European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00168.18A.0227.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der beklagte Verein ist die Dachorganisation der Triathlonvereine eines Bundeslands. Ordentliche Mitglieder können gemäß § 5 Abs 1 der Statuten nur Vereine oder Sektionen werden. Der Beklagte ist seinerseits Mitglied des Ö*****, das ist die Dachorganisation der Landesverbände (künftig: Bundesverband). Der Kläger wurde zuletzt im Jahr 2013 zum Mitglied des Präsidiums des Beklagten gewählt. Bei einer außerordentlichen Generalversammlung des Bundesverbands am 4. 6. 2016 kandidierte er auf einem letztlich zurückgezogenen Wahlvorschlag für die Funktion des Vizepräsidenten des Bundesverbands. Diese Funktion hatte zum damaligen Zeitpunkt der Präsident des Beklagten inne.
In einer Sitzung des Präsidiums des Beklagten am 16. 6. 2016 beschlossen die anwesenden Präsidiumsmitglieder mit sechs Stimmen und einer Gegenstimme, den Kläger aus dem Präsidium auszuschließen. Der Anlass dafür war, dass seine Kandidatur im Bundesverband ohne vorhergehende Information des Präsidiums des Beklagten als Vertrauensbruch empfunden wurde.
Der Kläger erklärte daraufhin, das statutarische Schiedsgericht anzurufen und benannte am 30. 8. 2016 einen Schiedsrichter. Mangels Einigung der von den Parteien nominierten Schiedsrichter auf ein drittes Mitglied kam das Schiedsverfahren nicht zustande.
§ 6 der Satzung des Beklagten nennt die Generalversammlung, das Präsidium, den Rechnungsprüfer und das Schiedsgericht als Organe des Beklagten. § 7 Abs 10 der Statuten zählt die der Generalversammlung vorbehaltenen Aufgaben auf, darunter (a) die Wahl des Präsidiums, der Rechnungsprüfer und des Schiedsgerichts. Gemäß § 8 Abs 4 der Statuten ist das Präsidium für die ordnungsgemäße und statutengemäße Führung des Verbands verantwortlich. Gemäß § 8 Abs 10 der Statuten ist das Präsidium berechtigt, bei Ausscheiden oder Ausschluss eines Präsidiumsmitglieds während einer laufenden Funktionsperiode eine Ersatzperson in diese Funktion zu kooptieren. Das Präsidium muss ein kooptiertes Präsidiumsmitglied bei der nächsten Generalversammlung bestätigen lassen.
Mit Klage vom 3. 4. 2017 begehrte der Kläger die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses seines Ausschlusses aus dem Präsidium und die Feststellung, dass er bis 24. 2. 2017 in seiner Funktion als technischer Koordinator Mitglied des Präsidiums des Beklagten gewesen sei.
Er bringt vor, seine Kandidatur für das Präsidium des Bundesverbands rechtfertige den Ausschluss aus dem Präsidium nicht. Er habe auch sonst keinen Ausschlussgrund gesetzt. Darüber hinaus sei für den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Präsidium die Generalversammlung zuständig. Seine Mitgliedschaft im Präsidium habe bis zu dessen Neuwahl in der ordentlichen Generalversammlung am 24. 2. 2017 bestanden. Er habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung seiner Funktion als Mitglied des Präsidiums, weil er an der Mitwirkung an dessen Beschlussfassungen, etwa betreffend Aufnahmen in das Landesleistungszentrum, gehindert gewesen sei. Dadurch seien die bis 24. 2. 2017 gefassten Beschlüsse des Präsidiums mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die gefassten Beschlüsse und deren Mangelhaftigkeit wirkten in die Gegenwart fort.
Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, die Befugnis des Präsidiums zum Ausschluss eines seiner Mitglieder ergebe sich aus § 8 Abs 4 und Abs 10 der Statuten. Der Ausschluss sei aufgrund des Vertrauensverlusts wegen des Verschweigens der Kandidatur des Klägers, aber auch wegen Meinungsverschiedenheiten über die Person eines Trainers, gerechtfertigt. Die ordnungsgemäße Führung des beklagten Verbands verlange es zudem, hinderliche Konflikte unter den Präsidiumsmitgliedern hintanzuhalten. Der Beschluss sei weder gesetz- noch statuten- oder sittenwidrig. Dem Kläger fehle zudem das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
Das Erstgericht begründete dies damit, dass das Klagevorbringen nicht geeignet sei, die Nichtigkeit des Beschlusses iSv § 7 Satz 1 VerG 2002 zu tragen, sondern auf die Unwirksamerklärung iSv Satz 2 der genannten Bestimmung abziele. Das dafür nach Rechtsansicht des Erstgerichts erforderliche rechtliche Interesse habe der Kläger nicht innerhalb der Jahresfrist behauptet.
Das Berufungsgericht führte rechtlich aus, § 7 VerG 2002 differenziere zwischen bloß anfechtbaren und von Anfang an unwirksamen (nichtigen) Beschlüssen. Dabei sei die Nichtigkeit auf gravierende Fälle beschränkt. Da die Zuständigkeit für den Ausschluss eines Präsidiumsmitglieds im Gesetz und den Statuten nicht eindeutig geregelt sei, liege kein ausreichend gravierender Mangel vor, um die Nichtigkeit zu begründen. Daher sei das Feststellungsbegehren verfehlt; ein Anfechtungsbegehren habe der Kläger nicht gestellt. Auf die Setzung eines Ausschlussgrundes und auf das Feststellungsinteresse müsse deshalb nicht eingegangen werden.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, da eine Klarstellung geboten sei, ob Beschlüsse unzuständiger Vereinsorgane absolut nichtig sind.
Mit seiner Revision strebt der Kläger die Klagestattgebung an. Er bringt zusammengefasst vor, für den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Präsidium sei die Generalversammlung zuständig; der vom Präsidium gefasste Beschluss sei nichtig. Sein Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Versagung der Stimmrechtsausübung im Präsidium.
Der Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Strittig ist im vorliegenden Fall zunächst die Zuständigkeit für die Abberufung eines Präsidiumsmitglieds des Beklagten.
1.1. Gemäß § 3 Abs 2 VerG 2002 müssen die Statuten eines Vereins jedenfalls dessen Organe und ihre Aufgaben sowie die Art der Bestellung der Vereinsorgane enthalten. Das Gesetz lässt dem Verein dabei eine sehr weitgehende Autonomie bei der Ausgestaltung seiner Statuten (6 Ob 213/17t; ErläutRV 990 BlgNR 21. GP 23, 25). Eine gesetzliche Regelung der Bestellung und Abberufung des Leitungsorgans und seiner Mitglieder enthält das VerG 2002 nicht (vgl Krejci/S. Bydlinski/Weber-Schallauer , VerG 2002 § 5 Rz 26).
Die Statuten des Beklagten treffen ausdrückliche Regelungen für die Wahl des Präsidiums – durch die Generalversammlung – sowie für den Ersatz eines Präsidiumsmitglieds, das während laufender Funktionsperiode ausscheidet oder ausgeschlossen wird. Sie enthalten aber keine Stellungnahme dazu, wie ein Präsidiumsmitglied abberufen werden kann.
1.2. In der Literatur wird einerseits vertreten, alle Vereinsaufgaben, die nicht in den Statuten ausdrücklich der Mitgliederversammlung (Generalversammlung) vorbehalten seien, fielen in die Zuständigkeit des Leitungsorgans ( Hargassner , Handbuch für Vereinsfunktionäre³ [2018] 85). Andererseits wird genau gegensätzlich eine Residualkompetenz der Mitgliederversammlung vertreten ( Höhne , Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Vereinsbeschlüssen – einige Anmerkungen, in FS Melnizky [2013] 57 [60]; Keinert , Mitgliederversammlung des Vereins [2012] 12; ders , Funktion und Kompetenzen der Mitgliederversammlung des Vereins, wbl 2011, 637 [640]). Für letztere These werden der personalistische Grundcharakter des Vereins und die Stellung der Mitgliederversammlung als dessen oberstes willensbildendes Organ (ErläutRV 990 BlgNR 21. GP 25) ins Treffen geführt ( Keinert , Mitgliederversammlung 12; ders , wbl 2011, 640).
