OGH 5Ob37/15z

OGH5Ob37/15z25.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Mag. Dr. I***** K*****, Rechtsanwältin als Insolvenzverwalterin im Konkurs, über das Vermögen der S***** T*****, gegen die Antragsgegnerin O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Pfliegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 213.988,55 EUR (§ 37 Abs 1 Z 6 iVm § 10 MRG), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Dezember 2014, GZ 38 R 176/14k‑29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00037.15Z.0825.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionrekursbeantwortung der Antragsgegnerin wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Bestimmung des § 10 MRG gilt nur für die Wohnungsmiete und ist auf Geschäftsräume nicht anzuwenden (RIS‑Justiz RS0069801 [T1]). Die Revisionsrekurswerberin hält daher § 10 MRG im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht auf Schutz des Eigentums für verfassungswidrig. Mietern von Geschäftslokalen sei es ‑ anders als Wohnungsmietern ‑ nach der derzeitigen Gesetzeslage de facto unmöglich, vom Vermieter einen Ersatz für Aufwendungen zu erlangen. Die getätigten Investitionen gingen daher ohne sachliche Rechtfertigung entschädigungslos in das Eigentum des Vermieters über.

Die Bestimmung des § 10 MRG ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum verfassungsrechtlich insoweit zu, als er in seinen rechtspolitischen und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0053889&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T1, T31], RS0117654 [T11]).

Der Gesetzgeber hat zwar den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einzuhalten und dessen Gestaltungsfreiheit darf auch nicht zu unsachlichen Ungleichbehandlungen führen (RIS‑Justiz RS0053889 [T8, T9, T11, T23, T26, T28], RS0072903 [T5]). In Bezug auf § 10 MRG hat der Oberste Gerichtshof zu 7 Ob 540/84 (RIS‑Justiz RS0069809; MietSlg 36.264/27) aber bereits ausgesprochen, dass die verschiedene Behandlung der Mieter von Wohnungen einerseits und Geschäftsräumen anderseits ‑ wie bei anderen Bestimmungen des MRG und früher des MG ‑ offensichtlich auf der verschiedenen Schutzwürdigkeit der beiden Kategorien von Bestandnehmern beruht. Darüber hinaus könnte höchstens das Fehlen einer gleichartigen Bestimmung, wie sie zugunsten des Wohnungsmieters vorliegt, in Bezug auf den Mieter eines Geschäfts verfassungswidrig sein, nicht aber die zugunsten des Wohnungsmieters vorhandene Vorschrift selbst. Diese Auffassung fand in der Lehre Zustimmung ( Vonkilch in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 10 MRG Rz 1) und auch die Antragstellerin zeigt keine (neuen) Argumente auf, die geeignet wären, Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 10 MRG zu rechtfertigen.

Der Oberste Gerichtshof sieht daher keine Veranlassung, der Anregung der Revisionsrekurswerberin auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu folgen. Wenn der Oberste Gerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken des Revisionsrekurswerbers nicht teilt, liegt auch keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage vor (RIS‑Justiz RS0116943).

2.  Wurde ein Mietgegenstand für Wohnzwecke und Geschäftszwecke vermietet, setzt ein Anspruch nach § 10 MRG entsprechend dem aus § 16 Abs 1 Z 1 MRG ableitbaren Grundsatz voraus, dass die Verwendung zu Wohnzwecken bedeutend überwiegt (RIS‑Justiz RS0069866). Für diese Beurteilung ist die vom Parteiwillen getragene Widmung maßgebend (RIS‑Justiz RS0070039 [T3]).

Es kommt also auf die Parteienabsicht bei Abschluss des Vertrags oder auf den später einvernehmlich festgelegten Vertragszweck an, wobei eine Widmungsänderung auch schlüssig erfolgen kann (RIS‑Justiz RS0069605 [T8]). Zu welchen Zwecken das Bestandobjekt tatsächlich benützt wird, ist grundsätzlich ohne Bedeutung (RIS‑Justiz RS0070039 [T1], RS0066884). Zur Ermittlung der Parteienabsicht (im Rahmen der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen) kommen nicht nur der im Mietvertrag angegebene Benützungszweck, sondern auch die Parteienerklärungen vor Abschluss des Mietvertrags und dessen sonstige Bestimmungen in Betracht (RIS‑Justiz RS0069605 [T3]).

