OGH 9Ob20/24t

OGH9Ob20/24t24.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätin und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. G*, vertreten durch Ulm Neger Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Land S*, vertreten durch Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei E*gesellschaft mbH, *, vertreten durch Konrad Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Zuhaltung eines Vertrags, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2023, GZ 4 R 147/23d‑43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00020.24T.0424.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger und die Beklagte, eine gemeinnützige Bauvereinigung im Sinne des WGG, schlossen am 5. 10. 2011 einen Mietvertrag über eine Wohnung samt einem Kellerabteil und einem KFZ‑Abstellplatz (je als Zubehör) ab.

[2] Die Vertragsgespräche führte der Kläger mit einer damaligen Mitarbeiterin der Beklagten, die mit der Vermarktung betraut war. Sie besprach mit dem Kläger die beiden Möglichkeiten des Eigentumserwerbs an der Wohnung, nämlich einen freifinanzierten Sofortkauf und einen Mietkauf. Die Berechnungsmethode des zukünftigen Kaufpreises für die Mietkaufvariante erläuterte sie anhand des „Mietkauf‑Leitfadens“, dem das von der Beklagten beworbene „Steirische Modell“ zugrunde lag. Zudem stellte sie die Berechnungsmethode auch handschriftlich zur Veranschaulichung dar. Sie erklärte, dass zur Ermittlung des Kaufpreises die endabgerechneten Bau‑ und Grundkosten herangezogen würden. Davon würden die Anzahlung, jährlich verringert um 1 %, und das anteilige Kapitalmarktdarlehen abgezogen. Hinzu käme der vom Land S* gewährte Annuitätenzuschuss vom 1. bis zum 10. Jahr und ein Barzahlungsbetrag von 2 % der Bau‑ und Grundkosten der Wohnung.

[3] Der Kläger überlegte sich die ihm bekannten Kennzahlen (wie zB der Sofortkaufpreis und die von ihm geschätzten Bau‑ und Grundkosten für die zirka 80m² große Wohnung) und kam zum Ergebnis, dass der Sofortkaufpreis tatsächlich deutlich höher sein würde als der Preis bei der Mietkaufvariante. Die ihm dargestellte und aus dem „Mietkauf‑Leitfaden“ ersichtliche Berechnungsmethode war für ihn daher entscheidend für den Vertragsabschluss. Im „Mietkauf‑Leitfaden“ ist die Berechnung des Kaufpreises wie folgt abgebildet:

Herstellungskosten (Grund‑ und Baukosten)

- Anzahlung

- Tilgung des Kapitalmarktdarlehens (ohne Zinsen)

+ anteilige Rücklage gemäß § 31 WEG 2002

+ erhaltene Förderung durch das Land S*

+ anteilige Kosten für Nutzwertgutachten

= Kaufpreis

[4] Im schriftlichen Mietvertrag ist unter Punkt 14. festgehalten, dass der Mieter auf die derzeit vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten und auch die Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes hingewiesen wird, welches unter bestimmten gesetzlich definierten Voraussetzungen den Erwerb der Mietwohnung in das Eigentum ermöglicht. In Punkt 15.5. wurde für Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrags die Schriftform vereinbart.

[5] Punkt 14. des Mietvertrags wurde im Rahmen der Vertragsgespräche nicht näher besprochen. Ein Hinweis auf mögliche Änderungen der Kaufpreisberechnungsmethode erfolgte nie. Die Mitarbeiterin der Beklagten dachte nicht daran, dass die von ihr dargestellte Berechnungsmethode in Zukunft nicht mehr zulässig sein könnte.

[6] Am 31. 3. 2022 legte die Beklagte dem Kläger ein Kaufanbot für die Wohnung. Der als Kaufpreis herangezogene Wert entsprach dem Buchwert von 158.392,90 EUR. Hinsichtlich des Tiefgaragenparkplatzes wurde dem Kläger ein von der Gemeinnützigen Wohn- und Siedlungsgenossenschaft E* reg. Gen.m.b.H. L* (idF E* Genossenschaft) erstelltes Angebot, in welchem der Kaufpreis mit dem Buchwert in der Höhe von 19.433,37 EUR angesetzt wurde, übermittelt, weil dieser nicht im Eigentum der Beklagten stand. Beide Angebote nahm der Kläger nicht an.

