OGH 4Ob145/14y

OGH4Ob145/14y21.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** GmbH, *****, 2. S***** K*****, beide vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.900 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 7. Juli 2014, GZ 3 R 118/14i‑12, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 30. Mai 2014, GZ 1 Cg 70/14f‑4, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung wird bestätigt. Sie wird jedoch unwirksam, wenn die klagende Partei nicht binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Sicherheitsleistung von 50.000 EUR beim Erstgericht erlegt.

Die beklagten Parteien haben die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen. Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin verfügt über eine Bewilligung der oberösterreichischen Landesregierung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der „Landesausspielung“ mit Automaten. Die erstbeklagte Gesellschaft betreibt ein Café in Linz, die Zweitbeklagte ist ihre Geschäftsführerin. Beide haben keine Bewilligung für den Betrieb von Glücksspielautomaten. Dennoch sind im Lokal der Erstbeklagten zehn solche Geräte aufgestellt. Jedenfalls bei einem davon hängen Gewinn oder Verlust ausschließlich vom Zufall ab. Das Spiel wird als Ausspielung durchgeführt, wobei der Spieler den Einsatz pro Spiel mit mindestens 20 Cent und höchstens 10,50 EUR festlegen kann. Der Sachverhalt weist keinen Auslandsbezug auf.

Zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,

Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere im Cafe V*****, solange sie oder der Dritte, dem sie die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglichen, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügen.

Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da die Beklagten über keine solche Bewilligung verfügten, betrieben sie ein illegales Glücksspiel. Dadurch verstießen sie auch gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).

Die Beklagten wenden ein, das Glücksspielgesetz sei unanwendbar, weil das Glücksspielmonopol aus näher dargestellten Gründen unionsrechtswidrig sei. Darauf könnten sich auch die Beklagten wegen der verfassungsrechtlich verbotenen Inländerdiskriminierung (Art 7 B‑VG) berufen. Eine Ungleichbehandlung von Inländern und Angehörigen anderer Mitgliedstaaten bedürfe einer hier nicht erkennbaren sachlichen Rechtfertigung. Jedenfalls sei die Rechtsansicht der Beklagten vertretbar; daher bestehe kein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Zwar betrieben die Beklagten illegal elektronische Lotterien nach § 12a Abs 1 GlSpG. Die Beklagten könnten sich aber vertretbar auf die Ansicht berufen, das Monopol verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit. Der Oberste Gerichtshof habe sich seit der Entscheidung 2 Ob 243/12t noch nicht dazu geäußert, ob das Monopol tatsächlich unionsrechtswidrig sei. Daher fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung. Hingegen habe das oö LVerwG das Glücksspielmonopol ausdrücklich für unionsrechtswidrig erkannt.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Beklagten betrieben jedenfalls keine „Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten". Denn insofern bestünden nach § 5 Abs 5 GlSpG Höchstgrenzen für den Einsatz, die hier überschritten würden. Die Ausspielungen der Beklagten fielen daher nach § 3 GlSpG unter das Glücksspielmonopol des Bundes. Da die Erstbeklagte unstrittig keine Konzession nach § 14 GlSpG habe, sei ihre Ausspielung nach § 2 Abs 4 GlSpG verboten. Zwar halte es der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 243/12t für möglich, dass das Glücksspielmonopol gegen die Dienstleistungsfreiheit des Primärrechts verstoße. Die Dienstleistungsfreiheit erfasse allerdings nur Sachverhalte mit einem transnationalen Element; auf rein innerstaatliches Handeln seien die Art 56 ff AEUV nicht anzuwenden. Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze stehe nach Art 89 Abs 1 B‑VG den Gerichten nicht zu. Der Verfassungsgerichtshof messe die Diskriminierung von Inländern gegenüber Ausländern am Gleichheitssatz. Er habe zum Glücksspielgesetz bereits klargestellt, dass auf dieser Grundlage gegen die zahlenmäßige Beschränkung der Konzession sowie das Erfordernis eines Mindestkapitals keine Bedenken bestünden. Außerdem brächten die Beklagten nicht substanziiert vor, dass sie die Voraussetzungen erfüllten, um in einem anderen Mitgliedstaat der Union legal das Glücksspiel (Ausspielungen) anbieten zu können. Es bestehe daher kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagten innerstaatlich gegenüber dem Unionsrecht benachteiligt würden. Eine Sicherheitsleistung sei nicht aufzutragen, weil die einstweilige Verfügung nicht schwerwiegend in die Rechtssphäre der Beklagen eingreife; der Oberste Gerichtshof habe in vergleichbaren Fällen einstweilige Verfügungen ohne Sicherheitsleistungen toleriert. Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil bereits einschlägige höchstgerichtliche Entscheidungen vorlägen.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs stützen sich die Beklagten ausschließlich darauf, dass sie (zumindest) in vertretbarer Weise annehmen durften, zum beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein. Das österreichische Glücksspielmonopol sei nach den Vorgaben der Entscheidung C‑390/12, Pfleger , unionsrechtswidrig. Daher dürften Angehörige anderer Mitgliedstaaten in Österreich Glücksspiele veranstalten; das Glücksspielgesetz sei insofern wegen des Vorrangs des Unionsrechts unanwendbar. Dieses Verbot für Inländer aufrecht zu erhalten, sei eine nach Art 7 B‑VG unzulässige Inländerdiskriminierung. Das Glücksspielgesetz sei daher auch in reinen Inlandsfällen nicht anwendbar. Dies habe das oö LVerwG in mehreren Entscheidungen festgehalten.

