VfGH V76/97,V92/97

VfGHV76/97,V92/97V76/97,V92/977.10.1997

Gesetzwidrigkeit einer Regelung der EWR-NachsichtsV betreffend Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für Staatsangehörige von EWR-Mitgliedstaaten bei Absolvierung einer einschlägigen fachlichen Tätigkeit in leitender Position im Ausland; keine sachliche Rechtfertigung für eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger im Hinblick auf die Nachsicht vom Befähigungsnachweis als EWR-Bürger anderer Staatsangehörigkeit

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Staatsangehörigkeit
B-VG Art18 Abs2
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EWR-NachsichtsV, BGBl 775/1993 §1
EWR-NachsichtsV, BGBl 775/1993 §6 Abs1
GewO 1994 §373c
B-VG Art7 Abs1 / Staatsangehörigkeit
B-VG Art18 Abs2
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EWR-NachsichtsV, BGBl 775/1993 §1
EWR-NachsichtsV, BGBl 775/1993 §6 Abs1
GewO 1994 §373c

 

Spruch:

Im Einleitungssatz des §6 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. Nr. 775/1993, wird das Wort "anderen" als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. Oktober 1995 anhängig, mit dem einem österreichischen Staatsbürger die unter Hinweis auf §6 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. 775/1993, (künftig: EWR-NachsichtsV) beantragte Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises zur Ausübung des Reisebürogewerbes gemäß §124 Z17 GewO 1994 versagt worden war, weil die für die Nachsichtserteilung nach §6 der Verordnung erforderliche fachliche Tätigkeit nicht, wie dort vorgesehen, in einem anderen EWR-Mitgliedstaat, sondern in Österreich erbracht worden sei.

Bei Behandlung der gegen diesen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten, vom Verfassungsgerichtshof vorläufig für zulässig angesehenen Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit jener Formulierung in §6 Abs1 der EWR-NachsichtsV entstanden, die als Voraussetzung für die Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis verlangt, daß der Nachsichtswerber die Absolvierung fachlicher Tätigkeiten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat nachweist. Es scheine nämlich, daß die damit zum Ausdruck kommende Differenzierung zwischen der Absolvierung einschlägiger fachlicher Tätigkeiten in Österreich einerseits und in einem anderen EWR-Staat andererseits keine Grundlage im Gesetz finde. Der Gerichtshof hat daher beschlossen, das diese Differenzierung bewirkende Wort "anderen" im Einleitungssatz des ersten Absatzes des §6 der zitierten Verordnung auf seine Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

2. Des weiteren stellte der Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß einer bei ihm anhängigen Beschwerde den Antrag, das vom Verfassungsgerichtshof in dem soeben genannten Prüfungsbeschluß in Prüfung gezogene Wort als gesetzwidrig aufzuheben. Diese Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit dem einem italienischen Staatsangehörigen unter Hinweis auf §6 EWR-NachsichtsV die beantragte Nachsicht vom Befähigungsnachweis versagt wurde, weil der Antragsteller die für die Nachsichtserteilung erforderliche einschlägige fachliche Tätigkeit nicht in Italien, sondern in Österreich absolviert hat.

Der Verwaltungsgerichtshof legt dar, daß der das angefochtene Wort enthaltende Einleitungssatz von ihm bei Behandlung der bei ihm anhängigen Beschwerde anzuwenden wäre und schließt sich in der Sache den vom Verfassungsgerichtshof geäußerten Bedenken an.

3. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat die Verordnungsakten vorgelegt und Äußerungen erstattet, in denen er den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt, von einer Antragstellung im Verordnungsprüfungsverfahren aber absieht.

Der Beschwerdeführer des Anlaßverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof hat eine Äußerung erstattet und auf jene des Bundesministers repliziert.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. a) Die Gewerbeordnung sieht als Voraussetzung für die zulässige Gewerbeausübung in einer Reihe von Fällen vor, daß der Gewerbetreibende oder in bestimmten Fällen ein gewerberechtlicher Geschäftsführer den Nachweis der Befähigung zur Ausübung des Gewerbes erbringt. In seiner Entscheidung VfSlg. 13094/1992 hat der Verfassungsgerichtshof dargetan, daß es im öffentlichen Interesse liegt, einen gewissen Standard fachlicher Leistungen zu sichern und zu diesem Zweck den Nachweis entsprechender Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu verlangen. Er hat dabei die Zulässigkeit der Standardisierung von Ausbildungsgängen und Prüfungsanforderungen, die das Befähigungsnachweissystem des Gewerberechts insgesamt prägt, nicht in Zweifel gezogen, jedoch betont, daß angesichts dieser Standardisierung Nachsichtsregelungen vorhanden sein müssen, die die Ausübung eines Gewerbes auch dann ermöglichen, wenn zwar der standardisierte Befähigungsnachweis nicht erbracht wird, aber auf andere Weise sichergestellt ist, daß die notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für die Gewerbeausübung vorhanden sind.

