OGH 5Ob571/93

OGH5Ob571/9322.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Unterbringungssache der Maria K*****, vertreten durch die Patientinanwältin Dr.Erna Lang-Hartl, Wagner-Jauregg-Weg 15, 4020 Linz, infolge Revisionsrekurses der Patientenanwältin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 11.November 1993, GZ 18 R 622, 623/93-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 13.Mai 1993, GZ 22 Ub 195/93-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mit Schreiben vom 10.Mai 1993 teilte die Patientenanwältin dem Erstgericht mit, daß sich die Patientin Maria K***** in der neurologisch-psychiatrischen Gerontologie, Station A 1, der Oberösterreichischen Landesnervenklinik Wagner-Jauregg befinde und nach Auffassung der Patientenanwältin dort in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt werde. Diese Abteilung stelle sowohl eine psychiatrische als auch eine geschlossene Abteilung dar, da versperrte Bereiche, Lichtschranken und Fixierungen vorhanden seien. Es werde daher beantragt, ein Unterbringungsverfahren einzuleiten und die Zulässigkeit der Beschränkung der Bewegungsfreiheit zu überprüfen; dies auch für den Fall, daß die Patientin vor Durchführung einer Erstanhörung entlassen oder verlegt werde.

Das Erstgericht stellte am 13.Mai 1993 vor Beginn der Erstanhörung fest, daß es sich bei der Station A 1 um eine offene Station ohne geschlossenen Bereich handle, auf der keine Beschränkungen der körperlichen Bewegungsfreiheit von Patienten vorgenommen würden. Sowohl bei einer gerichtlichen Kontrolle am 12.Mai 1993 als auch am 13. Mai 1993 seien die Türen der Station A 1 unversperrt gewesen. Diese Türen seien laut ärztlicher Anweisung auch weiterhin offen zu halten, um den Patienten ein Verlassen der Station tagsüber jederzeit zu ermöglichen. Sämtliche Türen hätten auch innen eine Türklinke, sodaß den Patienten die Öffnung von innen jederzeit leicht möglich sei. Die Station sei lediglich in den Nachtstunden von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr versperrt, um der ärztlichen Obsorgepflicht gegenüber den Patienten nachzukommen.

Das Erstgericht wies den Antrag der Patientenanwältin ab. Eine Anhörung nach § 19 UbG sowie eine Entscheidung nach § 20 UbG habe nicht stattzufinden, wenn die Unterbringung zum gegebenen Zeitpunkt bereits aufgehoben und der Kranke bereits offengelegt bzw entlassen wurde. Dies gelte nicht nur bei Verlegung des Patienten von einem geschlossenen auf einen offenen Bereich, sondern auch dann, wenn eine bisher zumindest teilweise geschlossene Abteilung gänzlich geöffnet werde. Dem Gericht sei im gegenständlichen Fall vor dem Zeitpunkt eines Einschreitens zur Kenntnis gebracht worden, daß die Station A 1 als offene Station geführt werde und Patienten demgemäß weder in einem geschlossenen Bereich angehalten bzw sonst Beschränkungen der Bewegungsfreiheit unterworfen würden, wovon sich das Gericht auch selbst überzeugt habe. Die Station A 1 unterliege daher nicht dem Geltungsbereich des Unterbringungsgesetzes. Ein allfälliges Absperren der Station A 1 bloß während der Nachtstunden stelle keine Unterbringung im Sinne des Gesetzes dar.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, erklärte den Revisionsrekurs für zulässig und führte im wesentlichen aus:

Teile der Patient oder der Patientenanwalt dem Gericht mit, daß seiner Meinung nach eine Unterbringung des Patienten vorliege, so bestehe die Verpflichtung des Gerichtes zu prüfen, ob ein Unterbringungsverfahren einzuleiten sei. Komme das Gericht, wie im vorliegenden Fall, zum Ergebnis, daß ein Unterbringungsverfahren nicht durchzuführen sei, so habe das Gericht die Einleitung eines Unterbringungsverfahrens mit Beschluß abzulehnen, gegen den ein Rechtsmittel zustehe. Der Rekurs sei daher (entgegen Kopetzki, Unterbringungsgesetz Rz 366) zulässig.

