European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00271.16F.0503.000
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagte Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.
Begründung:
Der Kläger ist ein nicht auf Gewinn ausgerichteter Verein, dem unter anderem Gastgewerbetreibende aus Wien und Niederösterreich angehören. Sein Zweck ist nach den Statuten unter anderem der Schutz seiner Mitglieder vor unlauterem Wettbewerb durch Umgehung von gesetzlichen Bestimmungen im Bereich der Gastronomie. Insbesondere verfolgt der Kläger Verstöße gegen Nichtraucherschutzbestimmungen.
Die Beklagte betreibt einen Gastronomiebetrieb mit mehreren unterschiedlich genutzten Räumen. Im größten, unmittelbar am Eingang gelegenen Raum (339 m², 106 Sitzplätze) mit mehreren getrennten Bereichen (Bar, Pizzeria, Irish-Pub, Billard-Café) wird geraucht. Zwei weitere Räume sind Nichtraucherräume. Der größere dieser Räume (77 m², 72 Sitzplätze) wird als – überregional bekanntes – Restaurant genutzt; Gäste können aber auch im Raucherraum Speisen bestellen und konsumieren. Die Tür zu diesem Raum steht länger offen, als zum Durchgehen notwendig ist, wodurch Rauch aus dem Raucherbereich eindringt. Der kleinere Raum (26 m², 44 Sitzplätze) war ursprünglich ein Besprechungszimmer, er wird erst seit einem nicht feststellbaren Zeitpunkt ebenfalls als Gastraum für Nichtraucher genutzt. Im Jahr 2014 betrugen die Umsatzerlöse im Lokal 915.930 EUR, davon 333.384 EUR bei Speisen. Das Verhältnis zwischen den Umsätzen im Raucher- und im Nichtraucherbereich konnte nicht festgestellt werden.
Aufgrund eines mit einer Unterlassungsklage verbundenen Sicherungsantrags des Klägers untersagten die Vorinstanzen der Beklagten mit einstweiliger Verfügung, das Rauchen in ihrem Lokal entgegen § 13a TabakG (nunmehr TNRSG) zu gestatten und/oder zuzulassen, insbesondere das Lokal so in einen Raucher- und einen Nichtraucherbereich zu unterteilen, dass der Raucherbereich den Hauptraum umfasst und/oder sich im Raucherbereich mehr als die Hälfte aller Verabreichungsplätze befinden. Sie qualifizierten den Raucherraum als „Hauptraum“ iSv § 13a Abs 2 TabakG (TNRSG) und nahmen an, dass sich dort vor Inbetriebnahme des zweiten Nichtraucherraumes entgegen der genannten Bestimmung auch mehr als die Hälfte der Verabreichungsplätze befunden hätten; insofern sei die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen.
Das vom Rekursgericht bestätigte Verbot blieb von der Beklagten unbekämpft. Strittig ist im Revisionsrekursverfahren ausschließlich die Auferlegung und Höhe einer Sicherheitsleistung.
Die Beklagte hatte beantragt, dem Kläger für den Fall einer einstweiligen Verfügung eine Sicherheitsleistung von 100.000 EUR aufzuerlegen. Bei einjähriger Verfahrensdauer sei „aufgrund der vorgelegten Umsatzzahlen“ mit einem Verlust in dieser Höhe zu rechnen. Ohne erhebliche Umbauarbeiten sei die Einhaltung des Unterlassungsgebots nicht möglich, weil das Restaurant zugrunde ginge, wenn darin das Rauchen gestattet würde; es könne auch nicht in den derzeitigen Raucherbereich verlegt werden. Umgekehrt sei es auch nicht möglich, Billardtische aus dem Raucherbereich in den flächenmäßig kleineren Nichtraucherbereich zu verlegen. Die einstweilige Verfügung zerstöre das Geschäftsmodell der Beklagten, weil ein absolutes Rauchverbot im gesamten Lokal undenkbar sei. Der Raucherbereich verkaufe sich als Irish Pub, in dem Zigarren angeboten würden und „in entspannter Atmosphäre geraucht“ werden dürfe.
