European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00128.23V.0312.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht wies den Antrag auf Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß §§ 18 ff MRG ab, weil auf Basis des von ihm festgestellten Sachverhalts die Voraussetzung des Bestehens eines Deckungsfehlbetrags nicht erwiesen sei.
[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[4] 1. Wird die Erhöhung der Hauptmietzinse nach § 18 Abs 1 MRG vor der Durchführung einer Erhaltungsarbeit begehrt, so hat das Gericht auf Antrag zunächst dem Grunde nach zu entscheiden, ob und inwieweit die bestimmt bezeichnete Erhaltungsarbeit die Erhöhung der Hauptmietzinse rechtfertigt und innerhalb welchen Zeitraums, der zehn Jahre nicht übersteigen darf, die dafür erforderlichen Kosten aus den Hauptmietzinsen zu decken sind (§ 18a Abs 1 MRG). Verpflichtet sich der Vermieter, die in dieser Grundsatzentscheidung genannten Erhaltungsarbeiten innerhalb einer angemessenen Frist in Angriff zu nehmen und durchzuführen, so kann das Gericht auf Antrag aussprechen, dass eine vorläufige Erhöhung des Hauptmietzinses zulässig ist (§ 18a Abs 2 MRG). Die endgültige Erhöhung der Hauptmietzinse erfolgt dann mit Sachbeschluss gemäß §§ 18, 19 Abs 1 MRG (RS0070025).
[5] Die Zwischenentscheidung nach § 18a MRG über die vorläufige Erhöhung ist nur provisorisch und bildet keine bindende Vorgabe für die Endentscheidung (RS0070025 [T4]; RS0070004 [T5]; RS0070476 [T6]; RS0114681 [T1]; RS0117153 [T1]; RS0117154 [T1]). Das Verfahren nach § 18a Abs 1 und 2 MRG hat somit nur vorläufigen Charakter, sodass an sich auch eine provisorische Entscheidungsgrundlage ausreichend ist (RS0070476 [T1, T2]). Unabdingbar ist jedoch, dass bereits nach den vorläufig vorliegenden Verfahrensergebnissen beurteilt werden kann, dass die Grundvoraussetzungen der Zulässigkeit einer Mietzinserhöhung vorliegen. Dazu gehört, dass sich überhaupt ein Deckungsfehlbetrag ergibt, dass also das Deckungserfordernis während des Verteilungszeitraums nicht durch die zu erwartenden Hauptmietzinseinnahmen gedeckt werden kann (RS0070476 [T3]). Trotz der bloß provisorischen Entscheidungsgrundlagen muss also dem Grunde nach feststehen, dass ein Missverhältnis von zu erwartenden Kosten und stattgefundenen sowie künftigen Mietzinseinnahmen den Eingriff in den Mietvertrag rechtfertigt. Für sämtliche dazu festzustellenden Tatsachengrundlagen besteht die Behauptungs- und Beweislast des Antragstellers (Vermieters), der die Mietzinsanhebung anstrebt (RS0070476 [T10]; RS0070004 [T10]).
[6] 2.1. Der Inhalt der Grundsatzentscheidung nach § 18a MRG besteht in der Festlegung der einzelnen Arbeiten nach Art und Umfang und des Verteilungszeitraums der dafür notwendigen Kosten (RS0070004 [T1]; vgl auch RS0117154). Im Verfahren nach § 18a Abs 1 und 2 MRG ist also insbesondere auch zu beurteilen, ob die Maßnahmen, die der Vermieter seinem Antrag zugrunde gelegt hat, überhaupt als beachtliche Erhaltungsarbeiten für die Erhöhung der Hauptmietzinse nach den §§ 18 ff MRG gelten (5 Ob 6/15s).
[7] 2.2. Der Begriff der „Erhaltungsarbeit“ in § 18 Abs 1 MRG ist dabei iSd § 3 Abs 2 MRG zu verstehen (5 Ob 230/17k). Erhaltungsarbeiten, für welche eine Erhöhung des Hauptmietzinses gemäß § 18 MRG begehrt werden kann, sind jene in § 3 Abs 2 MRG taxativ angeführten Arbeiten, für welche eine gesetzlich normierte Erhaltungspflicht des Vermieters besteht (5 Ob 105/91).
[8] Nach der Rechtsprechung zu Inhalt und Bedeutung des dem § 3 MRG zugrunde liegenden, am ortsüblichen Standard zu orientierenden Erhaltungsbegriffs (dem sogenannten „dynamischen“ Erhaltungsbegriff) gehören auch zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung, selbst wenn es sich dabei um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt oder es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und dabei sogar Veränderungen vorgenommen werden (5 Ob 230/17k; 5 Ob 145/22t; RS0114109; vgl auch RS0070000). Die Erneuerung ist daher dann noch Erhaltungsarbeit, wenn die Reparatur nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist und die damit einhergehende Anhebung auf den ortsüblichen und technischen Standard dem sonstigen Erhaltungszustand des Hauses entspricht (5 Ob 145/22t; RS0069971). Bei notwendigem Ersatz ist daher eine Anpassung an Entwicklungen der Bautechnik und zeitgemäße Wohnkultur vorzunehmen (5 Ob 145/22t; RS0069944 [T3]). Der ortsübliche Standard wird dabei auch, aber nicht ausschließlich an den geltenden Bauvorschriften gemessen (RS0069944 [T1]; RS0020937 [T1]).
