OGH 6Ob106/08v

OGH6Ob106/08v5.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 13. Mai 1989 verstorbenen Oskar K*****, zuletzt *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Tierschutzvereins B*****, vertreten durch Dr. Walter Loacker, Rechtsanwalt in Hörbranz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 31. März 2008, GZ 4 R 63/08g-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 4. Februar 2008, GZ A 301/89-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Der Erblasser hinterließ ein Drei-Zeugen-Testament vom 4. 11. 1983 samt einem handschriftlichen Nachtrag vom 4. 11. 1986. Im Testament vom 4. 11. 1983 traf der Erblasser - soweit im vorliegenden Fall von Belang - folgende Verfügungen:

„III.

Hinsichtlich der mir gehörigen Liegenschaften bestimme ich, daß diese nach dem Tode meiner Gattin ins Eigentum des Tierschutzvereines D***** überzugehen haben mit der Auflage, daß der Tierschutzverein D***** aus meinem Nachlaß das Geld zur Errichtung einer Tierklinik in B***** zu verwenden hat. Hiebei bestimme ich, daß im Haus B*****, die Vorhänge und Spannteppiche zu verbleiben haben.

...

VI.

Für den Fall, daß meine Gattin gleichzeitig mit mir, vor mir oder so kurz nach mir stirbt, daß diese keine Erbserklärung abgeben konnte, setze ich den Tierschutzverein D***** zu meinem Erben ein, wobei die in diesem Testament angeordneten Legate aufrecht bleiben und zu erfüllen sind. Der Tierschutzverein hat in diesem Fall das Vermögen wieder zur Errichtung einer Tierklinik in B***** zu verwenden, wobei eine Tafel anzubringen ist, die den Namen meiner Gattin und von mir aufweist.

..."

Im eigenhändig geschriebenen Nachhang vom 4. 11. 1986 verfügte der Erblasser wie folgt:

„Nachtrag zu meinem

Testament vom 4. 11. 1983

Da sich inzwischen einiges geändert hat sind folgende Änderungen

erforderlich:

A) Ad Punkt III.: Nacherbe ist der Tierschutzverein B***** - nicht D*****. Es kann an Stelle einer Tierklinik auch ein Tierheim sein.

B) Ad Punkt IV.: Die Legate an die Landeshauptstadt (1.) und die Gemeinde L***** (2.) sind zu streichen.

...

D) Ad Punkt VI.:

Analog zu Abs A) und B) tritt hier eine Änderung hinsichtlich des Erben ein; ebenso hinsichtlich der Legate.

E) Sollte das Grab nicht vorzüglich hergerichtet sein, verpflichtet

sich der Nacherbe, dieses in schönem Zustand zu halten. Ferner hat er an jedem Todestag 10 Hl. Messen lesen zu lassen."

Am Verlassenschaftsverfahren war lediglich die erbl Ehegattin Barbara K***** beteiligt. Die Aktiven der Verlassenschaft bestanden aus einem Guthaben beim Raiffeisenverband Vorarlberg in Höhe von 2.372,70 S, aus Wertpapieren zum Kurswert von 20.300 S, einem PKW mit einem Schätzwert von 3.500 EUR sowie der Liegenschaft in B***** mit einem „einbekannten Wert" von 1 Mio S.

Aufgrund des Testaments vom 4. 11. 1983 samt Nachhang vom 4. 11. 1986 wurde der Nachlass der erbl Ehegattin Barbara K***** „belastet mit dem Nacherbschaftsrecht zugunsten des Tierschutzvereines B*****" eingeantwortet. Im Grundbuch wurde die Einverleibung des Eigentumsrechts für Barbara K***** „mit der Beschränkung durch das Nachvermächtnis zugunsten des Tierschutzvereines B*****" einverleibt. Am 9. 8. 2007 ist Barbara K***** verstorben.