Der Kläger sprach sich gegen eine Sicherheitsleistung aus. Die Beklagte müsse zum gesetzmäßigen Betrieb ihres Lokals keine Umbaumaßnahmen vornehmen. Es genüge, wenn sie ihren derzeitigen Raucher- und Nichtraucherbereich gegengleich deklariere und dafür Sorge trage, dass die Tür zwischen den Bereichen – außer beim Hindurchgehen – geschlossen sei. Sie könne auch das gesamte Lokal als Nichtraucherlokal führen.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung. Die Beklagte habe gegen § 13a TabakG verstoßen. Eine Sicherheitsleistung sei nicht erforderlich, weil der Beklagten nur das Dulden des Rauchens im Hauptraum untersagt werde. Der Betrieb des Lokals werde dadurch nicht gehindert.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung, machte jedoch deren weiteren Vollzug vom Erlag einer Sicherheit von 50.000 EUR abhängig. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Zwar habe der Kläger den Anspruch ausreichend bescheinigt. Nach § 390 Abs 2 EO sei die einstweilige Verfügung aber trotzdem vom Erlag einer Sicherheit abhängig zu machen, wenn gegen ihre Erlassung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestünden, wenn also erheblich in dessen Geschäftstätigkeit eingegriffen werde. So könne etwa das Verbot des Betreibens von Spielautomaten gravierend in die Geschäftstätigkeit eines „Automatencafés“ eingreifen, weil es in diesem Fall auf der Hand liege, dass der Umsatz im Kern davon abhänge, ob dort gespielt werden könne oder nicht. Durch die Sicherheitsleistung werde in solchen Fällen die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt. Die Sicherheit sei nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzulegen. Im konkreten Fall sei zwar kein Umbau des Lokals erforderlich, da ein Rauchverbot im Hauptraum ausreiche. Es sei jedoch plausibel, dass ein solches Verbot zu Umsatzeinbußen führe, weil in Lokalbereichen, die nicht primär als Speiselokal geführt würden, ein nicht unerheblicher Anteil der Gäste daran interessiert sei, neben dem Konsum von Getränken auch zu rauchen. Allerdings werde nach dem Vorbringen der Beklagten der überwiegende Teil des Umsatzes ohnehin im (Nichtraucher-)Restaurant erzielt. Das Geschäftsmodell der Beklagten, das durch die Verbindung mehrerer gastronomischer Konzepte charakterisiert sei, werde daher durch einen auf den derzeitigen Raucherbereich beschränkten Umsatzrückgang nicht vernichtet; zudem stehe die einstweilige Verfügung der Einrichtung eines (anderen) Raucherraumes nicht entgegen. Auf dieser Grundlage sei nur eine Sicherheitsleistung von 50.000 EUR angemessen. Da die einstweilige Verfügung bereits durch Zustellung der Entscheidung des Erstgerichts in Vollzug gesetzt worden sei, sei der Auftrag zum Erlag der Sicherheitsleistung zu befristen und das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung von der Einhaltung der Frist abhängig zu machen.
Gegen die Auferlegung der Sicherheitsleistung richtet sich ein außerordentlicher Revisionsrekurs des Klägers. Er macht geltend, dass – anders als in den vom Rekursgericht genannten Fällen des Verstoßes gegen glücksspielrechtliche Bestimmungen, in denen vergleichbar hohe Sicherheitsleistungen auferlegt worden seien – die einstweilige Verfügung das Geschäftsmodell der Beklagten nicht zerstöre und auch keine Zweifel am rechtlichen Bestand der Verbotsnorm bestünden. Daher gebe es keinen Grund für eine Sicherheitsleistung.
Die Beklagte beantragt in der Rechtsmittelbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Ihr Geschäftsmodell werde tatsächlich zerstört, weil es auf der Möglichkeit beruhe, im Barbereich zu rauchen. Zumindest hinsichtlich des zweiten Teils des Verbots (mehr als die Hälfte der Verabreichungsplätze im Raucherbereich) sei eine Änderung der Sachverhaltsgrundlage im Hauptverfahren möglich, weil dort nachgewiesen werden könne, dass der (kleinere) Nichtraucherraum zugleich mit einer entsprechenden Erhöhung der Plätze im Raucherraum in Betrieb genommen worden sei; insofern habe es daher nie einen Verstoß gegeben, der Wiederholungsgefahr begründen könnte. Zudem werde sich im Hauptverfahren auch ergeben, dass es sich beim Raucherraum nicht um den „Hauptraum“ handle.
