OGH 1Ob247/98z

OGH1Ob247/98z24.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude M*****, vertreten durch Dr. Wolf-Georg Schärf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, und 2) Stadt Wien, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenienten 1) Angela S*****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in Wien, und 2) Univ. Prof. Dr. Heinz G*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 500.000,-- sA, infolge der Revisionen der beklagten Parteien und der Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 27. April 1998, GZ 14 R 252/97z-26, womit infolge der Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. September 1997, GZ 31 Cg 32/96w-17, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 25.650 S (darin 4.275 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Sohn der Klägerin leidet seit Jahren an einer schizophrenen Psychose, die sich im Laufe des Jahres 1995 verstärkte. Er besuchte am frühen Morgen des 13. November 1995 seine Eltern in deren Wohnung und drohte ihnen, er werde „ihnen den Schädel abschneiden“, sie schlagen und die Wohnung anzünden. Dabei schlug er ein Wohnzimmerfenster ein. Wegen dieses Vorfalls wurde er später von der Polizei festgenommen und dem Amtsarzt vorgeführt, der aufgrund einer „Ärztlichen Bescheinigung (§ 8 Unterbringungsgesetz)“ vom selben Tag dessen Verbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus der Stadt Wien anordnete. Die Bescheinigung hatte unter anderem folgenden Wortlaut:

„Der Betr. war schon öfters im PKH. Heute wurde er gegen seine Eltern aggressiv (Geld!). Bei der Festnahme (gefährliche Drohung) waren drei Funkstreifenbesatzungen anwesend! Bei der Befragung dissimulierte er offensichtlich (es geht mir gut). Er ist derzeit obdachlos. Er nimmt laut eigenen Angaben keine Drogen (Einstiche am UA). Sehr aggressiv!!! Er bedrohte seine Eltern mit dem Umbringen!! Keine ambulante Alternative. Es wird bescheinigt, daß eine ärztliche Untersuchung gemäß § 8 UbG durchgeführt wurde. Die Voraussetzungen zur Unterbringung liegen vor.“

Daraufhin wurde der Betroffene um 9.15 Uhr desselben Tags in einem psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien eingeliefert und um 9.30 Uhr vom Oberarzt einer bestimmten Krankenhausstation übernommen. In der Folge wurden die Polizeibeamten entlassen. Das Aufnahmegespräch mit dem Patienten in der Anstalt führte eine Turnusärztin. Dieser machte auf sie einen angespannten Eindruck und erzählte ihr von der Bedrohung seiner Eltern und akustischen Halluzinationen. Deshalb und weil sich die Gefährlichkeit sowie die Tatsache einer früheren Anstaltsunterbringung des Patienten aus bereits vorliegenden Unterlagen ergaben, sprach sich die Turnusärztin gegenüber den für die Klärung der Unterbringungsfrage zuständigen Fachärzten für dessen Anstaltsaufnahme - auch gegen seinen Willen - aus. Dieses Gespräch dauerte einige Minuten. Während dieser Zeitspanne war der Patient sich selbst überlassen und ging am Besprechungszimmer vorbei in Richtung Ausgang. Die Turnusärztin, die das bemerkt hatte, folgte ihm sofort mit drei Pflegern (2 Frauen und 1 Mann). Sie versuchten, ihn zum Umkehren zu bewegen. Der Patient reagierte jedoch aggressiv und wollte die Ärztin schlagen, die deshalb zur Station zurückkehrte, ohne den Pflegern weitere Anweisungen zu erteilen, obgleich sie den Eindruck gewonnen hatte, daß er nur durch Anwendung „äußerster Gewalt“ zurückzuhalten sei. Die Pfleger folgten dem Patienten bis kurz vor die Pförtnerloge und wollten ihn weiterhin durch Zureden zur Rückkehr in die Station veranlassen. Eine Pflegerin versuchte sich beim Patienten einzuhängen, der sich jedoch losriß. Jene physische Gewalt, die zur Zurückbringung des Patienten auf die Station zur Klärung der Unterbringungsvoraussetzungen erforderlich gewesen wäre, wurde deshalb nicht angewendet, weil die Pfleger nach ihrer Ausbildung zu beachten hatten, daß eine Person, deren Unterbringung noch nicht angeordnet wurde, keiner physischen Gewalt unterworfen werden dürfe. Der Patient hätte aber nur durch solche Gewaltanwendung am Verlassen des Krankenhausareals gehindert werden können. Einer der Pfleger verständigte nach seiner Rückkehr auf die Station um 10.30 Uhr die Polizei, um die Rückführung des Patienten zu veranlassen, der den Anstaltsbereich inzwischen, ehe noch die tatsächlich vorliegenden Unterbringungsvoraussetzungen gemäß § 10 Abs 1 UbG festgestellt werden konnten, unbehelligt verlassen hatte.