[7] Der Kläger begehrte die Beklagte schuldig zu erkennen, die Wohnung samt Kellerabteil und KFZ-Abstellplatz gegen Übernahme der auf der Wohnung lastenden Verbindlichkeiten und gegen Zahlung der Zusatz- und Nebenkosten sowie der Gebühren (wie Vertragserrichtungskosten, Grunderwerbsteuer und Eintragungsgebühren) sowie des vertraglich vereinbarten Kaufpreises – welcher auf Basis der Herstellungskosten und nicht auf Basis des Buchwerts, sohin nach dem von der Beklagten bis zumindest 2017 durchgehend angewendeten „Steirischen Modell“, sohin wie folgt: Herstellungskosten (Grund- und Baukosten) abzüglich Anzahlung, abzüglich Tilgung des anteiligen Kapitalmarktdarlehens (ohne Zinsen), zuzüglich anteiliger Rücklage gemäß § 31 WEG 2002, zuzüglich erhaltener Förderung durch das Land S* (i.e. Annuitätenzuschuss), zu berechnen ist – in das Wohnungseigentum des Klägers zu übertragen und binnen 14 Tagen alle hierfür erforderlichen Veranlassungen zu treffen sowie alle erforderlichen Erklärungen abzugeben. Dazu brachte er vor, dass der Variante des Mietkaufs die Berechnung des Kaufpreises nach dem sogenannten „Steirischen Modell“ zugrunde gelegt und damit Vertragsbestandteil geworden sei.

[8] Die Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers, das Land S*, brachte vor, das „Steirische Modell“ basiere auf einem Vorschlag des österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, dem die Beklagte angehöre. Sie habe diesen Vorschlag begrüßt. Dessen Vorteil liege darin, dass der Wert der Wohnung anlässlich der Eigentumsübertragung nicht geschätzt werden müsse. Daraus ergebe sich eine Rechtssicherheit und Planbarkeit bei langfristigen Rechtsverhältnissen, weil auf zwischenzeitig erfolgte Verkehrswertentwicklungen nicht Bedacht zu nehmen sei.

[9] Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs – diese Einrede wurde bereits rechtskräftig verworfen – und hilfsweise die Abweisung des Klagebegehrens. Der Mietkauf‑Leitfaden sowie der Mietvertrag enthielten nur Wissenserklärungen über die damals gültige Rechtslage zur Preisbildung bei einer nachträglichen Übertragung in das Wohnungseigentum und keine Willenserklärungen über die Höhe des Fixpreises. Nach § 15d Abs 1 iVm § 23 Abs 4c WGG idF BGBl I 157/2015 sei der Fixpreis in der Bandbreite zwischen dem Buchwert und dem Verkehrswert festzusetzen. Diese Bestimmung greife in alle Rechtsgeschäfte ein. Der Revisionsverband habe im Rahmen seiner jährlichen Prüfung festgestellt, dass ein Verkauf von geförderten Wohnungen unter dem Buchwert zu einem Verlust führe. Die Beklagte sei angehalten worden, umgehend die Kaufpreise den gesetzlichen Bestimmungen des WGG anzupassen.