Das Unterbringungsgesetz sehe eine besondere "Erheblichkeitsschwelle" hinsichtlich Dauer und Ausmaß der Beschränkung nicht vor. Therapeutische und pflegerische Beweggründe könnten die Qualifikation einer Maßnahme zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit als Unterbringung nicht verhindern. Eine bloß während der Nachtstunden versperrte Abteilung sei kein geschlossener Bereich im Sinne des § 2 UbG. Eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit eines Patienten bloß in Nachtstunden durch Versperren der Stationstüre erfordere die Anwendung des Unterbringungsgesetzes nicht. Denn würde man den Begriff der Unterbringung bei einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Abteilung auf jene geringfügigen Beschränkungen ausdehnen, denen der Patient zustimme (zB das Anbinden am Stuhl während des Essens zur Verhinderung des Umkippens), so würde man solche geringfügigen Maßnahmen als "Unterbringung auf Verlangen" ansehen müssen. Es seien daher geringfügige und vom Konsens des Patienten getragene Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, wie sie auch im Rahmen eines gewöhnlichen Behandlungsverhältnisses zulässig seien, überhaupt nicht als Beschränkungen im Sinne des § 2 UbG zu qualifizieren, soweit sie für den Patienten keine wesentliche Beeinträchtigung brächten. Ihre Anwendung führe daher für sich genommen auch dann nicht zum Vorliegen einer Unterbringung, wenn sie an psychiatrischen Patienten stattfänden. Wende man diese Überlegungen auf die vorliegende Situation an, so sei zwar grundsätzlich davon auszugehen, daß an die Zustimmung des Patienten zu konkreten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit strenge Anforderungen zu stellen seien und eine schlüssige Zustimmung in der Regel nicht angenommen werden könne. Halte sich jedoch ein Patient freiwillig auf einer von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr offenen Station auf, so könne dies nicht anders gewertet werden, als daß dieser Patient durch seinen weiteren Aufenthalt in dieser Station auch dem aus dem Obsorgegedanken entspringenden Versperren der Stationstüre in der Nacht zustimme. Da Patienten von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr üblicherweise schliefen und kein besonderes Interesse am Verlassen dieser Station hätten, sei diese Einschränkung nicht nur vom Konsens der Patienten umfaßt, sondern auch als geringfügig zu bezeichnen. Da die Station A 1 zumindest seit 12.Mai 1993 als offene Station geführt werde, stelle das Versperren in der Nacht keine Einschränkung der Bewegungsfreiheit dar, die die Anwendung des Unterbringungsgesetzes rechtfertigen würde. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob es sich beim Versperren einer geriatrischen Abteilung in der Nacht um eine Bewegungseinschränkung handle, der ältere Patienten oder Heimbewohner auch in nicht psychiatrischen Anstalten oder Heimen üblicherweise ausgesetzt seien. Das Erstgericht sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß vor Beginn der beabsichtigten Erstanhörung am 13.Mai 1993 die Station A 1 weder einen geschlossenen Bereich im Sinne des § 2 UbG darstelle, noch das Versperren in der Nacht als Bewegungseinschränkung im Sinne des § 33 UbG anzusehen sei.