Ein derartiges Vorbringen wird erstmals an den Obersten Gerichtshof herangetragen. In den bisher entschiedenen Fällen hatten sich die beklagten Glücksspielbetreiber ausschließlich auf die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols berufen.

Die Klägerin hält dem Rechtsmittel entgegen, dass unionsrechtliche Erwägungen in einem reinen Inlandssachverhalt unerheblich seien. Insofern sei die Rechtslage durch mehrere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs geklärt. Zudem sei das österreichische Glücksspielmonopol ohnehin nicht unionsrechtswidrig, weswegen sich auch die Frage einer Inländerdiskriminierung nicht stelle.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil die Rechtslage einer Klarstellung bedarf. Er ist aber nicht berechtigt.

1. Ausgangspunkt für die Beurteilung des hier geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs ist die von den Parteien nicht bestrittene Rechtsprechung des Senats zur Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“. Danach ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (4 Ob 225/07d = SZ 2008/32 - Wiener Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123239). Maßgebend für die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (4 Ob 225/07b ‑ Wiener Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0077771 [T76]; zuletzt etwa 4 Ob 20/13i = wbl 2013, 418 - Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte; 4 Ob 166/13k = ÖBl‑LS 2014/13 ‑ Bleaching).

2. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Beklagten gegen das Glücksspielgesetz verstoßen haben. Sie berufen sich allerdings darauf, dass sie in vertretbarer Weise annehmen durften, das österreichische Gesetz sei wegen Unionsrechtswidrigkeit und Inländerdiskriminierung nicht anwendbar. Mit diesem Einwand dringen sie schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht durch.

2.1. Die Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung“ durch Rechtsbruch beruht, wie der Senat schon in 4 Ob 225/07b (Wiener Stadtrundfahrten) ausgeführt hat, im Kern auf dem lauterkeitsrechtlichen Ordnungskonzept, das die „Gleichheit der rechtlichen Ausgangslage der Wettbewerber untereinander postulieren muss“. Zur Maßgeblichkeit der Vertretbarkeit jener Rechtsansicht, die dem beanstandeten Verhalten zugrunde lag, hat der Senat in dieser Entscheidung Folgendes erwogen:

„[Es] ist aber die Frage zu stellen, ob von den Marktteilnehmern tatsächlich verlangt werden kann, sich im Zweifel immer nach der für sie nachteiligsten (strengsten) Auslegung eines Gesetzes zu richten. Denn das wäre der Fall, unterstellte man dem Unlauterkeitsbegriff des § 1 Abs 1 Z 1 UWG von vornherein jede Verletzung eines Gesetzes, die in Zweifelsfällen immer erst ex post in behördlichen Verfahren festgestellt werden kann. Die Funktion des Lauterkeitsrechts verlangt diese Schärfe nicht: Denn gleiche Rahmenbedingungen für das wirtschaftliche Handeln sind auch dann gegeben, wenn sich alle Marktteilnehmer an eine vertretbare Auslegung der für ihr Handeln maßgebenden Normen halten. Im Gegenteil: Die Maßgeblichkeit der jeweils strengsten Auslegung beeinträchtigte die für einen funktionierenden Leistungswettbewerb charakteristische Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer in einer Weise, die über das zur Sicherung gleicher Wettbewerbsbedingungen Notwendige hinausginge. Der Funktion des Lauterkeitsrechts entspricht es daher viel eher, nicht unmittelbar am ‑ ex post ‑ ermittelten „richtigen" Inhalt der verletzten Norm anzuknüpfen, sondern das spezifisch lauterkeitsrechtliche Unwerturteil nicht nur auf die Eignung zur Wettbewerbsverzerrung, sondern auch auf die Unvertretbarkeit der jeweiligen Gesetzesauslegung zu gründen.“