[10] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend mit der Präzisierung statt, dass der Kläger als weitere Gegenleistung einen Barbetrag von 2 % der Gesamtherstellungskosten (Bau‑ und Grundkosten) je Wohnung zu leisten habe und dass die Anzahlung als Abzugsposten eine jährliche Reduktion von 1 % erfahre. Die Beklagte habe die Mietkaufvariante offensiv beworben und als günstigere Variante gegenüber einem Sofortkauf angepriesen. Dem Kläger sei die Kaufpreisberechnung auf Basis des „Steirischen Modells“ dargelegt worden. Er sei nicht darauf hingewiesen worden, dass es sich dabei bloß um die derzeit (2011) angewandte Berechnungsmethode handle, zu der Wohnungen im Rahmen der Kaufoption angeboten würden. Wenn nun die Beklagte in Kenntnis des Umstands, dass ihre Erläuterungen für den Kläger wesentlich für seine Entscheidung für eine Erwerbsvariante seien, zum Ausdruck gebracht habe, dass die zukünftige Kaufpreisberechnung anhand des „Steirischen Modells“ erfolge, so sei ihr die im Rahmen der Gespräche mündlich abgegebene Erklärung als Willenserklärung zuzurechnen. Der Kläger habe daher nur davon ausgehen können, dass beim Ziehen der Kaufoption der Kaufpreis konkret nach der dargelegten Berechnungsmethode ermittelt werde. Der Hinweis in Punkt 14. des Mietvertrags nütze der Beklagten nicht. Darin sei nicht enthalten, worauf der Kläger konkret hingewiesen worden sei. Dass aufgrund der Hinweise im „Mietkauf‑Leitfaden“ von bloßen Wissenserklärungen auszugehen sei, treffe nicht zu. Die ehemalige Mitarbeiterin der Beklagten habe die Verkaufsgespräche entsprechend den ihr erteilten Anweisungen und damit im Sinne der Geschäftsleitung geführt, weshalb ihre Erklärungen von der ihr erteilten Vollmacht gedeckt gewesen seien. Auch die in Punkt 15.5 des Mietvertrags enthaltene Klausel helfe der Beklagten nicht. Die Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen des Unternehmers dürfe gemäß § 10 Abs 3 KSchG vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Somit sei davon auszugehen, dass die Parteien für die Ermittlung des späteren Kaufpreises die Anwendung des „Steirischen Modells“ vereinbarten. Das WGG enthalte für den hier vorliegenden Fall der nachträglichen Eigentumsübertragung keine gesetzlich konkrete Berechnungsformel zur Ermittlung des Verkaufspreises bzw Fixpreises im Sinne des § 15d WGG. § 13 WGG sei nur bei unmittelbarer Wohnungseigentumsbegründung anzuwenden. Die von der Beklagten ins Treffen geführten Normen des WGG seien im Hinblick auf die Bejahung der behaupteten Vereinbarung ohne Relevanz. Im Hinblick auf die hier vorliegende für den Kläger günstige Vereinbarung (Günstigkeitsprinzip des § 21 Abs 1 WGG) bleibe die Gesetzesänderung zu § 23 Abs 4c WGG ohne Auswirkung. Soweit die Beklagte auf eine – offenbar gemeint schlüssig vereinbarte – Umstandsklausel Bezug nehme, führe sie dazu nicht näher aus, weshalb nicht klar sei, warum sie berechtigt sein solle, sich von einer mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung zu lösen. Zudem würde § 21 Abs 1 WGG vorsehen, dass auch gesetzwidrige Vereinbarungen Geltung besäßen, wenn sie nur die Bauvereinigung benachteiligen. Der KFZ‑Abstellplatz sei im Mietvertrag als Teil des Mietobjekts angeführt. Da sich die vereinbarte Kaufoption auf die Mietwohnung beziehe und der KFZ‑Abstellplatz als Zubehör zum Mietobjekt angeführt sei, sei dieser von der Kaufoption umfasst.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[12] 1.1. Nach der Rechtsprechung ist ein Konsensualvertrag so zustandegekommen, wie er von den Parteien übereinstimmend gewollt wurde (sogenannter natürlicher Konsens). Bei einem nachträglichen Streit zwischen den Vertragspartnern kommt es daher nicht darauf an, ob die erzielte Willensübereinstimmung auch einen hinreichend deutlichen Niederschlag in der Vertragsurkunde gefunden hat (RS0017741; RS0014005).

[13] Ist das aber nicht der Fall, ist nach den Grundsätzen des § 914 ABGB bei der Auslegung einer Erklärung zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei jedoch nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RS0017915).

[14] Auch für die Auslegung von Willenserklärungen gilt daher die Vertrauenstheorie. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der ihm erkennbaren Umstände im Einzelfall verstehen musste (RS0053866). Es ist daher nicht allein der Text der Urkunde, sondern auch das andere Erklärungsverhalten der Parteien vor und bei Vertragsabschluss maßgeblich (RS0017934).

[15] 1.2. Ob das Berufungsgericht einen Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt hat, ist nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn es infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hat (RS0042936). Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist also keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042776 [T2]). Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung von Wissenserklärungen (RS0017915 [T45]).

[16] 1.3. Das vom Berufungsgericht erzielte Auslegungsergebnis ist keine vom Obersten Gerichtshof aus den Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Richtig ist zwar, dass Punkt 14. des Vertrags isoliert betrachtet eine bloße Wissenserklärung enthält, weil die Beklagte darin gerade nicht eine über die gesetzliche Möglichkeit des Eigentumserwerbs hinausgehende vertragliche Kaufoption schaffen wollte, sondern vielmehr ausdrücklich auf die gesetzliche Grundlage und die darin statuierten Bedingungen verweist. Die Erklärung beschränkt sich nach ihrem Wortlaut – auch aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers – auf die Kundgabe rechtlicher Kenntnisse, ohne von einem weitergehenden Willen der Beklagten zur Herbeiführung von über die gesetzliche Kaufoption hinausgehenden Rechtsfolgen getragen zu sein (vgl RS0120267).