Solche Nachsichtsregeln enthält zunächst §28 GewO 1994. Diese Bestimmung, die auf die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. 29/1993, zurückgeht, sieht zwei Arten der Nachsichtserteilung vom Befähigungsnachweis vor: Zum einen (§28 Abs1 Z1 leg.cit.) ist die Nachsicht zu erteilen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, die "volle Befähigung", besitze, zum anderen besteht die Möglichkeit der Nachsichtserteilung aus dem in §28 Abs1 Z2 leg.cit. genannten Grund der hinreichenden tatsächlichen Befähigung. Hiebei muß dargetan sein, daß der Nachsichtswerber nach seiner bisherigen Betätigung immerhin über soviel Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, wie erforderlich ist, um Leistungen zu erbringen, die in der Regel von Inhabern des entsprechenden Gewerbes verlangt werden.

Ebenfalls durch die Gewerberechtsnovelle 1992 wurde schließlich eine weitere Möglichkeit der Nachsichtserteilung eingeführt: Einem Staatsangehörigen eines EWR-Mitgliedstaates ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis auch zu erteilen, wenn der Nachsichtswerber die in einer Verordnung (, durch die die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien für diesen Bereich umgesetzt werden können,) festgelegten Voraussetzungen erfüllt. Die Regelung dieses Wegs der Nachsicht vom Befähigungsnachweis enthält §373c GewO 1994, der in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1996, BGBl. I 10/1997, folgendermaßen lautete:

"§373 c. (1) Die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis ist einem Staatsangehörigen einer EWR-Vertragspartei auch zu erteilen, wenn dieser die in einer Verordnung gemäß Abs4 bis 6 festgelegten Nachsichtsvoraussetzungen erfüllt und keine Ausschlußgründe gemäß §13 vorliegen.

(2) Durch die Verordnungen gemäß Abs4 bis 6 werden die Anerkennungsregelungen der auf Grund des EWR-Abkommens geltenden Richtlinien des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in der durch das EWR-Abkommen rezipierten Fassung, soweit von diesen in diesem Bundesgesetz geregelte Tätigkeiten erfaßt sind, umgesetzt. Die genannten Anerkennungsregelungen sind in den in der Anlage zu diesem Bundesgesetz bezeichneten Richtlinien enthalten.

(3) Das Vorliegen der Nachsichtsvoraussetzungen ist nach Maßgabe der Anerkennungsregelungen der im Abs2 genannten Richtlinien durch Belege der folgenden Art nachzuweisen:

  1. a) Zeugnis über eine einschlägige fachliche selbständige Tätigkeit,

  1. b) Zeugnis über eine einschlägige fachliche Tätigkeit in leitender Stellung,

  1. c) Zeugnis über eine einschlägige fachliche unselbständige Tätigkeit anderer Art,

d) Zeugnis über eine einschlägige Ausbildung,

  1. e) Eignungs- oder Befähigungsnachweis für die

    betreffende Tätigkeit.

(4) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat nach Maßgabe der Anerkennungsregelungen der im Abs2 genannten Richtlinien durch Verordnung festzulegen, durch welche der im Abs3 bezeichneten Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Nachsicht vom Erfordernis des Befähigungsnachweises für bestimmte Gewerbe nachzuweisen ist; in dieser Verordnung ist auch die Dauer einer vorgesehenen einschlägigen fachlichen Tätigkeit (Abs3 lita bis c) festzulegen.