Es bleibe auf die Frage einzugehen, ob der Umstand, daß die Abteilung A 1 möglicherweise bis 12.Mai 1993 als geschlossener Bereich geführt worden sei, die Einleitung eines Unterbringungsverfahrens am 13.Mai 1993 durch Erstanhörung gerechtfertigt hätte. Das gerichtliche Unterbringungsverfahren wirke zwar grundsätzlich nur pro futuro. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, daß es sich niemals auf den davor liegenden Zeitraum erstrecken könnte. Beschränkungen der Bewegungsfreiheit im Sinne des § 33 Abs 3 UbG unterlägen jedenfalls einer nachträglichen Kontrolle. Aber auch die Entscheidung über die Unterbringung in einem geschlossenen Bereich sei nach dem Gesetzeswortlaut nicht in allen Fällen auf die Zulässigkeit für die Zukunft beschränkt. Ausnahmsweise sei - etwa im Fall der Aufhebung der Unterbringung während des Rekursverfahrens - im Hinblick auf den Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen durch eine Gerichtsentscheidung auch darüber zu entscheiden, ob die bereits beendete Maßnahme zulässig gewesen sei. Werde die Einleitung des Unterbringungsverfahrens zu einem Zeitpunkt abgelehnt, zu dem die Unterbringung noch nicht beendet sei, habe das Gericht auch rückwirkend über das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen zu entscheiden. Nur dann aber, wenn die Unterbringung noch vor der Erstanhörung aufgehoben und der Kranke sogleich entlassen werde, unterbleibe eine Entscheidung nach § 20 UbG (4 Ob 527/92). Im vorliegenden Fall sei die Unterbringung vor der beabsichtigten Erstanhörung dadurch aufgehoben worden, daß zwar der Aufenthalt der Patientin nicht verändert worden sei, die Abteilung jedoch ab 12.Mai 1993 als offener Bereich geführt werde. Damit sei die Unterbringung durch Veränderung des Umfeldes mit 12.Mai 1993 beendet worden. Das Erstgericht habe daher zu Recht eine Entscheidung über die Frage, ob die Patientin in der Station A 1 bis 12.Mai 1993 untergebracht im Sinne des UbG gewesen sei, abgelehnt.

Die Zulassung des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß es sich zwar zu den Fragen, inwieweit eine rückschauende Prüfung einer Unterbringung zu erfolgen habe und ob nach Aufhebung der Unterbringung vor der Erstanhörung ein Unterbringungsverfahren einzuleiten sei, an der genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes orientiert habe, jedoch zur Frage, inwieweit ein Versperren einer Station bloß zur Nachtzeit eine sonstige Bewegungseinschränkung im Sinne des § 33 UbG darstelle, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen diese Rekursentscheidung erhob die Patientenanwältin Revisionsrekurs und beantragte, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung (Einleitung) des Unterbringungsverfahrens zur Feststellung der Zulässigkeit der Beschränkung der Bewegungsfreiheit aufzutragen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Für den Zeitraum vom 12.Mai 1993 bis zur Entlassung der Patientin leitet die Patientenanwältin eine Unterbringung der Patientin im Sinne des § 2 UbG allein daraus ab, daß die Stationstür während der Nachtstunden von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr versperrt war. Es ist daher zunächst zu untersuchen, ob bereits eine solche Maßnahme zu einer "Unterbringung" führt.

Gemäß § 2 UbG gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes für Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie, in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden. Beide Anwendungsfälle werden nach dem Klammerausdruck in § 2 UbG unter den Begriff der "Unterbringung" zusammengefaßt. Unterliegt demnach ein Patient Bewegungseinschränkungen, dann ist er im Sinne des UbG "untergebracht", unabhängig davon, ob er sich in einem geschlossenen Bereich befindet oder nicht. Aus dem Zusammenhang zwischen § 2 und § 33 UbG - wonach Beschränkungen des Kranken in seiner Bewegungsfreiheit nach Art, Umfang und Dauer nur insoweit zulässig sind, als sie im Einzelfall zur Abwehr einer Gefahr im Sinne des § 3 Z 1 UbG sowie zur ärztlichen Behandlung oder Betreuung unerläßlich sind, und zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen - ergibt sich, daß sämtliche der in § 33 UbG erwähnten Formen von Beschränkungen auch zum Vorliegen einer "Unterbringung" im Sinne des § 2 UbG führen. Eine besondere "Erheblichkeitsschwelle" hinsichtlich Dauer und Ausmaß der Beschränkung sieht das Gesetz nicht vor; therapeutische und pflegerische Beweggründe können die Qualifikation einer solchen Maßnahme als Unterbringung nicht verhindern (4 Ob 527/92; 7 Ob 635/92).