[9] Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG ist allerdings – auch im Rahmen des dynamischen Erhaltungsbegriffs – ein Mangel im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit (5 Ob 145/22t; RS0114109 [T8, T10]; RS0069944 [T11]; RS0116998 [T1, T3]).
[10] 2.3. Dieses Erfordernis des Vorliegens eines Mangels gilt nicht für die Erhaltungsarbeiten nach § 3 Abs 2 Z 4–6 MRG (5 Ob 169/19t). Zu diesen sogenannten „fiktiven“ Erhaltungsarbeiten gehört gemäß § 3 Abs 2 Z 5 MRG eine der Senkung des Energieverbrauchs dienende Ausgestaltung, wenn und insoweit die dafür erforderlichen Kosten in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum allgemeinen Erhaltungszustand des Hauses und zu den zu erwartenden Einsparungen stehen. Zur Senkung des Energieverbrauchs führende Maßnahmen sind unter diesen Voraussetzungen kraft Gesetzes als das gesamte Haus betreffende Erhaltungsarbeiten anzusehen (5 Ob 6/15s; 5 Ob 145/22t; RS0114108). Auf eine Reparaturbedürftigkeit, Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest eine Schadensgeneigtheit kommt es in diesem Fall nicht an (5 Ob 145/22t).
[11] Ob eine energiesparende Maßnahme als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 5 MRG zu qualifizieren ist, ist primär eine vom Gericht zu lösende Rechtsfrage. Tatfragen stellen sich nur im Zusammenhang mit den Kosten, die in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum Erhaltungszustand des Hauses und den zu erwartenden Einsparungen stehen müssen (RS0118005). Es bedarf also insbesondere Feststellungen, die beurteilen lassen, ob die Voraussetzungen der technischen Eignung und Wirtschaftlichkeit erfüllt sind (5 Ob 6/15s; 5 Ob 145/22t).
[12] Die Tatbestände des § 3 Abs 2 Z 1 MRG einerseits und § 3 Abs 2 Z 5 MRG andererseits unterscheiden sich demnach. Während es für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG eines Mangels im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit bzw Brauchbarkeit oder einer Schadensgeneigtheit bedarf, ist dies für die Anwendung des § 3 Abs 2 Z 5 MRG nicht Voraussetzung. Die Anwendung der Z 5 erfordert aber eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und verlangt daher, dass die erforderlichen Kosten in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum allgemeinen Erhaltungszustand des Hauses und den zu erwartenden Einsparungen stehen.
[13] 2.4. Die von der Antragstellerin ihrem Antrag unter anderem zugrunde gelegte „Dämmung des Dachs“ könnte grundsätzlich eine Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG oder § 3 Abs 2 Z 5 MRG sein.
[14] Nach Ansicht des Rekursgerichts ist die Antragstellerin in Bezug auf den für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG vorausgesetzten Mangel (Reparaturbedürftigkeit, Funktionseinschränkung oder Schadensgeneigtheit) ihrer Beweispflicht nicht nachgekommen. Die entsprechenden Tatsachenfragen hätten sich zum Teil mangels Befundung nicht beantworten lassen und nach den getroffenen positiven Feststellungen, sei eine Dämmung des Dachs für die Erhaltung jedenfalls nicht erforderlich.
[15] Für das Rekursgericht lässt sich also die Notwendigkeit eines Ersatzes, die nach der Rechtsprechung zum dynamischen Erhaltungsbegriff die gleichzeitige Anhebung auf den ortsüblichen Standard bzw die Anpassung an Entwicklungen der Bautechnik und zeitgemäßen Wohnkultur erst erlaubt, nicht aus den Feststellungen ableiten. Dieses Verständnis ist Ergebnis der Auslegung dieser Feststellungen; die Auslegung der in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellungen ist stets einzelfallbezogen und begründet damit in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0118891 [T4]). Mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen dazu, dass eine Dämmung des Dachs nach den Bauvorschriften vorgesehen und dem Stand der Technik entspreche, zeigt die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs auch keine ausnahmsweise aufzugreifende Fehlbeurteilung des konkreten Einzelfalls auf. Das Rekursgericht hat ausdrücklich zwischen der Tatsachenebene und den Rechtsfragen differenziert und seine rechtliche Beurteilung (nur) auf den Tatsachengehalt der (auf den Ausführungen der Sachverständigen basierenden) Feststellungen des Erstgerichts gegründet. Mit dem Aspekt des für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG vorausgesetzten Mangelhaftigkeit der Bezug habenden allgemeinen Teile setzt sich die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs gar nicht auseinander.