(5) In einer Verordnung gemäß Abs4 kann nach Maßgabe der Anerkennungsregelungen der im Abs2 genannten Richtlinien hinsichtlich der im Abs3 lita bis c genannten fachlichen Tätigkeiten auch bestimmt werden, daß diese nur anzurechnen sind, wenn sie der Nachsichtswerber jedenfalls bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Antragstellung auf Nachsichtserteilung ausgeübt hat. Weiters kann nach Maßgabe der Anerkennungsregelungen der im Abs2 genannten Richtlinien festgelegt werden, daß Tätigkeiten gemäß Abs3 lita bis c nur insoweit anzurechnen sind, als der Nachsichtswerber diese nach Vollendung eines bestimmten Lebensalters ausgeübt hat.

(6) In einer Verordnung gemäß Abs4 kann die Erteilung der Nachsicht nach Maßgabe der Anerkennungsregelungen der im Abs2 genannten Richtlinien davon abhängig gemacht werden, daß der Nachsichtswerber die Übereinstimmung der von ihm ausgeübten fachlichen Tätigkeit (Abs3 lita bis c) mit den wesentlichen Berufsmerkmalen desjenigen Gewerbes, hinsichtlich dessen die Nachsichtserteilung beantragt wird, nachweist.

(7) Für Nachsichtserteilungen gemäß Abs1 ist der Landeshauptmann zuständig."

b) In Durchführung dieser Bestimmungen erließ der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die EWR-NachsichtsV, deren für die Anlaßbeschwerdeverfahren maßgebliche §§1 und 6 folgendermaßen lauten (das in Prüfung genommene Wort im Einleitungssatz des §6 Abs1 ist hervorgehoben):

"§1. Die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis ist einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Mitgliedstaat) unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der §§28 Abs3 und 346 Abs3 und 4 GewO 1973 auch unter den in den §§2 bis 11 festgelegten Voraussetzungen zu erteilen, wenn keine Ausschlußgründe gemäß §13 GewO 1973 vorliegen."

"§6. (1) Zur Ausübung des Gewerbes der Reisebüros (§126 Z23 GewO 1973) ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn der Nachsichtswerber durch Zeugnisse die Absolvierung folgender fachlicher Tätigkeiten (§22 Abs2 GewO 1973) in einem anderen EWR-Mitgliedstaat nachweist:

1. Ununterbrochene sechsjährige Tätigkeit als Selbständiger oder in leitender Stellung (Abs3), oder

2. ununterbrochene dreijährige Tätigkeit als Selbständiger oder in leitender Stellung (Abs3), nachdem der Nachsichtswerber eine mindestens dreijährige staatlich anerkannte Ausbildung für die Ausübung des betreffenden Gewerbes absolviert hat, oder

3. ununterbrochene vierjährige Tätigkeit als Selbständiger oder in leitender Stellung (Abs3), nachdem der Nachsichtswerber eine mindestens zweijährige staatlich anerkannte Ausbildung für die Ausübung des betreffenden Gewerbes absolviert hat, oder

4. ununterbrochene dreijährige Tätigkeit als Selbständiger oder in leitender Stellung (Abs3) und fünfjährige Tätigkeit als Unselbständiger, oder

5. ununterbrochene fünfjährige Tätigkeit als Unselbständiger, nachdem der Nachsichtswerber eine mindestens dreijährige staatlich anerkannte Ausbildung für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit absolviert hat, oder

6. ununterbrochene sechsjährige Tätigkeit als Unselbständiger, nachdem der Nachsichtswerber eine mindestens zweijährige staatlich anerkannte Ausbildung für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit absolviert hat.

(2) Die im Abs1 Z1 und 4 geregelten Tätigkeiten dürfen vom Zeitpunkt des Einlangens des Antrages auf Nachsichtserteilung an gerechnet nicht vor mehr als zehn Jahren beendet worden sein.

(3) Als Tätigkeit in leitender Stellung (Abs1 Z1 bis 4) gilt eine Tätigkeit

1. als Leiter des Unternehmens, oder

  1. 2. als Stellvertreter des Unternehmers, oder des Leiters des Unternehmens, oder als Leiter einer Zweigniederlassung, wenn mit dieser Stellung eine Verantwortung verbunden ist, die der des vertretenen Unternehmers oder Leiters entspricht, oder

  1. 3. in leitender Stellung mit kaufmännischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens."

c) Durch die Gewerberechtsnovelle 1996, BGBl. I 10/97, die ihrem ArtIV zufolge rückwirkend mit 1. Juli 1996 in Kraft trat, wurde §373c GewO 1994 teilweise novelliert:

§373c Abs1 lautet nunmehr:

"(1) Die Anerkennung der den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis ersetzenden Qualifikation eines Staatsangehörigen einer EWR-Vertragspartei ist vom Landeshauptmann durch Bescheid auszusprechen, wenn der betreffende EWR-Staatsangehörige die in einer Verordnung gemäß Abs4 bis 6 festgelegten Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt und keine Ausschlußgründe gemäß §13 vorliegen."

