OGH 4Ob59/14a

OGH4Ob59/14a24.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer und Mag. Stefan Lichtenegger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei N***** e.U., *****, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. Februar 2014, GZ 1 R 8/14y‑15, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 11. Dezember 2013, GZ 1 Cg 163/13f-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung ‑ unter Einschluss des bestätigten Teils ‑ insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei aufgetragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

auf individuellen Abruf des Empfängers elektronisch im Fernabsatz einen Dienst der Informationsgesellschaft zu erbringen und/oder erbringen zu lassen, ohne den Nutzern ständig die nach § 5 ECG idgF gesetzlich vorgeschriebenen Informationen leicht und unmittelbar zugänglich zur Verfügung zu stellen, insbesondere den Firmennamen, das Firmenbuchgericht und die Firmenbuchnummer, die zuständige Aufsichtsbehörde, die Kammer, den Berufsverband oder eine ähnliche Einrichtung, der sie angehört und die anwendbaren gewerberechtlichen Vorschriften.

Das Mehrbegehren, der beklagten Partei aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

a) auf individuellen Abruf des Empfängers elektronisch im Fernabsatz einen Dienst der Informationsgesellschaft zu erbringen und/oder erbringen zu lassen, ohne den Nutzern ständig die nach § 11 ECG idgF gesetzlich vorgeschriebenen Informationen, nämlich die Vertragsbestimmungen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, leicht und unmittelbar zugänglich zur Verfügung zu stellen;

b) die Verarbeitung und Verwendung nutzerseitig zur Verfügung gestellter Daten ohne aktive Meldung bei der Datenschutzkommission vorzunehmen;

c) mit den Worten 'vollkonzessioniertes Reisebüro' zu werben, obwohl es sich beim Reisebürogewerbe um ein reglementiertes Gewerbe handelt,

wird abgewiesen.

Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten im Sicherungsverfahren vorläufig selbst zu tragen; die Hälfte ihrer Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.901,68 EUR bestimmten anteiligen Kosten im Sicherungsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Text

Begründung

Die Klägerin ist ein Reiseveranstalter mit Sitz in München und bietet ‑ auch im Inland ‑ Pauschalreisen an.

Die Beklagte betreibt seit mehreren Jahrzehnten ein Reisebüro mit Sitz in Oberösterreich. Für die Akquisition von Kunden wirbt die Beklagte unter anderem mit günstigen Pauschalreisen, so auch auf ihrer Internetseite. Dort wird ihr Firmenname, der im Firmenbuch mit „N***** e.U.“ eingetragen ist, unter der Rubrik „Kontakt“ mit „N***** e.U.“ angegeben, unter der Rubrik „Impressum“ mit „Reisebüro R***** N*****“. Sowohl auf der Homepage der Beklagten als auch auf den Plattformen „Facebook“ und „Google Plus“, mit welchen die Beklagte multimedial verknüpft ist, fehlen Informationen über Firmenbuchnummer, Firmenbuchgericht, Aufsichtsbehörde, anwendbare gewerberechtliche Vorschriften und Kammermitgliedschaft; auf den genannten Plattformen fehlt auch eine Information über den Firmenwortlaut. Wird der Reisekatalog von der Homepage heruntergeladen, findet sich darin nur ein Hinweis auf die geltenden Reisebedingungen (ARB 1992); eine Speichermöglichkeit bzw Wiedergabe dieser Bestimmungen ist für den Nutzer nicht möglich.

Die Kunden der Beklagten können deren Reisen in den Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten buchen und im Internet Buchungsanfragen absenden. Eine Buchungsmöglichkeit im Internet besteht nicht; hierfür müsste zuerst ein Anmeldeformular ausgefüllt und personenbezogene Daten bekannt gegeben werden. Die Beklagte hat keine aktive Meldung bei der Datenschutzkommission betreffend die Verwendung und Verarbeitung solcher nutzerseitig zur Verfügung gestellter Daten erstattet. Die Beklagte bezeichnet sich auf ihrer Homepage als „vollkonzessioniertes Reisebüro“.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

