European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00206.19A.1219.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er – unter Einschluss des bestätigten Teils – insgesamt lautet:
„Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten und klagenden Partei gegen die gefährdende und beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der gefährdenden und beklagten Partei bis zur Rechtskraft des über das ausgedehnte Klagebegehren (ON 31) ergehenden Urteils – gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 200.000 EUR oder Erlag einer entsprechenden Bankgarantie einer inländischen Bank – verboten, im geschäftlichen Verkehr ohne Gewerbeberechtigung nach der österreichischen Gewerbeordnung in Österreich Verkehrsdienstleistungen zur Personenbeförderung zu vermitteln.
Das Mehrbegehren, der gefährdenden und beklagten Partei aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über das ausgedehnte Klagebegehren ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, ohne Führung einer Niederlassung in Österreich nicht nur vorübergehend und nicht nur gelegentlich Verkehrsdienstleistungen zur Personenbeförderung durchzuführen, wird abgewiesen.
Die gefährdete und klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Hälfte ihrer Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die gefährdete und klagende Partei ist schuldig, der gefährdenden und beklagten Partei die mit 3.604,33 EUR (darin enthalten 715,25 EUR Pauschalgebühren) bestimmten anteiligen Kosten des Sicherungsverfahrens aller dreier Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Begründung:
Die Klägerin vermittelt Taxifahrten und verfügt über eine Gewerbeberechtigung für die Beförderung eines geschlossenen Teilnehmerkreises mit Kraftfahrzeugen unter Bereitstellung des Lenkers aufgrund besonderer Aufträge (Mietwagengewerbe). Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach dem Recht des Königreichs der Niederlande mit Sitz in Amsterdam. Sie unterhält in Österreich keine Niederlassung und verfügt in Österreich weder über eine Konzession für die Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Mietwagen- oder Taxigewerbe) noch über eine Gewerbeberechtigung für die Vermittlung von Transport- und Personenbeförderungen.
Die Beklagte betreibt eine elektronische Vermittlungsplattform (UBER‑App), über die registrierte Kunden (Fahrgäste) unter Verwendung einer Smartphone-Applikation Beförderungs-Dienstleistungsverträge mit Mietwagen-Partnerunternehmen der Beklagten abschließen können. Dafür stellt die Beklagte eine Technologie bereit, mit deren Hilfe die Anfrage eines Kunden nach einer Beförderungsdienstleistung an die Partnerunternehmen übermittelt wird. In weiterer Folge ermittelt das Vermittlungssystem der Beklagten einen geeigneten, in der Nähe des Kunden befindlichen Fahrer. Der Fahrpreis ist von der gefahrenen Route unabhängig und wird von der Beklagten vorgegeben, in der Regel auch von ihr beim Kunden eingehoben und in der Folge (nach Abzug einer Provision) teilweise an das Partnerunternehmen weitergeleitet. Wird der Fahrpreis (ausnahmsweise) beim jeweiligen Fahrer direkt beglichen, so rechnet die Beklagte ihre Provision mit dem jeweiligen Partnerunternehmen ab. Die Beklagte gibt den Partnerunternehmen auch die Fahrzeugkategorien vor. Zudem fordert sie von jedem Partnerunternehmen die Vorlage polizeilicher Führungszeugnisse der dort beschäftigten Fahrer; sie kann einzelne Fahrer auch von der Durchführung von Fahrten ausschließen.