Daß im vorliegenden Fall ab dem 12.Mai 1993 von einer Anhaltung in einem geschlossenen Bereich gesprochen werden könnte, behauptet die Rechtsmittelwerberin selbst nicht. Schon den Gesetzesmaterialien (464 BlgNR 17. GP 20) kann entnommen werden, daß kein geschlossener Bereich vorliegt, wenn ein Zimmer oder ein Trakt bloß während der Nachtstunden versperrt wird (vgl auch EvBl 1992/101). Das Versperren der Stationstüre zur Nachtzeit stellt eine allgemeine Vorsichtsmaßnahme zur Verhinderung des unkontrollierten Ein- und Ausganges dar, wie sie auch außerhalb von psychiatrischen Anstalten nicht ungewöhnlich ist.

Die Rechtsmittelwerberin erblickt darin aber eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit im Sinne des § 33 UbG. Sie führt freilich selbst aus, daß § 33 UbG jene räumlich eng begrenzten Beschränkungen der Bewegungsfreiheit vor Augen hat, die speziell am einzelnen Patienten vorgenommen werden, etwa in der Form einer Absonderung im Isolierzimmer oder einer Fixierung mittels Gurten oder Netzbett. In ähnlicher Weise bemerkt Kopetzki (aaO Rz 31), daß es bei "sonstigen" Beschränkungen der Bewegungsfreiheit im Gegensatz zum "geschlossenen Bereich", bei dem sich die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in generellen und äußerlich erkennbaren Organisationsstrukturen niederschlagen (versperrte Türen etc.), um individuell personenbezogene Beschränkungen der Bewegungsfreiheit geht, die auf andere Weise realisiert werden. Das - generelle - Absperren der Stationstüre zur Nachtzeit fällt hierunter aber nicht.

Den Vorinstanzen ist somit zuzustimmen, daß ab 12.Mai 1993 keine Unterbringung der Patientin vorlag.

Hingegen ist der Auffassung der Untergerichte entgegenzutreten, eine gerichtliche Entscheidung habe zu unterbleiben, wenn die Unterbringung des Patienten vor der Erstanhörung aufgehoben werde.

Der Oberste Gerichtshof hat zur Frage, ob auch noch nach Aufhebung eines freiheitsbeschränkenden Unterbringung in einer psychiatrischen Abteilung weiterhin ein rechtliches Interesse an der Feststellung besteht, ob die Unterbringung (Anhaltung) zu Recht erfolgte, wiederholt im Sinne der Bejahung dieser Frage Stellung genommen (vgl etwa EvBl 1993/33; 4 Ob 513, 514/93; 2 Ob 539/93 mwN). Dieser Feststellungsanspruch eines Patienten ergibt sich schon aus verfassungsrechtlichen Überlegungen. Im Fall der Verletzung des in Art 5 MRK festgelegten Rechts auf Freiheit gewährt Art 13 MRK dem Verletzten das Recht, vor einer nationalen Instanz wirksame Abhilfe gegen die Verletzung zu suchen. Es handelt sich dabei um einen Rechtsweganspruch, der zu den materiellen, in Art 2 bis 12 MRK festgelegten Rechten hinzutritt und jedermann zusteht, der behauptet, in einem solchen Recht verletzt worden zu sein. Aus Art 13 MRK erwächst aber nicht nur dem Einzelnen ein entsprechendes Individualrecht, diese Bestimmung schafft vielmehr auch eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes. Soll aber dem Verletzten im Fall der Behauptung einer Verletzung von Konventionsrechten ein wirksamer Rechtsweganspruch eingeräumt werden, dann sind die vom Staat gewährten Rechtsschutzeinrichtungen im Lichte des Art 13 MRK auszulegen (EvBl 1993/33; 2 Ob 539/93).