Die Entscheidung der Frage, ob das Mietobjekt nach dem vereinbarten Vertragszweck überwiegend für Geschäftszwecke oder Wohnzwecke verwendet wird, hat sich unter sorgfältiger Würdigung des Einzelfalls immer an der Verkehrsauffassung zu orientieren (vgl 5 Ob 154/00h). Gegenstand des ursprünglich zwischen der T***** GmbH, also einer juristischen Person, und der Antragsgegnerin abgeschlossenen Vertrags waren „Clubräume, Büro (7 Räume und WC)“. In diesem als „Mietvertrag (Geschäftsraummiete)“ titulierten Vertrag vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Mietgegenstand nur zu dem „Geschäftszweck“ „Kampfsportclub und Büro (mit Wohnmöglichkeit)“ verwendet werden dürfe. Wobei sich dieser aus einem Mietanbot der Mieterin übernommene Beisatz „mit Wohnmöglichkeit“ nach dem Parteiwillen auf den Wunsch der Mieterin bezog, gelegentlich Personen im Büro übernachten zu lassen. Vor diesem ‑ spezifischen, den besonderen

Einzelfall prägenden ‑ Hintergrund ist die Auffassung der Vorinstanzen, dass hier der Geschäftszweck bedeutend überwog, keinesfalls eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die Bezeichnung des Vertrags, seines Gegenstands und der vereinbarte Verwendungszweck sprechen dafür, dass bei der Anmietung durch die Mietergesellschaft der geschäftliche Zweck im Vordergrund stand. Die Angabe einer nach dem Parteiwillen auf gelegentliche Übernachtungen (Dritter) beschränkten Wohnmöglichkeit fällt demgegenüber nicht ins Gewicht.

Die von der Revisionsrekurswerberin aufgezeigte höchstgerichtliche Rechtsprechung, wonach dann, wenn ein gemischt genutztes Objekt die einzige Wohnung ist, sich die Frage nach dem Überwiegen von Wohn‑ oder Geschäftszweck gar nicht stellt, weil selbst bei weitestgehender räumlicher Beschränkung die Wohnverwendung im Vordergrund steht (RIS‑Justiz RS0115015), ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die Anmietung erfolgte hier durch eine GmbH zur Ausübung eines Kampfsportclubs und Büros (mit einer Wohnmöglichkeit im Sinne einer gelegentlichen Übernachtung von Geschäftspartnern), somit nicht zur „gemischten“ Nutzung im Sinne einer Nutzung sowohl als Wohnung als auch als Geschäftsraum. Außerdem ist nach dieser Rechtsprechung nur bei Berufen, die üblicherweise in der Wohnung ausgeübt werden, davon auszugehen, dass (auch) die zur Berufsausübung erforderlichen Räume als Wohnraum und nicht als Geschäftsraum anzusehen sind, weil in solchen Fällen das Wohnbedürfnis und der Berufszweck einander mindestens die Waage halten (RIS‑Justiz RS0068895). Berufe, die üblicherweise in der Wohnung ausgeübt werden, sind beispielsweise Realitätenvermittler, Rechtsanwälte, Ärzte oder den Betreiber einer PR‑Agentur, nicht aber der Betrieb eines Kampfsportclubs.

Der Vertragszweck wurde auch nicht nachträglich einvernehmlich geändert, als die Schuldnerin mit Zustimmung der Antragsgegnerin an Stelle der T***** GmbH in den Mietvertrag eingetreten ist. Da die Antragsgegnerin nach den Feststellungen zum Zeitpunkt der Übernahme der Mietrechte durch die Schuldnerin keine Kenntnis von der Nutzung des Objekts zu Wohnzwecken hatte und erst anlässlich der Übergabe des Bestandobjekts im Jahr 2011 von der errichteten und bewohnten Wohnung in den als Büro vermieteten Räumen erfuhr, scheidet auch eine schlüssige Widmungsänderung von vornherein aus.

3.  Die Revisionsrekurswerberin legt in ihrem Revisionsrekurs auch sonst keine Rechtsfragen dar, die eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs iSd § 62 Abs 1 AußStrG rechtfertigen könnten.

Den von der Revisionsrekurswerberin schon im Rekurs geltend gemachten Verfahrensmangel erster Instanz hat bereits das Rekursgericht inhaltlich geprüft und verneint. Dieser Mangel kann daher im Revisionsrekurs nicht mehr gerügt werden (RIS‑Justiz RS0050037). Auch die in diesem Zusammenhang

behauptete

Aktenwidrigkeit

liegt nicht

vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Mit ihren Ausführungen zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, zur Aktenwidrigkeit aber auch zu (angeblichen) sekundären Feststellungsmängeln wendet sich die Revisionsrekurswerberin in Wahrheit gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts. Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht Tatsacheninstanz und Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0042903 [T1, T2, T10]; RS0069246 [T1, T2]).

4.  Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen. Die von der Antragsgegnerin erstattete Revisionsrekursbeantwortung erfolgte ohne Freistellung durch den Obersten Gerichtshof, sodass hiefür auch kein Kostenersatz gebührt ( Schramm in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 68 Rz 34; § 37 Abs 3 Z 17 MRG; RIS‑Justiz RS0124792, zuletzt 5 Ob 215/14z).

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