OGH 4Ob178/12y

OGH4Ob178/12y18.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** K*****, vertreten durch Dr. Edwin Gantner, Rechtsanwalt in Schruns, gegen die beklagte Partei J***** M*****, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KG in Bludenz, wegen Unterfertigung eines Kaufvertrags (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 25. Juni 2012, GZ 1 R 123/12i-18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Montafon vom 15. März 2012, GZ 1 C 296/11p-14, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verurteilten den Beklagten, einen verbücherungsfähigen Liegenschaftskaufvertrag Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises zu unterfertigen. Sie gingen von einem gültigen zwischen den Streitteilen geschlossenen Vorvertrag über die Liegenschaft aus. Daraus habe der Beklagte keinen Anspruch auf den Kaufpreis gehabt, eine Vorleistung des Klägers sei nicht zur Bedingung gemacht worden. Weder liege eine Zweckvereitelung noch eine zum Abstehen vom Vorvertrag berechtigende Umstandsänderung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Liegt eine Einigung über Ware und Preis vor, so ist für die Annahme, die Parteien hätten lediglich einen Vorvertrag iSd § 936 ABGB geschlossen, bei Konsensualverträgen, somit auch beim Liegenschaftskauf, im Zweifel kein Raum, sodass ohne besonderen Grund nicht anzunehmen ist, die Parteien hätten den umständlicheren Weg der Notwendigkeit des neuerlichen Vertragsschlusses gewählt (RIS-Justiz RS0017974). Diese Zweifelsregel gilt aber nicht, wenn sich - wie hier - aus den Umständen ergibt, dass die Parteien doch einen Vorvertrag wollen und das Zustandekommen des Hauptvertrags von der Unterfertigung eines schriftlichen Kaufvertrags abhängig sein soll (2 Ob 33/05z).

Ob sich im konkreten Fall aus den Umständen ergibt, dass der Abschluss des Vorvertrags dem Parteiwillen entsprach, kann nur für den Einzelfall und nicht allgemein beantwortet werden, weshalb - von Fällen einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung der Vorinstanz abgesehen - regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist.

Da die hier zu beurteilende schriftliche Vereinbarung der Streitteile nicht nur als „Vorvertrag“ benannt wurde, sondern darüber hinaus auch ausdrücklich festhält, dass sich die Vertragsparteien verpflichten, einen verbücherungsfähigen Kaufvertrag abzuschließen und hiefür die notwendigen Unterschriften und Einwilligungen zu erteilen, ist die Beurteilung dieser Vereinbarung als Vorvertrag jedenfalls vertretbar.

Bei Vorliegen eines Vorvertrags kann nur der Abschluss des Hauptvertrags und nicht unmittelbar Erfüllung begehrt werden (RIS-Justiz RS0019079). Der Vorvertrag bietet daher keine Rechtsgrundlage für den vom Beklagten behaupteten Anspruch auf die Kaufpreiszahlung; die (unstrittige) Nichtzahlung des Kaufpreises vermag daher auch den vom Beklagten erklärten Rücktritt vom Vorvertrag nicht zu rechtfertigen.

Beim Vorvertrag berücksichtigt das Gesetz in Gestalt der clausula rebus sic stantibus den Wegfall der Geschäftsgrundlage (RIS-Justiz RS0017589). Dies ermöglicht es, sich vom Vorvertrag zu lösen, wenn ein Vertragspartner etwa das Zutrauen zum anderen verloren hat (4 Ob 1584/94 mwN). Wegen der geringeren Bindung an eine bloß faktische Vertrauenslage ist ein triftiger Grund für den Nichtabschluss eines Vertrags schon dann zu bejahen, wenn der Vertragsabschluss nicht aus sachfremden Überlegungen gescheitert ist, sondern die neu aufgetretenen Umstände den Vertragsabschluss unzumutbar erscheinen lassen. Nur Umstände, die allein aus der Sphäre des Schutzpflichtigen stammen (von ihm geschaffen worden sind), können dabei nicht berücksichtigt werden (1 Ob 4/11m). Da sich nach den getroffenen Feststellungen primär der Beklagte und nicht der Kläger verhandlungsunwillig erwies und sich im Wesentlichen darauf beschränkte, vom Kläger einen höheren Kaufpreis zu erzielen, ist es daher gleichfalls vertretbar, wenn das Berufungsgericht keine zum Abstehen vom Vorvertrag berechtigende Umstandsänderung sah.

Auf die Vollziehung eines Vorvertrags muss längstens in einem Jahr nach dem bedungenen Zeitpunkt gedrungen werden, widrigenfalls das Recht erloschen ist (RIS-Justiz RS0018780); die Frist des § 936 ABGB ist eine Präklusivfrist (RIS-Justiz RS0018817). Die Jahresfrist beginnt mit dem für den Abschluss des Hauptvertrags in Aussicht genommenen Zeitpunkt zu laufen (RIS-Justiz RS0018812). Der Kläger erhob sein Begehren auf Abschluss des Liegenschaftskaufvertrags (unstrittig) innerhalb der Jahresfrist, das Eventualbegehren hingegen erst nach Ablauf eines Jahres nach dem von den Vorinstanzen angenommenen Zeitpunkt für den Vertragsabschluss. Das vom Kläger nachträglich hilfsweise erhobene Begehren auf Abschluss eines verbücherungsfähigen Liegenschaftskaufvertrags (ohne bestimmte Vertragsbedingungen zu nennen) Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises ist aber als Minus gegenüber dem ursprünglich erhobenen Begehren auf Abschluss eines Liegenschaftskaufvertrags mit bestimmten Inhalt (mit Vorausleistungspflicht des Beklagten) aufzufassen (vgl RIS-Justiz RS0041069, RS0041067). Die Klageerhebung war daher fristwahrend.

Stichworte