen dem Zweck dienen, daß der Betrachter eines Bauplanes auf einen Blick erkennen kann, welche Bauteile neu geschaffen werden sollen und inwieweit der Plan bestehende Baulichkeiten wiedergibt.

4.) Auch ein Baubewilligungsbescheid bedarf im Zweifel der Auslegung. Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist als ein Ganzes zu beurteilen, wobei der Spruch und die Begründung eine Einheit bilden. Bei der Auslegung eines Bescheides ist bei einem Widerspruch zwischen Text und Plan im Zweifel dem Text des Bescheides der Vorrang einzuräumen (VwGH 27.8.2014, 2013/05/0191; 12.10.1993, 93/05/0166; 19.9.1991, 91/06/0062; 12.4.1984, 83/06/0246).

5.) Grundlage für die bauliche Entwicklung ist der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde D* vom 22.9.2015, mit welchem dem Berufungswerber die Baubewilligung für Geländeveränderung und Errichtung eines Eisstockschießplatzes mit 3 Asphaltbahnen erteilt wurde. Diese Baubewilligung war eine sogenannte „nachträgliche Baubewilligung“, zumal die mit dem Bescheid bewilligten baulichen Anlagen schon errichtet waren und somit von der Baubehörde und von den Parteien anläßlich der mündlichen Bauverhandlung bereits an Ort und Stelle zu besichtigen waren.

6.) Der Bauplatz selbst steht im Eigentum der Gemeinde B*, wobei der Berufungswerber die Genehmigung zur Verwendung dieses Grundstückes als Bauplatz für den Eisstockschießplatz erhielt. Im Einreichplan ist die Lage der Asphaltbahnen richtig dargestellt, zumal die nördliche Längsseite der Bahn ident ist mit der Straßenfluchtlinie. Allerdings verlangte die Baubehörde eine Neufassung der Plandarstellung, welche Neufassung aber eine nördliche Längskante der Bahnanlage in einem spitzen Winkel zur nördlichen Straßenfluchtlinie zeigte, welche Fehldarstellung von der Baubehörde jedoch nicht thematisiert wurde. Vielmehr wurde die Baubewilligung erteilt, wobei mit der Bewilligung vom 22.9.2015 die bereits bestehende Bahnanlage bewilligt werden sollte, was wohl unbestritten ist.

7.) Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 5.11.2015 wurde dem Berufungswerber die Baubewilligung für die Errichtung einer Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum erteilt. In diesem Baubewilligungsbescheid ist auch der wesentliche Inhalt des Verlaufs der Bauverhandlung wiedergegeben, insbesondere daß das Baugrundstück bereits mit einer Stocksportanlage mit 3 Pflasterbahnen bebaut ist und daß „die Errichtung einer zur Gänze geschlossenen Halle über der bereits bestehenden Stocksportanlage sowie der Zubau eines geschlossenen Zuseherraumes “ geplant ist.

Der Bescheidtext spricht ausdrücklich von der Überbauung einer bereits bestehenden Baulichkeit, sodaß wohl kein ernstlicher Zweifel daran bestehen kann, daß das Bescheidziel die Errichtung einer Anlage über der bestehenden Bahnanlage war. In diesem Verfahren wurde der alte (schon damals unrichtige) Austauschplan aus dem Bauverfahren für die Bahnanlage verwendet, wobei auch in diesem Verfahren die Baubehörde keinen kritischen Bezug darauf nahm.

8.) Der Bewilligungsbescheid vom 5.11.2015, GZ **, spricht ausdrücklich von der geplanten Errichtung einer zur Gänze geschlossenen Halle über der bereits bestehenden Stocksportanlage sowie einem Zubau eines geschlossenen Zuseherraumes. Dabei war die örtliche Situierung dieser bestehenden Stocksportanlage in der Natur bereits vorgegeben und somit erkennbares Zielobjekt des Bewilligungsbescheides vom 5.11.2015. Zwar war die Grundrißdarstellung als Ausschnitt in der Einreichplanung erkennbar falsch, doch nahm niemand daran Anstoß. Demzufolge ist der Widerspruch zwischen Text und Plandarstellung offenkundig und eindeutig im Sinne der Judikatur zugunsten des Textinhaltes zu lösen.

9.) Demzufolge kommt man zum Ergebnis, daß die verfahrensgegenständliche Halle entsprechend dem Textinhalt des Bewilligungsbescheides vom 5.11.2015, GZ **, konsenskonform errichtet wurde.

10.) Bei richtiger Auslegung des Bewilligungsbescheides vom 5.11.2015 ist daher davon auszugehen, daß die bewilligte Hallenüberdachung darauf abstellt, auf die in der Natur zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits bestehenden und ohnedies bereits baubehördlich bewilligten Anlagenteile (Stocksportbahnen) überbaut zu werden. Demzufolge war erklärter Entscheidungswille der Baubehörde die Überdachung der bereits bestehenden Stocksportbahnen, sodaß die Überdachung bescheidkonform ist. Aus diesem Grunde hat die Bauwerberin das Recht, sich darauf zu stützen, daß die Bauausführung bescheidkonform erfolgte und sie deshalb Anspruch auf die Erteilung der Benützungsbewilligung hat. Demzufolge war dem Berufungsbegehren auf Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, daß die Benützungsbewilligung für die mit Bescheid vom 5.11.2015 bewilligte Errichtung einer Halle inklusive Überdachung und Zuseherraum (Stocksporthalle) erteilt wird, stattzugeben.

[…]“

Dem Kläger erlangte in diesem Verfahren in weiterer Folge keine Parteistellung mehr. Eine von ihm erhobene Bescheidbeschwerde wurde durch das Landesverwaltungsgericht als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B* vom 05. März 2021 wurde in einem Verfahren im Sinne des § 41 Stmk. BauG über Antrag des Klägers vom 05. September 2019 ein Beseitigungsauftrag erlassen. Ziel des Klägers war es, den von der Halle ausgehenden Betriebslärm abzustellen. Der Eissportverein D* erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, wobei dieser mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 27. September 2021 zu LVwG **-41 nur insofern Folge gegeben wurde, als die Frist zur Beseitigung verlängert wurde. Das Landesverwaltungsgericht führte dabei zusammengefasst aus, dass die Stocksporthalle mit angebautem Zuseherraum sowohl hinsichtlich der Größe als auch der Lage eindeutig und nicht nur im Rahmen von Messungsgenauigkeiten von der erteilten Baubewilligung abweiche, sodass von einem rechtlichen aliud auszugehen sei. Weiters wurde basierend auf einem schalltechnischen Gutachten des Amtssachverständigen und einer darauf aufbauenden Stellungnahme der medizinischen Amtssachverständigen ausgeführt, dass die von der Anlage in den Nachtstunden ausgehenden Geräusche eine Gesundheitsgefährdung bewirkten, wodurch die Nachbarrechte des Klägers verletzt würden. An diesem Verfahren nahm der Kläger als mitbeteiligte Partei anwaltlich vertreten teil. In einem im Zuge dieses Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht eingeholten bautechnischen Gutachten gelangte der bautechnische Sachverständige zu dem Schluss, dass die gegenständliche Halle auf das Grundstück im Vergleich zum Einreichplan um rund 5° im Uhrzeigersinn verdreht und rund 8 m nach Ostsüdost verschoben errichtet worden sei. Zudem überbaue die Halle die Grundgrenze zum Grundstück Nr. 2887.

Der Eissportverein D* erhob hiergegen eine außerordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark, welche der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Jänner 2022 zu GZ Ra **-3 mangels Zulässigkeitsvoraussetzungen (Nichtvorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B- VG) zurückwies. Dabei führte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Begründung ua. aus:

Dabei lässt der Revisionswerber unberücksichtigt, dass die Stocksporthalle mit angebautem Zuseherraum - den unbestritten gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge - sowohl hinsichtlich der Größe als auch der Lage maßgeblich von der erteilten Baubewilligung abweicht und daher ein rechtliches aliud darstellt. Die bauliche Anlage verfügt somit über keinen Baukonsens, weshalb schon aus diesem Grund ein Beseitigungsauftrag zu erlassen wäre; eine Einschränkung der Betriebszeiten könnte an der Rechtswidrigkeit der Anlage nichts ändern.

Darüber hinaus böte § 41 Stmk. BauG auch keine Rechtsgrundlage für eine Modifikation einer Baubewilligung in dem vom Revisionswerber beabsichtigten Sinn. Gemäß § 41 Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde vielmehr - ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung - hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen oder sonstiger Maßnahmen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen.

Ein gegen jene Gemeinderäte, die für diesen Beschluss gestimmt hatten, wegen des Verdachts des § 302 StGB geführtes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Graz zu GZ ** wurde gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger aufgrund der von der gegenständlichen Halle während deren Nutzung ausgehenden Lärmemissionen eine Gesundheitsschädigung in Form einer psychischen oder physischen Beeinträchtigung erlitt.

Nach dem 27. Dezember 2019 fielen dem Kläger Anwaltskosten und Gebühren für folgende Schritte an:

• Beschwerde gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2019 (EUR 958,80 zzgl 20 % USt sowie EUR 30,00 an Barauslagen)

• Antrag im baupolizeilichen Verfahren nach § 41 Abs 6 Stmk BauG vom 24. Juli 2020 (EUR 485,40 zzgl 20% USt)

• Antrag im baupolizeilichen Verfahren nach § 41 Abs 6 Stmk BauG vom 22. September 2020 (EUR 106,80 zzgl 20% USt)

• Antrag im baupolizeilichen Verfahren nach § 41 Abs 6 Stmk BauG auf Einholung eines medizinischen Gutachtens vom 21. Oktober 2020 (EUR 487,50 zzgl 20% USt)

• Stellungnahme im baupolizeilichen Verfahren nach § 41 Abs 6 Stmk BauG vom 12. Februar 2021 (EUR 958,80 zzgl 20% USt)

• Äußerung an das LVwG Steiermark im Verfahren 50.25-1302/2021 vom 07. Juni 2021 (EUR 958,80 zzgl 20% USt)

• Beschwerdeverhandlung am LVwG Steiermark im Verfahren 50.25-1302/2021 vom 25. Juni 2021 (EUR 3.191,20 zzgl 20% USt)

• Beschwerdeverhandlung am LVwG Steiermark im Verfahren 50.25-1302/2021 vom 22. Juli 2021 (EUR 3.989,00 zzgl 20% USt).