Der Patient fuhr von der Anstalt zur Wohnung seiner Eltern, stieg in diese, nachdem er eine Fensterscheibe eingeschlagen hatte, ein und steckte die Wohnung an mehreren Stellen in Brand. Die Eltern waren nicht zuhause, sondern wurden gerade in einem Wiener Polizeikommissariat zu den Vorfällen am frühen Morgen vernommen.

Die Wohnung der Klägerin und deren Einrichtungsgegenstände wurden durch den Brand und die Löscharbeiten schwer beschädigt bzw zerstört. Danach war die Wohnung unbrauchbar. Der Schaden überstieg die Ersatzleistung der Haushaltsversicherung um 500.000 S.

Die Klägerin begehrte den Zuspruch von 500.000 S aus dem Titel der Amtshaftung. Sie brachte vor, ihr Sohn habe das psychiatrische Krankenhaus ungehindert verlassen können, obwohl den Ärzten und Pflegern seine schizophrene Psychose und Drohungen gegen konkrete Personen bekannt gewesen seien. Nur weil Organe der Anstalt ihrer Rechtspflicht, den Eingelieferten bis zum Abschluß der erforderlichen Aufnahmeuntersuchungen festzuhalten, nicht entsprochen hätten, habe er entweichen und den Brandschaden verursachen können. Daher seien die Haftungsvoraussetzungen gemäß § 1 Abs 1 AHG erfüllt. Die beklagten Parteien hätten für den noch ungedeckten Schaden solidarisch einzustehen. Die Ersatzpflicht der zweitbeklagten Partei ergebe sich gemäß § 1 Abs 3 AHG aus deren Stellung als Krankenhausträgerin.

Die beklagten Parteien wendeten ein, zwischen dem als Klagegrund herangezogenen Organverhalten und dem geltend gemachten Schaden bestehe kein Rechtswidrigkeitszusammenhang. Das Unterbringungsgesetz diene nur dem Schutz des Lebens und der Gesundheit psychisch Kranker oder anderer durch sie erheblich gefährdeter Personen, aber keineswegs auch dem Schutz des Eigentums dritter Personen. Im einzelnen führte die erstbeklagte Partei aus, für die Turnusärztin sei das Erfordernis einer Unterbringung des Patienten aus medizinischer Sicht nach einem Gespräch von 15 Minuten klar gewesen. Zur Weitergabe dieser Information habe sie den Ober- und den Primararzt aufgesucht. Diese Zeitspanne habe der Patient zum Weggehen genützt. Pfleger und Ärzte seien ohnehin bemüht gewesen, ihn in Übereinstimmung mit anerkannten Methoden durch Gespräch und Zureden zum Verweilen in der Anstalt zu bewegen. Die Anwendung physischer Gewalt sei in diesem Zeitpunkt, jedoch auch nach dem bisherigen Verhalten des Patienten nicht gerechtfertigt und wäre daher wohl auch kontraproduktiv gewesen. Auch die zweitbeklagte Partei behauptete, Ärzte und Pfleger hätten ohnehin den Versuch unternommen, den Patienten am Verlassen der Krankenhausstation zu hindern. Letzterer habe jedoch physischen Widerstand angedeutet und sei schließlich entwichen. Das hätten weder Ärzte noch Pfleger ohne Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit verhindern können. Allerdings sei unverzüglich das zuständige Polizeikommissariat verständigt und dort um die Wiedereinlieferung des Patienten ersucht worden. Es mangle demgemäß - nach Ansicht beider beklagten Parteien - auch an einem rechtswidrigen und schuldhaften Organverhalten als Schadensursache.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - abgesehen von der Abweisung des gesetzliche Verzugszinsen übersteigenden Zinsenbegehrens - statt. Nach seiner Ansicht bewirkt die Verbringung einer Person in ein psychiatrisches Krankenhaus aufgrund eines amtsärztlichen Zeugnisses und deren weitere Anhaltung in diesem eine rechtmäßige Haft im Sinne des Art 5 Abs 1 lit e EMRK. Das Verhalten aller einschreitenden Organe von der Verbringung des Betroffenen in die Anstalt bis zu dessen Entlassung geschehe in Vollziehung des Unterbringungsgesetzes, weshalb jedes rechtswidrige und schuldhafte Organverhalten die Amtshaftung auslöse. Deshalb könne ein Amtshaftungsanspruch auch auf ein Fehlverhalten von Ärzten und Pflegern gestützt werden. Hier seien die Ärzte und Pfleger eines Krankenhauses der Stadt Wien funktionell für den Bund als Rechtsträger tätig gewesen. Aus dem Umstand, daß bei einem Patienten die Unterbringungsvoraussetzungen noch nicht gemäß § 10 Abs 1 UbG bejaht worden seien, sei nicht auf ein Verbot jeder physischen Gewaltanwendung zu schließen, wäre doch sonst jede Unterbringung ohne Verlangen des Betroffenen de facto unmöglich. Eine solche Konsequenz sei dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen. Die einschreitenden Organe wären daher verpflichtet gewesen, den Eingelieferten auch mittels physischer Gewalt am Verlassen der Anstalt zu hindern. Eine in den Voraussetzungen einer Gewaltanwendung unzutreffende Ausbildung des Anstaltspersonals sei den Rechtsträgern als Organisationsverschulden zuzurechnen. Das Unterbringungsgesetz bezwecke wohl in erster Linie den Schutz der Persönlichkeitsrechte psychisch Kranker sowie die Verhinderung einer erheblichen Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Kranken selbst oder Dritter, seine Bestimmungen dienten jedoch auch der Verhinderung von Vermögensschäden in größerem Ausmaß, sei doch, wie dieser Fall belege, mit der Gefährdung von Leben und Gesundheit oft auch eine solche von Sachwerten verknüpft. Die Grundsätze vorvertraglicher Schuldverhältnisse seien im öffentlichen Recht nach ständiger Rechtsprechung sinngemäß anzuwenden. Daher hätten die Organe auch Schutz- und Sorgfaltspflichten zu wahren gehabt, sodaß ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen deren Verhalten und dem Schaden nicht verneint werden könne, zumal auch ein Gesundheitsschaden der Eltern des Kranken zufällig nur deshalb unterblieben sei, weil sie sich gerade nicht zuhause aufgehalten hätten. Das Organverhalten sei nach dem Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB zu beurteilen. Diesem wäre im Anlaßfall nur dann entsprochen worden, wenn der Patient am Verlassen des Krankenhauses gehindert worden wäre, was auch den Brandschaden vermieden hätte.

