European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00240.17Y.0123.000
Spruch:
Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Mit ihrer im Mai 2009 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin wegen einer fehlerhaften Behandlung in einem von der beklagten Partei betriebenen Krankenhaus 54.940 EUR als Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden. Das Erstgericht setzte das Verfahren wegen eines im August 2011 über die Klägerin eingeleiteten Sachwalterschaftsverfahrens mit Beschluss vom 6. 9. 2011 aus. Es sprach aus, dass das Verfahren nach rechtskräftiger Entscheidung des zuständigen Pflegschaftsgerichts von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei fortgesetzt wird. Im November 2011 bestellte das Pflegschaftsgericht für die Klägerin einen einstweiligen Sachwalter, unter anderem auch für die Vertretung im gegenständlichen Prozess. Mit Beschluss vom 29. 3. 2012 wurde der bisherige einstweilige Sachwalter zum Sachwalter nach § 268 ABGB bestellt, unter anderem auch zur Vertretung vor Gerichten. Das Pflegschaftsgericht übermittelte dem Erstgericht im Oktober 2012 eine Ausfertigung dieses Beschlusses.
Bereits mit ihrem Ende November 2011 eingebrachten Schriftsatz beantragte die durch den einstweiligen Sachwalter vertretene Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens. Die beklagte Partei sprach sich gegen die Fortsetzung aus. In einer Replik vom Dezember 2011 bekräftigte die Klägerin ihren Standpunkt. Das Erstgericht entschied mehrere Jahre nicht über den Fortsetzungsantrag, sondern beantwortete lediglich Urgenzen dritter Stellen (Arbeits- und Sozialgericht Wien, Patientenanwaltschaft, Pensionsversicherungsanstalt) bezüglich der Übermittlung des Akts bzw von Beiakten. Von der Klägerin wurde die Behandlung ihres Fortsetzungsantrags nicht urgiert. Sie stellte auch keinen Fristsetzungsantrag. Auch sonstige verfahrensbetreibende Handlungen waren nicht feststellbar. Erst am 29. 1. 2016 fasste das Erstgericht (nach einem Richterwechsel) einen Fortsetzungsbeschluss.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen Verjährung ab. Die Klägerin habe es trotz jahrelanger Untätigkeit des Gerichts unterlassen, Betreibungshandlungen zu setzen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig ist.
Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Eine nach § 1497 ABGB für die Unterbrechung der Verjährung gebotene gehörige Fortsetzung liegt nach gesicherter Judikatur nicht vor, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die darauf schließen lässt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr gelegen ist (RIS-Justiz RS0034765). Zögert der Gläubiger mit der Verfolgung eines Anspruchs, muss er die Verjährung hinnehmen (RIS-Justiz RS0034674).
1.2 Nach der Rechtsprechung kann zwar aus der Untätigkeit des Klägers auf Verjährung nicht geschlossen werden, wenn er gar nicht gehalten war, eine (weitere) Prozesshandlung vorzunehmen, um einem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen (RIS-Justiz RS0034755). Der Berechtigte ist im Allgemeinen nicht verhalten, zur Vermeidung der in § 1497 ABGB normierten Rechtsnachteile das von sich aus säumige Prozessgericht zu betreiben (RIS‑Justiz RS0034722). Konnte oder musste der Kläger eine Tätigkeit des Gerichts erwarten, dann lässt seine Untätigkeit nicht ohne weiteres den Schluss zu, es sei ihm an der Erreichung des Prozessziels nichts gelegen (RIS‑Justiz RS0034722 [T6]).
1.3 Auch dann, wenn der Kläger eine Tätigkeit des Gerichts erwarten konnte und musste, darf er aber nicht ad infinitum im Prozess untätig bleiben (RIS-Justiz RS0034672). Muss der Kläger daher erkennen, dass das Gericht von sich aus nicht mehr tätig werden wird, so kann er sich zur Rechtfertigung seiner Untätigkeit letztlich nicht mehr darauf berufen, das Gericht hätte von Amts wegen das Verfahren fortsetzen müssen (3 Ob 560/91 = SZ 64/156). Eine solche Annahme ist erst nach dem Verstreichen einer längeren Zeit der Untätigkeit des Gerichts gerechtfertigt (RIS-Justiz RS0034672 [T2]). Bei den Fällen, bei denen die Fortsetzung des Verfahrens dem Gericht obliegt, geht die Rechtsprechung dann von einer nicht gehörigen Fortsetzung im Sinne des § 1497 ABGB aus, wenn die Partei ungebührlich lange Zeit hindurch inaktiv geblieben ist (3 Ob 560/91; 1 Ob 117/01i).
1.4 Entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel kann nach gesicherter Rechtsprechung eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 1497 ABGB damit auch dann verneint werden, wenn das Gericht das Verfahren (pflichtwidrig) nicht betrieben hat.
2.1 Die von den Vorinstanzen im Hinblick auf die jahrelange Untätigkeit des Erstgerichts vertretene Rechtsansicht, die Klägerin hätte erkennen müssen, dass das Gericht von sich aus nicht mehr tätig wird, und sie wäre daher gehalten gewesen, geeignete Betreibungsmaßnahmen (Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG oder sonstige Urgenzen) zu setzen, hält sich im Rahmen der referierten Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.
