OGH 1Ob320/97h

OGH1Ob320/97h30.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Friedrich Wilhelm K*****, vertreten durch Dr.Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (Streitwert 60.000 S), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10.Juli 1997, GZ 14 R 124/87a-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 7.April 1997, GZ 32 Cg 31/96f-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.059,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Amtshaftungskläger wurde mit Urteil des Geschwornengerichts beim seinerzeitigen Kreisgericht Korneuburg vom 18.Dezember 1984 ua schuldig erkannt, einen näher bezeichneten Rechtsanwalt am 13.Dezember 1982 vorsätzlich getötet und hiedurch das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB begangen zu haben; er wurde zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Jahren verurteilt. Die dagegen vom Kläger und seinen Angehörigen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden wurden mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 2.Juli 1986 verworfen, der Berufung der Staatsanwaltschaft wurde hingegen Folge gegeben und über den Kläger eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt. Die Strafhaft wird vollzogen.

In diesem Strafverfahren hatte das Oberlandesgericht (OLG) Wien mit Beschluß vom 20.Dezember 1983 über den Einspruch des Klägers gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Korneuburg vom 30.November 1983, mit der er ausschließlich seine Zurechnungsfähigkeit in Zweifel zog, mangels Vorliegens eines der in den §§ 211 bis 213 StPO erwähnten Fälle dieser Anklage Folge gegeben, die Ladung eines weiteren ärztlichen Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie angeordnet und die weitere Belassung des Klägers in Untersuchungshaft verfügt.

Der Generalprokurator beim Obersten Gerichtshof fand nach Prüfung des Vorbringens in der Anregung des Klägers vom 28.Dezember 1993 samt Ergänzung vom 28.Jänner 1994 keinen Anlaß zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach § 33 Abs 2 StPO und gab dies dem Rechtsfreund des Klägers mit Schreiben vom 13.April 1994 mit folgender Begründung bekannt: Die 1983 - zum Teil durch § 35 Abs 2 aF StPO nicht gedeckte - Praxis des Verkehrs des OLG Wien mit der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien sei bereits 1993 vom innerstaatlichen Gesetzgeber mit der Neufassung des § 35 Abs 2 StPO durch das StRÄG 1993 (BGBl 1993/526) abgestellt worden; weiters sei die Geschäftsverteilung des OLG Wien inzwischen so geändert worden, daß der Anfall einer Strafsache bei einem bestimmten Senat von vornherein feststehe und demgemäß das innerstaatliche Verfassungsgebot des Rechts auf den gesetzlichen Richter nun verwirklicht sei. Auf den Kläger müßte eine allfällige Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ohne Wirkung bleiben, weil die behaupteten Gebrechen für ihn keine ungerechtfertigten Nachteile zur Folge gehabt hätten. Vielmehr habe der Senat des OLG Wien in seiner nach der damaligen Aktenlage sachgerechten Entscheidung den Einwendungen des Klägers in dessen Einspruch gegen die Anklageschrift ohnedies Rechnung getragen. Schließlich habe die vom OLG Wien auf ihre Berechtigung überprüfte Anklage unter beschwerdekonformer Beiziehung eines weiteren Sachverständigen ihrer endgültigen Nachprüfung durch die Geschworenen in der Hauptverhandlung standgehalten und zum rechtskräftigen Schuldspruch des Klägers geführt. In der Hauptverhandlung sei dem Kläger jederzeit die Möglichkeit offen gestanden, die Durchführung jener Beweise zu beantragen, die seiner Überzeugung nach die Haltlosigkeit der gegen ihn erhobenen Anklage hätte dartun können. Sollten solche Beweise jedoch erst nachträglich entstanden oder hervorgekommen sein, böten die Regeln der StPO über die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten (§ 353 StPO) unbeschadet der Bestimmung des § 358 StPO hinreichenden Schutz vor ungerechtfertigter Verurteilung. In diesen Fällen bedürfe es auch auch nicht der Ergreifung des Rechtsbehelfs der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes.