Das Berufungsgericht bestätigte diese - in der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens unbekämpft gebliebene - Entscheidung, ließ die ordentliche Revision zu und erwog in rechtlicher Hinsicht, nach § 8 UbG dürfe eine Person gegen bzw ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt verbracht werden, wenn sie ein Arzt des öffentlichen Sanitätsdienstes oder ein Polizeiarzt untersucht und dabei das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt habe. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes seien gemäß § 9 Abs 1 UbG berechtigt und verpflichtet, für die Untersuchung einer Person, bei der sie die Unterbringungsvoraussetzungen aus besonderen Gründen für eingetreten halten, einen Arzt beizuziehen. Bescheinige der Arzt das Vorliegen dieser Voraussetzungen, so hätten die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Verbringung des Betroffenen in eine Anstalt durchzuführen bzw zu veranlassen. Der Abteilungsleiter und ein weiterer Facharzt hätten den Betroffenen gemäß § 10 Abs 1 UbG unverzüglich zu untersuchen. Eine Aufnahme dürfe nur erfolgen, wenn die Verwirklichung der Unterbringungsvoraussetzungen aufgrund übereinstimmender und voneinander unabhängiger ärztlicher Zeugnisse bejaht worden sei. Die unverzüglich durchzuführende Aufnahmeuntersuchung sei daher eine Prämisse jeder Unterbringung ohne Verlangen. Daraus folge jedoch nicht, daß eine solche Untersuchung nicht erzwingbar sei, weil die gesetzlichen Regelungen im Falle einer solchen Auslegung unvollziehbar wären und es dem Patienten freigestellt wäre, den Anstaltsbereich etwa in der Zeitspanne zwischen dem Überstellungsvorgang durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und (dem Abschluß) der Aufnahmeuntersuchung zu verlassen. Daher schlössen die Bestimmungen über die Aufnahmeuntersuchung auch die Ermächtigung zur zwangsweisen Anhaltung des Patienten hiezu ein. Die Ärzte und Pfleger, die mit Aufnahmeuntersuchungen und Unterbringungen ohne Verlangen häufig befaßt seien, hätten somit durch die erforderlichen Zwangsmaßnahmen dafür Sorge tragen müssen, daß der Patient den Anstaltsbereich vor Abschluß der Aufnahmeuntersuchung nicht hätte verlassen können. Jedes andere Verhalten sei unvertretbar, weil die Einlieferung einer vorher straffällig gewordenen Person durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgrund einer Bescheinigung des Polizeiarztes gemäß § 8 UbG zur Farce würde, wenn der Betroffene den Anstaltsbereich dann mehr oder weniger unbehelligt vor Abschluß der Aufnahmeuntersuchung wieder verlassen könnte. Bloßes Zureden ohne Anwendung der notwendigen Zwangsmaßnahmen sei, ohne daß es für die Beurteilung solchen Verhaltens noch weiterer Feststellungen bedürfte, keine vertretbare Ermessensübung, sondern als schuldhaft rechtswidrige Vollziehung des Unterbringungsgesetzes anzusehen. Die beklagten Parteien hätten für das Verschulden ihrer Organe gemäß § 1 Abs 1 bzw 3 AHG einzustehen. Welchen Organen, gleichviel, ob sie im Organisationsbereich oder im Anlaßfall tätig gewesen seien, das erörterte Fehlverhalten konkret anzulasten sei, bedürfe gemäß § 2 Abs 1 AHG keiner Klärung.