[17] 1.4. Der vertretbaren Auslegung des Berufungsgerichts steht auch Punkt 15.5 des Mietvertrags nicht entgegen, der alle dem Abschluss des Vertrags vorangehenden Vereinbarungen der Parteien für aufgehoben erklärt. Einerseits schließt diese Bestimmung nicht aus, dass vor Vertragsabschluss abgegebene Erklärungen zur Auslegung vertraglicher Bestimmungen herangezogen werden, andererseits ist ein derartiger Ausschluss der Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen bereits nach § 10 Abs 3 KSchG unwirksam (RS0121435).

[18] 1.5. Die Auslegung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände nicht bloß eine Wissenserklärung über die damals geltende Rechtslage zur nachträglichen Übertragung des Wohnungseigentums nach dem WGG abgegeben, sondern dem Kläger die Preisbildung nach dem im Mietkauf‑Leitfaden beschriebenen Modell zugesagt, sodass die Berechnung des Kaufpreises anhand der im Mietkauf‑Leitfaden dargestellten „Steirischen Methode“ Vertragsinhalt wurde, bewegt sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall (vgl zu einem gleichgelagerten Sachverhalt 9 Ob 1/24y). Sie ist insbesondere deshalb vertretbar, weil die Mitarbeiterin der Beklagten dem Kläger den Mietkauf‑Leitfaden im Zuge konkreter Gespräche über die Preisbildung übergeben hat und ihm die Preisbildung im Wesentlichen wie im Mietkauf‑Leitfaden, dem das von der Beklagten beworbene „Steirische Modell“ zugrunde lag, beschrieben erläutert hat; dies ohne jede Einschränkung, etwa durch einen Hinweis, dass der Mietkauf‑Leitfaden und sie nur die geltende Rechtslage wiedergäben, die sich auch ändern könne. Zudem stellte sie die Berechnungsmethode auch handschriftlich zur Veranschaulichung dar. Sie erklärte, dass zur Ermittlung des Kaufpreises ua die endabgerechneten Bau‑und Grundkosten herangezogen würden. Der Kläger rechnete die beiden Varianten Sofortkauf und Mietkauf anhand der dargestellten Berechnungsmethode und der ihm bekannten Kennzahlen nach und kam dabei ebenfalls zum Ergebnis, dass der Mietkauf günstiger sei. Die Berechnungsmethode war für den Kläger folglich entscheidend für den Vertragsabschluss, was für die Mitarbeiterin der Beklagten auch ersichtlich gewesen sein musste.

[19] 1.6. Im Übrigen verwies die Beklagte nicht bloß im Rahmen des Beratungsgesprächs auf die Berechnung des Kaufpreises anhand des „Steirischen Modells“, sondern bewarb dieses auch offensiv auf ihrer Homepage und im Rahmen des Mietkauf‑Leitfadens. Auch derartige in einer Werbung gemachten Angaben sind in die Vertragsauslegung einzubeziehen (vgl RS0127170 [T1, T2]; RS0127171). Obgleich auch in der Werbung der Beklagten auf das WGG als gesetzliche Grundlage verwiesen wurde, erfolgte hier ebenfalls kein Hinweis auf die Möglichkeit der Änderung der vorgesehenen Berechnungsmethode.

[20] 2.1. Eine Option gibt einer Partei das Recht, ein inhaltlich festgelegtes Schuldverhältnis durch eine einseitige Erklärung in Geltung zu setzen. Die Option gewährt dem Optionsberechtigten folglich ein Gestaltungsrecht, durch dessen Ausübung bereits unmittelbar die vertraglichen Pflichten begründet werden (RS0115633).