[16] Auch die für die im Revisionsrekurs geltend gemachte Qualifikation der Dämmung als energiesparende Maßnahme iSd § 3 Abs 2 Z 5 MRG erforderliche Wirtschaftlichkeit lässt sich aus den Feststellungen nicht ableiten. Die Antragstellerin hat das Vorliegen der Voraussetzungen dafür im Verfahren bisher auch nicht einmal behauptet (vgl zu dem im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geltenden Neuerungsverbot § 37 Abs 3 Z 14 MRG; RS0070461; RS0070471; RS0070485).
[17] 2.5. Im Ergebnis erweist sich daher die Beurteilung des Rekursgerichts, die „Dämmung des Dachs“ sei nicht als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 MRG zu qualifizieren, als nicht korrekturbedürftig.
[18] 3.1. Nach den vom Rekursgericht übernommenen Feststellungen liegen für die geplanten Sanierungsarbeiten sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung einer Förderung vor. Der Förderungsrichtlinie entsprechend würde der Antragstellerin nach Durchführung der Sanierungsarbeiten und Legung der Rechnungen eine Förderungssumme von rund 30.000 EUR zustehen.Die Antragstellerin rügt die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass diese Förderung bei der Berechnung des Deckungserfordernisses zu berücksichtigen sei, auch wenn deren Bewilligung zum Zeitpunkt der Grundsatzentscheidung oder der Entscheidung über die vorläufige Erhöhung der Hauptmietzinse nach § 18a MRG noch nicht vorliege und noch nicht feststehe.
[19] Diese Ansicht des Rekursgerichts entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der Fachsenat bereits ausgesprochen, dass eine Berücksichtigung einer Förderung nicht deren verbindliche Zusicherung voraussetzt (5 Ob 6/15s).
[20] 3.2. Die Entscheidung über die vorläufige Mietzinserhöhung nach § 18a MRG basiert grundsätzlich auf provisorischen Entscheidungsgrundlagen. Unabdingbar ist lediglich die Klärung, dass die Grundvoraussetzungen der Zulässigkeit einer Mietzinserhöhung vorliegen. Dazu gehört, dass sich überhaupt ein Deckungsfehlbetrag ergibt.
[21] Auszugehen ist dabei davon, dass der Vermieter zur Fremdfinanzierung eines sonst nicht gedeckten Erhaltungsaufwands die günstigste ihm zumutbare Variante wählen muss, er sich daher auch um eine mögliche Förderung aus öffentlichen Mitteln zu bemühen hat (5 Ob 64/91; 5 Ob 6/15s; RS0070224). Aus diesem Grund ist bei der Berechnung des Deckungserfordernisses – auch bei einer vorläufigen Erhöhung der Hauptmietzinse – auf Förderungsmittel grundsätzlich Bedacht zu nehmen. Bei der Errechnung des monatlichen Deckungserfordernisses ist die Annuitätenkomponente zur Finanzierung des eigenen Erhaltungsaufwands mit jenem Betrag anzusetzen, der bei widmungsgemäßem Einsatz der Förderungsmittel tatsächlich aufzubringen ist (5 Ob 64/91; 5 Ob 6/15s; RS0070224 [T1]).
[22] Es ist zwar richtig, dass nach dem Zweck der vorläufigen Erhöhung nach § 18a Abs 1 und 2 MRG bei Vorliegen der Grundvoraussetzungen einer Erhöhung über die Auswirkung des Einsatzes von Förderungsmitteln auf die Höhe des Deckungsfehlbetrags nicht zwingend entschieden werden muss, vor allem dann nicht, wenn die Grundlagen dafür erst aufwändig ermittelt werden müssten (5 Ob 124/06f; 5 Ob 6/15s; RS0070323 [T2]). Umgekehrt steht aber der Berücksichtigung möglicher Förderungsmittel bei Bestimmung des monatlichen Deckungserfordernisses im Rahmen der vorläufigen Mietzinserhöhung nicht entgegen, dass diese – wie hier – bloß in Aussicht gestellt, aber noch nicht verbindlich zugesichert wurden. Anderes gilt lediglich im Verfahren nach § 18b MRG, in dem die Förderung von Sanierungsmaßnahmen durch das Wohnhaussanierungsgesetz Voraussetzung für deren Berücksichtigung als Erhaltungsarbeit ist (5 Ob 6/15s).
[23] 4. Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt damit – losgelöst von der vom Rekursgericht verneinten Frage, ob überhaupt die Berechnung auf Basis des Standpunkts der Antragstellerin zu den von ihr im Revisionsrekurs thematisierten Streitpunkten (Berücksichtigung der Kosten für die Dämmung des Dachs; Nichtberücksichtigung der Förderung) ein Deckungserfordernis ergäbe – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Dieser ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
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