a) auf individuellen Abruf des Empfängers elektronisch im Fernabsatz einen Dienst der Informationsgesellschaft zu erbringen und/oder erbringen zu lassen, ohne den Nutzern ständig die nach dem ECG in der geltenden Fassung gesetzlich vorgeschriebenen Informationen leicht und unmittelbar zugänglich zur Verfügung zu stellen, insbesondere den Firmennamen, das Firmenbuchgericht und die Firmenbuchnummer, die zuständige Aufsichtsbehörde, die Kammer, den Berufsverband oder eine ähnliche Einrichtung, der sie angehört, die anwendbaren gewerberechtlichen Vorschriften, die Vertragsbestimmungen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen;

b) die Verarbeitung und Verwendung nutzerseitig zur Verfügung gestellter Daten ohne aktive Meldung bei der Datenschutzkommission vorzunehmen;

c) mit den Worten „vollkonzessioniertes Reisebüro“ zu werben, obwohl es sich beim Reisebürogewerbe um ein reglementiertes Gewerbe handelt.

Die Internet-Werbung der Beklagten samt online‑Buchungsmöglichkeit verstoße gegen gesetzliche Bestimmungen, da entgegen § 5 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 6 ECG auf der Homepage der Firmenname nicht korrekt angegeben und weder Firmenbuchgericht, noch Firmenbuchnummer, zuständige Aufsichtsbehörde, zuständige Kammer oder anwendbare gewerbe- oder berufsrechtliche Vorschriften angeführt seien. Auch verweise die Beklagte in ihrem herunterladbaren Reisekatalog nur allgemein auf die Allgemeinen Reisebedingungen (ARB 1992), ohne deren Inhalt ‑ wie in § 11 ECG vorgeschrieben ‑ auf ihrer Homepage wiederzugeben oder deren Speichern zu ermöglichen. Die Beklagte verstoße mit diesem Verhalten gegen § 1 UWG, darüber hinaus auch gegen § 2 Abs 4 UWG, da ihre Website wesentliche Informationen nicht enthalte, die der Marktteilnehmer benötige, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und die somit geeignet sei, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die verletzten Bestimmungen gälten gemäß § 2 Abs 5 UWG als wesentlich (Wesentlichkeitsfiktion). Weiters biete die Beklagte auf ihrer Homepage die Möglichkeit, Reisen zu buchen, wobei ein Anmeldeformular online ausgefüllt werden müsse. Trotz der offensichtlichen Verarbeitung und Verwendung nutzerseitig zur Verfügung gestellter Daten habe die Beklagte keine aktive Meldung bei der Datenschutzkommission vorgenommen. Dadurch setze sich die Beklagte schuldhaft über das Datenschutzgesetz hinweg, um im Wettbewerb einen nicht unerheblichen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen. Auch werbe die Beklagte auf ihrer Homepage damit, ein „vollkonzessioniertes Reisebüro“ zu sein, obwohl es sich gemäß § 54 Z 56 GewO beim Reisebürogewerbe um ein reglementiertes und nicht um ein konzessioniertes Gewerbe handle; sie täusche damit darüber, eine zusätzliche Befähigung erworben zu haben, die andere Reisebüros nicht hätten. Es liege somit ein wettbewerbswidriges Verhalten im Sinn des § 31 UWG vor.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Ihre Website diene nur der Werbung, ein unmittelbarer Vertragsabschluss auf elektronischem Weg sei nicht möglich, weshalb für die Anwendung der §§ 9 ff ECG und damit auch des § 11 ECG kein Raum sei. Den Betreiber einer Homepage treffe in diesem Fall nicht die Verpflichtung, die Vertragsbestimmungen und (allfällige) Allgemeine Geschäftsbedingungen auf der Website zugänglich zu machen. Über ein „Anmeldeformular“ könne nur eine branchenübliche online-Kommunikation vorgenommen werden. Die unterschiedliche Schreibweise des Firmennamens sei für den Verbraucher irrelevant und bewirke keine Verwechslungsgefahr. Die Verletzung von Informationspflichten nach dem ECG bedeute dann keine lauterkeitsrechtliche Unlauterkeit, wenn dadurch keine nachteiligen Folgen im Wettbewerb einträten. Die über ein Kontaktformular verwendeten und verarbeiteten Daten seien gemäß § 17 Abs 2 Z 6 DSG nicht meldepflichtig, weil es sich um eine Standardanwendung nach der Standard- und Musterverordnung 2004 handle. Die Beklagte täusche mit der Verwendung der Wortfolge „vollkonzessioniertes Reisebüro“ über keine Befähigung, die sie nicht habe, weil sie seit 1993 eine Konzession gemäß § 208 Abs 1 GewO 1973 besitze.