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 390 Abs 2 EO kann das Gericht den Vollzug einer einstweiligen Verfügung auch bei Bescheinigung des Anspruchs „nach Lage der Umstände“ vom Erlag einer Sicherheit abhängig machen.
1.1. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe eine Sicherheit aufzuerlegen ist, erfordert eine Abwägung zwischen dem Sicherungsbedürfnis der gefährdeten Partei und der Schwere des Eingriffs in die Rechtssphäre des Gegners (4 Ob 333/73; RIS-Justiz RS0005711, zuletzt etwa 4 Ob 18/17a). Dabei ist der Zweck der Sicherheit zu beachten: Sie soll dem Gegner einen Befriedigungsfonds für den Fall schaffen, dass sich die einstweilige Verfügung letztlich als unberechtigt erweist ( König , Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren 4 Rz 5/2; G. Kodek in Burgstaller/Deixler-Hübner , EO, § 390 Rz 90; 4 Ob 395/87 mwN; zuletzt 4 Ob 18/17a). In die Interessenabwägung ist daher – neben dem Sicherungsbedürfnis und der Schwere des Eingriffs – die Wahrscheinlichkeit einzubeziehen, dass sich im Hauptverfahren das Nichtbestehen des zu sichernden Anspruchs ergibt (4 Ob 145/14y, Landesausspielung mwN; RIS-Justiz RS0005711 [T7]; zuletzt etwa 4 Ob 18/17a). Je höher diese Wahrscheinlichkeit ist, umso eher ist eine Sicherheit aufzuerlegen, je geringer, umso eher nicht.
1.2. Auf dieser Grundlage hat der Senat in Sachen des gewerblichen Rechtsschutzes eine Sicherheit vor allem dann für angebracht gehalten, wenn der maßgebende Sachverhalt mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht verlässlich geklärt werden kann und daher eine abweichende Entscheidung im Hauptverfahren wenn schon nicht wahrscheinlich, so doch bei realistischer Betrachtung möglich erscheint. Das trifft etwa zu, wenn die Rechtsbeständigkeit eines Patents strittig ist, was erst im Hauptverfahren abschließend beurteilt werden kann (17 Ob 26/08k, Pantoprazol ; 17 Ob 24/09t, Nebivolol ), oder wenn im Hauptverfahren aus anderen Gründen ein Gutachten eingeholt werden muss (4 Ob 249/98s, Laura II ). Ausnahmsweise kann sich eine solche Situation auch dann ergeben, wenn die unionsrechtsbedingte Unanwendbarkeit einer Norm – wie im Bereich des Glücksspielmonopols (4 Ob 145/14y, Landesausspielung ; vgl zuletzt aber 4 Ob 18/17a) – von tatsächlichen Umständen abhängt, die ebenfalls erst im Hauptverfahren geklärt werden können.
1.3. Ist hingegen die Sachverhaltsgrundlage unstrittig oder aufgrund des Bescheinigungsverfahrens in einer Weise geklärt, dass abweichende Feststellungen im Hauptverfahren praktisch ausgeschlossen sind, so kann– jedenfalls im gewerblichen Rechtsschutz mit der dort typischen Parallelität der Unterlassungsbegehren im Sicherungs- und im Hauptverfahren – der Anspruch im Allgemeinen schon im Sicherungsverfahren abschließend beurteilt werden. Das wird die Auferlegung einer Sicherheit jedenfalls bei eindeutiger oder bereits in Parallelverfahren geklärter Rechtslage regelmäßig ausschließen (4 Ob 395/87; RIS-Justiz RS0005453 [T7]; zuletzt 4 Ob 18/17a). Insbesondere wird das Sicherungsinteresse im Regelfall wegfallen, wenn der Oberste Gerichtshof im Sicherungsverfahren abschließend entscheidet (4 Ob 395/87, 4 Ob 234/03w).
