Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 3.442,14 EUR (darin 573,69 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
1. Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bei der Ermittlung des Abfindungsanspruchs eines Substanzgenussberechtigten trotz positiven Ertragswerts des Unternehmens auch dann auf den höheren Zerschlagungswert abzustellen ist, wenn eine Liquidation des Unternehmens nicht erfolgt. In der Sache selbst verpflichtete das Berufungsgericht ‑ ausgehend vom Liquidationswert der Beklagten und einem Genussscheinwert von 80,60 EUR pro Stück ‑ die Beklagte zur Zahlung von 806.000 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe der Genussscheine an den zwischenzeitig am 7. 9. 2012 verstorbenen Dr. L***** D*****.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Der erkennende Senat hat erst jüngst klargestellt (6 Ob 153/12m mit zahlreichen Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung), dass das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ‑ als Tatfrage ‑ keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegt, wenn ‑ wie auch im vorliegenden Fall (RIS‑Justiz RS0010087 [Unternehmensbewertung]) ‑ für die Wertermittlung durch einen Sachverständigen keine gesetzlich vorgeschriebene Methode besteht; eine Ausnahme bestünde nur dann, wenn eine grundsätzlich inadäquate Methode angewendet wurde.
Die vom Berufungsgericht aufgezeigte erhebliche Rechtsfrage intendiert damit tatsächlich ‑ wie schon in dem der Entscheidung 6 Ob 153/12m zugrundeliegenden Verfahren ‑ die Vorgabe einer konkret anzuwendenden Ermittlungsmethode durch den Obersten Gerichtshof, was aber nicht dessen Aufgabe ist. Bei der Beweisaufnahme durch Sachverständige ist es nämlich deren Aufgabe, aufgrund ihrer einschlägigen Fachkenntnisse jene Methode auszuwählen, die sich zur Klärung der nach dem Gerichtsauftrag jeweils maßgebenden strittigen Tatfrage(n) am besten eignet; andernfalls verhinderte das Gericht, dem es an der notwendigen Fachkunde zur Lösung der durch Sachverständige zu beurteilenden Tatfragen mangelt, die Fruchtbarmachung spezifischen Expertenwissens. Das Gericht hat daher Sachverständigen die im Zuge der Auftragserledigung anzuwendende(n) Methode(n) im Allgemeinen nicht vorzuschreiben, gehört doch die Methodenwahl zum Kern der Sachverständigentätigkeit (RIS‑Justiz RS0119439).
Damit ist aber der Oberste Gerichtshof im vorliegenden Verfahren bei seiner Entscheidung an die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen gebunden, auf deren Basis von einem Genussscheinwert von 80,60 EUR pro Stück auszugehen ist.
1.2. Weder der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige für Unternehmensbewertung noch die Vorinstanzen haben sich einer „grundsätzlich inadäquaten Methode“ bedient, indem sie ihren Überlegungen den Liquidationswert und nicht den Ertragswert zugrunde legten, auch wenn der Liquidationswert der Beklagten zum 31. 12. 2006 höher als deren Ertragswert war und eine Liquidation der Beklagten nicht durchgeführt wurde.
Zwar ist die Entscheidung 4 Ob 188/00a, in welcher das Abstellen auf den Liquidationswert gebilligt wurde, im Hinblick auf den damals maßgeblichen Art 7 Nr 15 Abs 3 EVHGB nicht verallgemeinerungsfähig, ordnete dieser doch hinsichtlich eines ausscheidenden Gesellschafters die Festsetzung des Liquidationswerts ausdrücklich an. Jedoch entspricht es in Österreich der herrschenden Lehre, dass der anzusetzende Unternehmenswert nicht unter dem Liquidationswert liegen darf, sei doch dies jener Betrag, der anlässlich der Verwertung mindestens erzielt werden könne ( Elsner , Untergrenzen der Unternehmensbewertung, ecolex 1996, 920; Bachl , Anmerkungen zur Verschmelzungs-, Umwandlungs‑ und Spaltungsprüfung [II] GesRZ 2000, 81; ders , Unternehmensbewertung in der gesellschaftsrechtlichen Jukidatur [2006] 20 ff; Großfeld , Unternehmens‑ und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht 4 [2002] 203 ff; Kuhner/Maltry , Unternehmensbewertung [2006] 43; Haeseler/Hörmann/Kros , Unternehmensbewertung - Grundlagen der Bewertung von Unternehmen und Beteiligungen [2007] 74; Diwald , Unternehmensbewertung nach dem neuen Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und dessen Bedeutung insbesondere für die Bewertung bei Einbringungen [2008] 48; Aschauer , Unternehmensbewertung beim Gesellschafterausschluss [2009] 192; Widera , Squeeze‑out und Unternehmensbewertung [2011] 44 ff; Aschauer/Purtscher , Einführung in die Unternehmensbewertung [2011] 110).
