OGH 1Ob24/21t

OGH1Ob24/21t2.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** S***** und 2. P***** S*****, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH, Schruns, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 58.037,89 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Jänner 2021, GZ 4 R 134/20t‑25, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. August 2020, GZ 8 Cg 21/20v‑19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00024.21T.0302.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Amtshaftung für ein rechtswidriges Verhalten eines Organs tritt nur ein, wenn es auch schuldhaft ist (§ 1 Abs 1 AHG). Im Amtshaftungsverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0049955 [T2]; RS0050216 [T7]; vgl RS0049951 [T4]) nicht wie im Rechtsmittelverfahren zu prüfen, ob die Entscheidung richtig ist, sondern ob sie auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruht. Geht es um die (unrichtige) rechtliche Beurteilung von Rechtsfragen, ist das Verschulden grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn die beanstandete Entscheidung nicht auf einer nach den Umständen vertretbaren Rechtsanwendung beruht (RS0050216 [insbesondere T5]). Dementsprechend kann in der Regel nur ein Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder ständigen Rechtsprechung, das unvertretbar ist und keine sorgfältige Überlegung erkennen lässt, einen Amtshaftungsanspruch zufolge haben (RS0049912; RS0049955 [T8]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb grundsätzlich einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0049955 [T10]; RS0110837).

[2] 2. Die beiden Kläger erhoben im Anlassprozess gegen die vier weiteren Miteigentümer einer Liegenschaft als Beklagte ein auf Zivilteilung lautendes Haupt‑ und ein auf die Begründung von Wohnungseigentum gerichtetes Eventualbegehren. Nachdem die erstbeklagte Miteigentümerin, die infolge vorheriger Unterbrechung des Verfahrens nach § 6a ZPO nichts vorbringen konnte, verstorben war, die beiden Kläger zu je einem 1/8 und die verbliebenen drei Beklagten zu je 1/4 deren Erbe angetreten hatten und damit in diesem Umfang auch deren Miteigentumsanteile an der Liegenschaft auf sie übergegangen waren, modifizierten die Kläger ihr Klagebegehren. Sie erhoben das Realteilungsbegehren zum Hauptbegehren und das bisherige Begehren auf Zivilteilung zum Eventualbegehren. Die verbliebenen (drei) Beklagten anerkannten daraufhin das Realteilungsbegehren und brachten vor, dass sie keinen Anlass zur Klageführung gegeben hätten.

[3] Das Rechtsmittelgericht im Anlassverfahren, das infolge Rechtsmittel aller Parteien über die Kostenersatzpflicht zu entscheiden hatte, erachtete die Kläger hinsichtlich des ursprünglich gestellten Zivilteilungsbegehrens im Sinn des § 41 ZPO als unterlegen, weil die verstorbene Erstbeklagte möglicherweise (ebenso wie die anderen Beklagten) mit einer Realteilung trotz Anteilverzichts einverstanden gewesen wäre, habe sie doch bereits vor Klageeinbringung den Erbteilungsentwurf unterfertigt, der die Realteilung in Form der Wohnungseigentumsbegründung enthalten habe. Hätten aber alle Beklagten dem Realteilungsbegehren, das Vorrang vor der Zivilteilung habe, zugestimmt und wäre die Naturalteilung damit möglich und tunlich, wären die Kläger mit dem Zivilteilungsbegehren unterlegen. Die dritt‑ und viertbeklagten Miteigentümer hätten das Realteilungsbegehren nach der Modifikation zum Hauptbegehren nicht nur sofort anerkannt, sondern auch vorprozessual diese Realteilung unterfertigt, sodass ihnen nicht vorgeworfen werden könne, sie hätten in Kenntnis des Rechtsgestaltungsanspruchs die geforderte Zustimmung zur Rechtsänderung verweigert und diesbezüglich Anlass zur Klageführung im Sinn des § 45 ZPO gegeben. Diesen beklagten Miteigentümern komme aufgrund ihres sofortigen rückhaltlosen Anerkenntnisses des „Realteilungshauptbegehrens“ § 45 ZPO zugute.

[4] 3. Das Berufungsgericht erachtete die Kostenentscheidung des Landesgerichts im Anlassprozess für keinesfalls unvertretbar. Da die Kläger mit dem Zivilteilungsbegehren nicht durchgedrungen seien, stehe ihnen aufgrund des kostenrechtlichen Erfolgsprinzips zunächst grundsätzlich kein Kostenersatz zu. Es wäre an ihnen gelegen, zu bescheinigen, dass sie dennoch Anspruch auf Kostenersatz für die erste Prozessphase gehabt hätten. Zumindest die Drittbeklagte und der Viertbeklagte hätten das Vorbringen der Kläger bestritten, wonach vor dem Ableben der erstbeklagten Miteigentümerin Realteilung unmöglich gewesen wäre. Der zweitbeklagte Miteigentümer habe das Begehren auf Zivilteilung nicht ausdrücklich anerkannt, sondern vielmehr auf dem Grundsatz des Vorrangs der Naturalteilung bestanden. Die Argumentation, dass die ehemalige Erstbeklagte möglicherweise mit einer Realteilung trotz Anteilsverzichts einverstanden gewesen wäre, sei wegen des von ihr vorprozessual unterfertigten Erbteilungsentwurfs, der eine Realteilung in Form der Wohnungseigentumsbegründung enthalten habe, nicht zu beanstanden und keinesfalls unvertretbar.