Einigkeit besteht jedoch darüber, dass Akte eines Organs grundsätzlich nur von diesem selbst widerrufen werden können ( Keinert , Mitgliederversammlung 19; ders , wbl 2011, 643; Hargassner , Handbuch³ 85, 84 zur Aberkennung der durch die Mitgliederversammlung verliehenen Ehrenmitgliedschaft). Daher habe auch die Enthebung oder Abwahl von Mitgliedern des Leitungsorgans durch das bestellende Organ zu erfolgen ( Keinert , Mitgliederversammlung 24; ders , wbl 2011, 645; Höhne/Jöchl/Lummerstorfer , Das Recht der Vereine 5 [2016] 135). Im Fall der Wahl von Organmitgliedern durch die Mitgliederversammlung läge es sonst in der Hand eines anderen Organs (hier: des Leitungsorgans), den durch die Wahl verkörperten seinerzeitigen Willen des Vereins zu unterlaufen (vgl Höhne/Jöchl/Lummerstorfer , Vereine 5 136).
1.3. Bestimmungen in Vereinsstatuten sind grundsätzlich nicht nach § 914, sondern nach §§ 6 ff ABGB auszulegen (RIS‑Justiz RS0008813). Maßgebend ist der objektive Sinngehalt der Bestimmungen (RIS‑Justiz RS0008813 [T9]), wobei sich die Auslegung am Vereinszweck und den berechtigten Interessen der Mitglieder zu orientieren hat (RIS‑Justiz RS0008813 [T7, T18]).
1.4. Im vorliegenden Fall ist die Wahl des Präsidiums der Generalversammlung vorbehalten (§ 7 Abs 10 der Statuten). Auch im Fall des Ausscheidens eines Präsidiumsmitglieds vor Ablauf seiner Funktionsperiode weisen die Statuten die Bestellung einer Ersatzperson nicht allein dem Präsidium zu: Dieses darf zwar ein neues Organmitglied kooptieren, muss diese Entscheidung aber von der Generalversammlung bestätigen lassen (§ 8 Abs 10 der Statuten).
Die Statuten zielen daher objektiv darauf ab, die Zusammensetzung des Präsidiums grundsätzlich stets einer Willensbildung der Generalversammlung zu unterziehen. Diese Kompetenz der Generalversammlung würde unterlaufen, wenn ein von ihr gewähltes oder ein von ihr bestätigtes kooptiertes Mitglied durch das Leitungsorgan wieder enthoben werden könnte. Aus § 8 Abs 10 der Statuten kann daher keine Befugnis des Präsidiums zur Abberufung einzelner seiner Mitglieder abgeleitet werden. Aus demselben Grund kann auch die dem Präsidium zugewiesene Aufgabe der ordnungs- und statutengemäßen Führung des Verbands (§ 8 Abs 4 der Statuten) nicht dahin verstanden werden, dass davon die Enthebung eines Präsidiumsmitglieds durch dieses Organ selbst erfasst wäre.
Der Beschluss über die Abberufung des Klägers als Mitglied des Präsidiums des Beklagten wurde daher von einem dafür nicht zuständigen Vereinsorgan gefasst.
2. Zu prüfen ist, welche Rechtsfolgen die Fassung eines Beschlusses durch ein unzuständiges Vereinsorgan nach sich zieht.
2.1. § 7 VerG 2002 normiert, dass gesetz- oder statutenwidrige Beschlüsse eines Vereins bis zu ihrer erfolgreichen Anfechtung wirksam sind, es sei denn, Inhalt und Zweck des verletzten Gesetzes oder die guten Sitten erforderten die absolute Nichtigkeit des Beschlusses. § 7 VerG 2002 differenziert demgemäß zwischen anfechtbaren Beschlüssen, die vorerst gültig sind und erst mit Rechtskraft des über die Anfechtungsklage befindenden Gerichtsurteils vernichtet werden, und von Anfang nicht gültig zustande gekommenen und daher rechtsunwirksamen („nichtigen“) Beschlüssen (RIS‑Justiz RS0121262).