Ebenso verwendete der Kläger von Ende 2016 bis ins Jahr 2022 rund 5 Stunden pro Woche darauf, den Betrieb der gegenständlichen Halle zu dokumentieren, wobei er dies aus eigenem Antrieb tat, ohne von Seiten der Beklagten dazu aufgefordert worden zu sein.

Mit Feststellungscharakter hielt das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung noch fest, dass dem Gemeinderat zum Zeitpunkt der Beschlussfassung die Möglichkeit, dass die Halle die Grundstückgrenzen überragte, nicht bekannt war („bekannt war, aus dem festgestellten Sachverhalt nicht hervorgeht“; Urteilsseite 23, 2. Absatz).

Mit der am 13. Oktober 2022 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu ** eingebrachten Mahnklage begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm EUR 25.622,28 samt 4% Zinsen seit 30. Juni 2022 (Verfahrenskosten EUR 16.882,28; persönliche Aufwendungen EUR 6.240,00 und Gesundheitsschäden EUR 2.500,00) zu bezahlen. Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, der Bürgermeister der beklagten Gemeinde als Baubehörde I. Instanz und deren Gemeinderat als Berufungsbehörde hätten im Bauverfahren betreffend die Errichtung einer Stocksportanlage mit einer zur Gänze geschlossenen Halle mit angebautem Zuschauerraum durch den ESV D* auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden Baugrundstück Nr. 2888 ihren Entscheidungen unvertretbare Rechtsansichten zugrunde gelegt. Bereits die (nachträgliche) Baubewilligung vom 5. November 2015 sei zu Unrecht erteilt worden, da einerseits keine Überprüfung allfälliger Immissionsbelastungen durchgeführt worden sei, andererseits die errichtete Stocksporthalle nicht dem Baubescheid entsprochen habe, weil diese teilweise auf dem Grundstück 2890 (öffentliches Gut) errichtet worden (aliud) und auch entgegen der Bewilligung eine Verschiebung von 9 m in Richtung des Grundstückes des Klägers erfolgt sei. Der Beklagten sei auch die tatsächliche Nutzung der Eisstockhalle ohne Vorliegen einer Bewilligung bekannt gewesen, sodass diese zu untersagen gewesen wäre. Erst über Veranlassung durch den Kläger sei ein baupolizeiliches Verfahren eingeleitet worden, in dem die Benützungsbewilligung in I. Instanz nicht erteilt und ein Benutzungsverbot erlassen worden sei. Die Unterlassung der Einleitung eines Verfahrens gemäß § 38 Abs. 7 Stmk BauG sei jedenfalls bereits haftungsbegründend. Die Versagung der Benützungsbewilligung und das Benützungsverbot seien durch den ESV D* bekämpft worden, wobei der Gemeinderat in seiner Berufungsentscheidung entgegen dem Rat des Gemeindejuristen, der Amtsleiterin und auch der Aufsichtsbehörde eine absolut unvertretbare Rechtsansicht vertreten habe. Mangels Parteistellung in diesem Verfahren habe der Kläger einen Antrag auf Erlassung eines Beseitigungsauftrages aufgrund der Lärmbelästigung gestellt, dem letztendlich stattgegeben worden sei. Der VwGH, der diese Entscheidung bestätigt habe, habe ausgeführt, dass die Stocksporthalle rechtlich ein aliud darstelle und daher ein Beseitigungsauftrag zu erlassen wäre. Im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 16. Dezember 2019 sei auch ausdrücklich angeführt, dass der Berufungsbescheid vom Nebenintervenienten und dem Vertreter der Bauwerberin Dr. H* für den Gemeinderat gemeinsam formuliert worden sei, was bereits eine grobe Rechtswidrigkeit darstelle. Die Vertreter der Gemeinde seien überdies längstens im Juni 2019, das heißt lange vor der Erlassung des Berufungsbescheides, darüber informiert gewesen, dass es sich um ein Aliud iSd Baugesetzes gehandelt habe.

Dem Kläger, der aufgrund des rechtswidrigen Vorgehens der Beklagten selbst das letztendlich erfolgreiche baupolizeiliche Verfahren habe anstrengen müssen, seien notwendige Kosten für die anwaltliche Vertretung von EUR 16.682,28 entstanden. Weiters habe er über einen Zeitraum von drei Jahren rund zwei Stunden pro Woche aufgewendet, um die tatsächliche Benützung der Stocksporthalle zu dokumentieren und Fotos zum Zwecke der Beweissicherung anzufertigen, weshalb unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von EUR 20,00 ein Betrag von EUR 6.240,00 geltend gemacht werde. Der Kläger sei durch die rechtswidrige Nutzung der Stocksporthalle zudem durch Lärm psychisch und physisch stark beeinträchtigt worden, sodass ihm ein Schmerzengeldbetrag von EUR 2.500,00 zustehe (vgl im Übrigen ON 1, 7 und 12 sowie Protokollseiten 2 in ON 9 und 2ff in ON 31).

Die Beklagte bestreitet das Klagsvorbringen, beantragt Klagsabweisung und wendet im Wesentlichen die Vertretbarkeit ihrer Rechtsansichten ein. Vom damaligen Bürgermeister sei eine nachträgliche Baubewilligung am 5. November 2015 erteilt worden, wobei die „Lärmthematik“ sehr wohl Thema gewesen sei. Jedoch habe der Rechtsvorgänger des Klägers auf die Einholung eines Lärmgutachtens verzichtet. Im Zuge der Setzung von Messpunkten durch den Sachverständigen sei festgestellt worden, dass die Halle geringfügig verschoben auf zwei Grundstücken errichtet worden sei. Die nicht konsensmäßige Errichtung der Halle in einem geringfügigen Ausmaß sei aber für die Lärmerregung nicht von Relevanz gewesen, weil mit der Errichtung der Halle keine wesentliche Veränderung des Vorzustandes verbunden gewesen sei. Die Baubehörde 1. Instanz habe dann auch im Zuge des baupolizeilichen Verfahrens im Jahr 2018 die Benützungsbewilligung mit Bescheid vom 16. April 2019 versagt sowie ein Benützungsverbot angeordnet und mit Bescheid vom 18. Juni 2019 einen Beseitigungsauftrag erlassen. Daher sei der Baubehörde 1. Instanz kein Vorwurf zu machen. Richtig sei zwar, dass folglich der Gemeinderat die Entscheidung des Bürgermeisters in erster Instanz aufgrund der Berufung des ESV vom 23. Juli 2019 aufgehoben habe, jedoch seien nach Auffassung des Gemeinderates ausreichende Auflagen zur Lärmverminderung, wie etwa eine Trennwand, vorgeschrieben worden. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass die versetzte Lage der Halle auf einen Widerspruch zwischen Text und Plan zurückzuführen sei, wobei im Zweifel dem Text des Bescheides der Vorrang einzuräumen sei, was von oberstgerichtlicher Rechtsprechung getragen werde. Die Beklagte sei in sämtlichen Verfahren sorgfältig vorgegangen, habe die Rechtsmeinung eines renommierten Rechtsanwaltes eingeholt, und liege in keinem Fall eine unvertretbare Gesetzesanwendung vor. Auch der Höhe nach seien die Klagsforderungen unberechtigt. Die vom Kläger beanspruchten Leistungen des Klagevertreters seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen. Zudem sei in der Mahnklage als „primär haftungsauslösendes“ Element der Berufungsbescheid vom 27. Dezember 2019 angeführt; die begehrten Kosten beträfen jedoch teilweise Leistungen bereits vor diesem Zeitpunkt. Auch die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit der Beweissicherung seien nicht ersatzfähig, weil diese nicht notwendig gewesen sei. Eine im Nachhinein über einen beschränkten Zeitraum gegebene, als unzulässig erachtete Lärmentwicklung habe bzw. könne nicht zu Gesundheitsschäden führen, die einen Ersatz für immaterielle Schäden des Klägers begründet würden (vgl im Übrigen ON 3, 8, 20 und 25 sowie Protokollseiten 3f in ON 9 und 3f in ON 31).

Der Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten – beigetreten mit Schriftsatz ON 23 - bestreitet das Klagsvorbringen, beantragt Klagsabweisung und wendet im Wesentlichen ein, seine Rechtsansicht, die zum Berufungsbescheid vom 27. Dezember 2019 geführt habe, sei nicht absolut unvertretbar. Es sei auch tatsachenwidrig, dass der VwGH die Unvertretbarkeit bestätigt habe. Er sei erst ab Oktober 2019 mit der Bauangelegenheit bzw. mit der Verfassung des Berufungsbescheidentwurfes gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 16. April 2019 befasst worden, nachdem der zuvor ergangene Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 12. August 2019 aus formalen Gründen vom LVwG ersatzlos behoben worden sei. Der Bescheid des Bürgermeisters vom 16. April 2019 habe sich darauf gestützt, dass das Gebäude der Stocksporthalle in seinen Außenmaßen oder seiner Situierung von der erteilten Baubewilligung abweiche, weshalb eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage, ob durch die Änderung in der Bauausführung betreffend den Wandaufbau öffentliche oder nachbarrechtliche Interessen berührt werden, entbehrlich gewesen sei. Dem Nebenintervenienten sei auch bekannt gewesen, dass vom Kläger bereits am 05. September 2019 ein Beseitigungsantrag iSd § 41 Abs 6 Stmk. BauG eingebracht worden sei, über den zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden gewesen sei. Der Bescheid des Bürgermeisters vom 5. November 2015 sei allerdings dergestalt formuliert gewesen, dass das Grundstück bereits mit einer Stocksportanlage mit 3 Pflasterbahnen bebaut gewesen sei und die beantragte Baubewilligung die Errichtung einer zur Gänze geschlossenen Halle über der bereits bestehenden Stocksportanlage betreffe. Nach den Recherchen und Informationen, die der Nebenintervenient erhalten habe, sei die Halle exakt über der bereits bestehenden Stocksportanlage errichtet worden. Daraus habe er rechtlich den Schluss gezogen, dass die verfahrensgegenständliche Halle entsprechend diesem Textinhalt konsenskonform errichtet worden sei; dies gestützt auf die Rechtsprechung des VwGH, wonach auch ein Baubewilligungsbescheid im Zweifel der Auslegung bedürfe (der Bescheid einer Verwaltungsbehörde sei als Ganzes zu beurteilen und bei einem Widerspruch zwischen Text und Plan sei im Zweifel dem Text der Vorrang einzuräumen). In dem vom Nebenintervenienten verfassten Bescheidentwurf sei es ausschließlich um die im Bescheid des Bürgermeisters vom 16. April 2019 aufgestellte Behauptung gegangen, dass die Bauausführung nicht der Baugenehmigung vom 05. November 2015 entspreche, was durch die zitierte Judikatur widerlegt gewesen sei. Überdies sei der Nebenintervenient der Ansicht gewesen, dass die Frage des (nicht) konsensgemäßen Baus im Verfahren iSd § 41 Abs 6 Stmk. BauG (Beseitigungsantrag) zu klären sei, was letztendlich auch der Fall gewesen sei. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 05. März 2021 sei die Beseitigung der Stocksporthalle samt Zuseherraum verfügt worden, wobei eine Beschwerde des ESV D* erfolglos geblieben sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger durch den Berufungsbescheid vom 27. Dezember 2019 geschädigt worden sei, weil zu diesem Zeitpunkt längst der Beseitigungsantrag des Klägers anhängig und letztlich erfolgreich gewesen sei (vgl im Übrigen ON 23 sowie Protokollseiten 4f in ON 31).