Mit Schriftsatz vom 22. 11. 2007 hat der Tierschutzverein B***** „als Nachlegatar" erklärt, „dass ihm dieses Vermächtnis bereits mit Eintritt des Substitutionsfalls (Todestag der Vorerbin am 9. 8. 2007) angefallen sei", und die Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 178 AußStrG 1854 beantragt.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es liege eine fideikommissarische Substitution vor. Der Vorerbe verliere bei Eintritt des Nacherbfalls seine Erbenstellung und der Substitutionsnachlass trete wieder in das Stadium des ruhenden Nachlasses, der vom Nacherben in der Regel durch Einantwortung erworben werde. Aufgrund des Todes von Barbara K***** sei eine Substitutionsabhandlung durchzuführen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Entscheidend dafür, ob es sich bei einer letztwilligen Verfügung um eine Erbeinsetzung oder um die Zuwendung eines Vermächtnisses handle, sei der Wille des Testators. Dieser sei durch Auslegung zu ermitteln (Welser in Rummel, ABGB3 § 535 Rz 6). Es sei zu prüfen, ob eine Universalsukzession oder eine Einzelrechtsnachfolge gewollt gewesen sei. In jedem Einzelfall sei zu untersuchen, ob der Wille des Erblassers in die eine oder andere Richtung ging (RIS-Justiz RS0012244). Diese Auslegung habe sich nicht an der Form oder an den gebrauchten Worten zu orientieren, sondern es sei lediglich auf den Inhalt der letztwilligen Verfügung abzustellen (Eccher in Schwimann, ABGB3 § 535 Rz 1). Wenngleich die Zuwendung einer einzelnen Sache in der Regel für ein Legat spreche, sei dann, wenn das Legat den größten Teil des Vermögens des Erblassers ausmache, im Einzelfall oft eine Erbeinsetzung gewollt, was durch Auslegung zu ermitteln sei. Dies sei auch hier der Fall. Der Erblasser habe sein Haus in B*****, das im Wesentlichen sein gesamtes Vermögen dargestellt habe, dem Tierschutzverein zugewendet. Dabei habe er ausdrücklich angeordnet, dass der Tierschutzverein Erbe sein solle, falls seine Gattin vor ihm sterbe. Unter Punkt III. des Testaments habe er zudem eine Auflage verfügt, „dass der Tierschutzverein ... aus meinem Nachlass das Geld zur Errichtung einer Tierklinik in B***** zu verwenden hat". Damit ergebe sich eindeutig der Wille des Erblassers, dass dem Tierschutzverein nach dem Tod seiner Gattin nicht nur das Haus, sondern auch die noch vorhandenen Geldmittel zufallen sollten. Aus dem Gesamtinhalt des Testaments ergebe sich auch, dass der Erblasser zwischen einer Erbeinsetzung und der Zuwendung von Legaten unterschieden habe. Auch der Nachtrag vom 4. 11. 1986 spreche dafür, dass der Erblasser den Tierschutzverein nicht als Legatar (mit Fälligkeit des Vermächtnisses zum Zeitpunkt des Todes der ursprünglichen Erbin), sondern als Nacherben einsetzen wollte. So sei in diesem Nachtrag in den Punkten A), B) und E) ausdrücklich jeweils vom (Nach-)Erben die Rede, während der Erblasser unter Punkt B) wiederum ausdrücklich Legate erwähnt habe. Hier würden durch den Erblasser nicht nur Gesetzesformulierungen verwendet, sondern inhaltlich Regelungen getroffen, die mit den gebrauchten Formulierungen übereinstimmten. Insgesamt lasse der Inhalt der letztwilligen Verfügungen des Erblassers keinen Zweifel daran, dass er seine Ehegattin als Erbin und nach deren Tod den Tierschutzverein B***** als Nacherben einsetzen wollte.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handle.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist - wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat - nicht zulässig.