[21] 2.2. Beim „Mietkauf“ kann je nach Vertragsgestaltung dem Mietkäufer nach Ablauf der Mietzeit eine Kaufoption eingeräumt werden oder es wird vereinbart, dass das Eigentum nach Ablauf der Mietzeit automatisch auf den Mietkäufer übergeht (RS0128739). Unabhängig vom Bestehen einer solchen vertraglichen Kaufoption beim Mietkauf hat der Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigte einer Wohnung nach § 15c WGG Anspruch auf Übertragung des Mietobjekts in das Wohnungseigentum, sofern die Voraussetzungen des § 15b WGG erfüllt sind. Es handelt sich dabei um einen besonderen gesetzlichen Anspruch, der die auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhenden Ansprüche auf Erwerb von Wohnungseigentum unberührt lässt (RS0114513). Folglich steht es den Parteien eines Mietvertrags offen, zusätzlich zu einer nach § 15c WGG bestehenden gesetzlichen Kaufoption eine vertragliche Option auf den Erwerb von Wohnungseigentum zu begründen.

[22] Der Kläger beruft sich im vorliegenden Fall auf das Bestehen einer vertraglichen Kaufoption, deren Bestehen von den Vorinstanzen aufgrund der vorliegenden Umstände des Einzelfalls (siehe dazu die obenstehenden Ausführungen zum Vorliegen einer Willenserklärung der Beklagten, auf deren Basis die Berechnung des Kaufpreises anhand der im Mietkauf‑Leitfaden dargestellten „Steirischen Methode“ Vertragsinhalt wurde) vertretbar angenommen wurde. Die essentialia negotii des durch die Option in Geltung zu setzenden Vertrags liegen vor, weil die Parteien für den Fall der Ziehung der Option einen durch die Vereinbarung eines Preisbildungsmodus bestimmbaren Kaufpreis für den Erwerb des Wohnungseigentums an dem Mietobjekt vereinbart haben. Dementsprechend ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, nach der es sich vorliegend beim Mietkauf‑Leitfaden im Zusammenhang mit den konkreten Vertragsgesprächen um eine bindende Willenserklärung der Beklagten handle, auf deren Grundlage dem Kläger eine vertragliche Kaufoption eingeräumt worden ist, nicht zu beanstanden.

[23] 3. Auch mit dem Verweis darauf, dass nach § 15d Abs 1 WGG bei der Vereinbarung eines Fixpreises für eine nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum auf § 23 Abs 4c WGG Bedacht zu nehmen sei, zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[24] 3.1. Gemäß § 15d Abs 1 WGG, eingeführt mit der WRN 2002, BGBl 2001/162, kann für die nachträgliche Übertragung von Wohnungen oder Geschäftsräumen in das Wohnungseigentum unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 23, insbesondere dessen Abs 4c, ein Fixpreis vereinbart werden. § 23 Abs 4c WGG, ebenfalls eingeführt mit der WRN 2002, BGBl 2001/162, nunmehr idF BGBl 2015/157 regelt die interne Preiskalkulation der Fixpreise (Prader/Pittl, WGG2.05 § 23 Rz 6).

[25] 3.2. Nach der klaren gesetzlichen Regelung (§ 21 Abs 1 Z 1 WGG) und der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RS0083301 [T4]) sind die Entgeltbildungsregeln der §§ 13 bis 15, 15b bis 20 und 22 WGG (nur) einseitig zwingendes Zivilrecht. Unwirksam sind Vereinbarungen, die zum Nachteil des Wohnungswerbers von den gesetzlichen Vorgaben abweichen. Abweichungen zum Vorteil des Wohnungswerbers sind dagegen zivilrechtlich wirksam (RS0083301 [T5, T6]).

[26] 3.3. Auf die in der außerordentlichen Revision relevierte Frage, ob § 23 Abs 4c WGG auch auf sogenannte Altverträge, also auf Verträge anzuwenden ist, die die Beklagte vor der Novelle 2016 abgeschlossen hat, kommt es hier nicht an. Nach herrschender Rechtsprechung handelt es sich bei § 23 Abs 4c WGG um eine gebarungsrechtliche Bestimmung aus dem öffentlich‑rechtlichen Teil des WGG, die zivilrechtlich für den Wohnungswerber erst dann bedeutsam wird, wenn der ihm angebotene Fixpreis (bei Inanspruchnahme der gesetzlichen Kaufoption gemäß § 15c WGG) gemäß § 18 Abs 3a und 3b WGG offenkundig unangemessen ist (5 Ob 27/22i Rz 6 mwN). Der zivilrechtlichen Wirksamkeit einer für ihn günstigeren Preisbildungsvereinbarung steht sie nicht entgegen. Vor diesem Hintergrund kann auch offenbleiben, ob die vertragliche Preisbildungsvereinbarung (hier nach dem „Steirischen Modell“), die der Kläger bewiesen hat, überhaupt von § 15d Abs 1 iVm § 23 Abs 4c WGG abweicht. Bereits die Klage zeigt, dass eine allfällige Abweichung vom Gesetz für den Kläger günstig wäre und die Vereinbarung damit jedenfalls wirksam ist (9 Ob 1/24y).