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die in § 5 Abs 1 ECG geregelten Informationspflichten seien jedenfalls wesentliche Informationen im Sinn des § 2 Abs 4 UWG, eine Irreführung liege jedoch dann nicht vor, wenn die Verletzung dieser Informationspflichten im Fall von online-Informationsdiensten für die geschäftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers tatsächlich nicht ausschlaggebend sein werde. Unabhängig von der Schreibweise des Firmennamens sei für jedermann klar ersichtlich, dass die Beklagte als Vertragspartnerin auftrete, weshalb keine irreführende Geschäftspraktik vorliege. Jedenfalls fehle es an der Erheblichkeit und Relevanz der Irreführung, weil die „falsch“ geschriebene Schreibweise des Firmennamens keinen Einfluss auf die Entscheidung des Kunden habe, eine Reise bei diesem Unternehmen zu buchen. Aus dem selben Grund sei das Fehlen der weiteren Angaben im Sinn des § 5 ECG möglicherweise eine Verwaltungsübertretung, aber keine irreführende Geschäftspraktik. Der durchschnittliche Verbraucher lege bei der Buchung einer Reise keinen Wert auf die Kenntnis der als fehlend beanstandeten Informationen. Diene eine Website ‑ wie jene der Beklagten ‑ nur der Werbung, ohne dass Verträge auf elektronischem Weg abgeschlossen werden könnten, sei für die Anwendung der §§ 9 ff ECG und damit des § 11 ECG kein Raum. Nach § 17 Abs 2 Z 6 DSG seien jene Datenanwendungen nicht meldepflichtig, die einer Standardanwendung entsprächen. Die Standard- und Musterverordnung 2004 stelle die Verwendung von eigenen oder zugekauften Kunden- und Interessentendaten für die Geschäftsanbahnung betreffend das eigene Lieferungs- oder Leistungsangebot, einschließlich automationsunterstützt erstellter und archivierter Textdokumente, als nicht meldepflichtig frei. Bei den der Beklagten im ausgefüllten Anmeldeformular bekannt gegebenen Daten handle es sich um Daten von Interessenten für die Anbahnung von Reiseveranstaltungsverträgen. Auch sei die Meldung an die Datenschutzkommission eine rein verfahrenstechnische Maßnahme, die den Wettbewerb an sich nicht beeinflusse. Für die Ausübung eines Reisebürogewerbes sei bis 1992 der Nachweis einer Konzession notwendig gewesen. Seit der Gewerberechts-Novelle 2002 reihe man das Reisebürogewerbe jedoch in die Liste der reglementierten Gewerbe ein, weshalb nur mehr bestimmte Befähigungsnachweise erforderlich seien. Diese Klassifikation berühre den Verbraucher bei seiner Reisebuchung grundsätzlich nicht, da er die inhaltlichen Unterschiede zwischen bestimmten Befähigungszertifikaten und Konzessionen nicht kenne. Auch verbinde der durchschnittliche Marktteilnehmer mit dem Begriff „Vollkonzession“ nicht automatisch eine bessere Qualifikation des Unternehmens und mehr Rechte gegenüber anderen Mitbewerbern.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss in der Hauptsache und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; in Anbetracht der im Schrifttum geäußerten Kritik an der Entscheidung 4 Ob 186/08v bedürfe es einer Klärung der Frage, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 5 UWG eine Relevanzprüfung bei irreführenden Geschäftspraktiken vorzuznehmen sei oder ob es sich diesfalls um ein per-se-Verbot handle.

