Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 8.400,24 EUR (darin 1.400,04 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (vgl § 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs nicht zulässig:
1. Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine vorbehaltlose außergerichtliche Anspruchstellung, die ohne (ausreichende) objektive Kenntnis eines anspruchsbegründenden Sachverhalts - sei es auf bloßen Verdacht hin, sei es aufgrund einer subjektiven Überzeugung von der Ersatzpflicht des Belangten - erfolgt, den Lauf der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB in Gang setzt. Der Oberste Gerichtshof hat allerdings in der Entscheidung 5 Ob 562/93 einem Aufforderungsschreiben eines Geschädigten, welches dieser nicht in Kenntnis des tatsächlichen Ursachenzusammenhangs, sondern lediglich in der „in diese Richtung gehende[n] Vermutung" verfasst hatte, keine fristenauslösende Wirkung zuerkannt. In der Entscheidung 6 Ob 559/80 wiederum billigte der Oberste Gerichtshof nicht einmal einer Strafanzeige eines Geschädigten gegen den Schädiger eine derartige Wirkung zu; ein bloßer Verdacht habe nicht genügt, weil er nicht ausreicht, mit Aussicht auf Erfolg eine Klage zu erheben. Die selbe Auffassung vertrat der Oberste Gerichtshof schließlich in der Entscheidung 10 Ob 2102/96g, in welchem Fall die Geschädigte in Unkenntnis des Ursachenzusammenhangs ein Aufforderungsschreiben „lediglich auf Verdacht" verfasst hatte. Die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinne des § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage wurde somit vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach beantwortet.
2. Die Beklagte meint dazu in ihrem Rekurs, die Frage nach den „objektive[n] Kenntnisse[n]" sei jedenfalls dann unbeachtlich, wenn ein anwaltlich vertretener Anspruchssteller Forderungen aufgrund eines mitübersendeten Sachverständigengutachtens stellt und mit Klage droht, wenn in diesem Gutachten der Belangte „unzweifelhaft" als (möglicher) Schädiger bezeichnet wird.
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beginnt die Kenntnis des Sachverhalts, der den Grund des Entschädigungsanspruchs darstellt, erst, wenn dem Beschädigten der Sachverhalt so weit bekannt wurde, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann (RIS-Justiz RS0034524, zuletzt 6 Ob 276/07t). Diese Kenntnis muss aber den ganzen (!) den Anspruch begründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und einem bestimmten (!) dem Schädiger anzulastenden Verhalten (5 Ob 293/74; 10 Ob 2102/96g; 1 Ob 64/00v = EvBl 2001/118; RIS-Justiz RS0034951 [T2]).
Soweit die Entscheidung 5 Ob 293/74 Kenntnis des Geschädigten, welche (konkrete) Handlung des Schädigers Ursache seines Schadens gewesen war, nicht verlangte, sondern Kenntnis von den schädlichen Wirkungen eines Ereignisses, dessen Ursache oder Mitursache irgendein dem Schädiger anzulastendes Verhalten war, als ausreichend ansah, scheint sie vereinzelt geblieben zu sein; auch die unter RIS-Justiz RS0034951 [T1] angeführten weiteren Entscheidungen folgen ihr nicht, sondern stellen tatsächlich im Sinne der ständigen Rechtsprechung auf den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und einem bestimmten (!) dem Schädiger anzulastenden Verhalten ab. Dies gilt auch für die von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Zitate: So verweist gerade auch Mader (in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1489 Rz 9) darauf, dass dem Geschädigten alle (!) Tatumstände bekannt sein müssten; die Kenntnis müsse den ganzen (!) den Anspruch begründenden Sachverhalt und ein bestimmtes (!) Verhalten des Schädigers umfassen (ebenso die bereits erwähnte Entscheidung EvBl 2001/118 [= 1 Ob 64/00v]). In der Entscheidung 1 Ob 53/07m wiederum ging es nicht um mehrere mögliche Schadensursachen, sondern um mehrere Organe eines Rechtsträgers als mögliche Schädiger.
2.2. Es ist nicht erkennbar, weshalb diese Grundsätze nicht (auch) gelten sollten, wenn der Geschädigte durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Ansprüche außergerichtlich geltend macht. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit das Sachverständigengutachten tatsächlich Hinweise auf den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und einem bestimmten (!) dem Schädiger anzulastenden Verhalten gibt; der Hinweis auf den Belangten als Schädiger allein reicht nicht aus.
3. Nach (ebenfalls) ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Frage, wann eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden konnte, nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (etwa 2 Ob 178/98k mwN; jüngst 6 Ob 276/07t); dies gilt insbesondere auch für die Frage des Kenntnisstands über die Schadenszurechnung (5 Ob 182/02d mwN).