[5] In der zweiten Prozessphase (Anerkenntnis des Realteilungsbegehrens) sei zu berücksichtigen, dass trotz einheitlicher Streitpartei nach § 14 ZPO auf Miteigentümer bei einer Teilungsklage § 45 ZPO je nach dem Verhalten der einzelnen Beklagten unterschiedlich angewendet werden könne. Die Kläger hätten schon vor der Einbringung der Klage die dem Realteilungsbegehren zustimmende Drittbeklagte und den Viertbeklagten auffordern müssen, auf ihrer Seite den Teilungsprozess zu führen, was sie unterlassen hätten. Diese beiden Miteigentümer hätten die Realteilung bei erster Gelegenheit anerkannt. Möglicherweise könnte das vorprozessuale Verhalten der Beklagten auch anders beurteilt werden; eine unvertretbare Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts im Anlassprozess ergebe sich daraus nicht. Es sei nachvollziehbar und plausibel, der Dritt‑ und dem Viertbeklagten die Unterzeichnung des von den Klägern entworfenen Erbteilungsübereinkommens „zuzurechnen“ und von diesen nicht noch zusätzlich zu verlangen, dass sie auch auf die weiteren Konditionen des dieses Übereinkommen ablehnenden zweitbeklagten Miteigentümers eingehen hätten müssen.

[6] 4. Soweit die Kläger wörtlich die Ausführungen in ihrer Berufung wiederholen, auf die das Berufungsgericht detailliert einging, zeigen sie keine Fehlbeurteilung und damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[7] Die behauptete Mangelhaftigkeit des (erstinstanzlichen) Verfahrens wurde vom Berufungsgericht verneint und kann in dritter Instanz nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden (RS0042963).

[8] Entgegen ihrer Ansicht ist für die Kostenersatzpflicht nicht maßgeblich, ob die Beklagten des Ausgangsverfahrens in Bezug auf das Zivilteilungsbegehren Anlass zur Klageführung gegeben haben, sondern ob sie vor der Klageänderung mit diesem Erfolg gehabt hätten. Der zweitbeklagte Miteigentümer hat dieses Begehren gerade nicht anerkannt, sodass ihre gegenteilige Behauptung unrichtig ist. In der zweitinstanzlichen Rechtsprechung und der Literatur wird aus § 54 Abs 1 ZPO abgeleitet, dass die Kläger die Gründe zu bescheinigen haben, aus denen sie entgegen einer allgemeinen Norm (§§ 41, 43 ZPO) Kostenersatz begehren, andernfalls sie als unterlegen gelten (vgl zu den Gründen bei Klagseinschränkung auf Kostenersatz OLG Wien 15 R 67/17h = RW0000880; Obermaier , Kostenhandbuch 3 [2018] Rz 1.160 mwN zweitinstanzlicher Judikatur). Die Beurteilung des Rechtsmittelgerichts im Anlassprozess, dass die verstorbene Miteigentümerin der Liegenschaft (Erstbeklagte) angesichts ihres vorprozessualen Verhaltens möglicherweise mit einer Realteilung unter Verzicht auf ihre Gleichbehandlung einverstanden gewesen wäre und daher das Zivilteilungsbegehren abzuweisen gewesen wäre, weil die Naturalteilung möglich gewesen wäre (RS0013236), erfolgte nicht ohne entsprechendes Vorbringen der Beklagten. Die Kläger zeigen nicht auf, inwiefern die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Rechtsmittelgericht im Anlassverfahren den ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht überschritten hätte und damit keine unvertretbare Rechtsansicht vorliegt, fehlerhaft sein sollte. Dass sie außergerichtlich erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um eine Real‑ oder Zivilteilung der Liegenschaft zu erreichen und das Scheitern (primär) nicht von ihnen zu vertreten war, legte auch das Berufungsgericht zugrunde. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie mit ihrem Zivilteilungsbegehren erfolgreich gewesen wären, und auch nicht, dass die (auch außergerichtlich) das Realteilungsbegehren anerkennenden dritt‑ und viertbeklagten Miteigentümer ihnen gegenüber kostenersatzpflichtig gewesen wären.

[9] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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