2.2. Der Vertretbarkeitsstandard dient daher dazu, das Postulat der gleichen Rahmenbedingungen für alle Wettbewerber und deren für den Leistungswettbewerb charakteristische Handlungsfreiheit in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. Diese Zielsetzung schließt es aus, diesen Standard auch auf die Frage anzuwenden, ob eine (eindeutig) verletzte Norm im konkreten Fall gegen Unionsrecht oder höherrangiges nationales Recht (insb Verfassungsrecht) verstößt, wobei Ersteres zur Unanwendbarkeit führte und Zweiteres ‑ in welchem Verfahren auch immer ‑ vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmen wäre. Denn die Anwendbarkeit bzw Geltung von staatlichen Normen, die in einem ordnungsgemäßen Verfahren erzeugt wurden, ist grundsätzlich zu vermuten. Dem Rechtsverletzer auch in diesem Punkt den Einwand des vertretbaren Zweifels zu gewähren würde die Gewährleistung gleicher Rahmenbedingungen für alle Wettbewerber entscheidend schwächen. Ein den Werten des Rechtsstaats verbundener Wettbewerber mag sich zwar über Normen hinwegsetzen, von deren Unanwendbarkeit oder Verfassungswidrigkeit er überzeugt ist; er wird aber nicht schon bei bloßen (wenn auch begründeten) Zweifeln an der Unionsrechts- oder Verfassungskonformität so handeln. Daraus folgt, dass er auch aus lauterkeitsrechtlicher Sicht das Risiko tragen muss, dass die zuständigen Gerichte ‑ allenfalls nach Durchführung eines Zwischenverfahrens (EuGH, VfGH) ‑ die Anwendbarkeit und/oder Geltung der übertretenen Norm bejahen und daher wegen des Normverstoßes (auch) einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht annehmen.

2.3. Dem belangten Mitbewerber ist daher der Einwand verwehrt, er habe mit guten Gründen die Unions- oder Verfassungswidrigkeit der von ihm übertretenen Norm annehmen können. Diese Frage ist vielmehr im lauterkeitsrechtlichen Verfahren zu prüfen. Dabei ist zu unterscheiden: Kommt das Gericht ‑ allenfalls nach Befassung des EuGH ‑ zur Überzeugung, dass die übertretene Norm wegen Unionsrechtswidrigkeit im konkreten Fall unanwendbar ist, wird es die Klage mangels Rechtsbruchs abweisen. Hat es hingegen Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder an der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung, ist ihm eine eigenständige Prüfung nach Art 89 B‑VG verwehrt. Daher wird es die übertretene Norm nach Art 139 oder 140 B‑VG beim Verfassungsgerichtshof anfechten und dann gegebenenfalls aufgrund der bereinigten Rechtslage entscheiden. Teilt der Verfassungsgerichtshof die Bedenken des Gerichts, wird das ebenfalls zur Abweisung der Klage führen. Ab 1. Jänner 2015 steht dem in Anspruch genommenen Mitbewerber zudem der Parteiantrag auf Normenkontrolle iSv Art 139 Abs 1 Z 4 oder Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG idF der Nov BGBl I 114/2013 zur Verfügung.

2.4. Im konkreten Fall ist daher zu prüfen, ob der Einwand der Beklagten, das Glücksspielmonopol sei unionsrechts- und/oder verfassungswidrig, in der Sache zutrifft. Auf die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