Diese Überlegungen zeigen, daß für das vorliegende Rechtsschutzbegehren ein Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl aber Kopetzki Rz 383, 445 f). Weder der Wortlaut des § 20 UbG ("vorliegen"), den Kopetzki (Rz 383, 443) ins Treffen führt, noch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes oder das Wesen seiner Verfahrensbestimmungen, worauf Hopf-Aigner, Unterbringungsgesetz, Anm 1 zu § 18, verweisen, schließen im übrigen eine grundrechtskonforme Interpretation der dem Patienten gewährten Rechtsschutzeinrichtungen, wie sie in der zitierten Rechtsprechung erfolgt, aus. Der erkennende Senat schließt sich daher dieser Auslegung an.

Es trifft zu, daß in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 4 Ob 527/92 die Meinung vertreten wurde, eine Entscheidung nach § 20 UbG unterbleibe, wenn die Unterbringung noch vor der Erstanhörung aufgehoben und der Kranke sogleich entlassen worden sei. Zur darin vorgenommenen Unterscheidung zwischen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit im Sinne des § 33 UbG, die jedenfalls einer nachträglichen Kontrolle unterlägen, weil das Gericht erst auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters zu entscheiden habe, und der Anhaltung in einem geschlossenen Bereich, bei dem eine nachträgliche Entscheidung nur in bestimmten Ausnahmefällen erfolgen könne, ist zu bemerken, daß die oben wiedergegebenen verfassungsrechtlichen Überlegungen für beide Anwendungsfälle des § 2 UbG gelten. Freilich ist, wenn die Unterbringung zwar vor der Erstanhörung aufgehoben, jedoch ein Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsbeschränkung gestellt wurde, keine Entscheidung über die vorläufige Zulässigkeit der Unterbringung zu fällen, sondern hierüber eine abschließende, rückschauende Feststellung zu treffen.

Was nun die Unterbringung der Patientin in einem geschlossenen Bereich vor dem 12.Mai 1993 anlangt, so hat das Rekursgericht ausgeführt, die Unterbringung sei durch Veränderung des Umfeldes mit 12. Mai 1993 beendet worden. Andererseits hat es hinzugefügt, das Erstgericht habe die Entscheidung über die Frage, ob die Patientin in der Station A 1 bis 12.Mai 1993 im Sinne des UbG untergebracht gewesen sei, zu Recht abgelehnt. An anderer Stelle der Rekursentscheidung heißt es, die Abteilung sei "möglicherweise" bis 12. Mai 1993 als geschlossener Bereich geführt worden. Die erstgerichtlichen Feststellungen lassen eine verläßliche Beurteilung, ob die Patientin vor dem 12.Mai 1993 in einem geschlossenen Bereich angehalten wurde, nicht zu; von seiner Rechtsmeinung ausgehend hat das Erstgericht hinreichend deutliche Feststellungen nur für den Zustand der Station am 12./13.Mai 1993 getroffen. Es kann demnach noch nicht abschließend beurteilt werden, ob das Erstgericht wegen vor dem 12.Mai 1993 liegender Unterbringungszeiten eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Unterbringung zu treffen hätte.

Das Erstgericht wird daher entsprechende Feststellungen nachzuholen haben. Sollte sich dabei ergeben, daß sich die Patientin im fraglichen Zeitraum in einem geschlossenen Bereich befunden hat (oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wurde), so wären die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine derartige Unterbringung antragsgemäß zu prüfen; sodann wäre auszusprechen, ob die - schon aufgehobene - Unterbringung zulässig oder unzulässig war. Sollte sich hingegen ergeben, daß die Patientin auch für die Zeit vor dem 12.Mai 1993 nicht als untergebracht anzusehen war, hätte die von der Patientinanwältin begehrte Überprüfung zu unterbleiben.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben.

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