Mit dem angefochtenen Urteil (ON 35) weist das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab und behält die Kostenentscheidung bis zur Rechtskraft der Sachentscheidung vor. Ausgehend vom eingangs dargestellten Sachverhalt begründet es seine Entscheidung rechtlich wie folgt:

Der Bund, die Länder, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung haften nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben (§1 Abs 1 AHG).

Rechtswidrigkeit im Sinne des AHG bedeutet, dass das Verhalten eines Organs gegen Gebote und Verbote verstößt, wobei der Schutzzweck im konkreten Zusammenhang am Inhalt und Sinn der anzuwendenden Vorschriften zu messen ist. Unter Rechtswidrigkeit im Sinne des AHG fällt nicht nur die Anwendung materieller oder verfahrensrechtlicher Vorschriften der Partei des konkreten Verfahrens, sondern auch die Verletzung aller öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Normen, die eine Schädigung von Personen oder Sachen verhindern sollen (1 Ob 225/07f; 1 Ob 222/17d ua). Rechtswidriges Organverhalten in Vollziehung der Gesetze kann auch in einer Unterlassung bestehen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden gegenüber dem Geschädigten bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte. Die Beweislast dafür, dass bei gebotenem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (1 Ob 39/24b; 1 Ob 310/01x).

Amtshaftung für ein rechtswidriges Verhalten eines Organs tritt aber nur ein, wenn es auch schuldhaft gesetzt wurde. Eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände vertretbare Rechtsanwendung mag zwar rechtswidrig sein, begründet aber kein Verschulden im Sinn des § 1 Abs 1 AHG (RIS‑Justiz RS0050216). Ein Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder ständigen Rechtsprechung, das unvertretbar ist und keine sorgfältige Überlegung erkennen lässt, hat in der Regel einen Amtshaftungsanspruch zur Folge (RS0049912). Eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände vertretbare Rechtsanwendung begründet kein Verschulden im Sinne des § 1 Abs 1 AHG. Die Prüfung der Vertretbarkeit als Verschuldenselement einer Rechtsauffassung ist ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig (1 Ob 201/13k).

Der Kläger gründete seine Amtshaftungsansprüche zusammengefasst auf folgende „haftungsauslösende“ Handlungen bzw. Unterlassungen der Organe der Beklagten:

1. die Baubewilligung habe nicht erteilt werden dürfen, da schon zum Zeitpunkt der Erteilung der (nachträglichen) Baubewilligung klar sein habe müssen, dass ein Grenzüberbau und eine Verschiebung um 9 m gegenüber den planlichen Unterlagen vorgelegen hätte;

2. die Unterlassung der Einleitung eines Verfahrens gemäß § 38 Abs. 7 Stmk BauG bzw. eines amtswegigen Benützungsbewilligungsverfahrens, da die beklagte Partei es rechtswidrig bis zur Intervention durch den Kläger hingenommen habe, dass die gegenständliche Anlage unmittelbar nach Abschluss des Bauvorhabens zu Beginn des Jahres 2015 genutzt worden sei, was den Gemeinderäten bekannt gewesen sei;

3. die Berufungsentscheidung des Gemeinderates vom 27.12.2019, der eine absolut unvertretbare Rechtsansicht zugrunde liege

Zu 1. (Erteilung der Baubewilligung):

Zu dieser Thematik ist auszuführen, dass der vom Kläger in diesem Verfahren erhobene Amtshaftungsanspruch sich darauf stützt, dass die Beklagte die konsenswidrige Errichtung der Stocksporthalle – dh die Abweichung der tatsächlich errichteten Halle von der Baubewilligung – nicht bzw. nicht zeitgerecht aufgriff. Hierfür kann jedoch die Erlassung der Baubewilligung der Halle an sich nicht kausal sein, legte diese doch gerade jene Parameter fest, die die tatsächlich errichtete Halle sodann nicht einhielt. Selbst wenn, wie der Kläger vorbringt, klar sein hätte müssen, dass die Stocksportbahn (und damit die geplante Halle) in Natura „falsch“ liege, wurde diese „falsche“ Lage durch die Baubewilligung ja nicht saniert, sondern stellte diese nach wie vor – auch nach Ansicht des VwGH – ein aliud dar.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass dem festgestellten Sachverhalt auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass dem zuständigen Organ der Beklagten bei der Erteilung der Baubewilligung am 05.11.2015 ein Grenzüberbau bzw. eine planmäßige Abweichung der Stocksportbahn bekannt war, sondern geht aus diesem hervor, dass dies erst im Zuge des Verfahrens nach § 41 Stmk BauG hervorkam.

Auch hinsichtlich des monierten Nichtaufgreifens des „Lärmthemas“ im Zuge der Bewilligungserteilung wurde durch den Kläger – welcher laut Feststellungen an der Bauverhandlung, von der er in Kenntnis war, nicht teilnahm – kein weiteres Vorbringen dazu erstattet, welche schadenskausalen Schritte die Beklagte zu setzen schuldhaft unterlassen hat, wobei nochmals darauf zu verweisen ist, dass der konkrete, laut Klagsvorbringen Lärmbelästigungen verursachende Hallenbau nicht von der erteilten Baubewilligung gedeckt war.

Da der Kläger sämtliche seiner Ansprüche aus Handlungen und Unterlassungen der Beklagten betreffend die konsenswidrige Errichtung der Halle ableitet, ist eine Kausalität der Baubewilligung hierfür jedenfalls zu verneinen.

Ein amtshaftungbegründendes Fehlverhalten von Organen der Beklagten im Zusammenhang mit der Erteilung der Baubewilligung am 05.11.2015 ergibt sich daher nicht.

Zu 2. (Unterlassung der Einleitung eines Verfahrens gemäß § 38 Abs. 7 Stmk BauG):

Zum Vorwurf des Klägers, dass die Beklagte es in Folge rechtswidrig unterlassen habe, amtswegig ein Benützungsbewilligungsverfahren einzuleiten, obwohl deren Gemeinderäte als Mitglieder des ESV D* positiv davon Kenntnis gehabt hätten, dass die Anlage bereits ab Beginn des Jahres 2015 genutzt worden wäre, ist auszuführen, dass der Kläger hier bloß – der Beklagten nicht zuzurechnendes – Privatwissen einzelner Gemeinderäte behauptet. Vorbringen dazu, dass Organe der Beklagten (wie in § 1 AHG gefordert) in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten schuldhaft agierten, dh, dass mit der Vollziehung des Bauwesens betraute Organe der Beklagten pflichtwidrig die amtswegige Einleitung eines Verfahrens gemäß § 38 Abs. 7 Stmk BauG unterließen, wurde nicht erstattet.

Zum Rechtswidrigkeitszusammenhang siehe im Übrigen unten.

Zu 3. (Berufungsentscheidung des Gemeinderates vom 27.12.2019):

3.1 Zur Frage der Rechtswidrigkeit eines verwaltungsbehördlichen Bescheides:

Ist im Amtshaftungsverfahren die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage der Rechtswidrigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde oder des Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes abhängig, über die noch kein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes vorliegt, und hält das Gericht den Bescheid bzw. das Erkenntnis oder den Beschluss für rechtswidrig, so hat es, sofern die Klage nicht gemäß § 2 AHG abzuweisen ist, das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs 2 B-VG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides bzw. des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu beantragen. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und den Rechtsstreit unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden (§ 11 AHG).

Das Amtshaftungsgericht darf also die Rechtswidrigkeit von behördlichen Bescheiden bzw. Erkenntnissen und Beschlüssen der Verwaltungsgerichte seiner Entscheidung nur dann zugrunde legen, wenn der VwGH diese festgestellt hat. Es darf zwar bei selbständiger Verneinung der Rechtswidrigkeit das Amtshaftungsbegehren abweisen, ist aber nicht berechtigt, die Rechtswidrigkeit von sich aus endgültig anzunehmen (Kahl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), ABGB: Großkommentar zum ABGB - Klang-Kommentar - Amtshaftung und Staatshaftung3 (2023) zu § 11 AHG Rz 6)

Diese – zwingende – Unterbrechung findet dann nicht statt, wenn in derselben Sache bereits ohnedies eine Entscheidung des VwGH (oder des VfGH) vorliegt (Ziehensack in Ziehensack (Hrsg), AHG Amshaftungsgesetz2 (2022) § 11 AHG Rz 11). Zwar sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31.01.2022 zu GZ Ra **-3 aus, dass es sich bei der klagsgegenständlichen Halle um ein aliud handelt(e), jedoch kann dieses Erkenntnis nicht als in derselben Sache iSd § 11 AHG ergangen angesehen werden, da diese Entscheidung zu dem den 2021 erteilten Beseitigungsauftrag erging, sich der VwGH daher mit dem klagsgegenständlichen Bescheid nicht zu befassen hatte und auch keine Ausführungen zu dessen (allfälliger) Rechtswidrigkeit traf.

Vor einer Unterbrechungsentscheidung hat das Gericht zunächst selbständig zu prüfen, ob Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit eines Bescheides bestehen (RS0050179 [T1]). Diese Bedenken sind gegenständlich evident, darf doch die Benützungsbewilligung gemäß § 38 Abs 7 Z 3 Stmk BauG (idF LGBl. Nr. 117/2016 wie auch der geltenden Fassung) nicht erteilt werden, wenn Planabweichungen vorliegen, die baubewilligungspflichtig sind.