[27] 4.1. Für einen Optionsvertrag gilt ebenso wie für einen Vorvertrag die in § 936 geregelte clausula rebus sic stantibus, die auch als „Umstandsklausel“ bezeichnet wird (RS0019195). Danach verliert die Option ihre Verbindlichkeit, wenn sich nachträglich vertragswesentliche Umstände wesentlich und unvorhersehbar ändern (vgl 5 Ob 91/16t Pkt 3.3 zum Vorvertrag). Ein Vertrag darf dann gelöst werden, wenn im Festhalten am Vertrag, im Beharren auf Verpflichtungen, deren Erfüllung dem Schuldner nicht mehr zumutbar ist, geradezu ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben erblickt werden muss, insbesondere weil der von beiden Teilen anerkannte wesentliche Vertragszweck nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden ist (RS0017498).

[28] 4.2. Nach der Rechtsprechung kann sich grundsätzlich niemand darauf berufen, dass durch eine Änderung der Gesetzgebung die ursprüngliche Geschäftsgrundlage weggefallen sei oder sich verschoben habe. Ausnahmen von diesem Grundsatz werden nur gemacht, wenn der Bestand eines Gesetzes oder eine Rechtslage offensichtlich zur Geschäftsgrundlage gemacht wurde oder gar ein Rechtsverhältnis auf einem bestimmten Gesetz aufbaute (RS0017586). Die Gesetzeslage, von der beide Parteien bei Vertragsabschluss ausgegangen sind, ist zudem nur dann von Bedeutung, wenn die Parteien durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung die Wirkungen des Geschäfts von dem Vorhandensein der vorausgesetzten Rechtslage abhängig gemacht haben (RS0017394). Grundsätzlich trifft die Änderung der Gesetzgebung daher jene Partei, in dessen Rechte sie eingreift (RS0017586 [T8]). Da das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (gegenüber anderen Möglichkeiten, rechtsgeschäftliche Bindungen zu beseitigen) nur als ultima ratio herangezogen werden kann, müssen an die geforderte wesentliche Änderung der Rechtslage hohe Anforderungen gestellt werden (RS0017454).

[29] 4.3. Abgesehen davon, dass die Beklagte im Verfahren erster Instanz keine Tatsachen vorgebracht hat, die den rechtlichen Schluss zuließen, sie könne sich auf die Umstandsklausel berufen, stellt die durch die WGG‑Novelle 2016 erfolgte Änderung des § 23 Abs 4c WGG keine derart gravierende nachträgliche Änderung der vertragswesentlichen Umstände dar, dass sich die Beklagte unter Berufung auf die clausula rebus sic stantibus vom abgeschlossenen Optionsvertrag lösen kann. Zum einen berührt der durch die WGG‑Novelle 2016 geänderte Wortlaut des § 23 Abs 4c WGG weder die Durchführung des Vertrags, andererseits wird dadurch auch nicht der von den Parteien angestrebte Vertragszweck vereitelt. Die Bestimmung des § 23 Abs 4c WGG hat vielmehr grundsätzlich keine Auswirkungen auf den zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag. Bei der Regelung handelt es sich, wie bereits oben dargelegt, um eine gebarungsrechtliche Bestimmung aus dem öffentlich-rechtlichen Teil des WGG, die nur die interne Preiskalkulation der beklagten Bauvereinigung betrifft. Eine zwingende gesetzliche Berechnungsmethode ist daraus hingegen nicht ableitbar. Preisvereinbarungen, die im Anwendungsbereich des WGG vom Kostendeckungsprinzip des § 13 WGG abweichen, sind nur insoweit nichtig, als sie den Vertragspartner der gemeinnützigen Bauvereinigung benachteiligen (RS0083301 [T4]). Insofern war es den Parteien schon zum Zeitpunkt des Abschlusses der Mietkaufvereinbarung mit dem Kläger möglich, eine für diesen günstigere Preisberechnungsmethode zu vereinbaren.

[30] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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