1. Vorweg ist festzuhalten, dass die Übergangsbestimmung des § 205 AußStrG trotz ihrer uneingeschränkten Formulierung nur die besonderen Regeln der §§ 143 bis 185 AußStrG zum Verlassenschaftsverfahren des III. Hauptstücks des Gesetzes betrifft; demnach bleiben die Übergangsbestimmungen zum I. Hauptstück des Gesetzes unberührt. Nach § 203 Abs 7 AußStrG sind daher die Bestimmungen des AußStrG 2003 über den Rekurs und den Revisionsrekurs anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung erster Instanz nach dem 31. 12. 2004 liegt (RIS-Justiz RS0121471). Damit richten sich zwar die Vorschriften über das Rechtsmittelverfahren und die Anfechtbarkeit nach dem AußStrG 2003; im Übrigen ist aber auf den vorliegenden Sachverhalt noch die Rechtslage nach dem AußStrG 1854 anzuwenden.

2.1. Nach § 178 AußStrG 1854 ist denjenigen, welchen in die öffentlichen Bücher eingetragene unbewegliche Güter nicht als Erben, sondern als Vermächtnisnehmer oder durch eine während der Abhandlung an sie erfolgte Veräußerung zufallen, von der Abhandlungsbehörde auf ihr Ansuchen die Bestätigung zu erteilen, dass sie in den öffentlichen Büchern als Eigentümer eingetragen werden können. Die durch diese Bestimmung begründete (individuelle) Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts zur Ausstellung einer derartigen Amtsbestätigung ebenso wie zur Durchführung der Substitutionsabhandlung (§ 26 AußStrG) überdauert die rechtskräftige Einantwortung des Nachlasses (RIS-Justiz RS0013544).

2.2. In der Auffassung der Vorinstanzen, nach dieser Gesetzesstelle habe das Verlassenschaftsgericht als Vorfrage selbständig zu beurteilen, ob ein Legat oder eine Erbeinsetzung vorliege, ist eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erblicken. Abgesehen davon, dass die Auslegung einer bereits aufgehobenen, nur noch auf wenige Altverfahren anwendbaren Bestimmung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft (vgl Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 43; RIS-Justiz RS0114669), entspricht es auch der ständigen Rechtsprechung zum AußStrG 1854, dass das Verlassenschaftsgericht mit den ihm nach dem Verfahren außer Streitsachen zur Verfügung stehenden Mitteln (Vor-)Fragen einschließlich der Auslegung einer letztwilligen Verfügung nach ihrem Wortlaut selbst zu beantworten hat (RIS-Justiz RS0006601; vgl auch RS0005997 [T1]). Die scheinbar gegenteiligen Entscheidungen (RIS-Justiz RS0012380, RS0007938, RS0007998) beziehen sich immer auf strittige Auslegungsfragen nach Annahme der Erbserklärung, nicht hingegen auf den hier vorliegenden Fall, dass das Verlassenschaftsgericht als Vorfrage zur Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG prüfen muss, ob ein (Substitutions-)legat oder eine Erbeinsetzung vorliegt.

3. Für das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG genügt es nicht, dass allenfalls eine andere Auslegung des Testaments möglich wäre; vielmehr müsste dargetan werden, dass jene Auslegung, die das Rekursgericht vorgenommen hat, allenfalls bestehenden Auslegungsregeln widerspricht, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar ist (RIS-Justiz RS0085615; RS0012244). Durch den Verweis auf die Einantwortungsurkunde vom 23. 11. 1989, wo von einem Nachvermächtnis zugunsten des Tierschutzvereins B***** die Rede ist, vermag der Revisionsrekurswerber keine derartige qualifizierte Unrichtigkeit der Auffassung des Rekursgerichts, es liege kein bloßes Nachlegat, sondern eine Nacherbschaft vor, aufzuzeigen, zumal darin an anderer Stelle ausdrücklich das „Nacherbschaftsrecht" des Tierschutzvereins B***** erwähnt wird.

Der Revisionsrekurswerber vermag somit keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

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