Der Kläger begehrte wegen des von ihm behaupteten Ermessensmißbrauchs des Generalprokurators beim Obersten Gerichtshof die Feststellung, daß ihm der beklagte Rechtsträger für alle Schäden hafte, die aus der Entscheidung des Generalprokurators vom 13.April 1994 erwuchsen, gegen den Beschluß des OLG Wien vom 20.Dezember 1983 sowie gegen die Vorgänge, daß die Zuständigkeit des Senats 25 des OLG Wien (zur Erledigung des vom Kläger erhobenen Anklageeinspruchs) auf einer objektiv gesetzeswidrigen Geschäftsverteilung des OLG Wien, Jv 16000-7a/82, begründet worden, in diesem Einspruchsverfahren die Zustellung einer Äußerung der OStA Wien an den bevollmächtigten Verteidiger des Klägers unterblieben und im Einspruchsverfahren bei Beratung und Abstimmung des Senats 25 am 20.Dezember 1983 ein näher bezeichneter Vertreter der OStA Wien anwesend gewesen sei, keine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erhoben zu haben. Eine solche Beschwerde hätte zur Aufhebung des seinerzeit im Verfahren über den Einspruch gegen die gegen den Kläger erhobene Anklageschrift ergangenen Beschlusses geführt, was die Behebung des folgenden Verfahrens vor dem Geschworenengericht beim Landesgericht Korneuburg zur Folge gehabt hätte. Der Kläger hätte alle jene Beweismittel beibringen können, die die völlige Haltlosigkeit der Anklage bescheinigt hätten. Das in diesem Verfahren ergangene Urteil sei jedoch Grundlage eines Bescheids des Bundesrechenamts vom 29.Juli 1986, mit welchem der Anspruch des Klägers auf Ruhegenuß für erloschen erklärt worden sei. Würde diesem Bescheid die Grundlage entzogen, so hätte dies im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens das Aufleben seines Ruhegenußanspruchs zur Folge.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

a) Der vom Rechtsmittelwerber behauptete Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahren liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Zum Umfang der richterlichen Prozeßleitungspflicht hat der erkennende Senat zuletzt in seiner Entscheidung 1 Ob 144/97a = EvBl 1998/59 eingehend Stellung genommen. Ob ein Klagevorbringen dazu, daß das neu aufgerollte Verfahren mit einem Freispruch oder einer milderen Verurteilung geendet hätte, fehlt, kommt es, wie noch auszuführen sind wird, auch gar nicht an.

b) Auch im Amtshaftungsverfahren ist die Erhebung einer Feststellungsklage zulässig. Das Feststellungsinteresse des Klägers iSd § 228 ZPO wurde von der beklagten Partei nicht in Zweifel gezogen und ist auch zu bejahen.

