OGH 3Ob173/23x

OGH3Ob173/23x5.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. C* F*, vertreten durch Mag. Agnes Lepschy, Rechtsanwältin in Altlengbach, gegen die beklagte Partei DI C* H*, vertreten durch die Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 100.674 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Juli 2023, GZ 6 R 79/23i‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00173.23X.1005.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1 Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren wegen Unschlüssigkeit abgewiesen.

[2] Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden. Ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0037780).

[3] 1.2 Der Kläger stützt den geltend gemachten Schadenersatzanspruch auf die inhaltliche Unrichtigkeit der vom Beklagten ausgestellten Bauführerbescheinigung im Sinn des § 30 NÖ BauO 1996 und die (angeblich) daraus resultierende Enttäuschung der Annahme eines möglichen Geschossaufbaus. Der Beklagte hat schon in der Klagebeantwortung vorgebracht, dass auch bei einer Ziegelstärke von 25 cm ein Geschossaufbau nicht möglich gewesen sei, sondern diese Möglichkeit von weiteren statischen Voraussetzungen abhängig gewesen sei. Diese Einwendung des Beklagten bezeichnete der Kläger in seiner Entgegnung (ON 7) lediglich als nicht relevant.

[4] Davon abgesehen gibt es keine Feststellungen, aus denen sich die Möglichkeit eines Geschossaufbaus allein bei Ausführung der Außenmauern mit 25 cm starken Ziegeln ergeben würde. Dieser Umstand wurde vom Kläger nicht moniert. Auch in seinem erstinstanzlichen Vorbringen hat er sich nicht auf eine Verstärkung der Ziegelmauer bezogen.

[5] 1.3 Insbesondere in Bezug auf die Schadenskausalität ist das Unschlüssigkeitsurteil der Vorinstanzen daher keine Verkennung der Rechtslage.

[6] 2. Auch sonst zeigt der Kläger in der außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[7] 3.1 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Bauvorschriften in Bauordnungen wie auch baubehördliche Auflagen, technische Richtlinien oder technische Bauvorschriften Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB sein können, wenn sie der Hintanhaltung konkreter Schäden dienen (6 Ob 216/21i mwN). Für eine Schadenshaftung bei einem Verstoß gegen ein Schutzgesetz ist vorausgesetzt, dass der konkret eingetretene Schaden vom Schutzzweck der Norm umfasst ist. Es müssen sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung vom Schutzzweck erfasst sein (RS0027553 [T18]).

[8] Die Bauordnungen (der Länder) bezwecken primär den Schutz der Allgemeinheit vor durch nicht fachgerechte Ausführung von Bauarbeiten ausgelösten Schäden (RS0119032; 6 Ob 39/19g). Demnach soll die Allgemeinheit etwa vor umstürzenden Gebäuden, herabfallenden Mauerteilen oder Feuer geschützt werden. Demgegenüber wurde in der Judikatur bereits klargestellt, dass das reine Vermögen grundsätzlich nicht Schutzobjekt derartiger Bauvorschriften ist, sondern insoweit allenfalls eine bloße Reflexwirkung baupolizeilicher Normen vorliegt (vgl 1 Ob 313/01p; 1 Ob 232/05g).

[9] 3.2 Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen ausgegangen. Zudem haben sie ohne Rechtsirrtum beurteilt, dass die hier vom Beklagten ausgestellte Bauführerbescheinigung dem Zweck diente, den von der Rechtsvorgängerin des Klägers (Verkäuferin) bewilligungslos errichteten (Schwarz‑)Bau nachträglich zu bewilligen. Da die in Rede stehende Bauführerbescheinigung – so wie auch die dadurch substituierte Baubewilligung – dem beschriebenen Allgemeininteresse dient, besteht im Einklang mit der Judikatur kein Anlass, die Haftung des Beklagten auf reine Vermögensschäden des Klägers auszudehnen (vgl 1 Ob 232/05g).

[10] Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die geltend gemachten Schäden nicht vom Schutzzweck der vom Kläger ins Treffen geführten Bauführerbescheinigung fällt, steht mit den Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang.

[11] 4. Die Ablehnung der Haftung des Beklagten aus dem Titel des (Sachverständigen-)Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bzw wegen objektiv-rechtlicher Schutzwirkungen der Sachverständigentätigkeit haben die Vorinstanzen vor allem auf die Subsidiarität dieser beiden Anspruchsgrundlagen gegenüber dem deckungsgleichen Anspruch des Geschädigten aus dem Kaufvertrag mit der Verkäuferin gestützt, wobei auch ein vertraglicher Gewährleistungs- und Haftungsausschluss kein besonderes Rechtsschutzdefizit begründe (RS0106433 [T22]; RS0022814 [T19]).

[12] In der außerordentlichen Revision führt der Kläger dagegen nur ins Treffen, dass ihm aufgrund des mit seiner Verkäuferin vereinbarten Haftungsausschlusses die Anspruchsstellung gegen diese verwehrt sei und daher eine allfällige Subsidiarität der Haftung des Beklagten nicht in Betracht komme. Damit zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[13] 5. Zum Argument des Klägers, dass sich die Haftung des Beklagten auch aus dem Umstand ergebe, dass er als Käufer und neuer Liegenschaftseigentümer auch Rechtsnachfolger der Verkäuferin geworden sei, weil er – wie üblich – die Liegenschaft mit allen Rechten und Pflichten, wie sie die Verkäuferin besessen habe, übertragen erhalten habe, hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass dieses Vorbringen gegen das Neuerungsverbot verstößt. Auch dagegen führt der Kläger in der außerordentlichen Revision nichts ins Treffen. Die behauptete Einzelrechtsnachfolge erfolgt im Weg einer Zession und erfordert einen Rechtsgrund. Auch dazu hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren kein Tatsachenvorbringen erstattet.

[14] 6. Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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