Der Beschluss eines Vereinsorgans kann auch wegen der Art seines Zustandekommens gegen die guten Sitten verstoßen und deshalb nichtig sein, enthält doch § 7 VerG 2002 keine Beschränkung auf eine inhaltliche Sittenwidrigkeit des Beschlusses eines Vereinsorgans (RIS‑Justiz RS0123632).
§ 7 VerG 2002 orientiert sich bei der Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit an den §§ 195 ff AktG, nach denen Fehlerhaftigkeiten der Hauptversammlungsbeschlüsse einer Aktiengesellschaft (und hiezu erforderlicher Sonderbeschlüsse) in Nichtigkeits- und in Anfechtungsgründe einzuteilen sind. Details dieser Regelungen wurden in das VerG 2002 jedoch nicht übernommen; vielmehr hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung die Differenzierung überlassen, wann Nichtigkeit eines Beschlusses eines Vereinsorgans vorliegt oder dessen (bloße) Anfechtbarkeit gegeben ist. Grundsätzlich hat sich die Nichtigkeit aber auf gravierende Fälle fehlerhafter Beschlüsse zu beschränken; es müssen derart klare Gesetzesverstöße oder Verstöße gegen die guten Sitten vorliegen, dass nicht einmal der Anschein rechtmäßigen Handelns gewahrt ist (6 Ob 15/17z GesRZ 2017, 268 [ H. Keinert/E. Keinert ]; 1 Ob 32/10b; vgl auch 4 Ob 109/15f; 10 Ob 36/07b SpuRt 2008, 197 [ Stadler ]; RIS‑Justiz RS0121262 [T5]).
2.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach zur Abgrenzung zwischen nichtigen und bloß anfechtbaren Beschlüssen Stellung genommen (vgl die Darstellung in der Entscheidung 4 Ob 109/15f).
Die Entscheidung 10 Ob 36/07b ging davon aus, dass für Personenmehrheiten, so etwa Vereine, der allgemeine Grundsatz gelte, dass allen an der Mitwirkung bei der Willensbildung berufenen Personen die Tatsache einer beabsichtigten Beschlussfassung rechtzeitig mitzuteilen und ihnen Gelegenheit zur sachlichen Stellungnahme geboten werden müsse (RIS‑Justiz RS0017963). Bei einem Personenverband bedeute die Nichteinladung stimmberechtigter Mitglieder zu einer beschließenden Versammlung einen besonders schweren Verstoß gegen tragende Grundsätze des Verbandsrechts. Jedenfalls dann, wenn beinahe die Hälfte der Mitglieder nicht eingeladen worden sei, gebiete es diese besondere und grobe Rechtswidrigkeit, bei trotzdem durchgeführter Beschlussfassung in einer bedeutenden Angelegenheit (dort: der Wahl des Leitungsorgan des Vereins) die Nichtigkeit des Beschlusses (der Wahl) anzunehmen, sofern nicht alle Mitglieder anwesend oder vertreten gewesen seien und der Durchführung der Versammlung nicht widersprochen hätten.
Hingegen wurde der bloße Verstoß gegen das Erfordernis der rechtzeitigen Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte im Fall der Einberufung der Mitgliederversammlung durch das zuständige Vereinsorgan und Ladung der Mitlieder bloß als Anfechtungsgrund qualifiziert (1 Ob 32/10b).