c) Nach stRspr kann ein rechtswidriges Organhandeln auch in einer Unterlassung liegen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte. Der Kläger macht im vorliegenden Fall aus einer Unterlassung des Rechtsträgers einen bloßen Vermögensschaden (fehlendes Wiederaufleben des zufolge Bescheids des Bundesrechenamts vom 29.Juli 1986 erloschenen Anspruchs auf Ruhegenuß) geltend, dessen Verursachung nach herrschender Auffassung nur ersatzpflichtig macht, wenn eine vorwerfbare Verletzung eines Vertrags oder eines Schutzgesetzes iSd § 1311 ABGB oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers vorliegt oder sich die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens sonst aus der Rechtsordnung, unmittelbar aufgrund des Gesetzes ableiten läßt (SZ 63/166, SZ 66/77, je mwN ua). Von diesen Voraussetzungen kommt hier nur eine Schutzgesetzverletzung in Frage, weshalb zu prüfen ist, ob dem Rechtsträger die Verletzung eines Schutzgesetzes, somit eines abstrakten Gefährdungsverbots, die bestimmte Personen oder Personengruppen von einer Verletzung ihrer Rechtsgüter schützen soll (SZ 66/77 mwN), durch seine Organe vorzuwerfen ist. Auch für den Bereich des Amtshaftungsrechts gilt der allgemeine Grundsatz, daß die übertretene Vorschrift gerade auch den Zweck haben muß, den Geschädigten vor eingetretenen (Vermögens-)Nachteilen zu schützen (SZ 61/189, SZ 62/73, SZ 66/77, je mwN; Schragel, AHG2 Rz 121). Die Nichtberücksichtigung der eingrenzenden Wirkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs hätte gerade auch auf dem Gebiet des Amtshaftungsrechts eine Uferlosigkeit der Haftpflicht der Rechtsträger zur Folge. Es muß daher geprüft werden, ob Pflichten der Rechtsträger nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener normiert sind. Es wird nur für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. Es genügt für die Annahme des erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs angesichts der in der Regel primär öffentliche Interessen wahrenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften zwar, daß die Verhinderung eines Schadens bei einem Dritten bloß mitbezweckt ist; die Norm muß aber die Verhinderung eines Schadens wie des später eingetretenen intendiert haben. Daraus allein, daß eine Amtshandlung, die dem öffentlichen Interesse dient, mittelbar auch die Interessen eines Dritten berührt, ihm zugute kommt und ihm damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil verschafft, läßt sich noch nicht auf das Vorliegen einer Amtshaftungpflicht gerade diesem gegenüber schließen (SZ 66/77 mwN ua; 1 Ob 34/95, einen gleichfalls den Kläger als Amtshaftungswerber treffenden Rechtsfall über Kostenersatzansprüche im Zusammenhang mit einem abgelehnten Gnadenverfahren uva; Schragel aaO Rz 121 mwN). Bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise ist bei jeder einzelnen Vorschrift - hier des § 33 Abs 2 StPO - der Normzweck zu erfragen, der sich aus der wertenden Beurteilung deren Sinns ergibt (SZ 66/77, SZ 67/39). Wieweit der Normzweck (Rechtswidrigkeitszusammenhang) reicht, ist Auslegungsfrage im Einzelfall. Ob im Rahmen der Amtshaftung eine Norm gerade auch den Schutz des Geschädigten bezweckt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob bereits eine rechtliche Sonderverbindung zwischen dem Geschädigten und dem Rechtsträger, dessen Organe eine Amtspflicht verletzen, besteht. So hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 1 Ob 20/93 = JBl 1994, 695 ausgesprochen, zur Auslegung des speziellen schadenersatzrechtlichen Schutzzwecks sei die (dort in einem Landesgesetz) ausgesprochene oder verweigerte Berechtigung zur Verfahrensbeteiligung wichtigster Anhaltspunkt. Dagegen hat Kerschner (RdU 1995, 40) eingewendet, maßgeblich müsse allein sein, ob die verletzte Norm auch das Vermögen als solches schütze, wofür das Bestehen eines subjektiven öffentlichen Rechts höchstens, wenn überhaupt, ein Indiz sein könne (vgl dazu auch Balthasar, Das subjektive [öffentliche] Recht im Amtshaftungsverfahren in ÖJZ 1998, 321 ff und Mader in Schwimann 2, § 1 AHG Rz 61 ff), übersieht dabei indes, daß die Einräumung eines subjektiv-öffentlichen Rechts und der daran geknüpften Rechtsmittellegitimation regelmäßig das wesentliche Indiz dafür ist, daß das dem öffentlichen Recht zuzuordnende Gesetz zumindest auch das Vermögen der davon Betroffenen schützen will.