Die beklagten Parteien hätten schon in ihrer Klagebeantwortung zugestanden, daß der Betroffene nach dem Ergebnis einer Aufnahmeuntersuchung untergebracht worden wäre. Demgemäß hätte er bei rechtmäßigem Organverhalten nicht die Wohnung seiner Mutter anzünden und dadurch den maßgeblichen Brandschaden verursachen können.

Gemäß § 3 UbG dürfe in einer Anstalt nur untergebracht werden, wer an einer psychischen Krankheit leide und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährde und nicht in anderer Weise ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden könne. Außer einer psychischen Krankheit sei daher auch eine ernstliche und erhebliche Gefährdung für das Leben und die Gesundheit anderer oder des Betroffenen selbst eine Unterbringungsvoraussetzung. Damit werde jedoch nur zum Ausdruck gebracht, daß allein eine Gefährdung fremden Eigentums als Unterbrinungsursache nicht genüge. Daraus sei aber nicht abzuleiten, daß durch die Unterbringung von Personen nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht auch das Eigentum Dritter geschützt werden solle. Aggressionen psychisch Kranker richteten sich häufig nicht nur gegen andere Personen, sondern auch gegen deren Eigentum. Durch die Brandfolgen nach dem Anzünden einer Wohnung könnten immer auch das Leben und die Unversehrtheit von Personen gefährdet werden. Die Anstaltsunterbringung von Tätern, die das objektive Tatbild strafbarer Handlungen verwirklicht hätten und durch die Sicherheitsbehörden aufgrund einer Bescheinigung nach § 8 UbG eingeliefert worden seien, substituiere teilweise auch Maßnahmen, die sonst nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung zu setzen gewesen wären. Deshalb seien die Sicherheitsbehörden bzw die Strafgerichte zu verständigen, wenn eine Unterbringungsanordnung unterbleibe, weil dann nach strafprozessualen Vorschriften vorzugehen und allenfalls die Haft wegen Wiederholungs- oder Ausführungsgefahr zu verhängen sei. Es sei somit - entgegen der Ansicht der beklagten Parteien - auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der dargelegten unzulänglichen Handhabung der Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes und dem dadurch verursachten Sachschaden zu bejahen, und zwar unabhängig davon, ob den Organen im Krankenhaus eine Drohung des Patienten, die Wohnung seiner Eltern anzuzünden, bekannt gewesen sei.