Derzeit sind in Wien 2.800 Mietwägen unterwegs, die für die Beklagte Fahrten durchführen. Die Beklagte erzielt am österreichischen Markt einen Gewinn von monatlich 1,5 Mio EUR.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen, auf § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Rechtsbruch) gestützten Unterlassungsanspruchs (ON 31) beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, ohne Führung einer Niederlassung und/oder ohne Gewerbeberechtigung in Österreich nicht nur vorübergehend und nicht nur gelegentlich eine Verkehrsdienstleistung anzubieten oder durchzuführen. Die Beklagte biete eine Verkehrsdienstleistung und keinen Dienst der Informationsgesellschaft an, weshalb sie sich nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen könne. Für ihre gewerberechtlich relevante Dienstleistung, nämlich die Vermittlung von Transport- und Personenbeförderung, verfüge sie über keine Gewerbeberechtigung in Österreich. Das Anbieten von Verkehrsdienstleistungen am österreichischen Markt ohne erforderliche Niederlassung nach dem Gelegenheitsverkehrsgesetz und ohne Gewerbeberechtigung nach der Gewerbeordnung sei geeignet, die Marktverhältnisse zu Lasten der übrigen Marktteilnehmer zu beeinflussen.
Die Beklagte entgegnete, dass ihr Angebot die Vermittlung konzessionierter Mietwagenunternehmen zum Gegenstand habe. Diese Transportleistungen dürften auch ohne Nutzung der UBER‑App angeboten werden. Auch sonst übe sie keinen wesentlichen Einfluss auf die Partnerunternehmen aus. Die von ihr auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung sei als Dienst der Informationsgesellschaft und nicht als Verkehrsdienstleistung einzustufen. Jedenfalls sei diese Auffassung mit guten Gründen vertretbar. Selbst wenn man von einem Rechtsbruch und einer unvertretbaren Rechtsansicht ausginge, fehle es an der Eignung der beanstandeten Handlung, den Wettbewerb nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. Sollte die Beklagte tatsächlich eine Gewerbeberechtigung in Österreich erlangen müssen, so sei ihr eine entsprechende Leistungsfrist einzuräumen. Zudem müsse die einstweilige Verfügung von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 30 Mio EUR abhängig gemacht werden.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und machte deren Vollzug vom Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 EUR oder einer Bankgarantie über diesen Betrag abhängig. Auch das hier zu beurteilende (modifizierte) Vermittlungssystem der Beklagten sei unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH als Verkehrsdienstleistung zu qualifizieren. Die Beklagte gäbe den Partnerunternehmen den Fahrpreis sowie die durchzuführenden Fahrten inklusive der Fahrer vor; der jeweilige Fahrer werde von der Beklagten ausgewählt. Zudem bestimme sie die zu benützenden Fahrzeuge und übe auch die Kontrolle über die Partnerunternehmen und die Fahrer aus. Da die Beklagte eine Verkehrsdienstleistung zur Personenbeförderung anbiete, müsse sie über eine Konzession nach § 2 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes verfügen. Nach § 6 Abs 1 Z 1 leg cit müsse sie zudem ihren Sitz oder eine nicht nur vorübergehende Niederlassung in Österreich haben. Der Rechtsbruch der Beklagten sei zur spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs geeignet. Bei einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche komme die Festsetzung eines Befreiungsbetrags grundsätzlich nicht in Betracht. Da die Beklagte eine reine Unterlassungspflicht treffe, sei ihr auch keine Leistungsfrist einzuräumen. Für die Höhe der Sicherheitsleistung sei maßgebend, dass die Beklagte durch die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben den Schaden gering halten könne. Aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung erscheine eine Sicherheitsleistung in Höhe von weiteren 200.000 EUR als angemessen; die Klägerin habe bereits früher eine Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 EUR erlegt.
Das Rekursgericht bestätigte unter Hinweis auf die Begründung des Erstgerichts diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten, der auf die Abweisung des Sicherungsbegehrens abzielt.
Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts zulässig, weil die Vorinstanzen zu Unrecht auch einen Verstoß der Beklagten gegen das Gelegenheitsverkehrsgesetz angenommen haben. Dementsprechend ist der Revisionsrekurs teilweise berechtigt.
1. Zum Vorliegen einer Verkehrsdienstleistung:
1.1 Dazu führt die Beklagte im Revisionsrekurs aus, dass ihr modifiziertes Vermittlungssystem ausgehend von der Judikatur des EuGH nicht als Verkehrsdienstleistung zu qualifizieren sei, weil die konzessionierten Partnerunternehmen ihre Beförderungsleistungen auch ohne das Vermittlungssystem der Beklagten erbringen könnten. Außerdem übe sie auch sonst keinen entscheidenden Einfluss auf ihre Partnerunternehmen aus.