Das Berufungsgericht hat eingehend begründet, weshalb es das von der Gemeinschuldnerin eingeholte Privatgutachten der Dr. Rossow Consult & Service im Sinne der dargestellten Rechtsprechung für nicht ausreichend erachtete, um den Lauf der Verjährungsfrist auszulösen. Diese Auffassung ist im Hinblick darauf jedenfalls vertretbar, dass das Privatgutachten von einer „Reihe von Faktoren" spricht, „die einen mehr oder weniger großen Einfluss auf die [mangelnde] Stabilität des [von der Beklagten hergestellten] Produkts" hatten, weshalb „eine multikausale Ursache nicht auszuschließen" sei. Dabei lässt das Privatgutachten insbesondere auch die Frage offen, ob die nach einer gewissen Zeit auftretende Instabilität (mangelnde Haltbarkeit und Lagerfähigkeit) des Produkts allenfalls auch mit der von der Gemeinschuldnerin selbst vorgegebenen Rezeptur beziehungsweise Herstellungsvorschrift zusammenhängt.
4. Die Beklagte vertritt in ihrem Rekurs die Auffassung, die Gemeinschuldnerin hätte zumindest nach Erhalt des Privatgutachtens im Oktober 2003 die Verpflichtung getroffen, „ein ergänzendes Gutachten zur (Mit-)Verursachung [beziehungsweise] zum (Mit-)Verschulden der Beklagten einzuholen", um die tatsächliche Schadensursache zu ermitteln; sie hätte nicht mit der Einleitung des Beweissicherungsverfahrens bis September 2004 warten dürfen.
4.1. Der erkennende Senat hat erst jüngst in einem Fall mit insofern ähnlicher Problematik wie im vorliegenden Fall ausgeführt (6 Ob 116/07p), zur Frage der Verpflichtung des Geschädigten, Privatgutachten einzuholen, sei zunächst mehrfach die Auffassung vertreten worden, dies bedeutete jedenfalls eine Überspannung der Nachforschungspflicht (etwa 6 Ob 273/98k; 7 Ob 242/99k = ecolex 2000/316 [Wilhelm]; 6 Ob 150/00b = ZVR 2002/14); spätere Entscheidungen hätten diese Auffassung „in dieser Allgemeinheit" nicht geteilt; vielmehr komme es auch hier auf die Umstände des Einzelfalls an (etwa 8 Ob 285/00w; 7 Ob 249/01w = ecolex 2002/66 [Helmich]); in jüngerer Zeit sei jedoch wieder betont worden, dass nur in besonderen Ausnahmesituationen die Einholung von Sachverständigenrat bis hin zur Einholung von Privatgutachten gefordert werden könne (7 Ob 322/04k). Im Hinblick auf diese Judikaturentwicklung hielt der erkennende Senat die Auffassung der dortigen Vorinstanzen, die eine Verpflichtung der Eltern der Klägerin verneint hatten, ein Privatgutachten zur Frage des Kausalzusammenhangs zwischen einer konkreten medizinischen Therapie und den Gesundheitsschäden der Klägerin einzuholen, für durchaus vertretbar. Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass auch Privatgutachter zeitintensive Studien hätten durchführen müssen und dass derartige Privatgutachten kostenintensiv gewesen wären. Im vorliegenden Verfahren hat der bereits zuvor beigezogene Privatgutachter ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Beweis der konkreten Ursache infolge der Möglichkeit einer multikausalen Ursache „den Zeitrahmen der Untersuchung bei weitem gesprengt" hätte. Dass die Untersuchung auch kostenintensiv gewesen wäre, kann zwanglos unterstellt werden.
4.2. Der Kläger hat die vorliegende Klage am 22. 3. 2007 beim Erstgericht überreicht. Das Ergebnis einer allfälligen Ergänzung des Privatgutachtens hätte daher bis 22. 3. 2004 vorliegen müssen, um Verjährung infolge Verletzung der Erkundigungspflicht - wie dies die Beklagte in ihrem Rekurs meint - annehmen zu können. Berücksichtigt man nun, dass der Kläger das Beweissicherungsverfahren im September 2004 eingeleitet, das Ergebnis allein der Befundaufnahme des dort beigezogenen Sachverständigen jedoch erst Ende Juni 2005, also nach rund 10 Monaten vorgelegen ist, erscheint es nicht ausreichend gesichert, dass der Kläger tatsächlich vor dem 22. 3. 2004 über das ergänzte Privatgutachten verfügt hätte - das ursprüngliche Privatgutachten datiert ja erst vom Oktober 2003. Derartiges hat die Beklagte im Verfahren erster Instanz jedenfalls nicht vorgebracht.
4.3. Ein (allfälliger) Verstoß gegen Erkundigungspflichten - auf den sich die Beklagte im Übrigen zwar im Berufungs-, nicht jedoch bereits im Verfahren erster Instanz berufen hat, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - kann dem Kläger somit nicht zur Last gelegt werden.
5. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie die behauptete Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
6. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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