Die Revisionen sind zulässig; sie sind jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin leitet den behaupteten Amtshaftungsanspruch aus einer pflichtwidrigen Unterlassung von Organen der beklagten Parteien als nach funktionellen bzw organisatorischen Gesichtspunkten haftende Rechtsträger gemäß § 1 Abs 1 AHG (Republik Österreich) bzw § 1 Abs 3 AHG (Stadt Wien) ab. Ein Organverhalten durch Unterlassung ist nach ständiger Rechtsprechung dann rechtswidrig, wenn und soweit eine Handlungspflicht bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt - zumindest teilweise - verhindert hätte (1 Ob 320/97h; SZ 66/77; SZ 63/166; SZ 62/73). Zunächst ist daher die Frage zu beantworten, ob Organe der beklagten Rechtsträger in Vollziehung des Unterbringungsgesetzes überhaupt die als Klagegrund herangezogenen Handlungspflichten zu erfüllen hatten. Wird das bejaht, ist zu klären, ob den beklagten Rechtsträgern eine Schutzgesetzverletzung, somit der Verstoß gegen ein abstraktes Gefährdungsverbot, das bestimmte Personen oder Personengruppen vor der Verletzung ihrer Rechtsgüter bewahren soll (1 Ob 320/97h; SZ 66/77 mwN), zur Last fällt, weil auch im Amtshaftungsrecht der im allgemeinen Schadenersatzrecht geltende Grundsatz maßgeblich ist, daß die übertretene Vorschrift gerade auch den Zweck haben muß, den Geschädigten vor eingetretenen (Vermögens-)Nachteilen zu schützen (1 Ob 320/97h; SZ 66/77; SZ 62/73; SZ 61/189 je mwN). Bliebe die haftungsbegrenzende Wirkung dieses Rechtswidrigkeitszusammenhangs unbeachtet, so hätte das besonders auch auf dem Gebiet des Amtshaftungsrechts eine uferlose Haftung der Rechtsträger zur Folge. Es ist daher immer zu prüfen, ob und wie weit das jeweils bedeutsame Gesetz Verhaltenspflichten der Rechtsträger nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener anordnet, wird doch nur für solche Schäden gehaftet, die eine Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten forderte oder untersagte. Angesichts der primär meist öffentliche Interessen wahrenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften genügt es für die Bejahung eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwar, daß sie die Verhinderung eines Schadens im Vermögen eines Dritten bloß mitbezwecken, doch muß die konkret anzuwendenden Norm gerade (auch) die Verhinderung eines solchen Schadens angestrebt haben. Daraus allein, daß Amtshandlungen, die dem öffentlichen und im Falle des Unterbringungsgesetzes sogar in erster Linie dem Interesse psychisch kranker Personen dienen, mittelbar auch die Interessen Dritter berühren, solchen zugute kommen und ihnen damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns Vorteile verschaffen, läßt sich noch nicht auf das Vorliegen einer Amtshaftungpflicht gerade diesen Dritten gegenüber schließen (1 Ob 320/97h; SZ 66/77 mwN). Bei jeder auszulegenden generellen Rechtsnorm ist vielmehr dasjenige als deren Zweck maßgeblich, was sich in wertender Beurteilung als ihr eigentlicher Sinn und damit als Begrenzung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs erschließt. In diesem Zusammenhang sind für die hier erforderliche Interpretation des Unterbringungsgesetzes, wie gleich näher zu erörtern sein wird, besonders die Sachstrukturen des genormten Realitätsausschnitts, also die Erfahrungssätze über die als „Natur der Sache“ typischen Sachverhalte des „Normbereichs“ von Bedeutung (F. Bydlinski, ABGB2 Rz 12 und 23 zu § 6; Posch in Schwimann, ABGB2 Rz 25 zu § 6). Dabei darf dem Gesetzgeber - besonders auch in Verfahrensfragen - nicht ein zweck- und funktionsloser oder in der Praxis kaum vollziehbarer Regelungswille unterstellt (Posch in Schwimann aaO Rz 13) bzw auch nicht ein sich nach geradezu typischen Sachstrukturen aufdrängender Normzweck bestimmter Handlungsanordnungen interpretativ ausgeklammert werden.

Das Unterbringungsgesetz gilt gemäß seinem § 2 für Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie, in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden. Die §§ 8 ff UbG regeln die Unterbringung ohne Verlangen. Gemäß § 10 Abs 1 UbG haben der Abteilungsleiter und ein weiterer Facharzt die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Sie darf nur aufgenommen - also, wie noch näher zu begründen sein wird, untergebracht - werden, wenn das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen nach übereinstimmenden, unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen zu bejahen ist. Über die Zulässigkeit der Unterbringung des Kranken in den Fällen des § 10 und des § 11 UbG hat das Gericht nach Prüfung der Unterbringungsvoraussetzungen zu entscheiden.

Das Gesetz verwendet den Begriff „Unterbringung“ nicht immer in derselben Bedeutung. Sie ist zum einen jene freiheitsbeschränkende Rechtsfolge, die Anstaltsorgane bei Vorliegen der formellen und materiellen Voraussetzungen verhängen dürfen, zum anderen beschreibt derselbe Begriff aber auch die Verhältnisse einer Person, die in einer Krankenanstalt oder Abteilung für Psychiatrie in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wird. Damit grenzt das Unterbringungsgesetz diejenigen Anstaltsakte ab, die der gerichtlichen Zulässigkeitsprüfung unterliegen und die Vertretungsbefugnis des Patientenanwalts auslösen. Die Mindestmerkmale einer solchen Unterbringung sind erfüllt, sobald - unabhängig von der Frage deren Zulässigkeit - eine der Beschränkungen gemäß § 2 UbG in einer vom gesetzlichen Geltungsbereich erfaßten Einrichtung verwirklicht wird (EvBl 1998/115; Kopetzki, Unterbringungsrecht II 444f). Demnach ist auch jede Beschränkung gemäß § 33 UbG eine der gerichtlichen Kontrolle unterliegene „Unterbringung“ im Sinne des § 2 UbG (EvBl 1998/115; SZ 67/87; 4 Ob 513/93; 5 Ob 571/93; 1 Ob 639/92; 7 Ob 635/92).