Auch nach dem Fachgutachten zur Unternehmensbewertung (KFS BW I, Stand 1. 5. 2006) bildet der Liquidationswert die Wertuntergrenze für den Unternehmenswert, sofern nicht rechtliche oder tatsächliche Zwänge zur Unternehmensfortführung bestehen; derartige Zwänge sind im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist außerdem zu beachten, dass durch das Abstellen auf den Liquidationswert auch Kurssteigerungen an den mit dem Genussrechtskapital erworbenen Beteiligungen Berücksichtigung finden und dass bei Ansetzung des niedrigeren Ertragswerts die Gesellschaft zunächst die Genussrechtsinhaber zu diesem niedrigeren Wert abschichten und dann die Liquidation zum höheren Wert beschließen könnte.
1.3. Die Frage, ob ein Sachverständigengutachten schlüssig und nachvollziehbar ist, gehört zur Beweiswürdigung und kann daher im Revisionsverfahren nicht überprüft werden (RIS‑Justiz RS0043320 [T12]; zuletzt 7 Ob 85/12v). Eine Anfechtung der Ergebnisse von Sachverständigengutachten, welche die Tatsacheninstanzen ihren Entscheidungen zugrunde legten, kann unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels somit nicht erfolgen (RIS‑Justiz RS0043168; 7 Ob 81/10b; 7 Ob 85/12v). Mittels Rechtsrüge wiederum wären die Gutachtensergebnisse nur bekämpfbar, wenn dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze, (sonstige) Erfahrungssätze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0043168, RS0043404; 5 Ob 206/10w; 10 ObS 100/11w; 7 Ob 85/12v). Solche Verstöße vermag die Revision aber nicht aufzuzeigen.
1.4. Damit liegt die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht vor.
2. Aber auch die Beklagte vermag in ihrer Revision keine derartige Rechtsfrage aufzuzeigen:
2.1. Nach § 93 Abs 1 EStG wird bei inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen die Einkommensteuer durch Steuerabzug erhoben (Kapitalertragsteuer). Daraus schließt die Beklagte unter (ausschließlicher) Berufung auf § 27 Abs 1 lit c EStG, sie habe gegenüber dem Kläger bei Auszahlung des Abfindungsbetrags 25 % davon in Abzug zu bringen und an das zuständige Finanzamt abzuführen; insoweit wäre das Klagebegehren somit jedenfalls abzuweisen.
Die Beklagte übersieht dabei jedoch, dass nach dem (auch bei Schluss der Verhandlung erster Instanz am 23. 11. 2010 maßgeblichen) § 27 Abs 1 lit c EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen unterem anderem „gleichartige Bezüge aus Genussrechten“ darstellen, worunter zwar nach jüngerer Auffassung ( Marschner , Abzugssteuerpflicht bei Genussrechten, in Schragl/Stefaner , Handbuch Genussrechte [2010] 141; ebendort Lenz/Stieglitz , Genussrechte im österreichischen Ertragssteuerrecht ‑ Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital 95; Kirchmayr in Doralt , EStG 15 [2011] § 27 Rz 44; aA [auch obligationenähnliche Genussrechte] Gassner in GedS Schönherr [1986] 410; Quantschnigg/Schuch , Einkommensteuer-Handbuch [1997] § 27 Tz 9) sozietäre Genussrechte verstanden werden (es ist im Revisionsverfahren nicht strittig, dass Dr. L***** D***** solche im vorliegenden Fall gezeichnet hat), § 27 Abs 1 lit c EStG jedoch nur „gleichartige“ Bezüge erfasst, also nur Bezüge, die Gewinnanteilen im Sinn der lit a leg cit ähnlich sind ( Kirchmayr aaO). Als solche Bezüge sind bei einer noch nicht in Liquidation stehenden Kapitalgesellschaft alle Beträge anzusehen, die die Gesellschafter von der Gesellschaft unbeschadet des Grund- oder Stammkapitals und ohne Anrechnung auf ihre Kapitaleinlage erhalten, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die verteilten Beträge aus dem bilanzmäßig ausgewiesenen Gewinn, der Rücklage oder der Vermögenssubstanz der Gesellschaft stammen. Maßgebend ist allein, dass geldwerte Güter von der Gesellschaft auf den Gesellschafter übergehen und dabei die Anteilsrechte des Gesellschafters ihrem Wesen nach unverändert bleiben ( Büsser in Hofstätter/Reichel , Die Einkommensteuer III [1988] § 27 Rz 17 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Der Kapitalertragsteuer unterliegt nur die Ausschüttung von Gewinnen; soweit jedoch eine Abschichtung zu einem höheren Wert als dem eingezahlten Kapital erfolgt, ist dieser Mehrertrag nicht kapitalertragsteuerpflichtig, soweit wirtschaftlich gesehen keine Ausschüttung von Erträgen vorliegt ( Marschner aaO; in diesem Sinn auch Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr , Körperschaftssteuergesetz [2011] § 10 Rz 43 [„steuerpflichtiger Veräußerungsvorgang“]); ob eine Einkommensteuerpflicht der klagenden Partei gemäß § 30 EStG (darauf beziehen sich die in der Revision angeführten Darlegungen Marschners [aaO 222] tatsächlich) gegeben ist, bedarf hier keiner weiteren Erörterung, weil insoweit die Abfuhrpflicht nicht die Beklagte, sondern die klagende Partei treffen würde. Auch die KStR 2001 (Rz 544) erklären Erträge anlässlich der Kündigung des Genussrechtskapitals vor Liquidation des Emittenten als körperschaftssteuerpflichtig gemäß § 7 KStG; es handle sich nämlich nicht um einen Beteiligungsertrag.