Die Generalprokuratur ist zwar nach § 2 Abs 2 StAG, BGBl 1986/164 idgF, eine dem BMJ unterstehende staatsanwaltschaftliche Behörde, jedoch nicht, wie die Anklagebehörde im Verfahren erster Instanz, Prozeßpartei. Sie kann daher auch keine Weisungen erteilen (Foregger/Kodek/Fabrizy, Die österr. Strafprozeßordnung7, § 33 StPO Anm I. mwN). Nach der Entscheidung SSt 50/58 = JBl 1980, 46 (Liebscher) ist die Generalprokuratur nicht Träger der Anklage und nicht „Gegner“ des Angeklagten; sie hat vielmehr die Stellung eines über die Anklage nicht dispositionsbefugten, aber das Gericht unterstützenden Organs, also einer Prozeßpartei sui generis mit Anhörungs- und Antragsrechten und Anspruch auf volle Akteneinsicht. Gemäß § 33 Abs 2 erster Satz StPO kann der Generalprokurator beim Obersten Gerichtshof von Amts wegen oder im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluß oder Vorgang des Strafgerichts, der zu seiner Kenntnis gelangt, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, und zwar auch noch dann erheben, wenn der Angeklagte oder der Ankläger in der gesetzlichen Frist vom Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde keinen Gebrauch gemacht hat. Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ist ein nicht fristgebundener Rechtsbehelf, der eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Strafrechtspflege auch außerhalb des Rechtsmittelverfahrens ermöglicht und der Wahrung der Einheit der Rspr und der Verhütung neuer Rechtsirrtümer der Gerichte dient (Foregger/Kodek/Fabrizy aaO § 292 Anm I.). Zweck ist die Strafrechtspflege in dem Sinn, das Vertrauen in diese durch Herbeiführung rechtsrichtiger und einheitlicher Entscheidungen zu heben und somit auch künftiges Unrecht zu verhindern. Der Anteil der vom Obersten Gerichtshof aufgrund von „Wahrungsbeschwerden“ gefällten Entscheidungen an der Entwicklung der österreichischen Strafrechtsjudikatur ist kaum geringer zu veranschlagen als der Anteil der im ordentlichen Rechtsmittelverfahren ergehenden Entscheidungen. So war es nur über den Weg der Nichtigkeitsbeschwerde möglich, prozessuale Fragen, die im normalen Rechtsmittelverfahren nur an die Oberlandesgerichte gelangen können, an den Obersten Gerichtshof heranzutragen, wodurch dieser in die Lage versetzt war, auf diesen Gebieten grundsätzliche und richtungsweisende Entscheidungen zu treffen (Pallin, Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in FS 100 Jahre StPO, 170 f). Durch dieses unbefristete, von Parteiinteressen losgelöste außerordentliche Rechtsmittel, das sich auch gegen nicht rechtskräftige Entscheidungen oder auch unter Umständen bloß gegen unzutreffende Begründungen richten kann (Foregger/Kodek/Fabrizy aaO § 292 Anm I. mwN), soll die Richtigkeit und Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in Strafsachen im allgemeinen gewährleistet werden. Die Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ist das ausschließliche Recht des Generalprokurators. Er übt es von Amts wegen oder im Auftrag des BMJ aus; nur in letzterem - hier nicht zu beurteilenden - Fall ist die Beschwerdeerhebung auch seine Pflicht. Bei Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes oder der Entscheidung, eine solche nicht zu erheben, wird der Generalprokurator im öffentlichen Interesse einer geordneten Strafrechtspflege tätig. Der Angeklagte (Verurteilte) hat weder einen Rechtsanspruch darauf, daß der Generalprokurator in seinem Interesse tätig wird, noch bedarf dieser zur Erhebung dieses Rechtsbehelfs der Zustimmung der Partei, zu deren Nachteil im Einzelfall eine Gesetzesverletzung stattgefunden hat. Durch die Erklärung des Generalprokurators, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht zu erheben, kann mangels eines Rechtsanspruchs kein Parteienrecht verletzt werden. Die Erklärung des Generalprokurators, keine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu erheben, ist deshalb auch kein der Anfechtung bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zugänglicher Bescheid. Dasselbe gilt für die Anfechtbarkeit einer negativen Erklärung des BMJ, dem Generalprokurator den Auftrag zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu erteilen (Mayerhofer, Das österr. Strafrecht4, § 33 StPO Anm 1a, 2 und 4 mwN aus der Rspr des VfGH und VwGH; Foregger/Kodek/Fabrizy aaO § 33 Anm I., § 292 Anm V.; Pallin aaO 172). Selbst wenn man das Wort „kann“ in § 33 Abs 2 StPO, wie sich schon aus den allgemeinen Bestimmungen des Art 18 Abs 1 B-VG ergeben mag, als ein bedingtes, von gewissen Voraussetzungen abhängiges „müssen“ deutete (so Pallin aaO 171), fehlte der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der unterlassenen Erhebung einer (nur) im öffentlichen Interesse der Strafrechtspflege zu erhebenden Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes durch den Generalprokurator nach § 33 Abs 2 StPO und dem behaupteten Vermögensschaden des Verurteilten und nunmehrigen Amtshaftungsklägers, für den sich die Erhebung einer (dann erfolgreichen) Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nur reflexartig im obbezeichneten Sinn auswirken kann. Aus der unterlassenen Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes können daher keine Amtshaftungsansprüche wegen reiner Vermögensschäden abgeleitet werden.