1.2 In der Entscheidung C‑434/15, Asociacion Profesional Elite Taxi (vgl auch C‑320/16, UBER France ) hat der EuGH in einem Fall zu UBER-Spanien ausgesprochen, dass UBER zwar einen Vermittlungsdienst erbringt, dieser Vermittlungsdienst aber mit einer Verkehrsdienstleistung (Personenbeförderungsdienst) derart verbunden ist, dass er als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung im Sinn von Art 58 Abs 1 AEUV besteht, einzustufen ist und nicht unter die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr fällt. Für diese Beurteilung des EuGH war entscheidend, dass UBER ein Beförderungsangebot durch Software-Tools zugänglich macht und organisiert und ohne diese Applikation die Verkehrsdienstleistungen nicht erbracht und die Kunden diese Dienste nicht in Anspruch nehmen würden, sowie dass UBER einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen für die Leistungserbringung (Einflussnahme auf den Preis, Einhebung des Preises, Qualitätskontrolle) ausübt (Rn 38–40).
1.3 Richtig ist, dass nach dem der zitierten Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Sachverhalt über die UBER‑App Beförderungsaufträge zu nicht-berufsmäßigen (nicht-gewerblichen) Fahrern vermittelt wurden, die das eigene (Privat-)Fahrzeug benützten. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung zu 4 Ob 162/18d ausgesprochen hat, ist für diese Beurteilung nicht entscheidend, ob die Beförderer berechtigte (konzessionierte) Unternehmen oder Private sind. Vielmehr kommt es in erster Linie auf den Einfluss der Beklagten auf die Leistungserbringung durch die Partnerunternehmen an. Würde man nicht auf die faktischen Einflussmöglichkeiten der Beklagten abstellen, so könnte die vom EuGH vorgenommene Qualifikation als Verkehrsdienstleistung leicht umgangen werden. Dabei ist anerkannt, dass auch unionsrechtliche Regelungen nicht für Umgehungskonstruktionen ausgenützt werden dürfen.
Die von der Beklagten vermittelten Personenbeförderungen (UBER‑Fahrten) werden von der Beklagten nach ihren strikten Vorgaben organisiert und von den Partnerunternehmen nach diesen Vorgaben der Beklagten durchgeführt. Die Vorgaben der Beklagten beziehen sich insbesondere auf die in der zitierten Entscheidung des EuGH genannten Kriterien der Preisbestimmung, der Einhebung des Preises und der Qualitätskontrolle; zudem gibt die Beklagte die Fahrzeugkategorien vor und nimmt auch auf die Auswahl der UBER‑Fahrer einen bestimmenden Einfluss. Ohne das Vermittlungssystem der Beklagten könnten die Partnerunternehmen ihre Beförderungsdienstleistungen nicht, jedenfalls nicht in rentabler Weise erbringen, weil für die Inanspruchnahme der Mietwagenfahrten entscheidend ist, dass sie von den Fahrgästen leicht ausgewählt und angefordert werden können. Ohne das leicht handhabbare Vermittlungssystem der Beklagten (UBER‑App) würden die Kunden nicht auf andere Weise, etwa durch Abruf der individuellen Webseiten, das jeweilige Partnerunternehmen auswählen. Vielmehr würden sie ohne leichte Zugänglichkeit zum UBER‑Fahrdienst auf andere Vermittlungssysteme (zB Taxizentralen) ausweichen.