3. Auf Unionsrechtswidrigkeit können sich die Beklagten nicht (unmittelbar) berufen.

Der Senat hat bereits ausgeführt, dass die Dienstleistungsfreiheit des Primärrechts nur Sachverhalte mit einem transnationalen Element erfasst (4 Ob 43/14y, 4 Ob 86/14x; Budischowsky in Mayer / Stöger [Hrsg] EUV/AEUV, Art 56, 57 AEUV [2011] Rz 11 mwN). Dieser Auffassung liegt auch der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zugrunde. Denn er sah ein Vorabentscheidungsersuchen zum Verhältnis zwischen Dienstleistungsfreiheit und nationalem Glücksspielrecht in einem reinen Binnensachverhalt in erster Linie deswegen als zulässig an, weil das „nationale Recht vorschreibt, das einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaat in der gleichen Lage kraft Unionsrechts zustünden“ (C‑470/11, SIA Garkalns). Daraus ist abzuleiten, dass ein Inländer nicht unmittelbar durch die Dienstleistungsfreiheit geschützt ist. Vielmehr ist der allfällige Verstoß einer nationalen Regelung gegen das Primärrecht in diesem Fall Vorfrage für die nach nationalem (Verfassungs-)Recht zu beurteilende Frage, ob ein Inländer durch die weitere Anwendung der nationalen Regelung faktisch schlechter behandelt werden darf als ein EU-Ausländer, der sich auf die Nichtanwendbarkeit berufen kann.

4. Denkbar wäre im gegeben Zusammenhang daher nur eine Verfassungswidrigkeit wegen Vorliegens einer unzulässigen Inländerdiskriminierung.

4.1. Im österreichischen Recht widerspricht es im Regelfall dem Gleichheitsgrundsatz, österreichische Staatsbürger gegenüber Ausländern ohne sachliche Rechtfertigung zu benachteiligen (VfGH G 22/92, VfSlg 13.084; V 76/97 und V 92/97, VfSlg 14.963). Diesen Gedanken hat der Verfassungsgerichtshof auch auf die „Inländerdiskriminierung“ im Zusammenhang mit Normen des Gemeinschaftsrechts übertragen (B 592/96, VfSlg 14.863; V 76/97 und V 92/97, VfSlg 14.963; G 42/99 ua, VfSlg 15.683). Wenn es dabei auch nicht um Diskriminierungen nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft geht, sondern um die Benachteiligung rein innerstaatlicher Sachverhalte gegenüber Sachverhalten mit Unionsbezug, so sind inländische Staatsbürger davon doch meist besonders betroffen (G 110/03, VfSlg 17.150).

4.2. Nachdem sich der VfGH zunächst auf Fälle bezogen hatte, in denen bereits die österreichischen Normen zwischen rein innerstaatlichen Sachverhalten und solchen mit Unionsbezug differenzierten, erstreckte er seine Rechtsprechung in weiterer Folge auch auf Konstellationen, in denen erst der Anwendungsvorrang des Unionsrechts die Differenzierung zwischen Binnen- und Unionssachverhalten erkennen ließ (G 110/03, VfSlg 17.150; ebenso im Ergebnis G 41/10 ua, VfSlg 19.529): Verstoße eine Bestimmung des nationalen Rechts gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht, dann werde sie in Fällen mit Unionsbezug verdrängt. Die nationalen Normen seien dann (bei Unionsbezug) so zu lesen, als ob die verdrängte Bestimmung nicht vorhanden wäre; es ist also der unionsrechtskonforme nationale Regelungstorso anzuwenden. In allen anderen Fällen sei die nationale Norm hingegen in ihrer Gesamtheit anzuwenden. Vergleiche man die nationale Norm mit dem (durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts entstandenen) nationalen Regelungstorso, werde eine Ungleichbehandlung ersichtlich, und es sei daher zu prüfen, ob nicht Sachverhalte ohne Unionsbezug im Verhältnis zu jenen mit einem solchen Bezug diskriminiert würden.

4.3. Zuletzt hat der VfGH allerdings festgehalten, dass eine unionsrechtsbedingte Inländerdiskriminierung für einen gewissen Zeitraum hinzunehmen sei, wenn durch eine für mehrere Anlassfälle wirksam werdende Aufhebung der nationalen Norm ein „gesetzliches Vakuum“ entstünde, das öffentlichen Interessen zuwiderlaufe; etwa weil Bewilligungen erteilt werden müssten, die sowohl nach dem alten Recht als auch nach einer unionsrechtskonformen Neuregelung unzulässig wären (G 41/10 ua, VfSlg 19.529). In einem solchen Fall müsse dem Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt werden, die durch eine Entscheidung des EuGH „bewirkte“ Inländerdiskriminierung durch eine unionsrechtskonforme Neuregelung zu beseitigen. Vor Ablauf einer insofern angemessenen Frist sei keine Verfassungswidrigkeit der nationalen Norm anzunehmen.

