European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00015.24Z.0626.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger war bis Jänner 2020 bei der Beklagten beschäftigt und bezieht nunmehr eine Betriebspension aufgrund einer Betriebsvereinbarung über deren Beitritt zu einer Pensionskasse (PK‑BV). Für den Kläger regelt § 7 Abs 1 PK‑BV die Höhe der Pension wie folgt:
„Z 1: Die Höhe der Alterspension ergibt sich grundsätzlich aus der Verrentung des Guthabens des Pensionskontos (§ 18 PKG) des AWB gemäß dem jeweils gültigen Geschäftsplan der Pensionskasse zum Zeitpunkt des Anfalls der Alterspension, sofern in Z 2 oder Z 3 nicht Abweichendes bestimmt ist.
Z 2: Mindestens wird die Alterspension in der Höhe gewährt, welche sich aus der Verrentung der Summe der nicht verzinsten Brutto-Arbeitgeberbeiträge gemäß § 13 (1) Z 1 vom Zeitpunkt der erstmaligen Einzahlung bis zum Zeitpunkt des Anfalls der Alterspension unter Zugrundelegung des jeweils gültigen Geschäftsplanes ergibt.
Z 3: Maximal wird die Alterspension in Höhe von 100 % der in Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung für den jeweiligen AWB ermittelten Zielpension gewährt."
[2] Die Anlage 1 zur PK‑BV legt die Höhe der Zielpensionen fest und enthält zudem folgende Regelungen:
„§ 2 Der Zentralbetriebsrat und der Arbeitgeber beraten jährlich, ob die Zielpensionen gemäß § 5 in der aktuell gültigen Höhe aufrecht erhalten werden können. Im Einvernehmen mit dem Zentralbetriebsrat können anschließend Zielpensionen (...) neu festgelegt werden. Absenkungen der Zielpensionen und Beiträge sind nur bei entsprechender wirtschaftlicher und sachlicher Begründung zulässig.
§ 3 Die Zielpensionen (...) werden jedenfalls neu berechnet, sofern der PK-Beitragstopf gem. Anlage 2 gemeinsam mit dem vorhandenen Arbeitgeberguthaben gem. BV § 13 (4) nicht ausreicht um die Beiträge gem. § 13 (1) und (2) zu finanzieren. Die neuen Zielpensionen und Beiträge berechnen sich aus sämtlichen zur Verfügung stehenden Mitteln gem. BV § 13 (3) (PK-Beitragstopf gem. Anlage 2 und Arbeitgebergut- haben gem. § 13 (4)).
§ 4 Die Neufestlegung der Zielpensionen hat im gleichen Verhältnis für alle Arbeitnehmer gem. BV § 2 (1) Z 1 zu erfolgen, unabhängig davon, ob diese zu diesem Zeitpunkt noch AWB oder bereits LB der Pensionskasse sind.“
[3] Nach § 13 Abs 1 Z 1 PK‑BV ist die Beklagte zur Leistung bestimmt festgelegter Arbeitgeberbeiträge verpflichtet. Die Finanzierung dieser Beiträge erfolgt nach § 13 Abs 3 PK-BV aus dem bei der Pensionskasse eingerichteten Beitragstopf, in den die Beklagte die in Anlage 2 zur PK‑BV angeführten jährlichen Zahlungen leisten muss, und dem Arbeitgeberguthaben, das nach § 13 Abs 4 PK‑BV die nicht benötigten Mittel aus dem PK‑Beitragstopf und deren Veranlagungserträge umfasst. Eine Nachschusspflicht der Beklagten besteht nach § 13 Abs 1 Z 3 PK‑BV nur hinsichtlich der den Arbeitnehmern zugesagten Mindestleistungen nach § 7 Abs 1 Z 2 PK‑BV.