1.4 Aus den Schlussanträgen des Generalanwalts zu C‑390/18, AIRBNB , ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts Gegenteiliges. Auch nach diesen Schlussanträgen ist für die Abgrenzung einer Vermittlungstätigkeit zu einem Dienst der Informationsgesellschaft maßgebend, dass das Vermittlungsunternehmen die Kontrolle über die wesentlichen Modalitäten der Dienstleistungserbringung ausübt. Dazu bezieht sich der Generalanwalt auf den Preis, das Angebotsvolumen und die dadurch bewirkte unverzügliche Bereitstellung der Dienstleistung sowie die Mindestqualität und Sicherheit der Dienstleistung, also die Qualitätsstandards.
Nach dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt sind auch diese Kriterien erfüllt. Die Beklagte gibt die Qualitätsstandards für die UBER‑Fahrzeuge und die Bereitstellung der UBER‑Fahrten vor und bestimmt auch, wie die Einhebung des Fahrpreises und die Verrechnung mit dem jeweiligen Partnerunternehmen erfolgt. Das vom Generalanwalt in den Vordergrund gerückte Angebotsvolumen kann nur durch Verwendung der UBER‑App und deren Verbreitung bei den Kunden sichergestellt werden.
Schließlich übersieht die Beklagte auch, dass nach § 22 Abs 2 Z 5 ECG selbst bei (hier allerdings nicht vorliegender) prinzipieller Anwendbarkeit des Herkunftslandprinzips im Einzelfall davon abgewichen werden kann, wenn dies nach den Umständen des Einzelfalls zum Schutz der Verbraucher geboten und angemessen ist. Auch die hier in Rede stehenden gewerberechtlichen Vorschriften dienen im gegebenen Zusammenhang dem Schutz der Verbraucher (vgl dazu Brenn, ECG 334).
1.5 Die Rechtsansicht der Beklagten, dass sie sich wegen des Herkunftslandprinzips nicht an die österreichischen gewerberechtlichen Vorschriften halten müsse, ist schon im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 162/18d unvertretbar. In dieser Entscheidung wurde darauf hingewiesen, dass es für die Qualifikation der Vermittlungstätigkeit der Beklagten als Verkehrsdienstleistung entscheidend auf den Einfluss der Beklagten auf die Leistungserbringung durch die Partnerunternehmen ankommt.
1.6 Der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung zu 4 Ob 30/09d und den Grundsatz, dass bei einer Online-Bestellung zwischen dem online erfolgten Vertragsabschluss und der offline erfolgten Lieferung bzw Leistungserbringung zu unterscheiden sei, ist nicht stichhaltig. Die Beklagte erbringt eine reine Online‑Vermittlungstätigkeit, für die – ohne Zusammenhang mit einer Offline-Ausführung der Dienstleistung – das Herkunftslandprinzip nicht gilt.
2. Zur fehlenden Gewerbeberechtigung in Österreich:
2.1 Dazu führt die Beklagte aus, dass sie lediglich Vermittlerin von Beförderungsdienstleistungen zur Personenbeförderung sei und dafür keine Konzession nach dem Gelegenheitsverkehrsgesetz benötige.
2.2 Richtig ist, dass die Beklagte eine Vermittlungsplattform, also ein elektronisches Vermittlungssystem für Personenbeförderungs-Dienstleistungen betreibt. Der Beklagten ist auch darin zuzustimmen, dass sie selbst keine gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen durchführt und daher keiner Konzession nach § 2 Abs 1 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes und auch keiner Niederlassung gemäß § 5 Abs 1 leg cit bedarf. Ebenfalls ist zutreffend, dass es beim Rechtsbruch allein darauf ankommt, welche Tätigkeit die Beklagte tatsächlich ausübt und nicht darauf, welchen Eindruck allenfalls das Publikum von ihrer Tätigkeit gewinnen kann (4 Ob 172/05f mwN).
Daraus folgt, dass die von den Vorinstanzen erlassene einstweilige Verfügung zu weitgehend ist, weil sie der Beklagten auch die Durchführung der gewerbsmäßigen Beförderung von Personen nach dem Gelegenheitsverkehrsgesetz (ohne Konzession nach § 2 Abs 1 und ohne Niederlassung nach § 5 Abs 1 leg cit) untersagt, obwohl sie eine solche Tätigkeit nicht erbringt. Insoweit ist die einstweilige Verfügung – in Stattgebung des Revisionsrekurses der Beklagten – einzuschränken.