Weitere Voraussetzung einer Unterbrechung nach § 11 AHG ist aber, dass die Entscheidung im Amtshaftungsverfahren von der Frage der Rechtswidrigkeit eines Bescheids abhängen muss. Das kann in dem Sinn negativ verstanden werden, dass der VwGH dann nicht anzurufen ist, wenn die Entscheidung im Prozess nicht allein von dieser Rechtswidrigkeit abhängt, wenn also die Klage aus anderen Gründen, etwa mangels Kausalitätszusammenhangs zwischen Organverhalten und Schaden, abzuweisen ist (Kahl aaO Rz 6). Erst wenn das Amtshaftungsgericht bereits sämtliche übrigen Punkte überprüft hat, die einer Stattgebung des Amtshaftungsanspruches noch entgegenstehen könnten, hat die Unterbrechung zu erfolgen (Ziehensack aaO VI. Rechtswidrigkeit Rz 1991).

3.2 Zur Vertretbarkeit der Rechtsansicht:

Auch der Punkt der Einnahme einer unvertretbaren Rechtsansicht durch die Verwaltungsbehörde bei Erlassung des präsumtiv rechtswidrigen Bescheides ist vor einer allfälligen Unterbrechung zu prüfen (Ziehensack aaO VI. Rechtswidrigkeit Rz 1991).

Wie bereits ausgeführt, wird ein Amtshaftungsanspruch nicht durch jede rechtlich unrichtige Entscheidung begründet, sondern nur bei einem Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder ständigen Rechtsprechung, das unvertretbar ist und keine sorgfältige Überlegung erkennen lässt.

Im Vergleich zu einer „herkömmlichen“ Planabweichung lag bei dem gegenständlichen Bauvorhaben die Besonderheit vor, dass die Halle über einer in der Baubewilligung ausdrücklich referenzierten, bereits existierenden Struktur errichtet werden sollte.

In dem durch den Nebenintervenienten verfassten Entwurf für einen Berufungsbescheid samt Begründung, dessen Ausführungen sich die Beklagte mittels Beschluss des Gemeinderates zu eigen machte, wurde unter Bezugnahme auf konkret zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 12.4.1984, ZI. 83/06/2046; VwGH 19.9.1991, ZI. 91/06/0062; VwGH 12.10.1993, ZI. 93/05/0166; VwGH 27.8.2014, ZI. 2013/05/0191) die Rechtsansicht vertreten, dass bei einem Unterschied zwischen Plan und Text im Zweifel dem Text der Vorrang einzuräumen sei und demnach die Benützungsbewilligung zu erteilen und das Benützungsverbot aufzuheben sei, weil – wie sich dies aus der der Begründung des Bewilligungsbescheids vom 5.11.2015 ergebe – die Halle auf der bereits bestehenden und bewilligten Stocksportanlage errichtet worden sei.

Die zitierte Judikatur wird in dem Bescheid vom 27.12.2019 zunächst korrekt wiedergegeben. Während die Judikate 83/06/0246, 91/06/0062 und 93/05/0166 ausdrücklich auf eine Diskrepanz zwischen Bescheidspruch und Plan abstellen, sprach der VwGH in dem jüngsten bezughabenden Erkenntnis zu 2013/05/0191 allgemeiner formuliert aus, dass bei einer Diskrepanz zwischen der verbalen Beschreibung im Baubewilligungsbescheid bzw. dem Text des Bescheides und der zeichnerischen Darstellung in den genehmigten Bauplänen im Zweifel davon auszugehen ist, dass die verbale Beschreibung des Baubewilligungsbescheides maßgeblich ist.

Die zitierten Entscheidungen des VwGH behandeln zwar teils deutlich geringfügigere Diskrepanzen, die Entscheidung 2013/05/0191 etwa die Errichtung von Trennwänden, welche in einem Plan, nicht aber im Text des Bescheides verzeichnet waren, und die Entscheidung 93/05/0166 die Breite einer Stiegenanlage. Demgegenüber behandelt aber die Entscheidung 83/06/0246 die Festlegung der Lage und Größe von Freiflächen im Rahmen einer Widmungsbewilligung. Auch in der Entscheidung 91/06/0062 wird mit der Festlegung von Baugrenzlinien eine in ihrer Bedeutung mit der gegenständlichen Konstellation durchaus vergleichbare Frage behandelt.

Während dies zunächst für die Vertretbarkeit des von der Beklagten eingenommenen Rechtsstandpunktes spricht, ist doch festzuhalten, dass gegenständlich eine massive Diskrepanz vorlag – wenn auch laut Feststellungen ein Vermessungsgutachten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht vorlag, so hatten doch bereits Erhebungen stattgefunden, welche nicht nur zum Ergebnis gelangt waren, dass eine Abweichung von mehreren Metern zum Plan bestand, sondern auch, dass die Halle auf das nebenliegende Grundstück ragte.

Zutreffend verweist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf, dass es der Beklagten auch anzulasten ist, wenn diese dem Nebenintervenienten als ihrem rechtskundigen Berater die ihr dazu vorliegenden Information nicht weitergegeben hat, kommt es doch für die Frage der Haftung allein darauf an, ob der von ihr schlussendlich erlassene Bescheid auf einer objektiv unvertretbaren Rechtsansicht beruht. Dass dem Gemeinderat zum Zeitpunkt der Beschlussfassung die Möglichkeit, dass die Halle die Grundstückgrenzen überragte, bekannt war, geht aus dem festgestellten Sachverhalt hervor.

Während die im streitgegenständlichen Berufungsbescheid eingenommene Rechtsansicht im Fall einer auch derart massiven Planabweichung rein innerhalb des Grundstückes Nr. 2888 (gerade) noch als vertretbar angesehen werden könnte, kann dies bei Bestehen konkreter Verdachtsmomente, dass der errichtete Bau die Grundstücksgrenzen überragt, nicht mehr gelten: Auch bei Bezugnahme alleine auf den Text der Baubewilligung geht aus diesem jeden Zweifel ausschließend hervor, dass Bescheidgegenstand die Errichtung einer Halle auf dem Grundstück Nr.: 2888 ist.

Hinzuweisen ist diesbezüglich insbesondere auf § 66 Abs 1 AVG, wonach auch der Gemeinderat der Beklagten als Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen hat.

Für den Fall der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof stünde das über die bloße Rechtswidrigkeit hinausgehende Kriterium der Unvertretbarkeit der Rechtsansicht dem Amtshaftungsanspruch nicht entgegen.

3.3 Zum Schutzzweck der Norm (Rechtwidrigkeitszusammenhang):

Eine Haftung im Fall der Amtshaftung nach dem AHG findet nur für jene Schäden statt, die gerade in Verwirklichung jener Gefahr verursacht wurden, um deren Vermeidung Willen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten fordert oder untersagt. Die Haftpflicht des Rechtsträgers nach dem AHG erstreckt sich auf jeden, dessen Schutz die verletzte Rechtsnorm bezweckt. Der maßgebliche Normzweck bestimmt sich nach objektiv-teleologischen Gesichtspunkten. Auch für das Gebiet des Amtshaftungsrechts muss untersucht werden, welche Interessen die verletzte Norm schützen soll, damit beurteilt werden kann, ob das schadenstiftende Verhalten des Organs gegenüber den Beschädigten als rechtswidrig angesehen werden kann. Die Nichtberücksichtigung der eingrenzenden Wirkung des Rechtswidrigkeitszusammenhanges hätte gerade auch im Gebiet des Amtshaftungsrechts eine Uferlosigkeit der Haftpflicht der Rechtsträger zur Folge. Es muss daher geprüft werden, ob Pflichten der Rechtsträger nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener normiert sind. Es wird nur für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. Den Anspruch Erhebende müssen vom Schutzzweck der verletzten Norm mitumfasst sein. Daraus allein, dass eine Amtshandlung, die dem öffentlichen Interesse dient, mittelbar auch die Interessen von Dritten berührt, ihnen zugute kommt und ihnen damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil verschafft, lässt sich noch nicht auf das Vorliegen einer Amtshaftungspflicht gerade diesen gegenüber schließen (Ziehensack aaO VI. Rechtswidrigkeit Rz 2230ff mwN).

Für die Bejahung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs reicht es aber bereits, wenn die übertretene Norm die Verhinderung eines Schadens so wie des später eingetretenen lediglich mitbezweckt hat. Es bedarf also nicht der ausschließlichen Zielrichtung der verletzten öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, einen Schaden wie den später eingetretenen zu verhindern, sondern es muss dem Gesetzgeber bloß zugesonnen werden können, dass derartige Schäden auch vom Schutzzweck mitumfasst worden sein sollten (Ziehensack aaO VI. Rechtswidrigkeit Rz 2250).

Der Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm bedarf es auch bei der Beurteilung von Amtshaftungsfällen im Zusammenhang mit Baurechtsverfahren. Die vom Landesgesetzgeber ausgesprochene oder verweigerte Einräumung eines subjektiven öffentlichen Rechts bestimmter Personen (insbesondere die Berechtigung zur Verfahrensbeteiligung) stellt ein wichtiges Indiz für die Einbeziehung in den personellen Schutzbereich einer öffentlich-rechtlichen Norm dar. Daraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, die Verweigerung subjektiver öffentlicher Rechte, insbesondere die fehlende Parteistellung in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren, etwa einem Bauverfahren, bedeutete stets, dass der Schutz dieser Personen von den in Betracht kommenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht einmal mitbezweckt sei (Ziehensack aaO VI. Rechtswidrigkeit Rz 2301, 2312; RIS-Justiz RS0119571). Entscheidend für die Frage eines allfälligen Amtshaftungsanspruchs wegen vermögensrechtlicher Nachteile aufgrund behördlicher Tätigkeit ist somit stets die Ermittlung des Schutzbereichs der konkret in Betracht kommenden verwaltungsrechtlichen Norm (OGH 1 Ob 200/04z).