2.3. In der Literatur werden Beschlüsse von nach der Kompetenzverteilung des Vereins unzuständigen Organen einhellig als nichtig und nicht bloß als anfechtbar iSd § 7 S 2 VerG 2002 qualifiziert ( Keinert , Mitgliederversammlung 110; ders , Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Vereinsbeschlüssen, JBl 2011, 617 [619]; Höhne/Jöchl/Lummerstorfer , Vereine 5 432, 434; Höhne in FS Melnizky 58 f; Fuhrmann in Schopper/Weilinger , VereinsG § 7 Rz 26; in diesem Sinn wohl auch Krejci/S. Bydlinski/Weber-Schallauer , VerG 2002 § 7 Rz 27; Vögel/Egger/Steirer , Der neue Verein² [2008] § 7 VerG Rz 91). Einzelne Autoren differenzieren darüber hinaus danach, ob überhaupt ein Beschluss eines Vereinsorgans iSd § 7 VerG 2002 vorliegt. Dies sei bei „Beschlüssen“ von nicht existenten Vereinsorganen (Nichtorganen) nicht der Fall, mit der Konsequenz, dass ein derartiger Beschluss als rechtliches Nullum zu betrachten sei ( Krejci/S. Bydlinski/Weber-Schallauer , VerG 2002 § 7 Rz 35, vgl Rz 28; Keinert , Mitgliederversammlung 110 auch für Beschlüsse offensichtlich unzuständiger Organe; ders , JBl 2011, 617 [619]).
2.4. Dazu wurde erwogen: Führt bereits die Nichteinladung der Hälfte der Mitglieder der zuständigen Mitgliederversammlung zur Nichtigkeit der dennoch durchgeführten Beschlussfassung (vgl 10 Ob 36/07b), so muss dies in einem Fall, in dem die für die Abberufung eines gewählten Mitglieds des Leitungsorgans zuständige Mitgliederversammlung überhaupt nicht befasst wurde, ebenso gelten. Mag auch der Abberufung eines einzelnen Organmitglieds nicht das gleiche Gewicht zukommen wie der zu 10 Ob 36/07b beurteilten Wahl des gesamten Leitungsorgans, so wiegt doch umso schwerer, wenn die zuständige Mitgliederversammlung gänzlich übergangen wurde. Diese Beurteilung steht zudem mit der einhelligen Lehre im Einklang.
Die Fassung eines Beschlusses durch ein unzuständiges Vereinsorgan – wie hier des Präsidiums zur Absetzung des Klägers in seiner Funktion als Mitglied des Leitungsorgans – bewirkt daher die Nichtigkeit des darauf gerichteten Beschlusses.
3. Schließlich ist zu prüfen, ob die Berechtigung einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses gemäß § 7 S 1 VerG 2002 vom Vorliegen eines Feststellungsinteresses iSd § 228 ZPO abhängt, gegebenenfalls, ob ein solches hier vorliegt.
3.1. § 228 ZPO erfordert, dass das zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemachte Rechtsverhältnis eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Klägers ausübt, also geeignet ist, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu beenden und einen künftigen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden. Darüber hinaus muss ein aktueller Anlass zu einer solchen vorbeugenden Klärung gegeben sein (RIS‑Justiz RS0039071).
3.2. In der Rechtsprechung zum VerG 1951, das keine Regelung der Bekämpfbarkeit fehlerhafter Beschlüsse von Vereinsorganen enthielt, wurde das Erfordernis eines Feststellungsinteresses gemäß § 228 ZPO für das Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses nicht in Zweifel gezogen (vgl etwa 2 Ob 196/01i; 7 Ob 283/02x; 1 Ob 224/03b).
Mit § 7 VerG 2002 wurde eine Regelung der Rechtsfolgen mangelhafter Beschlüsse von Vereinsorganen neu geschaffen.
Auch die dazu ergangene Rechtsprechung nimmt wiederholt auf § 228 ZPO Bezug (6 Ob 20/10z; 6 Ob 62/17m; 1 Ob 137/06p; aus dem Fehlen einer Stellungnahme zum Feststellungsinteresse in der Entscheidung 4 Ob 109/15f können keine weiteren Schlüsse gezogen werden, handelt es sich doch um eine bloße Zurückweisung der Revision).
Die Rechtsansicht, eine Feststellungsklage gemäß § 7 VerG 2002 erfordere das Vorliegen eines rechtlichen Interesses gemäß § 228 ZPO, wurde jüngst in einem Amtshaftungsverfahren als vertretbar beurteilt (1 Ob 81/17v).