[4] Ende des Jahres 2017 betrug das Arbeitgeberguthaben bei der Pensionsversicherung noch 12.852.540 EUR, Ende des Jahres 2018 nur mehr 5.955.035 EUR. Eine Prognoserechnung im März 2020 ergab, dass die unveränderte Aufrechterhaltung der Zielpensionen dazu führen würde, dass das Arbeitgeberguthaben voraussichtlich schon im nächsten Jahr aufgebraucht wäre, sodass die danach in den Ruhestand tretenden Arbeitnehmer nur mehr die Mindestpension erhalten würden, die sich bloß auf ein knappes Drittel der damaligen Zielpension belaufen hätte. Der Zentralbetriebsrat und die Beklagte trafen deshalb eine Betriebsvereinbarung, mit welcher die Zielpensionen ab Juli 2020 um rund 30 % herabgesetzt wurden, sodass sich die monatlichen Zahlungen an den Kläger von 1.519,84 EUR auf 1.063,89 EUR reduzierten.
[5] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Pensionskürzung ihm gegenüber nicht wirksam sei und ihm die bisherige Zielpension in ungeschmälertem Ausmaß zustehe, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten für jegliche Veränderung der Pensions-kassenzusage, hilfsweise die Feststellung, dass die Pensionskürzung ihm gegenüber nur für das Jahr 2021 im Ausmaß von 6,68 %, nicht aber für die Folgejahre rechtswirksam sei. Als ausgeschiedener Arbeitnehmer sei er nicht vom Änderungsvorbehalt erfasst, sondern habe Anspruch auf die verbindlich zugesagte Zielpension. Im Übrigen sei eine Pensionskürzung von 30 % schon angesichts des wirtschaftlichen Erfolgs der Beklagten nicht gerechtfertigt.
[6] Die Beklagte und die Nebenintervenienten wenden ein, dass der Änderungsvorbehalt auch für ausgeschiedene Arbeitnehmer gelte. Die Kürzung der Zielpension sei notwendig gewesen, weil das Arbeitgeberguthaben sonst bereits im Jahr 2020 aufgebraucht gewesen wäre, sodass nur noch Mindestpensionen zur Auszahlung gelangt wären.
[7] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Angesichts des in der PK‑BV enthaltenen Änderungsvorbehalts dürfe die Beklagte die Zielpension nach billigem Ermessen herabsetzen. Dass Arbeitnehmer, die derzeit noch aktiv sind, deutlich geringere Pensionen als jene erhalten, die sich bereits im Ruhestand befinden, würde dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen, wie er auch in § 4 der Anlage 1 zur PK‑BV zum Ausdruck gebracht werde. Es entspreche daher der Ausübung billigen Ermessens, wenn die Pensionen generell um ein Drittel gekürzt werden, anstatt sie bei Leistungsbeziehern in voller Höhe zu belassen und bei den Anwartschaftsberechtigten um zwei Drittel zu kürzen. Im Übrigen sei dem Kläger nur eine Mindestpension garantiert worden.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
[9] 1. Nach ständiger Rechtsprechung wandelt sich die Pensionszusage in der Betriebsvereinbarung in dem Augenblick, in dem der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheidet, in einen vertraglichen Anspruch des Pensionisten gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber (RS0021499). Die Arbeitnehmer müssen dann auch die in der Betriebsvereinbarung enthaltenen ungünstigen Bedingungen als Bestandteil ihres Einzelvertrags gegen sich gelten lassen (9 ObA 81/99y; 8 ObA 59/17k). Dies gilt grundsätzlich auch für einen in einer Betriebspensionszusage enthaltenen Änderungsvorbehalt (8 ObA 99/04y; 8 ObA 43/22i).