Die Bauordnungen (der Länder) bezwecken primär den Schutz der Allgemeinheit vor durch nicht fachgerechte Ausführung von Bauarbeiten ausgelösten Schäden. Demnach soll die Allgemeinheit etwa vor umstürzenden Gebäuden, herabfallenden Mauerteilen oder Feuer geschützt werden, nicht aber das reine Vermögen, sondern liegt insoweit allenfalls eine bloße Reflexwirkung baupolizeilicher Normen vor (vgl 3 Ob 173/23x). Jedenfalls in Ansehung von reinen Vermögensschäden ist auch bei Anrainern [...] zu fordern, dass ihnen vom Gesetz subjektiv-öffentliche Rechte eingeräumt sein müssen, um sie vom Schutzzweck von Raumordnungsgesetzen und Bauordnungsgesetzen erfasst ansehen zu können (RIS-Justiz RS0027563).

Unzweifelhaft ist der Kläger in Bezug auf die gegenständliche Halle als Nachbar iSd § 4 Z 44 Stmk BauG anzusehen und damit vom Schutzzweck zahlreicher Normen dieses Gesetzes erfasst. Zu beurteilen gilt es, ob er auch konkret vom Schutzzweck der Vorschriften über die Benützungsbewilligung (§ 38 Stmk BauG) erfasst ist.

Im Rahmen des Stmk BauG kommt dem Nachbarn weder im Benützungsbewilligungsverfahren noch im amtswegigen Verfahren über die Erteilung eines Benützungsverbots Parteistellung zu, womit zunächst indiziert ist, dass der Kläger nicht von Schutzzweck des § 38 Stmk BauG erfasst ist.

Weiters gilt zu berücksichtigen, dass das Stmk BauG dem Nachbarn mit dem Antrag auf Erlassung eines Beseitigungsauftrags gemäß § 41 Abs 6 iVm § 41 Abs 3 Stmk BauG bzw. dem Antrag auf Untersagung einer vom Baubewilligungsbescheid abweichenden Nutzung gemäß § 41 Abs 6 iVm § 41 Abs 4 Stmk BauG ausdrückliche Möglichkeiten zur Geltendmachung der hier vom Kläger monierten Abweichungen vom Baubewilligungsbescheid einräumt – wie sich aus den Feststellungen ergibt, hat der Kläger genau diese Möglichkeit auch erfolgreich genutzt.

In der Judikatur finden sich, soweit ersichtlich, nur vereinzelte Entscheidungen zum Schutzzweck des Benützungsbewilligungsverfahrens.

Zu 1 Ob 4/77 sprach der Oberste Gerichtshof zur Wiener Bauordnung aus, dass die Baubehörde, die Kenntnis von einem Bau hat, zur Abwendung von Gefahren für Leben und Gesundheit auch die Errichtung und Inbetriebnahme ungeprüfter Bauten zu verhindern hat. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Bauordnung, die die sich aus § 354 ABGB grundsätzlich ergebende Baufreiheit einschränkt und den Baubehörden die Wahrung öffentlicher Interessen in statischen Belangen, zur Gewähr der Feuersicherheit und der erforderlichen gesundheitlichen Verhältnisse [...] auftrug. Wenn Organe von Rechtsträgern schuldhaft diese ihnen vom Gesetz übertragene Wahrung der öffentlichen Interessen und damit den Schutzzweck der Bauordnung verletzten und als Folge solcher Handlungen und Unterlassungen Schäden, insbesondere am Leben und der Gesundheit von Menschen (§ 128 Abs. 1 Wr.BauO [alt]), eintraten, haften die Rechtsträger deliktisch gegenüber jedermann, dem dadurch Schaden entstand.

Zu 1 Ob 23/87 hatte der Oberste Gerichtshof zur Wiener Bau(- und Garagen)ordnung den Fall zu beurteilen, dass ein Mieter einer Wohnhausanlage Amtshaftungsansprüche wegen seines bei einem Tiefgaragenbrand zerstörten Fahrzeugs geltend machte, da die Tiefgarage den entsprechenden Vorschriften zuwider ausgeführt, aber dennoch benützungsbewilligt worden sei, und führte unter Verweis auf Judikatur des Bundesgerichtshofes aus, dass laut § 67 der Wr.BauO (alt) das Bauvorhaben von der Baubehörde dahin zu überprüfen ist, ob der geplante Bau den Bestimmungen der Bauordnung, insbesondere auch den Anforderungen der Festigkeit, der Gesundheit und der Feuersicherheit entspricht. Gleiches gilt für die Benützungsbewilligung [iSd § 128 Wr.BauO (alt)]. Vom Schutzzweck dieser Bestimmungen sind damit nicht nur diejenigen umfasst, denen gemäß § 134 Wr.BauO (alt) Parteistellung zukommt, sondern ausdrücklich auch die Benützer eines Baus. Vom Schutzzweck ist angesichts des im Wr.GaragenG verwendeten Gefährdungsbegriffes auch das entsprechend dem Zweck der Benützung eingebrachte Eigentum der Benützer, also auch die eingestellten Kraftfahrzeuge der Mieter, umfasst. Es ist anerkannt, dass die Benützungsbewilligung verhindern solle, dass ein Bau benützt wird, bevor die Benützung gefahrlos erfolgen kann. Diese Rechtslage rechtfertigt die Anwendung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall (unter weiterem Verweis auf Literatur, welche Amtshaftungsansprüche aus der Schädigung durch mangelnde Baukontrolle für Außenstehende, die im Verfahren keine Parteistellung erlangen konnten, anerkennen). Geschützt ist auch der Personenkreis, gegen den der Eingriff erst später wirksam wird.

Zwar ergingen beide ob zitierten Entscheidungen nicht zum Steiermärkischen Baugesetz, doch bieten diese dennoch Anhaltspunkte zur Auslegung desselben. Zwar verweist § 38 Stmk BauG nicht ausdrücklich auf den Schutz der Gesundheit von Menschen, doch stellt er in seinem Abs 2 augenscheinlich ebenfalls auf sichere Bauausführung und Brandschutz ab. Das erkennende Gericht gelangt daher zur Ansicht, dass auch der Schutzzweck der Regelungen zur Fertigstellungsanzeige bzw. Benützungsbewilligung nach § 38 Stmk BauG (auch in der damals geltenden Fassung LGBl. Nr. 117/2016) die Verhinderung von Schäden Dritter durch mangelhafte Ausführung des Bauwerkes, etwa durch Einsturz oder Feuer, mitbezweckt. Der in 1 Ob 4/77 verwendete Schadensbegriff – Schäden, insbesondere an Leben und Gesundheit – ist nach Ansicht des erkennenden Gerichtes jedoch unter Bezugnahme auf 1 Ob 23/87 so auszulegen, dass zwar auch Schäden durch Beschädigung von Eigentum, nicht aber schlechthin alle Schäden hiervon erfasst sind.

Im gegenständlichen Fall macht der Kläger unter anderem Schmerzengeld wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Lärm geltend; grundsätzlich also einen Schaden an der Gesundheit. Hier ist er jedoch darauf zu verweisen, dass eine Körperverletzung iSd § 1325 ABGB eine zu einer Gesundheitsstörung führende Belastung durch Lärm ist und ein Ersatz wegen Körperverletzung für etwa bloß belästigende Lärmimmissionen nicht gebührt (Hinteregger in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 1325 Rz 2). Da der Kläger den Beweis einer von ihm erlittenen gesundheitlichen Schädigung nicht erbringen konnte, kann er mit diesem Anspruch jedenfalls nicht durchdringen.

Begehrt werden weiters anwaltliche Vertretungskosten aus (laut Klagsbehauptung) wegen des rechtswidrigen Berufungsbescheides notwendig gewordenen Bauverfahren, welche der Kläger führte, sowie eigener Aufwand des Klägers in diesem Zusammenhang.

Jene Vertretungskosten, die vor dem 27.12.2019 entstanden, können denkunmöglich durch den Berufungsbescheid von diesem Tag verursacht worden sein.

Die – mangels Parteistellung unzulässige und daher zurückgewiesene – Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.12.2019 kann (als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ungeeignet) unabhängig von der Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs keinesfalls ersatzfähig sein.

Hinsichtlich des weiteren Aufwandes im Verfahren nach § 41 Abs 6 Stmk BauG ist dem Kläger zuzugestehen, dass der gegenständliche Bescheid insoweit kausal für seine weitere Verfahrensführung war, als dass durch die Bestätigung der Versagung der Benützungsbewilligung sein Ziel – die Beendigung des Betriebslärms – erreicht worden wäre und er dadurch das Verfahren nach § 41 Abs 6 Stmk BauG nicht mehr hätte anstrengen bzw. weiterführen brauchen. Jedoch stellen nach Ansicht des erkennenden Gerichtes weder die vom Kläger begehrten Vertretungskosten (der Führung genau jenes baupolizeilichen Verfahrens, welches der Landesgesetzgeber als Rechtsschutz des Anrainers gegen Abweichungen vom Baubewilligungsbescheid vorgesehen hat) noch der von ihm begehrte persönliche Aufwandsersatz Schäden dar, welche vom Schutzzweck des Benützungsbewilligungsverfahrens des Stmk BauG erfasst sind.

Zwar kam in diesem Verfahren nach § 41 Abs 6 Stmk BauG neben der aliud-Thematik auch eine Gesundheitsgefährdung durch Lärm hervor, doch reicht auch dies nach Ansicht des erkennenden Gerichtes nicht aus, um die Verfahrenskosten in den Schutzzweck des § 38 Stmk BauG einzubeziehen, insbesondere da nicht festgestellt werden konnte, dass der Kläger Gesundheitsschäden erlitt.

Zudem ist ein (unter Vorbehalt einer entsprechenden Feststellung des VwGH) haftungsbegründendes Fehlverhalten der Beklagten alleine im Zusammenhang mit dem aliud ersichtlich; die vom Kläger monierte Lärmbelästigung führte, wie sich aus den Feststellungen ergibt, zu einem Tätigwerden der Beklagten, welches schlussendlich in der Erlassung des Beseitigungsauftrages endete. Eine Zurechnung allenfalls vom Schutzzweck des Baubewilligungsverfahrens erfasster Schäden aufgrund von Lärmimmissionen würde wohl den Adäquanzzusammenhang überspannen.

Im Ergebnis war das Klagebegehren daher aus obigen Erwägungen abzuweisen.

Eine Unterbrechung nach § 11 AHG sowie eine konkrete Auseinandersetzung mit Höhe und Zweckmäßigkeit der Klagspositionen konnte daher unterbleiben.