4.4. Fragwürdig sind auf dieser Grundlage die im Rechtsmittel genannten Entscheidungen des oö LVerwG (LVwG-410269/6/Gf/Rt; LVwG-410285/4/Gf/Rt; LVwG‑410353/2/Gf/Rt ua), wonach aus der von diesem Gericht angenommenen Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes auch in reinen Binnenfällen deren Nichtanwendbarkeit abzuleiten sei. Wären die Bestimmungen tatsächlich unionsrechtswidrig und daher in Fällen mit Unionsbezug unanwendbar, müsste eine dadurch bewirkte Inländerdiskriminierung vielmehr durch einen Gesetzesprüfungsantrag nach Art 140 B-VG oder eine Beschwerde nach Art 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden. Im lauterkeitsrechtlichen Verfahren kommt nach derzeit geltendem Recht nur ein Gesetzesprüfungsantrag in Betracht.

5. Im Sicherungsverfahren ist kein solcher Gesetzesprüfungsantrag zu stellen.

5.1. Grundlage für die mögliche Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols ‑ die allenfalls eine verfassungsrechtlich unzulässige Inländerdiskriminierung bewirken könnte ‑ ist im konkreten Fall die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-390/12 , Pfleger . Danach ist Art 56 AEUV

„dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, sofern diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.“

Damit macht der EuGH die (unionsrechtliche) Zulässigkeit des Glücksspielmonopols nicht nur von der Zielsetzung des Gesetzgebers, sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der Regelungen abhängig. Der Staat hat dabei dem Gericht alle Umstände „darzulegen“, anhand deren „dieses Gericht sich vergewissern kann“, dass diese Bedingungen erfüllt sind. Die Vorlage einer empirischen Untersuchung sei aber nicht zwingend erforderlich.

5.2. Eine verfassungswidrige Inländerdiskriminierung setzte voraus, dass das Glücksspielmonopol in Fällen mit Unionsrechtsbezug aufgrund der dargestellten Entscheidung des EuGH tatsächlich unanwendbar wäre. Denn dann wären österreichische Unternehmer, die vergleichbare Dienstleistungen im Inland erbringen wollen, gegenüber Unternehmern aus anderen Mitgliedstaaten der Union ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt. Anders als in den bisher vom Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fällen ergäbe sich die Unionsrechtswidrigkeit allerdings nicht unmittelbar aus einem Urteil des EuGH, sondern aus der Anwendung der von diesem vorgegebenen Grundsätze auf das nationale Recht. Das rechtfertigt aber keine andere Behandlung einer möglichen Inländerdiskriminierung. Denn zum einen sind es immer nationale Behörden, die unionsrechtswidriges nationales Recht unangewendet lassen; eine Vorabentscheidung des EuGH dient in diesem Zusammenhang immer nur der Klarstellung der unionsrechtlichen Rechtslage. Nicht die Entscheidung des EuGH „bewirkt“ daher die Unanwendbarkeit nationalen Rechts, maßgebend ist vielmehr dessen objektive Unvereinbarkeit mit unmittelbar anwendbarem Unionsrecht, die von nationalen Behörden ‑ ob ohne oder nach Befassung des EuGH ‑ wahrzunehmen ist. Zum anderen ist es für inländische Unternehmer aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes unerheblich, ob sich ihre Schlechterstellung gegenüber EU-Ausländern unmittelbar aus einer Entscheidung des EuGH oder aus der Wahrnehmung der Unanwendbarkeit durch nationale Behörden ergibt.

5.3. Vor einer allfälligen Anfechtung nach Art 140 B-VG ist daher vorfrageweise zu beurteilen, ob die konkrete Ausgestaltung des österreichischen Glücksspielmonopols tatsächlich unionsrechtswidrig ist. Denn nur in diesem Fall stellte sich überhaupt die Frage einer verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung. In einem weiteren Schritt wäre dann ‑ allerdings wohl vom Verfassungsgerichtshof ‑ zu prüfen, ob eine solche Inländerdiskriminierung für einen Übergangszeitraum hingenommen werden könnte, um dem nationalen Gesetzgeber die unionsrechtskonforme Ausgestaltung des Glücksspielrechts zu ermöglichen.