In §373c Abs3 wurde das Wort "Nachsichtsvoraussetzungen" durch das Wort "Anerkennungsvoraussetzungen" ersetzt.

§373c Abs4 lautet in der Fassung der Novelle:

"(4) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat nach Maßgabe der Anerkennungsregelungen der im Abs2 genannten Richtlinien durch Verordnung festzulegen, durch welche der im Abs3 bezeichneten Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung der den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis ersetzenden Qualifikation für bestimmte Gewerbe nachzuweisen ist; in dieser Verordnung ist auch die Dauer einer vorgesehenen einschlägigen fachlichen Tätigkeit (Abs3 lita bis c) festzulegen."

In §373c Abs5 und 6 wurden das Wort "Nachsichtswerber" jeweils durch das Wort "Anerkennungswerber", das Wort "Nachsichtserteilung" durch das Wort "Anerkennung" und die Worte "Erteilung der Nachsicht" durch das Wort "Anerkennung" ersetzt.

§373c Abs7 wurde ersatzlos aufgehoben.

2. Die Verfahren sind zulässig.

Im Prüfungsbeschluß ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig von der Zulässigkeit der bei ihm anhängigen Beschwerde aus und nahm an, daß er bei Prüfung des Bescheides, der sich explizit und der Sache nach auf §6 der EWR-NachsichtsV stützen dürfte, den Einleitungssatz dieser Bestimmung anzuwenden hätte, sodaß das in Prüfung genommene Wort dieses Einleitungssatzes präjudiziell sein dürfte. Im Verfahren ist weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, daß eine dieser Annahmen nicht zuträfe. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist das zu V76/97 protokollierte Verfahren zulässig.

Auch hinsichtlich der Zulässigkeit des vom Verwaltungsgerichtshofes gestellten, zu V92/97 protokollierten Antrags sind im Verfahren Zweifel nicht entstanden.

3. a) Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Einleitungsbeschluß in Übereinstimmung mit den Prozeßparteien des Beschwerdeverfahrens davon aus, daß der Ausdruck "Staatsangehörige einer EWR-Vertragspartei" in den §§373a ff. GewO 1994 österreichische Staatsbürger und Staatsangehörige anderer EWR-Vertragsstaaten umfasse. Dafür spreche zunächst schon der Wortlaut der Bestimmung; eine diesen reduzierende Interpretation dürfte zudem mit dem Gleichheitsgrundsatz der österreichischen Verfassung in Widerspruch gelangen, da sie für Angehörige von EWR-Vertragsstaaten, die nicht österreichische Staatsbürger sind, erleichtert die Möglichkeit zur Erlangung einer Nachsicht vom Nachweis der Befähigung schaffen würde. Eine solche Inländerdiskriminierung dürfte aber mit dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung dann nicht in Einklang stehen, wenn sich für die Schlechterstellung der österreichischen Staatsbürger gegenüber Angehörigen anderer Staaten eine sachliche Rechtfertigung nicht finden läßt (Hinweis auf VfSlg. 13084/1992 und auf Heinz Peter Rill, Das Gewerberecht: Grundfragen, Grundsätze und Standort im Rechtssystem, in: Korinek (Hrsg.), Gewerberecht, Grundfragen der GewO 1994 in Einzelbeiträgen, 1995, 30 f.); worin in concreto eine solche Rechtfertigung liegen könnte, könne der Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht erkennen.

Weiters nahm der Verfassungsgerichtshof an, daß auch die Bestimmungen der EWR-NachsichtsV in diesem Sinn - und daher insoweit in Übereinstimmung mit ihrer gesetzlichen Grundlage - für alle Staatsangehörigen eines EWR-Mitgliedstaates, sohin auch für österreichische Staatsbürger gelten dürften.