Die Kostenentscheidung wurde gemäß § 52 Abs 1 und 2 ZPO vorbehalten, weil dies aus Gründen der Verfahrensökonomie zweckmäßig erschien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Berufung des Klägers (ON 36), mit der er die Abänderung des bekämpften Urteils dahin verfolgt, dass die Beklagte schuldig erkannt werde, ihm EUR 23.122,28 samt 4% Zinsen seit 30. Juni 2022 zu bezahlen. Die Abweisung von EUR 2.500,00 lässt er unbekämpft.

Mit ihren Berufungsbeantwortungen beantragen die Beklagte (ON 38) und der Nebenintervenient (ON 39), dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung, über die gem § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden kann, ist nicht berechtigt.

1.1. Der Kläger lässt die Abweisung des seines angeblichen Gesundheitsschäden betreffenden Klagebegehrens von EUR 2.500,00 samt Anhang und damit übereinstimmend die dieses nicht unterstützende Negativfeststellung des Erstgerichts (Urteilsseite 15, Mitte) unbekämpft, weshalb darauf infolge Rechtskraft nicht mehr einzugehen ist.

1.2. Eine Tatsachen- und Beweisrüge erhebt der Kläger nicht, sodass das Berufungsgericht den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt übernehmen und seiner eigenen Entscheidung zugrunde legen kann (§ 498 Abs 1 ZPO).

2.1. Das Berufungsgericht erachtet die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe für zutreffend, sodass grundsätzlich auf diese verwiesen werden kann (§ 500a ZPO). Ergänzend sei auf Nachfolgendes hingewiesen:

2.2. Der Berufungswerber bringt in seinem Rechtsmittel zunächst vor, weder die Beklagte noch der auf deren Seite beigetretene Nebenintervenient hätten bestritten, dass die geltend gemachten Schäden vom Schutzzweck der entsprechenden Normen des Steiermärkischen Baugesetzes umfasst seien, und es sei auch von diesen keinerlei in diese Richtung deutendes Sachvorbringen erstattet worden. Stattdessen sei lediglich das haftungsbegründende Verschulden der Beklagten – die Rechtsansicht ihrer Organe wäre vertretbar gewesen – bestritten worden. Der Beklagtenvertreter habe in der Streitverhandlung vom 26. Februar 2024 sogar ausdrücklich vorgebracht, dass es im gegenständlichen Verfahren allein um die Rechtsfrage gehe, ob die Rechtsansicht, die der Gemeinderat in seiner Berufungsentscheidung zugrunde gelegt habe, absolut unvertretbar gewesen sei oder nicht.

2.3.1. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang sodann darauf verweist, dass nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0083783) die Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Prüfung des Sachverhalts dort ende, wo ein Vorbringen der Parteien (wegen des Neuerungsverbots: in erster Instanz) überhaupt nicht vorliege, oder trotz richterlicher Anleitung nicht so konkretisiert werde, dass eine Überprüfung möglich sei, verkennt er die Natur der Lehre des Schutzzwecks einer Norm im Schadenersatzrecht. Sowohl die Frage der Adäquanz als auch jene des Rechtswidrigkeitszusammenhang sind nebeneinander zur Haftungsbegrenzung heranzuziehen, wobei bei Ersterer die Gefährlichkeit eines konkreten Verhaltens hinsichtlich eines bestimmten Schadens ex ante beurteilt, während die Normzweckprüfung generell-abstrakt darauf abstellt, welche Schäden durch eine Vorschrift verhindert werden sollen. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nämlich nur für jene verursachten Schäden zu haften, deren Verhinderung die übertretene Verhaltensnorm bezweckte. Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens ist dabei stets „absolut“, während demgegenüber die Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang (Schutzzweck der Norm) sachgerechte Einschränkungen bietet, um die Uferlosigkeit von Ersatzansprüchen zu vermeiden. Der Schutzzweck der verletzten Normen (Rechtswidrigkeitszusammenhang) stellt somit ein selbständiges Abgrenzungskriterium der Schadenersatzhaftung neben der Rechtswidrigkeit und der Kausalität dar, wobei sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung vom Schutzzweck erfasst sein müssen (Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1295 Rz 21). Gerade im Bereich des Amtshaftungsrechts gilt, dass die verletzte Vorschrift auch den Zweck haben muss, den Geschädigten vor den schließlich eingetretenen Nachteilen – hier reine Vermögensschäden - zu schützen (RS0050038 [T1]), um eine Uferlosigkeit der Haftpflicht zu verhindern. Dabei ist die Normzweckprüfung teleologisch ausgerichtet und stellt primär darauf ab, welcher Zweck mit der in ihrem primären Normgehalt festgehaltenen Anordnung zumindest (mit-)verfolgt wird. Nicht jeder Schutz, den eine Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von deren Schutzzweck erfasst (vgl RS0027553 [T14]; RS0022813 [T10, T16]; RS0031143 [T7, T19, T22]; 1 Ob 223/22h).

2.3.2. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers bedarf die Prüfung des Rechtswidrigkeitszusammenhanges keiner – weder rechtlicher oder tatsächlicher - Einwände durch den Schädiger, sondern stellt vielmehr eine von Amts wegen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu prüfende weitere Haftungsvoraussetzung dar (vgl in Rummel, ABGB3 § 1295 Rz 6ff). Ähnlich der Adäquanz liegt es dabei am klagenden Geschädigten, - sofern denkbar – tatsächliche Nachweise zu erbringen, dass ein konkret eingetretener Schaden auch vom Schutzzweck der übertretenen Norm verhindert werden soll.

2.3.3. Dem Berufungsvorbringen in Punkt II.a. ist daher nicht zu folgen.

2.4.1. Sodann wendet sich der Kläger gegen die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach sowohl die begehrten Vertretungskosten als auch der persönliche Aufwandsersatz keine Schäden darstellen würden, die vom Schutzzweck des Benützungsbewilligungsverfahrens des Steiermärkischen Baugesetzes erfasst seien. Er habe zumindest zunächst im Bewilligungsverfahren Parteistellung gehabt, da im (ersten) Benützungsbewilligungsbescheid des Gemeinderates in Wirklichkeit eine Baubewilligung erteilt worden sei (hinsichtlich einer Trennwand zwischen Stocksporthalle und Zuseherbereich sowie eines Küchen-Schankbereichs und eines Lagerraums). Bei der Beurteilung sei somit zu berücksichtigen, dass im Verfahrensverlauf der Kläger seine Parteistellung aus rein formalrechtlichen Gründen durch den nunmehr haftungsauslösenden Bescheid verloren habe, was am prinzipiellen Schutzzweck des Benützungsbewilligungsverfahrens bei Eingriff in subjektiv öffentlich-rechtliche Rechte des Nachbarn nichts ändere. Trotz der – aus formalen Gründen – weggefallenen Parteistellung liege auch keineswegs eine reine Reflexwirkung der Bestimmung des § 38 Stmk. BauG auf den Nachbarn vor, sondern werde bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Schutz des Nachbarn auch für reine Vermögensschäden jedenfalls mitbezweckt. Betrachte man die Regelung des § 38 BauG, bezwecke diese keineswegs nur die Verhinderung von Schäden Dritter durch mangelhafte Ausführung des Bauwerks, etwa durch Einsturz oder Feuer. Die Voraussetzungen des § 38 BauG mögen auf den ersten Blick „die Allgemeinheit“ schützen, würden sich aber natürlich primär auf die Bewohner bzw. Nutzer des Bauvorhabens beziehen. In Ansehung eines Nachbarn, dessen Liegenschaft schon per definitionem in unmittelbarer Nähe des Bauvorhabens liege, sei jedenfalls ein viel engerer Bezug zum Bauvorhaben gegeben, als hinsichtlich der Allgemeinheit. Gerade der Schallschutz, der in Verbindung zum Abstand stehe, habe sich im nachfolgenden, vom Kläger eingeleiteten Verfahren als relevant dargestellt, da sogar eine Gesundheitsgefährdung festgestellt worden sei, und es sei einem Nachbarn keineswegs zuzumuten sei, mit der Geltendmachung seiner Rechte zuzuwarten, bis tatsächlich ein Gesundheitsschaden eintrete. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung seien daher nicht nur tatsächliche Gesundheitsschäden vom Schutzzweck erfasst, sondern erstrecke sich dieser auch auf reine Vermögensschäden hinsichtlich des (zuletzt auch erfolgreichen) Aufwandes zur Verhinderung von solchen. Zusammengefasst bestehe daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ein Rechtswidrigkeitszusammenhang, da durch die Bestimmungen zur Benützungsbewilligung im Steiermärkischen Baugesetz auch reine Vermögensschäden des Nachbarn umfasst seien, dies insbesondere jedenfalls dann, wenn es sich um Schäden handle, die der Verhinderung bzw. Abwehr einer Gesundheitsschädigung bei vorliegender Gesundheitsgefährdung dienten.

2.4.2. Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen der Haftung der Beklagten als Gemeinde kann zunächst auf die zutreffenden grundsätzlichen Ausführungen des Erstgerichtes verwiesen werden. Gerade in diesem besonderen Schadenersatzbereich hat sich der Oberste Gerichtshof wiederholt in jüngster Zeit mit der Frage der Begrenzung der Haftung durch den Schutzzweck der Norm auseinandergesetzt (1 Ob 77/24s, 1 Ob 193/23y und 1 Ob 223/22h), wobei er unter anderem Folgendes (1 Ob 193/23y) ausgeführt hat:

„1.1. Ein rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln in Vollziehung der Gesetze, das den Rechtsträger gemäß § 1 AHG zum Schadenersatz verpflichtet, kann auch in einer Unterlassung liegen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (RS0081378).

[14] Auch bei Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen haftet der Rechtsträger für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten seiner Organe nur dann, wenn die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade auch den eingetretenen Schaden verhindern sollte (RS0031143). Für die Annahme des erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs genügt angesichts der in der Regel primär öffentliche Interessen wahrenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften zwar, dass die Verhinderung eines Schadens beim Dritten bloß mitbezweckt ist, die Norm muss aber die Verhinderung eines Schadens wie des später eingetretenen intendiert haben (RS0031143 [T5]). Es wird für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat (RS0031143 [T14]).

[15] Die Nichtberücksichtigung der eingrenzenden Wirkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs hätte gerade auch im Gebiet des Amtshaftungsrechts eine Uferlosigkeit der Haftpflicht der Rechtsträger zur Folge (RS0031143 [T7]; RS0050038 [T29]). Es muss daher geprüft werden, ob Pflichten der Rechtsträger nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener normiert sind (RS0031143 [T11]; RS0050038 [T27]).