Wie der Oberste Gerichtshof - unter Zugrundelegung eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichshofs (JBl 1994, 770) - bereits wiederholt aussprach (4 Ob 17/98y = EvBl 1998/115; 2 Ob 25/97h = RdM 1998, 30), kann für die Zeitspanne zwischen der Einlieferung des Betroffenen in die Krankenanstalt und dem Abschluß der fachärztlichen Untersuchungen gemäß § 10 Abs 1 UbG nichts anderes gelten. Sobald sich ein Patient im geschlossenen Anstaltsbereich befindet oder seine Bewegungsfreiheit sonstigen Beschränkungen unterworfen wird, ist er im Sinne des Gesetzes „untergebracht“, sodaß die Zulässigkeit der Unterbringung schon für diesen Zeitraum der gerichtlichen Kontrollbefugnis unterliegt. Dementgegen bezieht sich die nachprüfende Kontrolle durch unabhängige Verwaltungssenate bloß auf die der Unterbringung (= Aufnahme in die Anstalt) vorangegangenen sicherheitsbehördlichen Maßnahmen. Jede in eine Anstalt verbrachte Person gilt aber als „aufgenommen“, sobald das Anstaltspersonal ihre Bewegungsfreiheit einschränkt. Das gilt unabhängig von der unverzüglich erforderlichen Erstellung ärztlicher Zeugnisse gemäß § 10 Abs 1 UbG auch dann, wenn die Ausstellung solcher Zeugnisse als Voraussetzung eines rechtmäßigen Aufnahmevorgangs in der Folge unterbleiben sollte. Diese Auslegung gewährleistet, daß der Gesetzeszweck, die Unterbringung in allen Phasen gerichtlicher Kontrolle zu unterwerfen und rechtswidrige Unterbringungen aufzuheben, erreicht werden kann (EvBl 1998/115). Dieser Rechtsprechung liegt aber - entgegen der Ansicht der zweitbeklagten Partei - unmißverständlich auch die im Schrifttum (Kopetzki aaO 563) gebilligte Ansicht zugrunde, daß das Anstaltspersonal die Durchführung der Aufnahmeuntersuchung gemäß § 10 Abs 1 UbG erzwingen darf und den Betroffenen daher jenem Maß an physischer Gewalt zu unterwerfen hat, das zwecks Ermöglichung einer solchen Untersuchung unverzichtbar ist, wartet doch andernfalls ein anstaltsunwilliger Patient die bevorstehende Untersuchung - wie der vorliegende Fall deutlich macht - gar nicht erst ab, was das Unterbringungsrecht schlichtweg unvollziehbar machte. Soweit die erstbeklagte Partei darin ein „absurdes Ergebnis“ erblickt, weil eine solche Zwangsermächtigung die Bejahung der Unterbringungsvoraussetzungen letztlich von den „zuständigen Ärzten“ auf das sonstige „Krankenhauspersonal“ verlagere, ist ihr zunächst zu erwidern, daß das Gesetz - anders als für die Verbringung in die Anstalt - selbst für die nach einer Aufnahmeuntersuchung erforderliche Anhaltung keine ausdrückliche Zwangsermächtigung enthält, eine solche jedoch aus dem systematischen Kontext mehrerer Bestimmungen als unverzichtbares Erfordernis seiner Vollziehbarkeit abzuleiten ist (Näheres dazu bei Kopetzki aaO 556). Deshalb kann eine zweckorientierte Interpretation auch in der Frage der Erzwingbarkeit der Aufnahmeuntersuchung nur zu dem bereits dargestellten Ergebnis führen, weil sonst einer den Sachstrukturen des genormten Realitätsausschnitts zuwiderlaufenden Auslegung das Wort geredet werden müßte, die den eigentlichen Regelungswillen in der Praxis - wie schon erwähnt - geradezu unvollziehbar machte, was nach den einleitenden Erwägungen kein vertretbares Auslegungsergebnis ist. Gegen die Erzwingbarkeit der Aufnahmeuntersuchung obwalten daher nach Ansicht des erkennenden Senats auch nicht die von Kopetzki (aaO 563) gegen die gesetzlich bloß implizierte Zwangsermächtigung ins Treffen geführten „verfassungsrechtlichen Bedenken“, weil das erörterte und der Natur der Sache nach gebotene Auslegungsergebnis so eindeutig ist, daß demgegenüber jede andere Lösung als irrational abzutun wäre. Spricht aber die Natur der Sache eine so deutliche Sprache, so ist auch die in den Rechtsmitteln der beklagten Parteien und deren Nebenintervenienten verteidigte Unerzwingbarkeit der Aufnahmeuntersuchung nicht mehr als vertretbare Gesetzesauslegung anzusehen. Die beklagten Parteien können ihre Organe, die den Betroffenen nach seiner zwangsweisen Verbringung in die Anstalt vor Beginn der Aufnahmeuntersuchung einfach wieder laufen ließen, mit solchen Argumenten daher nicht von dem durch die Klägerin erhobenen Verschuldensvorwurf entlasten. Überdies ist anzumerken, daß damals auch schon das oben zitierte und veröffentlichte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs zur Verfügung stand, aus dem eine Zwangsermächtigung noch vor der Aufnahmeuntersuchung unzweifehaft abzuleiten ist. Zur Bejahung oder Verneinung einer Amtshaftung der beklagten Parteien ist daher als zweiter Schritt noch der Schutzzweck der fehlerhaft vollzogenen Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes zu klären.