In der ebenfalls jüngst ergangenen Entscheidung 2 Ob 123/17b scheiterte die Klage eines „mittelbaren Vereinsmitglieds“ – der Kläger war Mitglied eines Sportvereins, der seinerseits Mitglied des beklagten Verbands war – am fehlenden Feststellungsinteresse des dortigen Klägers. Dies folgte nicht schon aus seiner fehlenden Mitgliedschaft beim beklagten Verein (vgl zur Bejahung des rechtlichen Interesses eines „mittelbaren Vereinsmitglieds“ aufgrund des dort gegebenen Eingriffs in dessen subjektiven Rechte 1 Ob 137/06p). Vielmehr ergab sich aus dem zu 2 Ob 123/17b bekämpften Beschluss noch kein unmittelbarer Eingriff in den Rechtsbereich des dortigen Klägers.
3.3. Während der Rechtsprechung sohin keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass für die Feststellung der Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses gemäß § 7 S 1 VerG 2002 vom Erfordernis eines Feststellungsinteresses gemäß § 228 ZPO Abstand genommen werden könnte, wird diese Frage in der Lehre als strittig bezeichnet ( Fuhrmann in Schopper/Weilinger , VereinsG § 7 Rz 39).
Nach Höhne und Fuhrmann ist die Geltendmachung der Nichtigkeit zwar nicht auf Vereinsmitglieder beschränkt, selbst diese müssen aber ein Feststellungsinteresse iSd § 228 ZPO plausibel machen ( Höhne in FS Melnizky 64 f; vgl Höhne/Jöchl/Lummerstorfer , Vereine 5 435; Fuhrmann in Schopper/Weilinger , VereinsG § 7 Rz 39, 43). In diesem Zusammenhang müsse aber grundsätzlich jedem Vereinsmitglied ein Interesse am gesetz- und statutenkonformen Funktionieren seines Vereins zugebilligt werden, jedenfalls soweit es um ein für die Nichtigkeit vorauszusetzendes gravierendes Fehlfunktionieren gehe ( Höhne in FS Melnizky 64 f; vgl Höhne/Jöchl/Lummerstorfer , Vereine 5 435). So begründe bereits die Vereinsmitgliedschaft in der Regel das Feststellungsinteresse gemäß § 228 ZPO ( Fuhrmann in Schopper/Weilinger , VereinsG § 7 Rz 43).
Keinert nimmt ebenfalls keine Einschränkung des Kreises der zur Geltendmachung der Nichtigkeit Berechtigten an. Er geht aber davon aus, dass die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses gemäß § 7 S 1 VerG 2002 – im Gegensatz zur bloßen Beschlussanfechtung, für die § 7 S 3 VerG 2002 die Aktivlegitimation auf die vom Beschluss betroffenen Vereinsmitglieder beschränkt – jedenfalls bei Geltendmachung durch ein Vereinsmitglied kein konkretes Rechtsschutzbedürfnis im Sinn eines individuellen „Betroffenseins“ verlangt ( Keinert , Mitgliederversammlung 112 ff). Dem Kläger dürfe bloß nicht jegliches Rechtsschutzinteresse fehlen. Einem Dritten stehe immerhin wie bei der Aktiengesellschaft bei berechtigtem Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Beschlussnichtigkeit eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO offen (Mitgliederversammlung 113).
Diese Ansicht entspricht der Lehre zur Nichtigkeitsklage gemäß § 201 AktG. Nach dieser soll die von den in § 201 AktG genannten Personen erhobene, auf die in § 199 AktG genannten Gründe gestützte Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses als materiell-rechtliche Feststellungsklage nicht den Nachweis eines Feststellungsinteresses iSd § 228 ZPO erfordern ( Strasser in Jabornegg/Strasser , AktG II 5 § 201 Rz 1, 4; Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG² § 201 Rz 1, 6; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer , Gesellschaftsrecht² Rz 3/801). Allerdings scheitere eine Nichtigkeitsklage dann an einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Nichtigkeit zwischenzeitig durch neuerliche Beschlussfassung der Hauptversammlung folgenlos beseitigt worden sei ( Strasser in Jabornegg/Strasser , AktG II 5 § 201 Rz 4).