5.4. Wie oben dargestellt, hängt die Unionsrechswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols auch von tatsächlichen Umständen ab. Daher sind vor einer allfälligen Anfechtung Feststellungen zu den tatsächlichen Wirkungen der österreichischen Regelungen zu treffen. Die Rechtslage unterscheidet sich insofern im Ausgangspunkt nicht von jener, die schon dem Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs im Verfahren 2 Ob 243/12t (= MR 2014, 42 ‑ Online Roulette) zugrunde lag. Denn auch dort wurden dem Erstgericht Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen für die Unionsrechtskonformität des Glücksspielmonopols aufgetragen. Allerdings war in diesem Verfahren ein Sachverhalt mit Unionsbezug zu beurteilen, weswegen bei Annahme von Unionsrechtswidrigkeit keine Befassung des Verfassungsgerichtshofs notwendig wäre. Im vorliegenden Fall müsste demgegenüber ein Gericht, das aufgrund der dazu getroffenen Feststellungen Unionsrechtswidrigkeit annimmt und daher wegen Inländerdiskriminierung Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des in Binnenfällen weiterhin anwendbaren Glücksspielmonopols hätte, einen Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof stellen.

5.5. Ein solcher Antrag erfordert nach den Vorgaben des EuGH gesicherte Feststellungen zur Frage, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols iSd Entscheidung Pfleger „wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und [...] tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“. Das Sicherungsverfahren ist wegen der auch den Gegner der gefährdeten Partei treffenden Beschränkung auf parate Bescheinigungsmittel (RIS-Justiz RS0005418) nicht geeignet, solche Feststellungen zu treffen. Vielmehr ist diese Frage im (ohnehin schon anhängigen) Hauptverfahren zu prüfen. Die Beklagten werden dort ein konkretes, mit einem Beweisanbot verbundenes Vorbringen zu erstatten haben, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände sie eine Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols und damit eine letztlich vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmende Inländerdiskriminierung annehmen. Alternativ oder ergänzend dazu wird es ihnen ab Jänner 2015 freistehen, die Frage der Verfassungswidrigkeit selbst mit einem Parteiantrag auf Normenkontrolle an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

6. Aus diesen Gründen ist die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung zu bestätigen. Allerdings ist der (weitere) Vollzug von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

6.1. Eine einstweilige Verfügung ist nach § 390 Abs 2 EO nach dem Ermessen des Gerichts trotz Bescheinigung des Anspruchs vom Erlag einer Sicherheit abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen (RIS‑Justiz RS0005711; zuletzt etwa 17 Ob 26/08k = ÖBl 2009, 191 [ Schultes ] ‑ Pantoprazol, und 17 Ob 24/09t = SZ 2009/154 ‑ Nebivolol). In die Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (17 Ob 26/08k ‑ Pantoprazol; 17 Ob 24/09t ‑ Nebivolol [jeweils Rechtsbeständigkeit eines Patents]).

6.2. Im vorliegenden Verfahren ist ein Erfolg der Beklagten im Hauptverfahren nicht auszuschließen, weil sich dort auf der Tatsachenebene ausreichende Gründe für eine Unionsrechts- und damit Verfassungswidrigkeit der konkreten Ausgestaltung des Glücksspielmonopols ergeben könnten. Das Verbot des Betreibens von Spielautomaten greift gravierend in die Geschäftstätigkeit der Beklagten ein; es liegt auf der Hand, dass der Umsatz von „Automatencafés“ im Kern davon abhängt, ob dort tatsächlich gespielt werden kann oder nicht. Die einstweilige Verfügung vernichtet daher das Geschäftsmodell der Beklagten. Unter diesen Umständen ist die einstweilige Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

6.3. Die Bestimmung der Höhe einer Sicherheit liegt im Ermessen des Gerichts; es bedarf dazu keiner besonderen Erhebungen über die mögliche Höhe eines dem Beklagten eventuell drohenden Schadens (1 Ob 201/02v; RIS‑Justiz RS0005711 [T3]). Im vorliegenden Fall ist das Vorbringen der Beklagten plausibel, dass bei einer (absehbaren) Verfahrensdauer von zwei Jahren durch den Entgang des Entgelts für das Aufstellen der Automaten und den Ausfall der spielbedingten Konsumationen ein Schaden von 50.000 EUR entstehen könnte. Der Klägerin ist der Erlag einer Sicherheit in dieser Höhe aufzutragen.

6.4. Da die einstweilige Verfügung bereits durch Zustellung der Rekursentscheidung in Vollzug gesetzt wurde, ist dieser Auftrag zu befristen und das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung von der Einhaltung der Frist abhängig zu machen (17 Ob 24/09t ‑ Nebivolol mwN).

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 2, 50 ZPO. Der geringfügige Abwehrerfolg der Beklagten durch Auferlegung einer Sicherheitsleistung fällt kostenrechtlich nicht ins Gewicht (4 Ob 290/02d; 17 Ob 24/09t).

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