OGH 6Ob20/10z

OGH6Ob20/10z18.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** G*****, vertreten durch Dr. Karl-Peter Hasch, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Jagdverein A*****, vertreten durch den Obmann A***** R*****, dieser vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wegen Feststellung (Streitwert 9.700 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2009, GZ 2 R 222/09p-39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 5. Juni 2009, GZ 9 C 997/06f-35, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 742,27 EUR (darin 123,71 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es könnte auch wie vom Erstgericht die Auffassung vertreten werden, dass Ausschlussgründe (aus dem beklagten Verein), die dem Kläger ohnedies bekannt waren, nicht in der Ladung (zur Vollversammlung) angeführt hätten werden müssen; außerdem fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit so heterogene Verfehlungen, wie sie dem Kläger vorgeworfen werden, in Summe doch einen Ausschlussgrund bilden könnten.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat die Bekämpfung eines ungerechtfertigten Ausschlusses aus einem Verein sowohl hinsichtlich der formellen als auch hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen (RIS-Justiz RS0034827). Dem ausgeschlossenen Vereinsmitglied steht der mit Klage gemäß § 228 ZPO geltend zu machende Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vereinsausschlusses zu (7 Ob 2314/96m).

2. Der Kläger hat sich bereits im Verfahren erster Instanz ausdrücklich auf die Verletzung seines rechtlichen Gehörs im vereinsinternen Ausschlussverfahren berufen (vgl 3 Ob 239/02x). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dieses auch dann zu gewähren, wenn die Satzungen des Vereins eine vorherige Anhörung des auszuschließenden Mitglieds nicht vorsehen (RIS-Justiz RS0106615). Die Gewährung rechtlichen Gehörs im Zivilprozess über die Streitfrage der Rechtswirksamkeit der Ausschließung aus dem Verein ersetzt das Erfordernis seiner Einräumung gegenüber jenem Vereinsorgan, das über die Ausschlussfrage zu befinden hat, vor Ergehen der Entscheidung nicht (1 Ob 152/06v).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen nahm der Kläger an der Vollversammlung des beklagten Vereins vom 12. 2. 2006 teil, verließ jedoch vor Beratung und Beschlussfassung über den Ausschließungsantrag die Versammlung. Damit war sein rechtliches Gehör gewahrt, hätte sich der Kläger doch gegenüber der Vollversammlung zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen äußern können. Da an den Ausschluss aus einem Verein nicht dieselben strengen Maßstäbe angelegt werden dürfen wie an gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verfahren (3 Ob 239/02x), ändert an dieser Auffassung auch der Umstand nichts, dass dem Kläger in seiner Einladung zur Vollversammlung vom 26. 1. 2006 die konkreten Ausschlussgründe nicht mitgeteilt worden waren.

3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgeführt (7 Ob 734/89; 7 Ob 2105/96a; 3 Ob 239/02x), dass dem auszuschließenden Vereinsmitglied konkretisierte und substanziierte Anschuldigungen nur dann vor der Entscheidung des Vereins über den Ausschluss vorgehalten werden müssen, wenn dies die Satzungen ausdrücklich vorsehen. Sei dies nicht der Fall, könne der Verein auch noch im (gerichtlichen) Anfechtungsprozess Ausschlussgründe nachschieben. Einzige Voraussetzung dafür sei, dass die nachgeschobenen, zum Ausschluss berechtigenden Gründe zur Zeit des vereinsinternen Ausschlussverfahrens bereits vorlagen.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar auch schon ausgesprochen, es sei generell einzuhaltende Vorgangsweise bei Ausschlussverfahren (also auch dann, wenn die Statuten derartiges nicht ausdrücklich vorsehen), dass dem auszuschließenden Vereinsmitglied die ihm vorgeworfenen Ausschließungsgründe konkret mitgeteilt werden und ihm darauf eine sachliche Gegendarstellung ermöglicht wird (6 Ob 548/93 ecolex 1993, 450; 7 Ob 2314/96m), was gegen ein Nachschieben von Ausschlussgründen im Anfechtungsprozess spricht (auf diese widersprüchliche Rechtsprechung hinweisend bereits 1 Ob 47/98p und 3 Ob 239/02x). Allerdings braucht dies hier nicht weiter erörtert zu werden:

Mit Krejci/Bydlinski/Weber-Schallauer (Vereinsgesetz² [2009] § 3 Rz 72) ist nämlich zwar jene Rechtsprechung, die ein Nachschieben von Ausschließungsgründen zulässt, als „in höchstem Maß unfair" anzusehen. Dies liegt - wie Krejci/Bydlinski/Weber-Schallauer zutreffend begründen - darin, dass sich das Vereinsmitglied möglicherweise in der Folge auf ein gerichtliches Verfahren gar nicht erst eingelassen hätte, wäre es schon im Vereinsverfahren mit diesen Ausschlussgründen konfrontiert worden. Da sich außerdem das Vereinsverfahren mit allen den Rechtsstreit betreffenden Fragen auseinandersetzen soll, worin ja der Sinn des Vorschaltens der vereinsinternen Schlichtungsstelle liegt, sollten nur solche Ausschließungsgründe nachschiebbar sein, die dem Verein in der Zeit des Vereinsverfahrens weder bekannt waren noch bekannt sein mussten (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine³ [2009] 306; Krejci/Bydlinski/Weber-Schallauer aaO).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen übermittelte jedoch im vorliegenden Fall der beklagte Verein dem Kläger am 14. 2. 2006 eine „Mitteilung über Beschlussfassung der Vollversammlung", konkret über seinen Ausschluss aus dem Verein. Dieser Mitteilung war eine Teilabschrift des Sitzungsprotokolls vom 12. 2. 2006 angeschlossen, die eine Auflistung jener Ausschließungsgründe enthält, die auch Gegenstand dieses Anfechtungsprozesses sind.

Damit haben sich aber einerseits die gegen die Rechtsprechung über das Nachschieben von Ausschließungsgründen erhobenen Bedenken hier gerade nicht verwirklicht; andererseits liegt ein Nachschieben im Sinn dieser Rechtsprechung gar nicht vor, legte der beklagte Verein doch seiner Entscheidung all diese Umstände zugrunde.

Unerörtert bleiben kann außerdem sowohl die Problematik, ob das rechtliche Gehör des Klägers auch dann noch als gewahrt anzusehen wäre (vgl 2.), wenn ihm in der Ladung lediglich ein Teil der geltend gemachten Ausschließungsgründe mitgeteilt worden wäre, als auch die daran anschließende Frage, ob der beklagte Verein dann tatsächlich noch weitere Ausschließungsgründe nachschieben hätte können. Tatsächlich wurde dem Kläger ja eine Begründung für den Ausschlussantrag vor der Vollversammlung nicht gegeben; der Auffassung des Erstgerichts, der Kläger hätte sich diese Begründung insbesondere unter Berücksichtigung eines Schreibens aus dem Herbst 2005 gleichsam denken können, vermag sich der erkennende Senat jedenfalls nicht anzuschließen.

4. Der beklagte Verein hat den Ausschluss des Klägers auf insgesamt acht, zum Teil bereits viele Jahre zurückliegende jagdliche Verfehlungen gestützt. Das Erstgericht hat das Klagebegehren, die Rechtsunwirksamkeit dieses Ausschlusses festzustellen, abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihm hingegen stattgegeben.

Nach der Rechtsprechung soll eine Vereinsmitgliedschaft nur aus wichtigen, das Mitglied belastenden Gründen gegen dessen Willen verloren gehen. Der Vereinsausschluss als strengste Strafe setzt daher die Verwirklichung solcher Gründe voraus; eine restriktive Auslegung wichtiger Gründe ist jedenfalls dann geboten, wenn es - wie hier - um die Mitgliedschaft in einem Verein geht, der rechtlich oder faktisch Monopolcharakter hat (1 Ob 152/06v mwN).

Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, es fehle Rechtsprechung darüber, inwieweit so heterogene Verfehlungen, wie sie dem Kläger vorgeworfen werden, in Summe doch einen Ausschlussgrund bilden können, betrifft geradezu zwingend den Einzelfall und entzieht sich daher im Hinblick auf § 502 Abs 1 ZPO einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof. Es kommt ja letztlich darauf an, inwieweit aufgrund der vorgefallenen Auffälligkeiten des Klägers gegenüber den Jagdkameraden dessen weitere Mitgliedschaft dem beklagten Verein noch weiter zumutbar ist (vgl 3 Ob 239/02x).

Damit war die Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

5. Die Revision moniert in formeller Hinsicht außerdem die spruchmäßige Feststellung des Berufungsgerichts, dass der in der Vollversammlung vom 12. 2. 2006 beschlossene und mit Schreiben vom 14. 2. 2006 dem Kläger mitgeteilte Widerruf der Jagderlaubnis des Klägers rechtsunwirksam und die Jagderlaubnis des Klägers nach wie vor aufrecht sei (Punkt 2. des Urteilsbegehrens). Einem derartigen Ausspruch stehe fehlendes Interesse des Klägers entgegen, sei doch ohnehin bereits der Ausschluss des Klägers als rechtsunwirksam festgestellt worden (Punkt 1.); dadurch stehe dem Kläger ohnehin die Jagderlaubnis (wieder) zu.

Mit dieser Argumentation übersieht der beklagte Verein jedoch, dass in seiner Vollversammlung vom 12. 2. 2006 neben dem Ausschluss des Klägers ausdrücklich auch die Gültigkeit der Jagderlaubnis „widerrufen" wurde. Damit dient Punkt 2. des Urteilsbegehrens aber zumindest der Klarstellung, sodass das Berufungsurteil auch insofern keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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