[10] 2. Im vorliegenden Fall sieht § 2 der Anlage 1 zur PK‑BV vor, dass die Beklagte und der Zentralbetriebsrat die Zielpensionen neu festlegen können. Aufgrund der mangelnden demokratischen Legitimation der betrieblichen Arbeitnehmervertretung gegenüber Pensionisten, die mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat verloren haben, steht die ständige Rechtsprechung auf dem Standpunkt, dass der Betriebsrat nicht befugt ist, Ruhebezüge von Pensionisten zu regeln (RS0021539; RS0050955). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bleibt ein Änderungsvorbehalt ungeachtet der unzulässigen Beteiligung des Betriebsrats im Fall der Einbeziehung in den Einzelarbeitsvertrag grundsätzlich bestehen, ist aber in einen Gestaltungsvorbehalt des Arbeitgebers umzudeuten, den dieser nur nach billigem Ermessen ausüben darf (RS0131947). Dies betrifft auch den hier verfahrensgegenständlichen Änderungsvorbehalt nach § 2 der Anlage 1 zur PK‑BV (so bereits 8 ObA 43/22i).
[11] 3. Das Kriterium des „billigen Ermessens“, das die Gestaltungsbefugnis des Arbeitgebers begrenzt, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Konkretisierung in aller Regel eine umfassende Analyse und Bewertung der Sachlage und der maßgeblichen Interessen beider Vertragsparteien erfordert (8 ObA 25/15g; 8 ObA 60/17g). Eine solche Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur überprüfbar, wenn eine eklatante Überschreitung dieses Ermessens vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit aufgegriffen werden muss (RS0044088). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Der bloße Umstand, dass die zu lösende Rechtsfrage eine Vielzahl von Arbeitnehmern betrifft, bewirkt noch nicht ihre Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816 [T3]).
[12] 4. Soweit der Kläger vorbringt, dass 2019 das beste Geschäftsjahr der Beklagten gewesen sei und 2022 die höchsten Dividenden in der Unternehmensgeschichte ausgeschüttet worden seien, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beklagte die Änderung der Zielpensionen nicht auf wirtschaftliche Schwierigkeiten gestützt hat. Im Übrigen lässt die Herabsetzung der Zielpensionen die von der Beklagten nach § 13 PK‑BV zu leistenden Arbeitgeberbeiträge unberührt, sodass damit für die Beklagte keine Entlastung verbunden ist. Selbst für den Fall, dass die festgelegten Zielpensionen nicht finanziert werden können, sieht die PK‑BV keine Nachschusspflicht der Beklagten vor. Dem Kläger ist deshalb dahin zuzustimmen, dass es sich– zumindest insofern – um keine leistungsorientierte, sondern um eine beitragsorientierte Pensionszusage handelt (siehe RS0119398).
[13] 5. Dementsprechend sieht § 3 der Anlage 1 zur PK‑BV vor, dass die Zielpensionen „neu zu berechnen“ sind, wenn die Arbeitgeberbeiträge und das vorhandene Arbeitgeberguthaben nicht ausreichen um die Pensionen zu finanzieren, wobei die Neufestlegung der Zielpensionen nach § 4 der Anlage 1 zur PK-BV im gleichen Verhältnis für alle Arbeitnehmer und unabhängig davon zu erfolgen hat, ob sie noch aktiv oder bereits im Ruhestand sind. Da im März 2020 absehbar war, dass das vorhandene Arbeitgeberguthaben nicht ausreichen würde, um die festgelegten Zielpensionen allen Arbeitnehmern zu gewähren, war die Beklagte deshalb schon aufgrund der ausdrücklichen Vorgaben der Pensionszusage zur Herabsetzung der Zielpensionen berechtigt. Umstände, die auf eine Überschreitung des der Beklagten eingeräumten Ermessens hindeuten würden, macht der Kläger nicht geltend.
[14] 6. Soweit sich der Kläger dadurch beschwert erachtet, dass das Erstgericht die Abweisung des Eventualbegehrens nicht gesondert begründet hat, ist ihm entgegenzuhalten, dass angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt wurden, auch im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können (RS0042963).
[15] 7. Da der Oberste Gerichtshof die Beantwortung der außerordentlichen Revision nicht freigestellt hat, war die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung der Beklagten nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, sodass kein Anspruch auf Kostenersatz besteht (RS0043690; RS0113633).
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