Aus der Qualifikation als materiell-rechtliche Feststellungsklage folgt, dass kein konkreter Nachweis eines rechtlichen Interesses iSd § 228 ZPO erforderlich ist (2 Ob 52/16k; vgl RIS‑Justiz RS0038877). Dies kann dahin verstanden werden, dass das materielle Recht auf Tatsachen abstellt, aus denen sich gleichzeitig das Feststellungsinteresse gemäß § 228 ZPO ergibt ( Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny ³ § 228 ZPO Rz 33; Rechberger/Klicka in Rechberger , ZPO 4 § 228 Rz 12).
3.4. Nach Ansicht des Senats ergibt sich aus der ausweislich der Materialien (ErläutRV 990 BlgNR 21. GP 28) erfolgten Orientierung des § 7 VerG 2002 am Kapitalgesellschaftsrecht nicht, dass bei der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses gemäß § 7 S 1 VerG 2002 vom Erfordernis eines Feststellungsinteresses gemäß § 228 ZPO abzusehen wäre.
Daraus könnte vielmehr lediglich abgeleitet werden, dass in typisch ausgestalteten Fallkonstellationen, in denen sich das Feststellungsinteresse bereits aus der Stellung des jeweiligen Klägers im Verband und aus den die Beschlussnichtigkeit begründenden Umständen ergibt, der gesonderte Nachweis der das Feststellungsinteresse begründenden Umstände entbehrlich ist. Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass bei einem beendeten Rechtsverhältnis das Feststellungsinteresse in der Regel nicht mehr offenkundig ist. Es ist vielmehr nur anzuerkennen, wenn das begehrte Urteil auch noch für die gegenwärtige Rechtslage der Parteien von Bedeutung, also immer noch geeignet ist, die Grundlage für weitere Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander zu schaffen (RIS‑Justiz RS0038969).
Hier war der Kläger Mitglied des Leitungsorgans des beklagten Vereins. Seine Organstellung endete jedoch bereits nach seinem eigenen Prozessstandpunkt jedenfalls mit Ablauf der Funktionsperiode des Präsidiums am 24. 2. 2017, sohin noch vor Klageeinbringung.
Sein rechtliches Interesse an den begehrten Feststellungen kann daher nicht aus einer im Beurteilungszeitpunkt (§ 193 ZPO) noch bestehenden Rechtsunsicherheit über seine Stellung als Organmitglied abgeleitet werden. Aufgrund der Neuwahl des Präsidiums des Beklagten besteht auch nicht die Gefahr, dass künftige Beschlussfassungen des Präsidiums aufgrund dessen rechtswidriger Zusammensetzung ihrerseits anfechtbar oder nichtig wären (vgl 5 Ob 554/94 zum Feststellungsinteresse bei möglichen zukünftigen nichtigen Beschlüssen des Aufsichtsrats einer GmbH).
Der Kläger begründet sein rechtliches Interesse auch gar nicht mit der Notwendigkeit der Klärung seiner Organmitgliedschaft für die Zukunft, sondern damit, dass die in der Vergangenheit zwischen dem 16. 6. 2016 und dem 24. 2. 2017 gefassten Beschlüsse des Präsidiums in die Zukunft fortwirkten.
Er hat aber nicht vorgebracht, inwiefern die in diesem Zeitraum gefassten Beschlüsse seine Rechtssphäre – etwa allfällige subjektive Rechte des Klägers als Mitglied eines Mitgliedsvereins des Beklagten – unmittelbar berühren. Ebenso ergibt sich nicht, inwiefern die im relevanten Zeitraum gefassten Beschlüsse sich auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten, oder auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und einem Mitgliedsverein des Beklagten, auswirken.
Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (RIS‑Justiz RS0039123). Da ein solches hier im Beurteilungszeitpunkt nicht ersichtlich ist, wurde das Klagebegehren von den Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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