[16] 1.2. Der Begriff „Allgemeinheit“ beschreibt „eine große und unbestimmte Zahl von Personen“ (RS0049993). Der Allgemeinheit steht begrifflich der Einzelne oder auch eine abgrenzbare bestimmte Gruppe von Personen gegenüber. Zur Klärung der Frage, ob Pflichten der Rechtsträger nur Interessen der Allgemeinheit oder auch einzelner Betroffener berühren, ist auf den Normzweck abzustellen. Nicht jeder Schutz, den die Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von deren Schutzzweck erfasst (RS0027553 [T14]; RS0031143 [T7, T19, T22]).

[17] 1.3. Im Rahmen der Amtshaftung wird die Frage, ob eine Norm (auch) den Schutz des Geschädigten (mit-)bezweckt, im Allgemeinen dann bejaht, wenn bereits eine rechtliche Sonderverbindung zwischen dem Rechtsträger und dem Betroffenen bestand (RS0049993). Das Bestehen eines subjektiven öffentlichen Rechts oder einer rechtlichen Sonderbeziehung ist aber nicht unbedingt Voraussetzung für die Bejahung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs. Maßgebend ist vielmehr der im Einzelfall durch Auslegung zu ermittelnde Zweck der übertretenen Norm, der sich aus historischer oder objektiv-teleologischer Interpretation ergeben kann (1 Ob 199/22d mwN).

[18] Werden etwa Pflichten der Vollziehung zur Verhinderung von Schäden durch (konkret bezeichnete) gefährliche Sachen oder Menschen angeordnet, so ist anzunehmen, dass diese Pflichten jene Personen schützen sollen, die mit den jeweiligen Gefahrenquellen in Berührung kommen. Dieser Grundsatz betrifft so verschiedene Konstellationen wie die das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) treffenden Aufsichts-, Überwachungs- und Informationspflichten nach dem Medizinproduktegesetz (1 Ob 39/23a), die Überprüfung des Einhaltens von Auflagen nach Betriebsanlagenrecht (1 Ob 16/92), die Überprüfung von Kraftfahrzeugen nach § 57a KFG (RS0022886) oder die Unterbringung einer Person wegen Fremdgefährlichkeit (1 Ob 247/98z). Entscheidend ist in diesen Fällen, dass kein anderer Normzweck erkennbar ist als gerade der Schutz jener Personen oder Sachen, die mit den jeweiligen Gefahrenquellen in Berührung kommen; dass also gerade kein darüber hinausgehender, tatsächlich eine unbestimmte Zahl von Personen erfassender Gesetzeszweck vorliegt (1 Ob 199/22d).“

2.4.3. Das Erstgericht vertritt in der angefochtenen Entscheidung die Rechtsansicht, dass das in § 38 Stmk. BauG geregelte Benutzungsbewilligungsverfahren (Fertigstellungsanzeige) nicht den Zweck verfolgt, reine Vermögensschäden von Nachbarn, die in Verfahrenskosten und Aufwendungen für andere baurechtliche Verfahren, welche dasselbe Bauprojekt betreffen, bestehen, zu verhindern. Dabei kann es als im Berufungsverfahren unstrittig – vgl Berufungsseite 6 - angesehen werden, dass – gedeckt durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Schwarzbeck/Freiberger/Scharfe/Jansche, Stmk. BauG, Rz 13ff zu § 38 BauG) – dem Nachbarn im Verfahren nach § 38 Stmk. BauG grundsätzlich keine Parteistellung zukommt, sofern nicht gleichzeitig mit der Benützungsbewilligung auch eine Baubewilligung erteilt wird, die ein Nachbarrecht beeinträchtigen kann. Diesbezüglich verweist der Kläger zutreffend auf den ersten Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 12. August 2019, der allerdings gerade deshalb aus formellen Gründen infolge der Berufung des Klägers ersatzlos behoben worden ist. Im weiteren Verfahren (Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 27. Dezember 2019) kam dem Kläger dann unstrittig keine Parteistellung mehr zu. Wenn dieser nun im vorliegenden Verfahren gerade dessen unvertretbare Rechtsansicht als Haftungsgrundlage aufgreift, um darauf seine Ersatzansprüche zu stützen, so ist dabei entgegen den Berufungsausführungen hier seine nun mangelnde Parteistellung zu beachten und die vormals vorhandene unberücksichtigt zu lassen.

2.4.4. Im Übrigen kann die Berufungsargumentation des Klägers insofern nicht überzeugen, als sie das grundsätzliche System des Steiermärkischen Baugesetzes außer Betracht lässt. Dieses definiert sowohl derzeit als auch in den auf die jeweiligen Rechtshandlungen der Beklagten anwendbaren Versionen grundsätzlich in § 26 Abs 1 die Nachbarrechte (dabei wird das reine Vermögen nicht als Interesse genannt) und regelt in § 27 die Parteistellung im Baubewilligungsverfahren (II. Abschnitt), in dem ein Nachbar (Definition in § 4 Z 44) zu bestimmten Zeitpunkten bei sonstigem Verlust seiner Parteistellung Einwendungen im Sinn seiner Rechte nach § 26 Abs 1 Stmk. BauG erheben kann. Im Unterschied dazu befasst sich § 38 Stmk. BauG mit der Benützungsbewilligung bzw Fertigstellungsanzeige und sieht dabei keine Beteiligung der Nachbarn vor, wenngleich nach Abs 7 leg cit die Untersagung der Benutzung einer baulichen Anlage geregelt wird. Demgegenüber räumt sodann § 41 Abs 6 Stmk. BauG den Nachbarn im Rahmen ihrer bereits im Bewilligungsverfahren zu beachtender Rechte nach § 26 Abs 1 Stmk. BauG die Möglichkeit ein, baupolizeiliche Aufträge (Baueinstellung oder Baubeseitigung) zu beantragen.

Als Sinn des Benutzungsbewilligungsverfahrens ist daher festzustellen, dass das Bauvorhaben bewilligungsgemäß ausgeführt worden ist und öffentliche Interessen einer Benützung nicht entgegenstehen (Hauer, Der Nachbar im Baurecht6, 502). Den Nachbarn kommt dabei keine Parteistellung zu; sie werden dem Verfahren gar nicht beigezogen und über eine Benützungsbewilligung nicht informiert (Illedits/Illedits-Lohr, Handbuch zum Nachbarrecht4, 3/170).

Bereits aus dieser Aufstellung ergibt sich, wie das Erstgericht zutreffend festgehalten hat, dass im Baubewilligungsverfahren und danach im Verfahren zur Erlassung von baupolizeilichen Maßnahmen den Nachbarn im Rahmen ihrer Rechte Parteistellung zuerkannt wird, während dies für die Erteilung der Benützungsbewilligung eben nicht vorgesehen ist. Diese Wertung spricht unter Bedachtnahme auf die zitierte oberstgerichtlichen Judikatur gegen eine Haftung der Beklagten für die Klagsansprüche aufgrund von unvertretbaren Rechtsakten im Verfahren betreffend die Benützungsbewilligung. Sowohl der persönliche, der sachliche als auch der modale Schutzbereich (vgl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1295 Rz 22) des § 38 Stmk. BauG umfassen nicht die klagsweise geltend gemachten Ansprüche aus dem Verfahren nach § 41 Stmk. BauG. Dabei ist zu bedenken, dass § 26 Stmk. BauG ausdrücklich nicht alle Rechte einer Person als im Bauverfahren von Relevanz definiert, der Nachbar im Verfahren nach § 38 Stmk. BauG keine Parteistellung genießt und wohl auch das Entstehen von Verfahrenskosten in einem anderen baurechtlichen Verfahren eine Gefahr darstellt, die die Erteilung der Benutzungsbewilligung verhindern will. Gerade die Gefahr der Uferlosigkeit der Haftung im Nachbarschaftsrecht spricht gegen den Ersatz von reinen Vermögensschäden von Nachbarn aufgrund von Rechtsverletzungen im Benutzungsbewilligungsverfahren, wobei die eigentliche Ursache für den Aufwand des Klägers in dem mangels Bekämpfung rechtskräftigen, aber unrichtigen Baubewilligungsbescheid zu sehen ist.

2.4.5. Zusammenfassend kann daher die in der Berufung vertretene Ansicht, dass die Bestimmungen des Stmk. BauG über die Erteilung der Benützungsbewilligung auch reine Vermögensschäden der Nachbarn schützen sollen, schon deshalb nicht überzeugen, da eine Beteiligung der Nachbarn darin nicht vorgesehen ist und deren Nachbarrechte auch nicht das reine Vermögen erfassen.

2.5.1. Unter dem Berufungspunkt II.C. bringt der Kläger vor, dass er sich bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf eine Untätigkeit der Behörde gestützt habe, da das Benützungsbewilligungsverfahren bzw. ein Benützungsuntersagungsverfahren nicht binnen angemessener Frist eingeleitet worden sei. Er bzw. sein Vertreter hätten in den Besprechungen (Kommissionen vom 27. September 2018 bis 12. April 2019) Druck auf die Gemeinde zur Weiterführung und zum Abschluss des Verfahrens nach § 68 Abs 3 AVG bzw des Benutzungsbewilligungsverfahrens über Antrag des ESV gemacht, was schließlich nach der letzten Besprechung zum Bescheid vom 16. April 2019 geführt habe. Diese Leistungen seien daher jedenfalls bei richtiger rechtlicher Beurteilung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. In diesem Zusammenhang läge daher auch ein sekundärer Feststellungsmangel vor, zumal die Kosten dieser Kommissionen aus der unbestrittenen Beilage ./C mit EUR 2.108,16 (darin EUR 351,36 an 20%iger USt) nicht festgestellt worden seien.

2.5.2. Zunächst ist klarstellend festzuhalten, dass sich der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren auf mehrere haftungsauslösende Verhaltensweisen der Beklagten – teilweise eher unkonkret – bezogen hat, worunter nicht nur die angebliche Untätigkeit der Behörde, sondern auch die Unrichtigkeit der Baubewilligung für die Halle (der Grenzüberbau wäre bereits ersichtlich gewesen) behauptet worden ist.