2.3 Dies bedeutet aber nicht, dass die Beklagte ihre Vermittlungstätigkeit (Vermittlung von Personenbeförderungs-Dienstleistungen) ohne österreichische Gewerbeberechtigung erbringen darf. Vielmehr ist für die Vermittlung von durch Verkehrsunternehmen durchzuführenden Personenbeförderungen nach § 126 Abs 1 Z 2 GewO eine Gewerbeberechtigung für das Reisebürogewerbe erforderlich. Dabei handelt es sich nach § 94 Z 56 GewO um ein reglementiertes Gewerbe, wofür es neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Gewerbeausübung (§§ 8 ff GewO) eines Befähigkeitsnachweises (§ 16 GewO) bedarf. Die Beklagte verfügt über keine solche Gewerbeberechtigung in Österreich, weshalb sie das Gewerbe der Vermittlung von Personenbeförderungs-Dienstleistungen in Österreich auch nicht ausüben darf (vgl § 366 GewO).
Auch darin ist – bei Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und Spürbarkeit – ein Rechtsbruch gelegen, der als sonst unlautere Handlung gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG verstößt (vgl 4 Ob 222/17a).
2.4 Der auf Rechtsbruch gestützte Unterlassungsanspruch setzt auf der Sachverhaltsebene den Verstoß gegen eine bestimmte generelle abstrakte Norm voraus, auf die sich das Sachvorbringen der klagenden Partei bezieht (RIS‑Justiz RS0129497). Dies bedeutet, dass der Sachvortrag der Klägerin als rechtserzeugende Tatsache den Vorwurf einer Gesetzesübertretung enthalten muss, der durch die Nennung oder die verbale Umschreibung der nach den Behauptungen übertretenen Normen konkretisiert und individualisiert wird. Der Vorwurf eines Verstoßes „gegen Normen der Rechtsordnung“ wäre hingegen unvollständig, weil offen bliebe, welcher Verbotstatbestand das beanstandete Verhalten zum Rechtsbruch macht (4 Ob 237/18h mwN).
Die genannten Anforderungen an das Sachvorbringen der Klägerin sind im Anlassfall erfüllt. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz in ON 31 unter anderem auch vorgetragen, dass die Beklagte ihre Vermittlungstätigkeit, nämlich die Vermittlung von Personenbeförderungs-Dienstleistungen, in Österreich ohne Gewerbeberechtigung ausübe. Dazu hat sie vorgebracht, dass die von der Beklagten angebotenen Dienstleistungen alle Tatbestandsmerkmale des § 1 GewO erfüllten, sodass von einer anmeldepflichtigen gewerbsmäßig ausgeübten Tätigkeit im Sinn der Gewerbeordnung auszugehen sei. Die Beklagte übe daher zu Unrecht eine dem nationalen Gewerberecht unterworfene Verkehrsdienstleistung aus. Damit beruft sich die Klägerin ausreichend deutlich auf die Ausübung des Gewerbes der Vermittlung von Personenbeförderungs-Dienstleistungen durch die Beklagte, ohne dass sie über die dazu erforderliche Gewerbeberechtigung nach der Gewerbeordnung verfügt.
2.5 Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist als sonst unlautere Handlung iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Maßgebend für die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (RS0077771; 4 Ob 61/14w).
Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihrer Vermittlungstätigkeit in Österreich (ohne Erfordernis einer Gewerbeberechtigung) beruft sich die Beklagte auf das (hier aber nicht anwendbare) Herkunftslandprinzip sowie auf die angeblich fehlende Spürbarkeit des Verstoßes. Dass sie bei Anwendbarkeit der österreichischen Gewerbeordnung einer Gewerbeberechtigung nach § 126 Abs 1 Z 2 leg cit bedarf, bestreitet sie gar nicht. Ein Verstoß dagegen ist aufgrund der klaren Anordnungen der Gewerbeordnung auch nicht vertretbar.