Die beklagten Parteien und ihre Nebenintervenienten berufen sich zur Belegung ihrer Ansicht, daß die Regelungen des Unterbringungsgesetzes nicht dem Schutz von Sachwerten Dritter dienen sollen, auf die Gesetzesmaterialien, wonach „die im zur Begutachtung versandten Entwurf enthaltenen Begriffe 'gleichwertige psychische Störung' und 'Gefährdung von Sachwerten in größerem Ausmaß' ... in der Diskussion über das Gesetzesvorhaben mit Recht als Erweiterung der Aufnahmevoraussetzungen kritisiert und deshalb nicht in den vorliegenden Gesetzesentwurf aufgenommen worden“ seien (RV 464 BlgNR 17. GP, 20). Daraus läßt sich indes, wie auch dem Erlaß des Bundeministers für Inneres vom 18. Dezember 1990 betreffend das Unterbringungsgesetz (abgedruckt in Hopf/Aigner, UbG 245 [247]) zu entnehmen ist, nur ableiten, daß die Gefahr, der Kranke werde sein Vermögen oder das anderer Personen schädigen, für eine Unterbringung nicht ausreicht. Die Erörterung dieser Sachfragen verdeutlich aber auch die beim Gesetzgeber bestehende Kenntnis, daß sich Aggressionsakte eines Geisteskranken - insbesondere beim hier bedeutsamen schizophrenen Wahn (siehe dazu Kopetzki aaO 517) - in geradezu typischer Weise gegen das Leben, die Gesundheit und das Vermögen Dritter richten können, sind doch solche Krankheitsfolgen „unter bestimmten Krankheitsumständen und innerhalb eines begrenzten Zeitraums jederzeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu befürchten“, ohne daß sie für einen bestimmten Zeitpunkt vorhersehbar wären (Kopetzki aaO 517). Solche Umstände liegen also nach den Sachstrukturen des genormten Realitätsausschnitts als nicht übersehbare Sachnatur auf der Hand. Ein derartiger Sachverhalt konnte im hier bedeutsamen Einzelfall aufgrund der ärztlichen Bescheinigung gemäß § 8 UbG vom 13. November 1995 ebenfalls nicht zweifelhaft sein.