2.5.3. Tatsächlich kann der Kläger keine Ansprüche aus den fehlerhaften Baubewilligungen für seine Ansprüche ableiten, da aufgrund der Verfahrensergebnisse (Feststellungen und unstrittige Parteienbehauptungen) davon auszugehen ist, dass dieser gemäß § 26 Stmk. BauG seine Parteistellung als Nachbar verloren hat. Zum einen hat sein Rechtsvorgänger keine Einwendungen gegen die Bauprojekte erhoben, zum anderen hat sich der Kläger trotz Kenntnis von den Bauverhandlungen an diesen nicht beteiligt. Dementsprechend sind die beiden Baubewilligungen mangels Rechtsmittel auch in Rechtskraft erwachsen. Sofern sich ein Schaden des Klägers nun aus diesen ergäbe, scheidet bereits deshalb eine Haftung der Beklagten aus.

2.5.4. Für die Annahme einer haftungsbegründenden Untätigkeit der Gemeinde liegen wiederum keine ausreichenden Verfahrensergebnisse und damit im Einklang keine Feststellungen vor. Aufgrund der rechtskräftigen Baubewilligungen der Halle und der Bahnen konnte die Beklagte zunächst von der Rechtmäßigkeit der Halle ausgehen, wobei eine Benutzung der Halle vor der begehrten Benützungsbewilligung vom Erstgericht nicht festgestellt werden konnte. Selbst wenn nun die beiden Kommissionen des Klagsvertreters zur Gemeinde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für den Kläger gewesen sind, bedeutet dies noch nicht, dass sie im Sinne des AHG ersatzfähig sind. Wie bereits ausgeführt kommt als Haftungsgrundlage die unrichtige Baubewilligung nicht in Betracht, während eine Untätigkeit im Sinn des § 38 Abs 7 Stmk. BauG wiederum am nicht vorliegenden Rechtswidrigkeitszusammenhang des Benützungsbewilligungsverfahrens scheitern muss. Dementsprechend bedarf es zur rechtlichen Beurteilung auch nicht der begehrten ergänzenden Feststellung, die nur die Höhe des Schadens, nicht aber Umstände, aus der sich eine haftungsbegründende Untätigkeit der Gemeinde ergeben würde, betrifft. Solche werden in der Berufung letztlich auch nicht konkret behauptet.

2.6.1. Abschließend wehrt sich der Kläger dagegen, dass die Kosten für die Beschwerde vom 30. Jänner 2020 laut Erstgericht nicht ersatzfähig seien, da sie aufgrund der Zurückweisung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient hätte. Bei einem Amtshaftungsanspruch habe der Geschädigte mit allen Mitteln im Verwaltungswege zu versuchen, den drohenden Schaden abzuwenden, d.h. ihn treffe diesbezüglich eine „Rettungspflicht“. Diese Beschwerde sei mangels Feststellung keineswegs aussichtslos gewesen. Im Rahmen eines sekundären Feststellungsmangels werde daher auch die ergänzende Feststellung der Kosten für diese Beschwerde aus dem unbestrittenen Kostenverzeichnis Beilage ./C mit EUR 1.1150,56 begehrt.

2.6.2. Bei § 2 Abs 2 erster Fall AHG handelt es sich um eine Spezialisierung der sich aus dem ABGB (§§ 403, 1036, 1043, 1304 ABGB) ergebenden Schadensminderungspflicht mit der für das Amtshaftungsrecht besonderen Rechtsfolge, dass der Schaden bei einer Verletzung dieser Rettungspflicht zur Gänze entfällt. Im Falle einer Verletzung der Rettungspflicht kann ein Amtshaftungsanspruch nur dann entstehen, wenn die unterlassene Abhilfemaßnahme ungeeignet gewesen wäre, den Eintritt des Schadens noch zu verhindern. Die vorherige erfolglose Ergreifung eines in Betracht kommenden Rechtsbehelfes oder die Aussichtslosigkeit, dass dieser Rechtsbehelf den Schaden noch abwenden hätte können, ist anspruchsbegründendes Element einer Amtshaftung. Es kommt darauf an, dass ein Rechtsbehelf bestand, der seiner Art nach abstrakt die Möglichkeit geboten hat, den Schaden zu verhindern. Nur offenbar aussichtslose Abhilfemaßnahmen lassen die Rechtsfolgen des § 2 Abs 2 AHG nicht eintreten. Dies ist dann der Fall, wenn ein bestimmter Rechtsbehelf schon nach seiner abstrakten Wirkungsmöglichkeit zur Schadensabwehr ungeeignet war (Schragel, AHG3, Rz 181f; RS0052920, RS0108078, RS0053073, RS0108035, RS0043435, RS0027565 [T 2], RS0053128 [T 6]). Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 2 AHG hat das Gericht schon im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung Bedacht zu nehmen und zwar auch dann, wenn ein (aktenkundiges) Fehlverhalten vom beklagten Rechtsträger gar nicht eingewendet wurde (Schragel, aaO, Rz 182; RS0109421).

2.6.3. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, hatte der Kläger als Nachbar gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 27. Dezember 2019, der keine Baubewilligung mehr enthielt, mangels Parteistellung im Verfahren zur Erteilung der Benutzungsbewilligung keine Möglichkeit, ein Rechtsmittel zu erheben. Die dennoch von ihm erhobene Berufung, deren Kosten er nun ersetzt begehrt, war somit jedenfalls aussichtslos und daher auch nicht zur Einhaltung der Rettungspflicht im AHG nötig. Damit scheidet eine Ersatzpflicht aus und fällt die rechtliche Relevanz der in diesem Zusammenhang begehrten ergänzenden Feststellung ebenso weg.

2.7.1. Der Nebenintervenient wendet in seiner Berufungsbeantwortung weiterhin ein, dass der Gemeinderatsbeschluss von Dezember 2019 bzw die von ihm stammende Begründung desselben keine unvertretbare Rechtsansicht darstelle. Obwohl es darauf infolge des Fehlens des Rechtswidrigkeitszusammenhanges nicht mehr ankommt, sei der Vollständigkeit halber noch Folgendes festgehalten:

2.7.2. Im Amtshaftungsverfahren ist bei inkriminierten Rechtsanwendungen zu klären, ob die Entscheidung bzw das Verhalten auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruht (stRsp; RS0049955 [T2, T7 und T8]; jüngst 1 Ob 23/21w, 1 Ob 131/20a uva). Geht es dabei um die Beurteilung von Rechtsfragen, ist ein Verschulden (bloß) dann zu bejahen, wenn der beanstandeten Entscheidung keine nach den jeweiligen Umständen vertretbare Rechtsansicht zugrunde liegt (stRsp; RS0049955 und RS0050216 insb [T5]; jüngst 1 Ob 24/21t uva). Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn von einer klaren Gesetzeslage oder der ständigen (höchstgerichtlichen) Judikatur abgewichen wird, ohne dass sorgfältige Überlegungen oder Auseinandersetzungen mit gegenteiligen Argumenten angestellt werden (RS0049912, RS0049969 und RS0049798; jüngst 1 Ob 204/20m und 1 Ob 239/18f;). Eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände vertretbare Rechtsanwendung mag daher rechtswidrig sein, begründet aber kein Verschulden im Sinn des § 1 Abs 1 AHG (RS0050216 und RS0049951 [T8]; jüngst 1 Ob 101/19p uva).

2.7.3. In der vom Nebenintervenienten verfassten Berufungsentscheidung führte dieser im Wesentlichen aus, bei richtiger Auslegung des Bewilligungsbescheides vom 5. November 2015 sei davon auszugehen, dass die bewilligte Hallenüberdachung darauf abstelle, auf die in der Natur zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits bestehenden und ohnedies bereits baubehördlich bewilligten Anlagenteile (Stocksportbahnen) überbaut zu werden. Demzufolge sei erklärter Entscheidungswille der Baubehörde die Überdachung der bereits bestehenden Stocksportbahnen, sodass die Überdachung bescheidkonform sei. Aus diesem Grunde habe die Bauwerberin das Recht, sich darauf zu stützen, dass die Bauausführung bescheidkonform erfolgt sei und sie deshalb Anspruch auf die Erteilung der Benützungsbewilligung habe.

2.7.4. Wenn das Erstgericht in seiner Entscheidung ausführt, dass bei Bestehen konkreter Verdachtsmomente, dass der errichtete Bau die Grundstücksgrenze überrage, nicht mehr von einer vertretbare Rechtsansicht im Benützungsbewilligungsbescheid ausgegangen werden kann, zumal im Baubewilligungsbescheid das zu bebauende Grundstück genannt werde, so ist dieser Überlegung nicht zur Gänze zu folgen. Während nämlich die Bewilligung eines Bauprojektes auf zwei Grundstücken aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 22 Abs 2 Z 3 Stmk. BauG wohl bei Nichtvorliegen der Ausnahmetatbestände jedenfalls eine unvertretbare Rechtsansicht darstellen würde, tut dies die Beklagte in ihrer Entscheidung vom 27. Dezember 2019 aber nicht, sondern führt vielmehr aus, dass eine rechtskräftige genehmigte Halle vorliege, die mit dem ihr zugrundeliegenden Baubewilligungsbescheid übereinstimme, wenn man von dessen Text ausgehe. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeindesrates lag eine rechtskräftig baubewilligte Halle vor, wobei deren Baubewilligungsbescheid zwar von einem zu bebauenden Grundstück spricht, aber von der Überbauung von in der Natur bereits vorhandenen Bahnen - ebenfalls rechtskräftig baubewilligt – ausgeht. Damit lagen im Entscheidungszeitpunkt zwei wenn auch unrichtige, so aber rechtskräftige Baubewilligungsbescheide vor, weshalb es durchaus fraglich erscheint, ob die vom Nebenintervenienten und der Beklagten vertretene Rechtsansicht überhaupt als unvertretbar zu qualifizieren wäre.

2.8. Zusammenfassend kommt der Berufung keine Berechtigung zu.

3. Hat das Erstgericht – wie hier – die Kostenentscheidung vorbehalten, so ist im weiteren Rechtsgang gemäß § 52 Abs 3 ZPO keine Kostenentscheidung zu treffen. Vielmehr entscheidet in diesem Fall über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren das Gericht erster Instanz nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache.

4. Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO liegen insofern vor, als die Frage der Abgrenzung des Schutzzwecks der Verfahrensbestimmungen nach § 38 Stmk. BauG im Hinblick auf die Vielzahl derartiger Verfahren eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und eine oberstgerichtliche Judikatur in diesem Bereich nicht ersichtlich ist. Die ordentliche Revision ist daher zuzulassen.

 

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