2.6 Die Eignung eines Rechtsbruchs zur spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei sich die Eignung ausgehend vom Regelungszweck der verletzten Norm und von den typischen Auswirkungen des Rechtsbruchs schon aus dem Normenverstoß als solchem ergeben kann (RS0123243; 4 Ob 222/17a).
Wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, erspart sich die Beklagte durch den ihr vorgeworfenen Rechtsbruch den Nachweis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit. Außerdem entzieht sie sich der Kontrolle durch die zuständige Gewerbebehörde. Diese Umstände führen dazu, dass sie sich im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Vermittlungstätigkeit beachtliche Anpassungen an die österreichische Rechtsordnung und damit verbundene Aufwendungen erspart, weshalb ihr Verhalten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, eine relevante Nachfrageverlagerung zu Lasten anderer Mitbewerber herbeizuführen.
Die von der Beklagten zitierte Entscheidung zu 4 Ob 130/17x ist hier nicht einschlägig, weil die dortige Beklagte gerade keine gewerbepflichtige Reisebürotätigkeit ausgeübt hat.
3. Zum Unterlassungstitel:
3.1 Dazu führt die Beklagte aus, dass das Unterlassungsgebot zu weit gefasst sei, weil es keine Richtschnur für ein rechtskonformes Verhalten biete. Es sei nicht klar, welche Gewerbeberechtigung von ihr verlangt werde.
3.2 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dem Unterlassungsbegehren eine allgemeinere Fassung gegeben werden kann, um Umgehungen zu vermeiden (RS0037733; RS0037607). Das verbotene Verhalten muss aber so deutlich umschrieben sein, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein künftiges Verhalten dienen kann. Es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (RS0119807). Dementsprechend ist es zulässig, die konkrete Verletzungshandlung zu nennen und das Verbot auf ähnliche Eingriffe zu erstrecken, oder das unzulässige Verhalten verallgemeinernd zu umschreiben und durch „insbesondere“ aufgezählte Einzelverbote zu verdeutlichen. Auch bei einer solchen allgemeineren Fassung des Unterlassungsbegehrens muss der Spruch den Kern der Verletzungshandlung erfassen (4 Ob 88/10k; 4 Ob 166/19v). Weiters ist zu beachten, dass das Gericht zur Modifizierung und Neufassung eines Begehrens berechtigt ist, sofern es dem Begehren nur eine klarere und deutlichere, dem tatsächlichen Rechtsschutzziel und Vorbringen des Klägers entsprechende Fassung gibt (RS0039357). Eine diesen Anforderungen genügende Neufassung des Spruchs kann auch von Amts wegen erfolgen (4 Ob 237/18h).
3.3 In ihrem Vorbringen und ebenso im Sicherungsbegehren wirft die Klägerin der Beklagten vor,
1.) ohne Konzession nach dem Gelegenheitsverkehrsgesetz Verkehrsdienstleistungen durchzuführen (§ 2) und dafür keine Niederlassung in Österreich zu haben (§ 5) und sich in dieser Hinsicht auch nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen zu können (vgl § 373a GewO), sowie
2.) ohne Gewerbeberechtigung nach der Gewerbeordnung Verkehrsdienstleistungen anzubieten, also im konkreten Kontext zu vermitteln (§ 126 Abs 1 Z 2 GewO).
Der erste Teil des Sicherungsbegehrens, der sich auf das Gelegenheitsverkehrsgesetz bezieht, ist nicht berechtigt. Berechtigt ist aber der zweite Teil des Unterlassungsbegehrens, wobei im Sinn einer Verdeutlichung des Spruchs das Wort „anzubieten“ durch das Wort „zu vermitteln“ zu ersetzen ist. In diesem berechtigten Teil des Unterlassungsbegehrens wird die Verletzungshandlung klar angesprochen und auch klar ausgedrückt, was die Beklagte zu unterlassen hat. Insoweit ist das Sicherungsbegehren nicht zu weit gefasst.