Der Verwaltungsgerichtshof schloß sich diesen Annahmen des Prüfungsbeschlusses an.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten trat der eben dargelegten Auffassung nicht entgegen. Auch sonst ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß die Prämisse des Prüfungsbeschlusses zutrifft, daß unter dem Ausdruck "Staatsangehörige einer EWR-Vertragspartei" in §373c GewO 1994 und unter dem Ausdruck "Staatsangehörige eines EWR-Mitgliedstaates" in §1 EWR-NachsichtsV österreichische Staatsbürger und Staatsangehörige anderer EWR-Mitgliedstaaten zu verstehen sind.

b) Nach dem Einleitungssatz des ersten Absatzes des §6 der EWR-NachsichtsV ist die Nachsicht vom Befähigungsnachweis zur Ausübung des Gewerbes der Reisebüros zu erteilen, wenn der Nachsichtswerber durch Zeugnisse die Absolvierung bestimmter, in den Ziffern 1 bis 6 dieses Absatzes aufgezählter fachlicher Tätigkeiten "in einem anderen EWR-Mitgliedstaat" nachweist.

Der Verfassungsgerichtshof ging im Einleitungsbeschluß davon aus, daß durch das Wort "anderen" im Einleitungssatz des §6 Abs1 der EWR-NachsichtsV zum Ausdruck gebracht wird, daß die in den Z1 bis 6 genannten Tätigkeiten in irgendeinem EWR-Staat mit Ausnahme Österreichs absolviert sein müssen, also u.a. auch im Heimatstaat eines nicht österreichischen EWR-Bürgers absolviert sein können. Nur die Absolvierung in Österreich scheine nicht geeignet zu sein, die Nachsichtsvoraussetzungen zu erfüllen. Auch diesbezüglich folgte der Verwaltungsgerichtshof der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nahm zu dieser für die Beurteilung wesentlichen Frage nicht explizit Stellung. Aus seiner Äußerung geht jedoch hervor, daß er sich über die Bedeutung des Begriffs "anderen" im Einleitungssatz des §6 Abs1 der EWR-NachsichtsV nicht im klaren ist. In dieser Äußerung wird nämlich nach dem Hinweis, daß die Regelung der §§373a bis 373i GewO 1994 "in jedem Fall einen gewissen Auslandsbezug voraussetze", folgendes ausgeführt:

"Dieser (erg: Auslandsbezug) kann nun (und wird in der Regel) darin bestehen, daß ein EWR-Ausländer beabsichtigt, sich in Österreich niederzulassen (nach Österreich Dienstleistungen zu erbringen) und zu diesem Zweck Belege über einschlägige Tätigkeiten bzw. Ausbildungen in seinem Heimatstaat beibringt. Weiters ist der Fall denkbar, daß ein EWR-Ausländer eine Niederlassung in Österreich (die Erbringung von Dienstleistungen in Österreich) anstrebt und zu diesem Zweck Belege über einschlägige Tätigkeiten bzw. Ausbildungen in einem anderen EWR-Staat (anderen EWR-Staaten) als seinem Heimatstaat beibringt. Dieser 'andere' EWR-Staat kann durchaus auch Österreich sein. Schließlich kommt der Fall in Betracht, daß ein Österreicher (EWR-Staatsangehöriger) eine Niederlassung in Österreich begründen oder Dienstleistungen über die Grenze nach Österreich erbringen will, der eine Ausbildung und/oder berufliche Tätigkeit im EWR-Ausland erworben hat. In den genannten Fällen finden die Bestimmungen der §§373a bis 373i GewO 1994 und der gemäß §373 c Abs2 erlassenen Verordnungen, durch die die in den in der Anlage zu dieser Bestimmung bezeichneten Richtlinien enthaltenen Anerkennungsregelungen umgesetzt werden, Anwendung. Die genannten Bestimmungen finden jedoch keine Anwendung, wenn ein Österreicher (obgleich EWR-Staatsangehöriger) seine Ausbildung in Österreich erworben und seine Berufstätigkeit in Österreich absolviert hat, da in diesem Fall der konkrete Auslandsbezug fehlt."