Dem Verurteilten ist ohnehin durch § 353 StPO die prozessuale Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens eröffnet.

Besteht aber wie hier kein Zusammenhang zwischen dem durch die Auslegung der Norm iS einer wertenden Beurteilung deren Sinns zu ermittelnden Normzweck und dem eingetretenen Schaden, so liegt nur ein mittelbarer, grundsätzlich somit nicht ersatzfähiger Schaden vor (SZ 66/77 mwN ua). Entgegen dem Rechtsmittelvortrag besteht kein Widerspruch zu den tragenden Begründungselementen der Entscheidung 1 Ob 45/95 (veröffentlicht in SZ 69/48). Danach können auch dann, wenn ein subjektives Recht (dort: auf Beförderung eines Beamten) nicht besteht, Amtshaftungsansprüche entstehen, wenn dem Rechtsträger ein Mißbrauch eingeräumter Befugnisse (dort: ausschließliches Vorliegen parteipolitischer Motive für eine Beförderung) vorzuwerfen ist. Angesichts der im vorliegenden Fall dem Kläger mitgeteilten eingehenden Begründung des Generalprokurators für seine Entscheidung, keine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu erheben, kann von einem Mißbrauch im genannten Sinn keine Rede sein.

d) Der Kläger leitet seine Ansprüche aus Amtshaftung ab. Sein Vorbringen im vorbereitenden Schriftsatz ON 3, er habe auch immaterielle Schäden erlitten, ist unschlüssig, weil aus dem Titel der Amtshaftung stets nur Geldansprüche erhoben werden können. Seinem Rechtsmittel sind dazu Argumente, zu welchen im weiteren Umfang Stellung genommen werden müßte, nicht zu entnehmen.

Somit kommt es nicht mehr darauf an, ob einer erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes konkrete Wirkung iSd § 292 letzter Satz StPO (vgl EvBl 1976/135 zum Fall der Urteilsfällung vor rechtskräftiger Versetzung des Beschuldigten in den Anklagestand; EvBl 1994/11) zugekommen und ob mit dem „Wegfall des ersten Verfahrens“ der Ruhegenußanspruch des Klägers jedenfalls bis zur rechtskräftigen Beendigung des zweiten Strafverfahrens wieder aufgelebt wäre und ihm daher ein entsprechender Anspruch auf Nachzahlung zustünde. Auch auf die übrigen Rechtsfragen, im besonderen auf die von der zweiten Instanz verneinte Kausalität zwischen Schadenseintritt und unterlassener Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, die sonstige Schlüssigkeit des Klagevorbringens, die Frage eines allfälligen Ermessensmißbrauchs sowie die Vertretbarkeit der Rechtsauffassung des Organs kommt es demnach nicht mehr an. Zu berücksichtigen wäre dabei freilich, daß die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes keinesfalls der bloßen Anpassung einer zur Zeit ihrer Fällung richtigen Entscheidung an eine später geänderte Rechtslage oder an allenfalls modifizierte Wertungsmaßstäbe (vgl EvBl 1982/125 ua), dienen kann (12 Os 24, 25/92 = AnwBl 1992, 922 [Graff] = MuR 1992/15; Foregger/Kodek/Fabrizy aaO § 292 Anm I.).

Dem Rechtsmittel ist nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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