3. Entsprechendes gilt für die Qualifizierung der Untätigkeit der Klägerin als ungebührlich (bzw ungewöhnlich). Diese Beurteilung hängt jeweils vom Einzelfall ab (RIS-Justiz RS0034805, RS0034765 [T1]). Liegen keine besonderen Umstände vor, wurde von der Rechtsprechung eine nicht gehörige Fortsetzung erst bei einer Untätigkeit von drei Jahren angenommen (6 Ob 73/08s) bzw dann jedenfalls bejaht, wenn dieser Zeitraum beträchtlich überschritten wurde (4 Ob 95/76 Arb 9514 [mehr als vier Jahre]; 1 Ob 606/85 = SZ 58/112 [fünf Jahre]; 1 Ob 117/01i [dreieinhalb Jahre]). Aufgrund des Umstands, dass die Klägerin seit ihrer Eingabe im Dezember 2011 bis zur Fortsetzung des Verfahrens im Jänner 2016 keine Prozesshandlungen gesetzt hat, hält sich die Bejahung der Verjährung mangels gehöriger Fortsetzung der Klage im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung.
4.1 Insoweit sich die Klägerin auf den Ende Oktober 2015 bevorstehenden Richterwechsel beruft und damit argumentiert, dass in dieser Lage jede Betreibungsmaßnahme gescheitert wäre, entfernt sie sich von den Feststellungen, aus denen abzuleiten ist, dass das Erstgericht bereits Ende 2011 gehalten gewesen wäre, das Verfahren fortzusetzen.
4.2 Im Übrigen entspricht die von der Klägerin im Revisionsrekurs dazu vertretene Rechtsansicht, es sei „sonnenklar“ gewesen, dass bereits die einstweilige Besachwalterung geeignet gewesen sei, die Fortsetzung des Prozesses zu bewirken, ohnedies der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht. Demnach sei das Prozessgericht gehalten gewesen, das Verfahren fortzusetzen. Damit sei es säumig gewesen. Der Vorwurf des Berufungsgerichts, die Klägerin habe der Säumigkeit des Gerichts nicht mit den Mitteln des Verfahrensrechts entgegengewirkt, deckt sich mit der zum Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG ergangenen Rechtsprechung, wonach ein solcher Antrag voraussetzt, dass ein Gericht mit der Vornahme einer Verfahrenshandlung säumig ist (RIS-Justiz RS0059248).
5. Auch der Hinweis auf § 1494 ABGB kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.
5.1 Auf die im Rechtsmittel dazu aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin gegen das Neuerungsverbot verstoßen und das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage schon deshalb zu verneinen ist (6 Ob 128/14p). Die für die Hemmung der Verjährung behauptungs- und beweisbelastete Klägerin (9 ObA 207/89, RIS-Justiz RS0037797 [T7]) hat im Verfahren erster Instanz kein ausreichendes Vorbringen erstattet, aus dem eine Hemmung im Sinne des § 1494 ABGB abgeleitet werden könnte.
5.2 Davon abgesehen ist die Klägerin nach der Rechtsprechung aufgrund ihrer Untätigkeit im Prozess von mehr als drei Jahren so zu behandeln, als hätte sie von vornherein die Klage nicht innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist angebracht (RIS-Justiz RS0034681). In der Zeit ihrer Untätigkeit war die Klägerin aber bereits durch einen bestellten Vertreter (Sachwalter) vertreten, sodass eine Hemmung der Verjährung nach dem klaren Wortlaut des § 1494 ABGB (arg „dafern diesen Personen keine gesetzlichen Vertreter bestellt sind“) ausscheidet. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt aber nicht vor, wenn das Gesetz eine klare, eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656; RS0107348) bzw wenn sich für die vom Rechtsmittelwerber vertretene Rechtsansicht keine Anhaltspunkte aus den von ihm herangezogenen Normen ergeben (RIS-Justiz RS0042656 [T20]).
6. Schließlich wirft die Klägerin mit ihrem Vorwurf, der Verjährungseinwand der beklagten Partei sei missbräuchlich erfolgt, keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität auf. Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0110900). Die Zulässigkeit einer Revision kann in diesem Zusammenhang nur dann bejaht werden, wenn dem angefochtenen Urteil insofern eine zu korrigierende krasse Fehlbeurteilung anhaftet. Nach den Feststellungen hat sich die beklagte Partei im November 2011 zwar gegen die Fortsetzung des Verfahrens ausgesprochen. Dass die Klägerin in den Folgejahren die erforderlichen Betreibungsmaßnahmen deswegen oder wegen eines sonstigen Verhaltens ihrer Prozessgegnerin (vgl RIS-Justiz RS0014838) unterlassen hat, wurde von der Klägerin nicht behauptet. In der Beurteilung des Berufungsgerichts, aus den Feststellungen ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch, liegt keine krasse Fehlbeurteilung.
7. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
8. Die Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.
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