Damit mißt der Bundesminister dem Ausdruck "anderen" zwei unterschiedliche Bedeutungen bei: In der ersten und dritten der von ihm genannten Fallkonstellationen wird der Ausdruck "anderer EWR-Mitgliedstaat" in dem Sinn verstanden, den ihm im Prüfungsbeschluß auch der Verfassungsgerichtshof (und in dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid auch der Bundesminister) beimaß, nämlich in der Bedeutung: jeder EWR-Mitgliedstaat außer Österreich; in der zweiten vom Bundesminister genannten Fallkonstellation versteht der Bundesminister hingegen den Ausdruck "anderer EWR-Mitgliedstaat" als einen vom Heimatstaat des an der Nachsicht interessierten Ausländers verschiedenen Staat und meint - anders als in der Begründung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides -, daß auch Österreich ein derartiger "anderer EWR-Mitgliedstaat" sein könne. Nun verbietet sich aber eine Auslegung des in Prüfung genommenen Begriffs, die diesem je nach Fallkonstellation einen anderen Gehalt zumißt. Es ist daher zunächst zu klären, welchen Inhalt der Begriff "anderer EWR-Mitgliedstaat" hat: Ist damit jeder EWR-Mitgliedstaat außer Österreich gemeint oder jeder EWR-Mitgliedstaat außer dem Heimatstaat des Nachsichtswerbers?

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes kann der Begriff nicht in dem zuletzt genannten Sinn verstanden werden. Denn diesfalls könnte ein Nachsichtswerber eines bestimmten EWR-Mitgliedstaates, der die Absolvierung einschlägiger fachlicher Tätigkeiten in seinem Heimatstaat nachzuweisen vermag, nicht in den Genuß der Nachsichtsregel kommen, eine Konsequenz, die die Bestimmung in Widerspruch zum Diskriminierungsverbot (Art6 EGV) brächte. Aber auch Argumente einer subjektiven Interpretation stehen einem solchen Verständnis des Wortes "anderen" entgegen, ist es doch auszuschließen, daß der Verordnungsgeber eine Vorschrift diesen Inhalts erlassen wollte, weil er damit den Hauptanwendungsfall der Nachsichtsregel ausgeschaltet hätte.

Damit hat sich die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes bestätigt, daß unter dem Begriff "anderer EWR-Mitgliedstaat" jeder EWR-Mitgliedstaat außer Österreich gemeint ist.

c) aa) Unter dieser Prämisse hegte der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß das Bedenken, es sei sachlich nicht gerechtfertigt, EWR-Bürger (seien sie nun österreichische Staatsbürger oder Staatsangehörige anderer EWR-Mitgliedstaaten) nur dann in den Genuß der Möglichkeit zur Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Reisebüros nach §6 EWR NachsichtsV kommen zu lassen, wenn sie die Absolvierung der (in den Z1 bis 6 des Abs1 dieser Bestimmung angeführten) fachlichen Tätigkeiten im Ausland nachweisen können, nicht aber solchen EWR-Bürgern, die diese Tätigkeiten in Österreich absolviert haben. Der Verfassungsgerichtshof führte hiezu im Einleitungsbeschluß aus:

"Weder ermächtigt die genannte Gesetzesvorschrift den Verordnungsgeber explizit zu einer derartigen Differenzierung, noch dürfte es zulässig sein, der Gesetzesbestimmung eine solche Bedeutung zuzumessen. Von der belangten Behörde wird im verfassungsgerichtlichen Verfahren für eine solche Interpretation ins Treffen geführt, daß §373c GewO 1994 im Sinne gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben eine erleichterte Nachsicht nur für Fälle einer grenzüberschreitenden Inanspruchnahme der durch den EGV gewährleisteten Freizügigkeit ermöglichen wolle. Diese Argumentation dürfte übersehen, daß der Gesetzgeber auch bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts jedenfalls insofern an bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben gebunden bleibt, als eine Umsetzung durch diese nicht inhibiert wird, was in der Lehre als 'doppelte Bindung' des Gesetzgebers bei Umsetzung von Gemeinschaftsrecht bezeichnet wird (vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht2, 1995, 86). Die vom Bundesminister erwogene und der Erlassung der Verordnung offenkundig zugrundegelegte Interpretation scheint aber mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar zu sein, da sie jene Nachsichtswerber begünstigen dürfte, die eine entsprechende fachliche Tätigkeit in einem anderen EWR-Vertragsstaat nachweisen können. Es dürfte - wie die Beschwerde anscheinend zu Recht releviert - sachlich nicht gerechtfertigt werden können, daß jene Nachsichtswerber, die die in §6 der EWR-NachsichtsV angeführten Tätigkeiten in einem anderen EWR-Staat ausgeübt haben, Anspruch auf die Erteilung der angestrebten Nachsicht haben, während diejenigen (österreichischen Staatsbürger und Staatsangehörigen anderer EWR-Vertragsstaaten), die die gleiche Tätigkeit in Österreich ausgeübt haben, einen solchen Anspruch nicht erwerben. Dem Verfassungsgerichtshof ist vorläufig kein sachlicher Grund für eine derartige Differenzierung ersichtlich. Es dürfte daher das Gebot der verfassungskonformen Interpretation der Möglichkeit entgegenstehen, der Gesetzesvorschrift den vom Verordnungsgeber angenommenen Gesetzesinhalt beizumessen."

