European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00216.13W.0725.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte (aus „prozessökonomischen Gründen“ vorerst bloß) 72.670 EUR sA im Wesentlichen mit dem Vorbringen, die Ausführung der vereinbarten Werkleistungen sei aufgrund des Vertragsrücktritts des Masseverwalters gemäß § 21 KO großteils unterblieben, was zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs durch das Finanzamt geführt habe. Dadurch sei ihr ein Schaden in der Höhe von 801.557,04 EUR entstanden, dem ein Anspruch der Konkursmasse gegen die Finanzbehörden auf Rückzahlung zu viel geleisteter Umsatzsteuern in gleicher Höhe gegenüber gestanden sei, weswegen die Konkursmasse zu ihren Lasten bereichert sei. Ihr stehe daher gemäß § 46 Abs 1 Z 6 KO (nunmehr § 46 Z 6 IO) eine Forderung gegenüber der Masse zu.
Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht. Zwar sei die durch den seinerzeitigen Vorsteuerabzug bewirkte Reduzierung der Steuerlast der Klägerin im Umfang des Umsatzsteuerbetrags, der auf den Werklohn des nicht ausgeführten Teils der Bauleistungen entfallen sei, wieder rückgängig gemacht und die Klägerin mit der Umsatzsteuerberichtigung in dieser Höhe belastet worden. Das Vorliegen einer Masseforderung setze jedoch voraus, dass eine Bereicherung der Gemeinschuldnerin bzw der Masse erst nach Konkurseröffnung eintrete. Dass eine früher eingetretene Bereicherung nicht wieder (vollständig) ausgeglichen werde, sei dem Insolvenzverfahren immanent. Auch sei es zu keinem Mittelzufluss an die Insolvenzmasse gekommen, weil die Abgabenbehörde zu Recht mit Konkursforderungen aufgerechnet habe.
Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob dem Werkbesteller, der als Unternehmer (gegen teilweise Besicherung durch eine abstrakte Bankgarantie in Höhe des Nettobetrags des vereinbarten Werklohns) den gesamten Bruttowerklohn vorschussweise gezahlt und dabei den Vorsteuerabzug geltend gemacht habe, im Konkurs des Werkunternehmers eine Masseforderung in Höhe des gemäß § 16 Abs 1 Z 2 iVm Abs 3 Z 2 UStG zu berichtigenden Vorsteuerabzugs zustehe, wenn der Masseverwalter gemäß § 21 KO vom Werkvertrag zurückgetreten sei und dem nunmehrigen Insolvenzschuldner, der die in dem von ihm vereinnahmten Bruttowerklohn enthaltene Umsatzsteuer vor Konkurseröffnung an das Finanzamt abgeführt habe, aufgrund der gemäß § 16 Abs 1 Z 1 iVm Abs 3 Z 2 UStG vorzunehmenden Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags gegenüber der Abgabenbehörde (bzw dem Bund) ein entsprechender Rückforderungsanspruch zustehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Allein der Umstand, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer bestimmten Fallgestaltung fehlt, bedeutet noch nicht, dass die Entscheidung auch von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt (RIS‑Justiz RS0102181). Auch die Klägerin spricht in ihrem Rechtsmittel keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO an.
1. Da das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin vor dem 1. 7. 2010 eröffnet wurde, haben die Vorinstanzen den hier zu beurteilenden Sachverhalt zutreffend den insolvenzrechtlichen Bestimmungen idF vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG 2010), BGBl I 2010/29 unterstellt (§ 273 Abs 1 IO idF IRÄG 2010).
2. Die nunmehrige Gemeinschuldnerin schloss mit der Klägerin am 27. 5. 2009 einen Bauwerkvertrag, in dem sie sich als Generalunternehmerin zur Errichtung einer Wohnhausanlage verpflichtete. Optional für die Auftragnehmerin wurde die Vorauszahlung des gesamten Werklohns gegen Gewährung eines Sondernachlasses und Sicherstellung des Nettobetrags durch eine von der Auftragnehmerin beizubringende abstrakte Bankgarantie vereinbart. Die Klägerin bezahlte den mit der Anzahlungsrechnung vom 3. 7. 2009 in Rechnung gestellten Werklohn, wobei die Zahlung der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer (vereinbarungsgemäß) durch Überrechnung eines Umsatzsteuerguthabens der Klägerin beim Finanzamt erfolgte.
3.1 Guthaben eines Abgabenpflichtigen sind nach § 215 Abs 4 BAO über Antrag des darüber zur Verfügung Berechtigten zu Gunsten eines anderen Abgabenpflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen. Eine Umbuchung ist die Übertragung eines Guthabens oder einer Gutschrift auf ein anderes Konto desselben oder eines anderen Abgabenpflichtigen innerhalb derselben Abgabenbehörde; Überrechnung ist eine derartige Übertragung auf ein Konto (desselben oder eines anderen Abgabenpflichtigen) bei einer anderen Abgabenbehörde ( Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz , BAO 3 § 211 Anm 11).