1.4. Demgegenüber ist die Auferlegung einer Sicherheit durch die Vorinstanzen auch bei unstrittiger oder geklärter Sachlage nicht ausgeschlossen, wenn die Rechtslage – vor deren abschließender Klärung im Sicherungsverfahren – (noch) unsicher ist. Allerdings trägt der Gegner der gefährdeten Partei in diesem Fall nur das Risiko, dass die einstweilige Verfügung sofort vollstreckbar ist, obwohl sie im Instanzenzug aus rechtlichen Gründen beseitigt werden könnte. Die Gefahr einer abweichenden Entscheidung im Hauptverfahren, die zumindest im Regelfall Grundlage für die Auferlegung einer Sicherheit ist, besteht demgegenüber nicht. Der Sicherstellungsbedarf besteht daher nur bis zum Abschluss des Provisorialverfahrens. Aus diesem Grund können die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei systemkonform auch dadurch berücksichtigt werden, dass dem Rekurs oder dem ordentlichen Revisionsrekurs gegen die einstweilige Verfügung aufschiebende Wirkung zuerkannt (§ 524 ZPO iVm §§ 78, 402 EO) oder die Exekution aufgrund der einstweiligen Verfügung wegen eines dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurses aufgeschoben wird (§§ 42 Abs 1 Z 2a, 44 Abs 3 EO; vgl 4 Ob 140/98m). Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch im Anwendungsbereich des § 524 ZPO das Interesse des Rekurswerbers an der Hemmung der Vollstreckbarkeit mit jenem der Gegenseite an der sofortigen Durchsetzung abzuwägen ist ( E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 524 Rz 2; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 524 Rz 12), wobei eine Sicherheit in diesem Fall unter Umständen vom Gegner zu erlegen wäre. Das Auferlegen einer Sicherheit nach § 390 Abs 2 EO ist daher im hier erörterten Fall auch bei schwerwiegenden Eingriffen in die Sphäre des Gegners nicht zwingend geboten.
2. Auf dieser Grundlage fehlen im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Auferlegung einer Sicherheit.
2.1. Es besteht kein Zweifel, dass es sich beim Raucherraum aufgrund der (unstrittigen) Größe, Lage und Zahl der Verabreichungsplätze um den „Hauptraum“ im Lokal der Beklagten handelt. Daher darf die Beklagte das Rauchen in diesem Raum nicht gestatten (§ 13a Abs 2 Satz 2, 1. Alternative, iVm § 13c Abs 1 lit c TNRSG). Zwar könnte sich im Hauptverfahren ergeben, dass die Zahl der Plätze im Raucherraum erst erhöht wurde, als die Beklagte auch den kleineren Nichtraucherraum in Betrieb nahm. In diesem Fall hätte die Beklagte zwar nicht gegen § 13a Abs 2 Satz 2, 2. Alternative, TNRSG (nicht mehr Plätze im Raucherraum als im übrigen Lokal) verstoßen, was zu einer entsprechenden Einschränkung des Unterlassungsgebots führen müsste. An der Unzulässigkeit des Rauchens im „Hauptraum“ änderte sich jedoch nichts. Die Beklagte bliebe daher weiterhin verpflichtet, dort für die Einhaltung des Rauchverbots zu sorgen.
2.2. Die Wahrscheinlichkeit einer den Unterlassungsanspruch verneinenden Entscheidung im Hauptverfahren ist daher, anders als in den vom Rekursgericht zur Begründung der Sicherheitsleistung herangezogenen glücksspielrechtlichen Entscheidungen, sehr gering. Auch wenn die Einhaltung der Nichtraucherschutzbestimmungen– trotz der Möglichkeit, das Rauchen im kleinsten Gastraum zu gestatten, was den Restaurantbetrieb im zweitgrößten Raum nicht beeinträchtigte – mit einem Umsatzverlust verbunden sein könnte, besteht daher kein Anlass, die einstweilige Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
3. Aus diesen Gründen hat der Revisionsrekurs Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird. Damit entfällt der vom Rekursgericht erteilte Auftrag zum Erlag einer Sicherheit; die einstweilige Verfügung wird mit Zustellung der vorliegenden Entscheidung (wieder) vollstreckbar.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO.
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