bb) Diesen Bedenken trat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nicht entgegen. Er meint jedoch unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des VI. Hauptstücks der Gewerbeordnung über EWR-Anpassungsmaßnahmen, daß die Regelung nur auf Fälle Anwendung finden dürfe, die "einen gewissen Auslandsbezug" hätten.

Eine solche interpretative Reduktion des Normgehalts verbietet sich jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen. Denn sie führte zu eben jenem vom Gleichheitsgrundsatz verpönten Ergebnis, nach dem österreichische Staatsbürger im Hinblick auf die Möglichkeit der Erlangung einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis durch einschlägige fachliche Tätigkeiten in leitender Position ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt würden als EWR-Bürger ohne österreichische Staatsbürgerschaft.

Der Verfassungsgerichtshof hat schon in seiner bisherigen Judikatur den Standpunkt eingenommen, es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, österreichische Staatsbürger gegenüber Ausländern ohne sachliche Rechtfertigung zu benachteiligen (vgl. insbesondere VfSlg. 13084/1992 und VfGH 17.6.1997, B592/96 (beide mwH)). Auch in der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, daß der Gleichheitsgrundsatz eine Benachteiligung österreichischer Staatsbürger gegenüber anderen EWR-Bürgern, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht gegeben werden kann, verbietet: vgl. den Stand der Lehre zusammenfassend Gerhard Baumgartner, EU-Mitgliedschaft und Grundrechtsschutz, 1997, 208 ff., sowie insbesondere Peter Knobl, Inländerdiskriminierung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: FS Rill, 1995, 293 ff. (320 ff.), und Heinz Peter Rill (aaO, 30 f.), der dies im Zusammenhang mit gewerberechtlichen Fragestellungen überzeugend begründet hat:

"In diesem Zusammenhang stellt sich naturgemäß vor allen anderen grundrechtlichen Erwägungen die Frage, ob der Gleichheitsgrundsatz als Maßstab heranzuziehen ist. Art7 Abs1 B-VG garantiert nach heute unbestrittener Auffassung allen österreichischen Staatsangehörigen Gleichheit vor dem Gesetz sowie Gleichheit im Gesetz. Der Gesetzgeber darf zwischen Staatsangehörigen nur aus sachlichen Gründen differenzieren und zwischen Staatsangehörigen bestehende Unterschiede nicht unsachlicherweise ignorieren. Bei der Inländerdiskriminierung geht es aber nicht um eine unsachliche Behandlung nur der eigenen Staatsangehörigen, Inländerdiskriminierung meint hier Benachteiligung der österreichischen Staatsangehörigen gegenüber Personen, die nicht diese Staatsangehörigkeit besitzen. Es wäre indes verfehlt, unter Berufung auf den 'klaren Wortsinn' von Art7 Abs1 B-VG die Meinung zu vertreten, Art7 Abs1 sei auf die Inländerdiskriminierung nicht anwendbar. Art7 Abs1 B-VG gebiete nur eine Gleichbehandlung der Staatsangehörigen im Verhältnis zueinander. Soweit nicht andere Bestimmungen der Bundesverfassung gebieten, auch Staatsangehörige gegenüber Nichtstaatsangehörigen nicht zu benachteiligen oder Staatsangehörige und Nichtstaatsangehörige gleichzubehandeln (Hinweis auf das BVG betreffend das Verbot rassischer Diskriminierung, das Eigentumsgrundrecht als Jedermannsrecht und andere Jedermannsrechte), stehe es dem Gesetzgeber frei, österreichische Staatsangehörige ohne sachliche Rechtfertigung zu benachteiligen. Eine solche Auslegung des Gleichheitsgrundsatzes

ignoriert die einfachsten Einsichten ... zwischenmenschlicher

Kommunikation ... und ... teleologische Bezüge ... Wenn die Bundesverfassung gebietet, Staatsbürger im Verhältnis zueinander gleichzustellen, so muß dem Gesetzgeber zugesonnen werden, daß er umsoweniger eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung von Staatsangehörigen und Nichtstaatsangehörigen dulden will. Ein besseres Schulbeispiel für einen gerechtfertigten Größenschluß muß erst gar nicht gesucht werden."