1. Fehlende Informationen nach dem ECG

§§ 9 und 10 ECG gälten schon aufgrund ihres Wortlauts nur für Verträge, die über Webseiten mit Bestellfunktion zustande kommen, nicht hingegen für Verträge, die der Kunde ausschließlich im Weg der elektronischen Post oder eines damit vergleichbaren individuellen Kommunikationsmittels abschließe. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner bisher einzigen zu § 11 ECG ergangenen Entscheidung 4 Ob 80/03y für Verträge, die nicht direkt über Webseiten abgeschlossen werden können, auch die Anwendbarkeit des § 11 ECG verneint. Ein Lauterkeitsverstoß infolge Rechtsbruch liege daher nicht vor.

Die Klägerin stütze ihr Begehren auch auf das Vorliegen einer gegenüber Verbrauchern irreführenden Geschäftspraktik, da auf der Website der Beklagten die in § 5 Abs 1 Z 1, 4, 5 und 6 ECG vorgeschriebenen wesentlichen Informationen, die der Marktteilnehmer benötige, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können, fehlten oder unkorrekt angeführt seien. Das Rekursgericht schließe sich der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 186/08v an, wonach immer dann, wenn das Verhalten eines Unternehmers nicht geeignet sei, geldwerte Veränderungen im Vermögen eines Verbrauchers herbeizuführen, keine unlautere Geschäftspraktik nach der Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 2 UWG und auch keine irreführende Geschäftspraktik nach § 2 UWG vorliege. Auch wenn hier ‑ anders als in der genannten Entscheidung ‑ entgeltliche Geschäfte mit letztlich geldwerten Veränderungen im Vermögen des Verbrauchers im Raum stünden, sei nicht zu erkennen, welchen Einfluss auf das Verhalten des Verbrauchers die Beklagte dadurch nehmen könnte, dass sie die als fehlend (bzw unkorrekt) beanstandeten Informationen auf ihrer Website nicht anführe. Für einen verständigen Durchschnittsverbraucher sei es für seine geschäftlichen Entscheidungen mit der Beklagten als Reisebüro nicht relevant, ob auf deren Homepage Firmenbuchnummer und Firmenbuchgericht, zuständige Aufsichtsbehörde und Kammer sowie ein Hinweis auf die anwendbaren gewerbe- oder berufsrechtlichen Vorschriften angeführt seien. Auch die unrichtige Schreibweise des Firmennamens (Klein- statt Großbuchstaben bzw Anführung des Einzelkaufmanns mit vollem Namen) sei in diesem Sinn nicht entscheidend, weil völlig klar sei, mit wem der Verbraucher allenfalls kontrahiere.

2. Fehlende Meldung bei der Datenschutzkommission

Gemäß § 17 Abs 1 erster Satz DSG habe jeder Auftraggeber, soweit in den Absätzen 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist, vor Aufnahme einer Datenanwendung eine Meldung an die Datenschutzbehörde mit dem in § 19 festgelegten Inhalt zum Zweck der Registrierung im Datenverarbeitungsregister zu erstatten. Nicht meldepflichtig seien nach Abs 2 Z 6 dieser Bestimmung Datenanwendungen, die einer Standardanwendung entsprächen: Der Bundeskanzler könne durch Verordnung Typen von Datenanwendungen und Übermittlungen aus diesen zu Standardanwendungen erklären, wenn sie von einer großen Anzahl von Auftraggebern in gleichartiger Weise vorgenommen werden und angesichts des Verwendungszwecks und der verarbeiteten Datenarten die Gefährdung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen unwahrscheinlich sei. Nach § 1 Abs 1 der aufgrund der §§ 17 Abs 2 Z 6, 19 Abs 2 DSG ergangenen Standard- und Muster-Verordnung 2004 (StMV 2004) gälten die in Anlage 1 enthaltenen Datenanwendungen als nicht meldepflichtige Standardanwendungen im Sinn des § 17 Abs 2 Z 6 DSG 2000. In Anlage 1, SA 022 (Kundenbetreuung und Marketing für eigene Zwecke), der StMV 2004 sei als Zweck der Datenanwendung die Verwendung von eigenen oder zugekauften Kunden- und Interessentendaten für die Geschäftsanbahnung betreffend das eigene Lieferungs- oder Leistungsangebot, einschließlich automationsunterstützt erstellter und archivierter Textdokumente (wie zB Korrespondenz) in dieser Angelegenheit genannt. Als betroffene Personengruppen seien unter anderem eigene Kunden und Interessenten, die an den Auftraggeber selbst herangetreten sind, genannt. Die von der Beklagten verwendeten Daten fielen unter diese Ausnahmeregelung, weshalb eine aktive Meldung der Beklagten bei der Datenschutzkommission nicht erforderlich sei.