4. Zur Verhältnismäßigkeit des Unterlassungsgebots:
4.1 Dazu führt die Beklagte aus, dass die erlassene gerichtliche Maßnahme unverhältnismäßig sei, weil es im Anlassfall keine relevanten Auswirkungen auf den Wettbewerb gäbe und die einstweilige Verfügung nicht nur die Beklagte, sondern auch die Partnerunternehmen unverhältnismäßig schädige.
4.2 Da die von der Beklagten vermittelten UBER‑Fahrten ohne ihr Vermittlungssystem nicht, jedenfalls nicht in rentabler Weise erbracht werden könnten, bestehen auch relevante Auswirkungen auf den Wettbewerb. Die hier getroffene Sicherungsmaßnahme ist zudem auch deshalb nicht unverhältnismäßig, weil die Beklagte den ihr angelasteten Gesetzesverstoß gegen die Gewerbeordnung leicht beheben kann.
5. Zur Leistungsfrist:
5.1 Dazu steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass für die ihr auferlegte Unterlassungspflicht eine Leistungsfrist zu gewähren sei, weil es sich beim Erwerb der erforderlichen Gewerbeberechtigung um ein positives Tun handle.
5.2 Nach § 409 Abs 2 ZPO kann der Richter auch bei Unterlassungsklagen eine angemessene Leistungsfrist festlegen, wenn die Unterlassungspflicht ein positives Tun (zB Beseitigung) oder die Pflicht zur Änderung eines Zustands (zB Änderung der AGB im Zusammenhang mit einem Verbot, sich auf alte AGB zu berufen) einschließt (RS0041265; 4 Ob 58/18k). Demgegenüber ist nach der Rechtsprechung bei einer reinen Unterlassungsverpflichtung keine Leistungsfrist zu bestimmen (RS0041260).
5.3 Lauterkeitsrechtliche Unterlassungsgebote werden in der Regel als reine Unterlassungsverpflichtungen qualifiziert. Auch im Anlassfall lautet die titelmäßige Verpflichtung der Beklagten nur dahin, die Verletzungshandlung abzustellen. Es liegt in ihrem Belieben, den Gesetzesverstoß zu beseitigen und ihre Tätigkeit auf eine gesetzeskonforme Basis zu stellen.
6. Zum Befreiungsbetrag:
6.1 Dazu meint die Beklagte, dass die Festsetzung eines Befreiungsbetrags denkbar sei, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Dabei sei zu beachten, dass das ihr angelastete Verhalten keine relevante Auswirkung auf den Wettbewerb habe.
6.2 Bei einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche kommt nach ständiger Rechtsprechung die Festsetzung eines Befreiungsbetrags nach § 391 Abs 1 EO nicht in Betracht. Grund dafür ist, dass ein Geldbetrag den Kläger in der Regel nicht ausreichend sichert, weil es schwierig ist, den durch lauterkeitswidriges Handeln verursachten Schaden nachzuweisen. Der Kläger ist daher regelmäßig nur dann ausreichend gesichert, wenn das beanstandete Verhalten verboten wird (4 Ob 201/03t mwN).
6.3 Auch im gegebenen Zusammenhang haben die Vorinstanzen zutreffend beurteilt, dass die Festsetzung eines Befreiungsbetrags im Anlassfall nicht in Betracht kommt. Abermals ist der Beklagten in ihrer Einschätzung nicht zu folgen, dass das beanstandete Verhalten keine relevanten Auswirkungen auf den Wettbewerb habe.
7. Zur Sicherheitsleistung:
7.1 Zur Höhe der Sicherheitsleistung steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass der durch die vorübergehende Einstellung ihrer Tätigkeit und die von ihr zu setzenden Handlungen verursachte Schaden weit über 200.000 EUR liege, zumal die Erlangung der erforderlichen Gewerbeberechtigung zwei bis drei Monate in Anspruch nehme.