Die Verneinung einer Kapitalertragsteuerpflicht hinsichtlich des Abschichtungsgewinns der klagenden Partei durch das Berufungsgericht begegnet daher keinen Bedenken des Obersten Gerichtshofs. Soweit die Beklagte in der Revision hinsichtlich eines Teilbetrags von 45.448,43 EUR mit einem ‑ der Jahresbilanz der Beklagten für 2006 entnehmbaren ‑ Gewinnanteil der Genussrechtsinhaber in Höhe von rund 62 Mio EUR argumentiert, entfernt sie sich von den Feststellungen der Vorinstanzen.
2.2. Die Beklagte hält auch in der Revision ihren Verjährungseinwand aufrecht. Dr. L***** D***** habe zunächst die Rückgabe der Genussscheine ausdrücklich verweigert und das Zug‑um‑Zug‑Erfüllungsbegehren erst nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Beifügung einer Zug‑um‑Zug‑Leistung des Klägers eine Beschränkung seines Begehrens, die (selbst dann, wenn er sie nicht selbst angeboten hat) zulässig ist, weil sie gegenüber seinem Begehren ein Minus bedeutet (RIS‑Justiz RS0041069). Diese Rechtsprechung ist nicht nur ‑ wie die Beklagte in ihrer Revision meint ‑ unter dem Gesichtspunkt des § 405 ZPO zu beachten, sondern auch im Zusammenhang mit Präklusions‑ und Verjährungsfristen (vgl 4 Ob 178/12y). Die ursprüngliche Weigerung Dris. L***** D*****, die Genussscheine zurückzugeben, erfolgte (lediglich) anlässlich der Einvernahme als Partei; in der Folge präzisierte die klagende Partei jedoch das Klagsvorbringen der Höhe nach (insoweit sogar noch vor Ablauf der Verjährungsfrist) und erhob schließlich ein Zug‑um‑Zug-Leistungsbegehren. Widersprechen einander Parteien-vorbringen und Parteienaussage, ist grundsätzlich ersteres beachtlich.
2.3. Nach Punkt 6.5. der maßgeblichen Genussscheinbedingungen bemisst sich im Fall der Kündigung des Vertragsverhältnisses der Abfindungsanspruch des Berechtigten am Wert der Genussscheine zum Kündigungsstichtag (hier: 31. 12. 2006) aufgrund einer diesbezüglichen Feststellung „durch einen von der Emittentin zu bestellenden Wirtschaftsprüfer innerhalb von 30 Tagen nach dem Kündigungsstichtag“. Auf das von Bertl/Rabel (erst) im September 2007 erstellte Gutachten kann es somit ‑ entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung -schon allein aufgrund zeitlicher Überlegungen nicht ankommen.
Nicht zu beanstanden ist aber angesichts der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen auch die Auffassung des Rekursgerichts, die am 30. 1. 2007 (also fristgerecht) mitgeteilte Feststellung des Abfindungsanspruchs habe lediglich auf einem Bericht des Vorstands der Beklagten beruht, nicht aber auf einer Wertfeststellung eines Wirtschaftsprüfers, weshalb die Beklagte die in Punkt 6.5. der Genussscheinbedingungen (von ihr im Übrigen selbst) festgesetzte Vorgangsweise nicht eingehalten habe. Daran ändert auch die Bestätigung der Mitteilung des Vorstands der Beklagten durch eine Wirtschaftsprüfungskanzlei nichts, hatte diese doch keine eigenständige Wertfeststellung, sondern „lediglich eine rechnerische Überprüfung der Wertermittlung“ vorgenommen.
3. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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