3.2 Bei der sogenannten Anzahlungsbesteuerung (§ 19 Abs 2 Z 1 a letzter Satz UStG 1994) entsteht die Steuerschuld auch ohne Leistungserbringung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wird. Mit geleisteter Anzahlung und Erhalt der Anzahlungsrechnung kann der Zahlende den Vorsteuerabzug im Ausmaß der Zahlung geltend machen ( Engelhart in Konecny/Schubert , Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 46 KO Rz 149). Schuldnerin der auf den vereinbarungsgemäß von der Klägerin vor Leistungserbringung entrichteten Werklohn entfallenden Umsatzsteuer war gemäß § 1 Abs 1 Z 1 iVm § 19 Abs 1 UStG 1994 die Gemeinschuldnerin. Der von der Klägerin nach Zahlung und Erhalt der Anzahlungsrechnung geltend gemachte Vorsteuerabzug begründete ein Abgabenguthaben, das gemäß § 215 Abs 4 BAO zur Überrechnung auf das Steuerkonto der Gemeinschuldnerin und damit zur Tilgung von deren Abgabenschuld gemäß § 211 Abs 1 lit g BAO verwendet wurde.
3.3 Im ‑ hier wesentlichen - Verhältnis zwischen der Klägerin als Werkbestellerin und der Gemeinschuldnerin als Werkunternehmerin stellte die von der Gemeinschuldnerin dem Fiskus geschuldete Umsatzsteuer einen Teil des von der Klägerin vereinbarungsgemäß im vorhinein bezahlten Werklohns dar (vgl 5 Ob 343/87 SZ 60/175 mwN). Die Vereinbarung der Zahlung der ausgewiesenen Mehrwertsteuer durch
Überrechnung begründete einen ‑ von § 905 ABGB abweichenden ‑ Modus der Zahlung dieses Teils des Werklohns (vgl 5 Ob 50/07z). Dass die Umsatzsteuer für sie als „Durchläufer“ nicht preisbestimmend gewesen sein mag, wie die Klägerin meint, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
4. Der Beklagte hat als Masseverwalter von der ihm nach § 21 Abs 1 KO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und ist von dem mit der Klägerin abgeschlossenen Bauwerkvertrag zurückgetreten. Das durch den Rücktritt des Masseverwalters bedingte Unterbleiben der weiteren Werkausführung führte gemäß § 16 Abs 1 UStG zu einer entsprechenden Berichtigung der von der nunmehrigen Gemeinschuldnerin auf der Grundlage ihrer Anzahlungsrechnung vom 3. 7. 2009 an das Finanzamt (im Wege der Überrechnung des Umsatzsteuerguthabens der Klägerin) entrichteten Umsatzsteuer sowie des von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzugs. Für die Gemeinschuldnerin ergab sich dadurch ein Anspruch auf Rückzahlung zu viel geleisteter Umsatzsteuer. Der Klägerin wurde aus der Vorsteuerberichtigung eine Zahlung von 801.557,04 EUR mit Bescheid vom 29. 7. 2010 vorgeschrieben.
5. Die Klägerin macht dazu geltend, dass die Masse durch die von ihr vereinnahmte Umsatzsteuerrückvergütung grundlos bereichert sei. Es würde einen unerträglichen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn die Masse den durch den Vertragsrücktritt erlangten Betrag vereinnahmen und behalten dürfte, sie hingegen auf die Insolvenzquote verwiesen bliebe. Dazu beruft sie sich auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, nach der ‑ entgegen der vom Obersten Gerichtshof seit der Entscheidung 8 Ob 2244/96z SZ 70/252 in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht (vgl RIS‑Justiz RS0064620) ‑ der die Vorsteuerberichtigung auslösende Sachverhalt iSd § 16 UStG nicht schon bedingt im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestehe, sondern erst durch die Maßnahme des Masseverwalters nach Konkurseröffnung (hier durch Rücktritt gemäß § 21 Abs 1 KO) ausgelöst werde (VwGH 98/14/0143 ZIK 1999, 301 = RdW 2000, 53; VwGH 2005/15/0163 ua), weswegen das Steuerguthaben der Gemeinschuldnerin einen nicht mit Konkursforderungen aufrechenbaren Anspruch der Masse begründet habe.