7.2 Auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs kann das Gericht die Bewilligung der einstweiligen Verfügung dann von einer angemessenen Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nach den Umständen des Falls Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe der einstweiligen Verfügung in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestehen. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe eine Sicherheit aufzuerlegen ist, erfordert eine Abwägung zwischen dem Sicherungsbedürfnis der gefährdeten Partei und der Schwere des Eingriffs in die Sphäre des Gegners (RS0005711; 4 Ob 209/15m). Eine Sicherheit kann insbesondere dann angebracht sein, wenn der maßgebende Sachverhalt mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht verlässlich geklärt werden kann oder wenn die unionsrechtsbedingte Unanwendbarkeit einer Norm von tatsächlichen Umständen abhängt, die ebenfalls erst im Hauptverfahren geklärt werden können. In die Interessenabwägung ist auch die Wahrscheinlichkeit einzubeziehen, dass sich im Hauptverfahren das Nichtbestehen des zu sichernden Anspruchs ergibt. Je höher diese Wahrscheinlichkeit ist, umso eher ist eine Sicherheit aufzuerlegen (4 Ob 271/16f).
7.3 Die unionsrechtliche Beurteilung zum Vorliegen einer Verkehrsdienstleistung, die die Berufung der Beklagten auf die Dienstleistungsfreiheit und auf das Herkunftslandprinzip ausschließt, kann ausgehend von der Judikatur des EuGH als weitgehend gesichert angesehen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Hauptverfahren das Nichtbestehen des zu sichernden Anspruchs ergibt, ist daher als nicht besonders groß einzuschätzen. Außerdem bezieht sich die von der Klägerin schon früher erlegte Sicherheitsleistung – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht auf ein anderes Verfahren, sodass der Klägerin im Anlassverfahren bereits insgesamt 400.000 EUR an Sicherheitsleistung auferlegt wurden. Davon abgesehen ist den Vorinstanzen bei Ausmittlung der Höhe der Sicherheitsleistung grundsätzlich ein großer Beurteilungsspielraum zuzuerkennen. Ausgehend von diesen Überlegungen erscheint die von den Vorinstanzen der Klägerin nach Ausdehnung des Unterlassungsbegehrens auferlegte Sicherheitsleistung von weiteren 200.000 EUR als durchaus angemessen.
8. Ergebnis:
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass der erste Teil des Sicherungsbegehrens, der sich auf eine fehlende Konzession samt Niederlassung nach dem Gelegenheitsverkehrsgesetz bezieht, nicht berechtigt ist. Demgegenüber haben die Vorinstanzen die einstweilige Verfügung in Bezug auf den zweiten Teil des Sicherungsbegehrens, das die fehlende österreichische Gewerbeberechtigung der Beklagten für die Vermittlung von Personenbeförderungs-Dienstleistungen zum Gegenstand hat, zu Recht erlassen, wobei der Oberste Gerichtshof dieses Unterlassungsgebot – nach dem Rechtsschutzziel und dem Vorbringen der Klägerin – geringfügig modifiziert hat (Ersetzung des Wortes „anzubieten“ durch „vermitteln“).
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin im Sicherungsverfahren beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten (Aufteilung laut Kostenverzeichnis ON 35; Rekurs ON 46; Revisionsrekurs ON 58), auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43, 40 ZPO. Die Klägerin hat im Anlassfall (ON 31) zwei Sicherungsbegehren erhoben und diese jeweils mit 31.000 EUR bewertet. Die Parteien haben im Sicherungsverfahren daher zu gleichen Teilen obsiegt. Hinsichtlich der Vertretungskosten der Beklagten war zu beachten, dass die Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Klienten nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterliegen (RS0114955). Ob und in welcher Höhe die Beklagte für die erbrachten anwaltlichen Leistungen in den Niederlanden eine Umsatzsteuer abzuführen hat, bedarf keiner näheren Prüfung (vgl 4 Ob 59/14a).
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