3. „vollkonzessioniertes Reisebüro“

Das Reisebürogewerbe habe sich vom konzessionierten Gewerbe (GewO 1859) zum reglementierten Gewerbe (GewRNov 2002) entwickelt; „reglementierte Gewerbe“ seien solche, bei denen auch in Hinkunft ein Befähigungsnachweis zu erbringen sei. Die Beklagte besitze seit 1993 ein Konzessionsdekret für das Reisebürogewerbe gemäß § 208 Abs 1 GewO 1973. Auch wenn eine Konzession nach geltender Rechtslage nicht mehr zur Ausübung des Gewerbes des Reisebüros erforderlich sei, könne in Anbetracht der dargestellten Gesetzesentwicklung nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit der Bezeichnung „vollkonzessioniertes Reisebüro“ den Verbraucher über den Umfang ihrer Berechtigung täusche. Einerseits sei sie tatsächlich im Besitz dieser Befähigung, andererseits gebrauche sie diese nicht in einer Weise, die zur Täuschung über den Anlass oder Grund der Verleihung oder den Umfang des Vorrechts geeignet sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

1. Fehlende Informationen nach dem ECG

1.1. Das Rechtsmittel macht eine unrichtige Auslegung des § 2 Abs 5 UWG (Verletzung besonderer Informationspflichten nach dem Unionsrecht) geltend und regt die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof zu Art 7 Abs 5 Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken an, weil in dessen Rechtsprechung ungeklärt sei, ob in den dort angeführten Fällen die geschäftliche Relevanz neben der Wesentlichkeit gesondert zu prüfen oder Relevanz als unwiderlegliche Rechtsvermutung anzunehmen sei. Diese Anregung war aus folgenden Überlegungen nicht aufzugreifen:

1.2. Die Klägerin hat ihren Anspruch ausdrücklich auch auf § 1 UWG (Rechtsbruchtatbestand) gestützt. Tatsächlich verstößt die Beklagte gegen § 5 Abs 1 Z 1, 4, 5 und 6 ECG, wenn sie auf ihrer Homepage bzw den damit verknüpften Plattformen „Facebook“ und „Google Plus“ nicht alle dort aufgezählten Angaben (Firmenname, Firmenbuchnummer, Firmenbuchgericht, zuständige Aufsichtsbehörde, zuständige Kammer samt anwendbare gewerbe- oder berufsrechtliche Vorschriften und den Zugang zu diesen) ersichtlich macht.

1.3. Dieses Verhalten ist geeignet, es Vertragspartnern der Beklagten schwerer zu machen, vertragliche Ansprüche gegen diese geltend zu machen, weil ohne die in § 5 Abs 1 Z 1, 4, 5 und 6 ECG genannten Angaben die rasche und mühelose Kontaktaufnahme zur Beklagten und/oder deren Aufsichtsbehörde oder Kammer zwecks Beschwerden verhindert und so eine in Aussicht genommene Rechtsverfolgung erschwert wird. Damit wird die Beklagte im Wettbewerb gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern begünstigt und der Tatbestand nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG verwirklicht. Zugleich ist auch der Irreführungstatbestand erfüllt, weil auch das Ausüben vertraglicher Rechte eine „geschäftliche Entscheidung“ (§ 1 Abs 4 Z 7 UWG) ist, die durch die unterbliebenen Angaben beeinflusst wird; die Relevanz ist daher zu bejahen. Für das Fehlen der Angaben betreffend die Aufsichtsbehörde und die anwendbaren gewerbe- oder berufsrechtlichen Vorschriften gilt dies gleichermaßen.

