European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00210.15H.1215.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1.1. In einer Strafanzeige enthaltene, objektiv unrichtige Beschuldigungen sind, sofern sie den Rahmen eines sachdienlichen Vorbringens nicht überschreiten, nur dann rechtswidrig, wenn sie vom Anzeiger wider besseres Wissen erhoben wurden (RIS‑Justiz RS0097183; RS0097195). Dies gilt nicht nur für Strafanzeigen, sondern für alle an die jeweils zuständigen Behörden gerichteten, vertraulichen Mitteilungen (vgl RIS‑Justiz RS0031927). Nach § 1330 Abs 2 ABGB haftet der Anzeigende daher nur, wenn er von der Unrichtigkeit wusste, wobei den Kläger die Beweislast hiefür trifft (RIS‑Justiz RS0105665; RS0114015 [T11]). Eine besondere Sorgfaltspflicht des Anzeigers in der Richtung, die vorliegenden Verdachtsgründe auf ihre Stichhältigkeit zu prüfen und das Für und Wider selbst abzuwägen, besteht hingegen nicht. Dies würde dem öffentlichen Interesse, den Behörden Kenntnis von strafbaren Handlungen zu verschaffen, widersprechen. Es genügt daher grundsätzlich das Vorliegen nicht offenkundig bereits widerlegter Verdachtsgründe für die Annahme, dass eine Strafanzeige nicht wider besseres Wissen und somit rechtmäßig erstattet wurde (RIS‑Justiz RS0031957). Dies gilt auch nach § 7 Abs 2 UWG für herabsetzende Tatsachenbehauptungen, soweit diese vertraulich (vgl RIS‑Justiz RS0079767; RS0112016) der zuständigen Behörde gegenüber gemacht wurden (4 Ob 259/05z).
1.2. Von dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen nicht abgegangen. Den Klägerinnen gelingt es auch mit nachfolgenden Argumenten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
2.1. Die Revisionswerberinnen argumentieren, dem Beklagten sei das Wissen ihrer Auftraggeberin um die Unrichtigkeit der Anzeigen zuzurechnen, weil er nur als Strohmann vorgeschoben worden sei. Ohne eine solche Zurechnung könnte jeder über einen gutgläubigen Dritten Strafanzeigen einbringen, ohne dass dies Konsequenzen hätte.
2.2. Der Wissenszurechnung durch Wissensvertreter liegt der allgemeine Gedanke zugrunde, dass der Einsatz von Gehilfen, also die „Rollenspaltung“, nicht zum Nachteil Dritter gehen darf und ansonsten der Einsatz eines Gehilfen eine Verschlechterung der vom Gesetzgeber im Sinne eines Interessenausgleichs vorgesehenen Rechtsposition Dritter mit sich brächte, weshalb der Geschäftsherr so zu behandeln ist, als wäre er selbst tätig geworden (RIS‑Justiz RS0016312 [T4]). Dem Geschäftsherrn wird auch das Wissen derjenigen Personen zugerechnet, die er mit der Kenntnisnahme rechtserheblicher Tatsachen betraut hat (RIS‑Justiz RS0065360 [T1]).
2.3. Die mit dem Gehilfenbegriff operierende Rechtsprechung geht insoweit auf § 1313a ABGB zurück. Deswegen ist für die Klägerinnen daraus nichts zu gewinnen. Denn der Beklagte war ‑ jedenfalls im Innenverhältnis ‑ Gehilfe seiner Auftraggeberin und nicht umgekehrt. Während also allenfalls sein Wissen seiner Auftraggeberin nach dem aus § 1313a ABGB abgeleiteten Grundgedanken zuzurechnen wäre (vgl RIS‑Justiz RS0019537; 4 Ob 45/12i), ist dies umgekehrt nicht der Fall.
2.4. Außerhalb sondergesetzlicher Normen ist eine Zurechnung des Handelns (oder Wissens) Dritter nämlich nur im Rahmen der Haftung für Repräsentanten und Besorgungsgehilfen möglich (3 Ob 197/13m), weil das Gesetz in § 1313 ABGB die Grundregel aufstellt, dass für fremdes Verhalten (oder Wissen) nicht einzustehen ist ( Reischauer in Rummel ³, § 1313 ABGB Rz 1; Karner in KBB 4 , § 1313 Rz 1). Eine solche gesetzliche Sondernorm besteht für die Zurechnung des Wissens des Geschäftsherrn an den Gehilfen aber nicht.
3.1. Die Klägerinnen argumentieren, dass den Beklagten ‑ entgegen RIS‑Justiz RS0105665; RS0114015 [T11] ‑ die Beweislast dafür träfe, dass er von der Unrichtigkeit der Vorwürfe gegen die Klägerinnen nicht wusste.
3.2. Die Beweislastverteilung ist zwar revisibel. Die Frage der Beweislast stellt sich aber dann nicht, wenn das Erstgericht ‑ wie hier ‑ ohnehin positive Feststellungen zu einem Umstand getroffen hat (RIS‑Justiz RS0039939 [T29]).
3.3. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht festgestellt, dass der Beklagte auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben seiner Auftraggeberin vertraute. Es ist daher irrelevant, ob ihn oder die Klägerinnen die Beweislast für diesen Umstand traf.
4. Abgesehen von den obigen Ausführungen haben die Klägerinnen im Verfahren erster Instanz auch nicht dargetan, dass die Auftraggeberin des Beklagten diesem bewusst falsche Informationen zur Anzeigeerstattung erteilte.
5.1. Von einer gegen die guten Sitten verstoßenden missbräuchlichen Rechtsausübung kann nur gesprochen werden, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muss als eben das Interesse, dem anderen Schaden zuzufügen. Besteht ein begründetes Interesse des Rechtsausübenden, einen seinem Rechte entsprechenden Zustand herzustellen, wird die Rechtsausübung nicht schon dadurch zu einer missbräuchlichen, dass der sein Recht Ausübende ua auch die Absicht verfolgte, mit der Rechtsausübung dem anderen Schaden zuzufügen (RIS‑Justiz RS0026271). Dabei geben im Allgemeinen selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zu Gunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil diesem grundsätzlich zugestanden werden muss, dass er innerhalb der Schranken des ihm eingeräumten Rechts handelt (RIS‑Justiz RS0026265 [T29]). Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz RS0110900).
5.2. Dass der Beklagte das Motiv seiner Auftraggeberin für die Strafanzeige (Verdrängung der Klägerinnen vom Markt) kannte und er sich damit abfand, begründet für sich genommen noch nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass das unlautere Motiv nicht eindeutig überwog, ist jedenfalls vertretbar, denn der Beklagte hielt den angezeigten Sachverhalt nach den Feststellungen für schlüssig und nachvollziehbar. Damit ist bereits das Element der missbräuchlichen Ausübung zu verneinen, weil niemand Anspruch darauf hat, mit einem (dem Anschein nach) gesetzwidrigen Geschäftsmodell nicht vom Markt verdrängt zu werden.
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