Wenngleich § 3 Z 1 UbG nur das Leben und die Gesundheit des Geisteskranken sowie das Leben und die Gesundheit Dritter als geschützte Rechtsgüter nennt (JBl 1993, 455; 4 Ob 513, 514/93; Kopetzki aaO 503), so bezieht sich das, was nicht übersehen werden darf, nur auf die Unterbringungsvoraussetzungen. Das schließt aber nicht aus, daß das Gesetz nach der Erfüllung solcher Voraussetzungen auch den Schutz des Vermögens Dritter mitbezweckt und eine derartige Wirkung nicht bloß als reflexartiger Vorteil solcher Dritter, deren Sachwerte dem konkreten Gefährdungsspektrum ausgesetzt sind, eintreten soll, obgleich es keinem Zweifel unterliegt, daß ein Geisteskranker lediglich dann unterzubringen ist, wenn eine solche Maßnahme zur Abwehr eines sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gewärtigenden Schadenseintritts im Sinne des § 3 Z 1 UbG (arg „ernstlich“) geboten ist und eine solche Schädigung direkt aus der Krankheit droht (4 Ob 513, 514/93; Kopetzki aaO 510 ff). Dabei muß es sich also um die durch die Krankheit verursachten typischen Gefahren im Sinne des § 3 Z 1 UbG handeln (Kopetzki aaO 514 ff). Drohen jedoch wegen des hohen Aggressionspotentials des Kranken - der Natur der Sache nach - im unlösbaren Konnex mit solchen Gefahren notwendigerweise auch erhebliche Sachschäden Dritter, so kann die Vermeidung solcher ernstlich prognostizierbarer Vermögenseinbußen aus dem Schutzzweck der Unterbringungsregelungen nicht einfach ausgeschieden werden, weil dem Gesetzgeber keine Anordnung zusinnbar wäre, die auf die aus der Geisteskrankheit spezifisch gefährlicher Personen ableitbare Begünstigung der öffentlichen Hand abzielte, indem der sonst Dritten gegen objektiv vergleichbar gefährliche Aggressionen nicht geisteskranker Personen gewährte Rechtsschutz vermindert würde.

Würde der Schutzzweck des Unterbringungsgesetzes so begrenzt, wie es die beklagten Parteien und ihre Nebenintervenienten anstreben, so zögen die für einen unzulänglichen Vollzug des Unterbringungsgesetzes haftpflichtigen Rechtsträger aus Geisteskrankheiten von Personen, die eine Unterbringung gemäß § 3 Z 1 UbG rechtfertigen, die aber gleichzeitig auch eine typische Gefahrenlage in Hinsicht auf die Verursachung erheblicher Sachschäden im Vermögen Dritter schaffen, den Vorteil, für solche Sachschäden jedenfalls nicht haften zu müssen, wogegen der Rechtsträger, dem eine unvertretbare Vollziehung der Haftbestimmungen der Strafprozeßordnung (§ 175 und § 180 StPO) zuzurechnen ist, für dadurch verursachte erhebliche Sachschäden, die verschuldensfähige Straftäter wegen unterbliebener Haftverhängung im Vermögen Dritter schuldhaft herbeiführen, einzustehen hätte, wenn deren Eintritt infolge eines dringenden Verdachts auf Ausführung eines bereits versuchten bzw der Wiederholung eines schon vollendeten Delikts gegen fremdes Vermögen - so etwa eine schwere Sachbeschädigung nach § 126 StGB - oder einer gemeingefährlichen strafbaren Handlung - zB eine Brandstiftung nach § 169 StGB - vorhersehbar war. Immer dann, wenn Maßnahmen nach der Strafprozeßordnung wegen der Geisteskrankheit eines Täters durch solche nach dem Unterbringungsgesetz (de facto) substituiert werden, wäre also die öffentliche Hand - unabhängig von der Qualität des Organverhaltens - der Haftung für erhebliche und durch unvertretbare Vollziehung des Unterbringungsgesetzes verursachte Sachschäden bei Dritten enthoben. Einer solchen Deutung des Schutzzwecks der Norm vermag der erkennende Senat jedoch nicht beizutreten.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes die Vermeidung prognostizierbarer erheblicher Sachschäden, die Dritten im unlösbaren Konnex mit Gefahren gemäß § 3 Z 1 UbG drohen, mitbezwecken und solche Vermögenseinbußen daher im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit fehlerhaften Vollzugsakten stehen. Demgemäß kommt es insoweit nicht darauf an, ob die zur Vollziehung des Unterbringungsgesetzes berufenen Organe bestimmte, von einem aufzunehmenden Kranken später verursachte erhebliche Sachschäden konkret vorhersehen konnten, maßgeblich ist vielmehr nur, daß solche Schäden - wie offenkundig auch hier - ihrer Art bzw ihrem Umfang nach nicht als atypische Folgen der jeweils in Betracht kommenden Geisteskrankheit außerhalb des empirisch begründeten Prognoserahmens liegen.

Somit treffen alle Voraussetzungen der solidarischen Haftung der beklagten Parteien als Rechtsträger gemäß § 1 Abs 1 bzw Abs 3 AHG für den Ersatz des geltend gemachten Sachschadens zu, was bereits vom Berufungsgericht in allen maßgeblichen rechtlichen Zusammenhängen erkannt wurde. Den Revisionen ist daher nicht Folge zu geben ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO.

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