Eine sachliche Rechtfertigung dafür, daß österreichische Staatsbürger mit einschlägiger fachlicher Tätigkeit in leitender Position im Hinblick auf die Nachsicht vom Befähigungsnachweis schlechter gestellt werden dürfen als EWR-Bürger anderer Staatsangehörigkeit, läßt sich aber, wie bereits ausgeführt, nicht finden. Auch der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vermag Umstände, die eine derartige Differenzierung rechtfertigen könnten, nicht zu nennen.

Auch eine am Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit orientierte Überlegung zeigt, daß eine interpretative Reduktion des Normgehalts auf Fälle mit Auslandsbezug, wie dies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erwägt, zu verfassungswidrigen Ergebnissen führt:

Die Regelung, daß zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes der Nachweis einer Befähigung erforderlich ist, schränkt die Erwerbsausübungsfreiheit jener Personen ein, die eine solche Erwerbstätigkeit anstreben. Ein solcher Eingriff ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur zulässig, wenn er im öffentlichen Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, dieser adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt ist (vgl. zB VfSlg. 13094/1992). Der Verfassungsgerichtshof hat es in seiner bisherigen Rechtsprechung für zulässig erachtet, daß der Gesetzgeber den Erwerbsantritt von bestimmten gesetzlich geregelten Ausbildungsgängen und formalisierten Befähigungsnachweisen abhängig macht, sofern diese die Erwerbsausübungsfreiheit nicht unverhältnismäßig einschränken und sofern es nicht ausgeschlossen ist, daß die Absolvierung gleichwertiger Ausbildungsgänge ebenfalls zur Erwerbstätigkeit berechtigt (vgl. VfSlg. 12578/1990 und 13094/1992). Wenn nun durch §373c GewO 1994 iVm §6 der EWR-NachsichtsV für bestimmte Personen der Nachweis der Absolvierung bestimmter einschlägiger fachlicher Tätigkeiten als ausreichend angesehen wird, um jenen öffentlichen Interessen zu entsprechen, die im Regelfall durch den Nachweis der Befähigung erreicht werden sollen, so stellte es einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit dar, wollte man anderen Personen den Zugang zur Erwerbstätigkeit untersagen, die über dieselben einschlägigen fachlichen Tätigkeiten verfügen und deren Absolvierung nachweisen können, nur weil bei ihnen der "Auslandsbezug" fehlt.

Der vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erwogenen Auslegung steht somit das Erfordernis verfassungskonformer Interpretation entgegen.

cc) Zusammenfassend ist somit festzuhalten: §373c GewO 1994 ermächtigt weder ausdrücklich dazu, seinen Anwendungsbereich auf Fälle mit Auslandsbezug einzuschränken oder die Erteilung einer Nachsicht davon abhängig zu machen, daß die einschlägige fachliche Tätigkeit in leitender Position im Ausland absolviert wurde, noch kann ihm im Wege der Interpretation ein solcher Inhalt beigemessen werden. Er bietet keine Grundlage für eine untergesetzliche Regelung, derzufolge die Absolvierung der dort genannten fachlichen Tätigkeit im Inland die Erteilung einer Nachsicht ausschließt.

Der diese Konsequenz bewirkenden Formulierung in der Verordnung, dem Wort "anderen" im Einleitungssatz des §6 Abs1 der EWR-NachsichtsV, fehlt daher die gesetzliche Grundlage.

d) Da die unter Pkt. II.1.c) geschilderte Änderung des §373c GewO 1994 durch die rückwirkend in Kraft getretene Gewerberechtsnovelle 1996 die gesetzliche Ermächtigung im hier maßgeblichen Bereich nicht verändert hat, hat sie an der Gesetzwidrigkeit des in Prüfung genommenen Wortes nichts geändert; dieses war daher als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Die Verpflichtung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt II erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG und §60 Abs2 (iVm §61) VerfGG sowie §2 Abs2 Z4 BGBlG, BGBl. 660/1996.

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen werden.

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