1.4. Der der Entscheidung 4 Ob 151/04s zugrunde liegende Sachverhalt unterschied sich vom Anlassfall dadurch, dass dort der Name des Beklagten auf der Website enthalten war, während hier auf den verknüpften Plattformen die Firma fehlt. Der verknüpfte Zugang auf die genannten Plattformen ist mit bloßen Unterseiten der Website der Beklagten nicht vergleichbar, da für Interessenten ja auch ein direkter Einstieg in die genannten Plattformen möglich ist, in welchem Fall ihnen die nach § 5 ECG vorgeschriebenen Informationen nicht zur Kenntnis gelangen.

1.5. Für die behaupteten Verstöße der Beklagten gegen § 11 ECG (Möglichkeit zur Speicherung und Wiedergabe von Vertragsbestimmungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen) ist zu beachten, dass diese Bestimmung Teil des vierten Abschnitts des E‑Commerce-Gesetzes, der mit „Abschluss von Verträgen“ überschrieben ist. Adressat dieser Bestimmungen ist der Diensteanbieter. Ihn treffen Informationspflichten, wenn die Website zum Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg führen soll und der Nutzer daher eine bindende Vertragserklärung auf elektronischem Weg abgeben kann. Dient eine Website nur der Werbung, ohne dass Verträge auf elektronischem Weg abgeschlossen werden können, so ist für die Anwendung der §§ 9 ff ECG und damit auch des § 11 ECG kein Raum; den Betreiber einer Homepage trifft daher die in § 11 ECG normierte Verpflichtung nicht, Vertragsbestimmungen und (allfällige) Allgemeine Geschäftsbedingungen auf der Website zugänglich zu machen (4 Ob 80/03y = SZ 2003/51 = RIS‑Justiz RS0117611). Letzteres ist hier der Fall, weil nach den Feststellungen keine Buchungsmöglichkeit im Internet besteht.

1.6. Damit erweist sich das Unterlassungsbegehren als berechtigt, so weit es sich auf die Verletzung von Informationspflichten nach § 5 ECG stützt.

2. Fehlende Meldung bei der Datenschutzkommission

2.1. Die Klägerin hat den Vorwurf einer Verletzung des DatenschutzG (DSG) darauf gegründet, dass die Beklagte trotz der offensichtlichen Verarbeitung und Verwendung nutzerseitig zur Verfügung gestellter Daten keine aktive Meldung bei der Datenschutzkommission vorgenommen habe.

2.2. Im Sicherungsverfahren wurde als bescheinigt festgestellt, dass die Kunden der Beklagten im Internet Buchungsanfragen absenden können. Eine Buchungsmöglichkeit im Internet besteht nicht; hierfür müsste zuerst ein Anmeldeformular ausgefüllt und personenbezogene Daten bekannt gegeben werden.

2.3. Unter diesen Umständen verweist die Klägerin zutreffend auf § 1 Abs 2 iVm Anlage 2 der Standard- und Musterverordnung 2004, wonach die dort enthaltenen Datenanwendungen als (vereinfacht) zu meldende Musteranwendungen gelten. Anlage 2 enthält in MA001 den Anwendungsbereich Personentransport- und Hotelreservierung mit den angeführten Zwecken „gewerbliche Reservierung von Flügen, Plätzen in anderen Verkehrsmitteln, Hotels und anderen Unterkünften, Reservierungen im Touristikbereich einschließlich automationsunterstützt erstellter und archivierter Textdokumente, wie zB Korrespondenz, in diesen Angelegenheiten“.