6. Auf die Qualifikation des Steuerguthabens der Gemeinschuldnerin als Masse‑ oder Konkursforderung und damit auf die von der Klägerin angesprochene unterschiedliche Sichtweise dieser Frage durch die genannten Höchstgerichte kommt es hier aber ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob die Abgabenbehörde berechtigt mit bestehenden Abgabeverbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin aufrechnete, bzw ob sich der beklagte Masseverwalter gegen eine solche Aufrechnung erfolgreich zur Wehr setzen hätte können. Zu beantworten ist hier einzig die Frage, ob die von der Klägerin geltend gemachte Forderung einen Anspruch gegen die Masse darstellt. Das hat ‑ als Hauptfrage ‑ ausschließlich das Gericht nach Maßgabe der Bestimmungen des Insolvenzrechts zu entscheiden (8 Ob 20/93; 8 Ob 12/94; 8 Ob 155/03g).
7.1 Nach ganz einhelliger Auffassung sind die Masseforderungen in § 46 KO taxativ aufgezählt und einer Erweiterung im Wege der Analogie nicht zugänglich ( Engelhart aaO § 46 KO Rz 15; Mohr , KO 9 § 46 E 1 ua). Nach § 46 Abs 1 Z 6 KO zählen Ansprüche aus einer grundlosen Bereicherung der Masse zu den Masseforderungen. Nach ständiger Rechtsprechung ist dieser Tatbestand erfüllt, wenn die Bereicherung grundlos erfolgte und auf die Bestimmungen der §§ 1431 ff, 1041 ff ABGB gestützt werden kann (RIS‑Justiz RS0065108). Eine grundlose Bereicherung der Masse ist danach gegeben, wenn in die Konkursmasse nach der Konkurseröffnung irgendein fremdes Vermögensobjekt gelangt ist. Vor der Konkurseröffnung entstandene Bereicherungsansprüche sind gewöhnliche Konkursforderungen, weil der Gemeinschuldner und nicht die Masse bereichert ist (RIS‑Justiz RS0065108 [T2]; RS0111103).
7.2 Die Leistungskondiktionen nach den §§ 1431 ff ABGB sind auf die Rückführung eines ungerechtfertigt durch Leistung erlangten Vorteils gerichtet. Sie setzten keinen Schaden des Verkürzten voraus ( Koziol in KBB 4 Vor §§ 1431 ff Rz 1 mwN). Der
Verwendungsanspruch steht als Bereicherungsanspruch nur zu, wenn und soweit ein Nichtberechtigter Vorteile aus der Sache gezogen hat (RIS‑Justiz RS0116468). Er entfällt, wenn die Vermögensverschiebung gerechtfertigt ist. Das ist dann der Fall, wenn sie durch einen Vertrag zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten oder auch durch das Gesetz gedeckt ist (RIS‑Justiz RS0020032).
7.3 Leistungsempfängerin der auf den Nettowerklohn entfallenen Umsatzsteuer als Teil des vereinbarten Gesamtentgelts war ungeachtet von deren Berichtigung durch Überrechnung gemäß § 215 Abs 4 BAO die Gemeinschuldnerin. Die Leistung der Umsatzsteuer durch die Klägerin beruhte auf vertraglicher Grundlage und erfolgte weder rechtsgrundlos noch nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Das Unterbleiben der weiteren Werkausführung infolge des Rücktritts vom Vertrag gemäß § 21 Abs 1 KO hat an dieser Qualifikation nichts geändert. Dadurch wurde der Leistungsaustausch auch umsatzsteuerrechtlich beendet (vgl Engelhart aaO § 46 KO Rz 153), was zur Änderung der Bemessungsgrundlage für den steuerpflichtigen Umsatz gemäß § 16 UStG 1994 geführt hat. Die dadurch bedingte Steuerrückvergütung an die Gemeinschuldnerin und die Rückforderung des von der Klägerin in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs gemäß § 16 Abs 1 Z 2 iVm Abs 3 Z 2 UStG hat lediglich die Berichtigung der Umsatzsteuer durch Überrechnung rückgängig gemacht. Dadurch wurde die Klägerin nicht anders gestellt als hätte sie die Vorauszahlung des gesamten Bruttowerklohns direkt an die Gemeinschuldnerin vorgenommen. Die steuerlichen Folgen des Vertragsrücktritts durch den Masseverwalter beeinflussten damit lediglich die von den Vertragsparteien gewählte Zahlungsmodalität hinsichtlich der Umsatzsteuer als Teil des vorschussweise beglichenen Werklohns, ohne dessen Rechtsnatur zu ändern. Eine Forderung zu Gunsten der Klägerin gemäß § 46 Abs 1 Z 6 KO wurde durch diese steuerlichen Vorgänge jedenfalls nicht begründet. Den ihr durch den Rücktritt des Masseverwalters vom Vertrag wegen der unterbliebenen Erfüllung verursachten Schaden kann sie nur als Konkursforderung geltend machen (vgl Widhalm‑Budak in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 21 KO Rz 183 mwN). Soweit sich die Klägerin auf § 46 Abs 1 Z 2 KO beruft, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sie hier keinen Anspruch als Abgabenbehörde geltend macht.
8. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
9. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 40 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass sie die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen hat (RIS‑Justiz RS0035979).
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