2.4. Dass die Beklagte bei Ausübung ihres Gewerbes eines Reisebüros mit Anfragemöglichkeit im Internet nicht unter diese Meldevorschrift nach dem DSG falle, weil sie keine personenbezogenen Daten ihrer Kunden für die in Anlage 2/MA001 genannten Zwecke verwende, hat sie nicht behauptet. Mangels aktiver Meldung bei der Datenschutzkommission betreffend die Verwendung und Verarbeitung nutzerseitig zur Verfügung gestellter Daten liegt auch eine Gesetzesverletzung vor. Dass diese allerdings auch geeignet wäre, der Beklagten einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen (vgl RIS-Justiz RS0120712), ist nicht ersichtlich. Die Vorinstanzen haben deshalb das auf diesen Verstoß gegründete Unterlassungsbegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

3. „vollkonzessioniertes Reisebüro“

3.1. Der Senat teilt die Auffassung des Rekursgerichts, die Beklagte täusche mit der beanstandeten Bezeichnung deshalb nicht über den Umfang ihrer Befugnis, da sie nur wahrheitsgemäß auf eine von ihr erworbene Befähigung (Konzession für das Reisebürogewerbe als Voraussetzung ihrer Gewerbeausübung nach der Rechtslage vor der GewRNov 2002) hinweist. Dass die Befähigung der Beklagten über jene anderer Reisebüros hinausgehe, wird damit ‑ entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung ‑ nicht zum Ausdruck gebracht.

3.2. Zutreffend verweist die Beklagte auf den Umstand, dass sie befähigt ist, das Reisebürogewerbe in seinem vollen Umfang (§ 126 Abs 1 Z 1 bis 5 GewO), nicht nur eingeschränkt (§ 126 Abs 3 GewO) auszuüben. Auch unter diesem Aspekt ist die von der Beklagten verwendete Bezeichnung nicht geeignet, unrichtige Vorstellungen beim Verbraucher über den Umfang der Befähigung der Beklagten zur Ausübung ihres Gewerbes zu erwecken. Die Vorinstanzen haben deshalb insoweit einen Verstoß gegen Lauterkeitsrecht fehlerfrei verneint.

4. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Die Klägerin hat ihren Sicherungsantrag betreffend Verletzung von zwei Paragraphen des ECG mit 30.000 EUR bewertet und ist in diesem Punkt hinsichtlich nur einer Bestimmung erfolgreich geblieben; mangels anderer Anhaltspunkte sind Obsiegen und Unterliegen insoweit je mit der Hälfte des Begehrens zu bewerten (4 Ob 95/98v; 4 Ob 3/05b uva). Demgegenüber fallen die mit zusammen 4.000 EUR bewerteten Unterlassungsbegehren zu b) und c) kostenmäßig nicht ins Gewicht, weshalb insgesamt beide Parteien etwa zu gleichen Teilen (rund 45:55) obsiegt haben. Die Bemessungsgrundlage im Sicherungsverfahren beträgt 34.000 EUR. Die Anregung auf Vorabentscheidung war mangels eingehender rechtlicher Begründung (Anm 3 zu TP 3 RATG) nicht mit einem Zuschlag zu honorieren.

Zu berücksichtigen war, dass die Klägerin mit ihrem Kostenrekurs erfogreich war; diese Kosten des Zwischenstreits im Sicherungsverfahren (vgl 4 Ob 194/98b; 4 Ob 195/98z) in Höhe von 93,16 EUR (ohne USt) waren zu ihren Gunsten vom anteiligen Kostenanspruch der Beklagten in Höhe von 2.994,84 EUR in Abschlag zu bringen. Dabei war zu beachten, dass die Leistungen des österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Klienten nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterliegen. Sie gelten als an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt (Empfängerortprinzip; vgl § 3a Abs 6 UStG 1994 idF BGBl I 112/2012) und unterliegen daher jener Umsatzsteuer, die dort, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt, zu entrichten ist (4 Ob 255/04k; RIS‑Justiz RS0114955). Ob ‑ und allenfalls in welcher Höhe ‑ die Klägerin (oder ihr inländischer Vertreter selbst) für die erbrachten anwaltlichen Leistungen in Deutschland Umsatzsteuer abzuführen haben, bedarf keiner näheren Prüfung, weil mit der kommentarlosen Verzeichnung von 20 % USt durch die Kläger ohne Zweifel nur die inländische Umsatzsteuer angesprochen worden ist (4 Ob 174/13m; vgl RIS-Justiz RS0114955).

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